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[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]

KORVETTENKAPITÄN HARMS: Hoher Gerichtshof! Während der Vernehmung des Zeugen D...

VORSITZENDER: Wünschen Sie, daß ich den Zeugen zurückbehalte?

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Nein. Während der Vernehmung des Zeugen Dr. Best gestattete der Gerichtshof der Anklagevertretung, noch ein Dokument vorzulegen, das seinerzeit noch nicht verfügbar war. Mit Erlaubnis des Gerichtshofs möchte ich es jetzt vorlegen. Es ist Dokument 4057-PS und wird Beweisstück US-924. Dieses Dokument wurde dem Zeugen Best in Anwesenheit des Verteidigers für die Gestapo, Dr. Merkel, gezeigt, und der Zeuge hat es identifiziert. Das Dokument zeigt, daß der Zeuge nicht nur Kenntnis von dem Gegenterrorprogramm für Dänemark hatte, sondern daß er selbst Gegenterrormaßnahmen anordnete und daß er bei einer Gelegenheit die Hinrichtung eines Studenten befahl.

Wie sich der Gerichtshof erinnern wird, wurde während der Vernehmung von Dr. Best eine Reihe von Dokumenten, Beweisstücke US-911 bis einschließlich 915 vorgelegt, um zu zeigen, daß die Gestapo einen französischen General ermordet hat. Zu jener Zeit hatten wir nur die Photokopien dieser Dokumente, und ich habe dem Gerichtshof erklärt, daß wir versuchen würden, die Originale zu erhalten. Wir haben jetzt die Originale, und sie werden an Stelle der Photokopien vorgelegt.

Ich habe damals auch den Zeugen Best gefragt, ob er wisse, daß zu der Zeit, als dieser behauptete Mord stattgefunden haben soll, ein französischer General, General Mesny, getötet worden ist, und er erklärte, daß er davon nichts wisse. Die Französische Anklage hat uns den dokumentarischen Beweis dafür jetzt geliefert, daß General Mesny damals unter Umständen getötet wurde, die zweifelsohne beweisen, daß dieser Mord in Übereinstimmung mit den hier bereits aufgezeigten Plänen ausgeführt worden ist. Zu diesem Zweck möchte ich jetzt als nächstes das Dokument 4069-PS vorlegen, das US-925 wird. Dieses Dokument ist von der Delegation des Französischen Justizministeriums beglaubigt.

Ich möchte den Gerichtshof bitten, seine Aufmerksamkeit auf Seite 2 zu richten. Dort handelt es sich um ein Schreiben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz in Genf, datiert vom 5. April 1945, an Madame Mesny. Ich möchte die Tatsache noch betonen, daß dieses Dokument lange vor dem gegenwärtigen Zeitpunkt datiert ist und zu einer Zeit geschrieben wurde, als die anderen Dokumente, über die der Gerichtshof verfügt, natürlich noch ganz unbekannt waren.

Dieser Brief erklärt, daß der Attaché der Schweizerischen Gesandtschaft in Berlin, Herr Denzler, bestimmte Nachrichten über General Mesny übersandt habe, und ich darf Ihre Aufmerksamkeit auf den zweiten Absatz dieses Berichts lenken, wo es heißt, daß die Generale Flavigny, de Boisse und Buisson vom Oflag IV B in Königstein nach dem Oflag IV C in Colditz verlegt worden sind.

»Die Generale Mesny und Vauthier haben ebenfalls Königstein in einem Privatwagen verlassen, um sich nach Colditz zu begeben. Gemäß einer Nachricht des Kommandanten Prawill wurde General Mesny bei einem Fluchtversuch in der Nähe von Dresden erschossen.«

Dies war der Bericht, den das Internationale Rote Kreuz an Madame Mesny gesandt hat.

Ich möchte aber die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs ganz besonders auf das zweite Dokument vom 29. April 1945 lenken, das von General Buisson an den Kriegsminister über den Fall General Mesny geschrieben wurde. General Buisson führt in diesem Brief folgendes aus: »Am 18. Januar 1945...« – und nebenbei möchte ich die Erinnerung des Gerichtshofs dahin auffrischen, daß das letzte Dokument, das wir vorlegten, vom 12. Januar 1945 stammte. Es zeigt, daß zu jener Zeit zu diesem Mord schon alle Vorbereitungen getroffen waren. Ich fahre in dem Dokument fort:

»Am 18. Januar 1945 wurden die folgenden sechs Generale aus dem Lager Königstein, Oflag IV B, dazu be stimmt, das Lager am 19. Januar morgens zu verlassen, Bestimmungsort unbekannt.

Erster Wagen: 6 Uhr die Generale Daine und de Boisse.«

Wieder, in Parenthese gesagt, der Gerichtshof dürfte sich erinnern, daß General de Boisse der General war, den man zuerst ermorden wollte, wie aus dem Dokument hervorgeht. Und, wenn Sie sich erinnern wollen, es war entschieden worden, daß General de Boisse nicht getötet werden sollte, weil sein Name zu oft am Telephon erwähnt worden war, und daß deshalb an seine Stelle ein anderer General genommen werden sollte. So sehen wir, daß General de Boisse im ersten Wagen war.

»Zweiter Wagen: 6.15 Uhr die Generale Flavigny und Buisson.

Dritter Wagen: 6.30 Uhr die Generale Mesny und Vauthier.

Während am 19. Januar der erste Wagen zur festgesetzten Stunde abfuhr, war es bei den anderen beiden Wagen nicht so, da sowohl der Abmarschbefehl als auch die Zeit abgeändert wurden.

Zweiter Wagen: 7 Uhr General Mesny allein, denn es war auf Grund einer Nachricht, die dem General Buisson durch den deutschen Dolmetscher Rosenberg übermittelt wurde, ein Befehl des OKW während der Nacht eingetroffen, der die Abreise des Generals Vauthier rückgängig machte...

In jedem Wagen war ein deutscher Offizier mit einer Maschinenpistole auf den Knien und den Finger am Abzug.

Bei unserer Ankunft im Vergeltungslager Colditz (Oflag IV C) gegen Mittag des 19. Januar stellten wir fest, daß General Mesny nicht angekommen war. Wir dachten, daß er in ein anderes Lager gebracht worden sei, obwohl sich sein Gepäck auf dem Lastwagen befand zusammen mit dem der anderen vier Generale.

Am 20. Januar morgens kam der Kommandant Prawitt, Chef des Oflag IV C, in die Räume der französischen Generale und machte uns die folgende Mitteilung: ›Ich teile Ihnen offiziell mit, daß General Mesny gestern in Dresden bei einem Fluchtversuch erschossen wurde. Er wurde in Dresden begraben, und eine Abteilung der Wehrmacht hat ihm die letzte Ehre erwiesen‹.«

Dann, Hoher Gerichtshof, fährt General Buisson in seiner Beschreibung fort, und wir sollten uns daran erinnern, daß er, als er das Schreiben verfaßte, keine Ahnung von diesem Komplott hatte, wie wir es heute kennen. Er schrieb:

»Zwei Tatsachen waren beunruhigend in dieser düsteren Tragödie.

1. Der Alleintransport des Generals Mesny (zweiter Wagen). Die Bestimmung des Generals Vauthier, und dann die Aufhebung dieses Befehls sind uns, mit Rücksicht auf die Haltung dieses Generals, der ja in Deutschland freiwillig arbeitete, sehr verdächtig vorgekommen und seine Überführung in ein Vergeltungslager erschien uns daher unerklärlich.

2. General Mesny, dessen ältester Sohn sich in einem Lager für politische Deportierte in Deutschland befindet, sagte mir mehrmals während unserer Gespräche: ›Wenn ich auch bis 1944 immer versucht habe, meine Flucht vorzubereiten, habe ich doch später darauf verzichtet, selbst wenn mir alle Möglichkeiten für einen Erfolg gegeben gewesen wären.

Vor allem ist das Ende des Krieges nur noch eine Frage von Wochen, ferner und in erster Linie hätte ich zu sehr die Furcht, daß mein ältester Sohn meine Flucht mit dem Leben zu bezahlen hätte!‹

Eine Stunde vor seiner Abreise von Königstein am 19. Januar hat General Mesny diese Worte mir gegenüber wiederholt.«

VORSITZENDER: Dr. Laternser?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Ich bitte, mir zu gestatten, bevor Dr. Laternser beginnt, noch einen Punkt vorzubringen. Euer Lordschaft, zufolge des allgemeinen Beweismaterials, das der Kommission vorgelegt wurde, und der Ankündigung, daß eine Anzahl von zusammenfassenden Affidavits von bestimmten Organisationen vorgelegt werden würden, hat sich die Anklage elf Affidavits von allgemeiner Bedeutung verschafft, die von Staatsministern, örtlichen Funktionären und von einem Zeitungsherausgeber abgegeben worden sind und die die gleichen Themen behandeln wie die zusammengefaßten Affidavits, die die Verteidigung nun vorlegen will. Sie könnten natürlich im Kreuzverhör den Zeugen für die SA vorgelegt werden, aber ich stelle es dem Gerichtshof anheim, daß es in diesem Stadium des Prozesses wahrscheinlich angebrachter wäre, wenn sie einfach dann angeboten würden, wenn die Verteidiger der Organisationen ihre Dokumente behandelt haben.

Wenn dieser Vorschlag dem Gerichtshof zusagt, sollten der Verteidigung sofort deutsche Übersetzungen überreicht werden, so daß sie Gelegenheit erhält, sie durchzusehen. Andernfalls würde ich sie natürlich zurückhalten, um sie im Kreuzverhör vorzulegen und das Überraschungsmoment zu wahren.

Euer Lordschaft, das liegt natürlich in Händen des Gerichtshofs, aber das schien mir eine geeignetere Methode zu sein, als noch mehr Zeit im Kreuzverhör zu brauchen in diesem Stadium, da so viele Tatsachen bekannt sind.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Ich habe diesen Vorschlag von Sir David Maxwell-Fyfe nicht verstanden in der Übersetzung, und ich bitte, ihn noch einmal wiederholen zu lassen, damit eventuell die Verteidigung dazu Stellung nehmen könnte.

VORSITZENDER: Wollen Sie Ihren Vorschlag nochmals machen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Ich habe elf Affidavits, die von verschiedenen Herren, einschließlich von ehemaligen Staatsministern der sozialdemokratischen und anderen nicht-nationalsozialistischen Parteien, von örtlichen Beamten und von dem Herausgeber einer Zeitung stammen. Sie sollen sich allgemein mit vor der Kommission behandelten Angelegenheiten befassen, die, wie ich es verstehe, in den zusammengefaßten Affidavits, den Affidavits, die eine große Menge von Affidavits zusammenfassen, behandelt werden sollen.

Ich habe dem Gerichtshof vorgeschlagen, daß ich, statt Zeit zu gebrauchen und den Inhalt der Affidavits den Zeugen für die SA vorzulegen, dem Zeugen Jüttner und anderen, die vermutlich die meisten dieser Punkte behandeln werden, daß ich sie vorlegen möchte, nachdem die Verteidigung ihre Dokumente angeboten hat.

Und um die Verteidiger in keiner Weise zu benachteiligen, habe ich vorgeschlagen, falls dieser Weg gewählt wird, ihnen Abschriften in deutscher Sprache von diesen Affidavits sofort zu überreichen, so daß sie die Möglichkeit haben, sich mit dem Inhalt vertraut zu machen.

Der Zweck der Sache ist, die Dokumente zusammenzuhalten, und ich hoffe, auch damit dem Gerichtshof in diesem Stadium des Prozesses beim Kreuzverhör Zeit zu ersparen.

Ich hoffe, daß das jetzt klar ist, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Dem Gerichtshof erscheint diese Regelung passend. Es wird den deutschen Verteidigern dadurch mehr Zeit gegeben, die Affidavits noch durchzusehen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich werde das so machen, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Herr Dr. Laternser?

DR. LATERNSER: Mit Erlaubnis des Gerichts rufe ich als ersten Zeugen den Feldmarschall von Brauchitsch.

OBERST TELFORD TAYLOR, BEIGEORDNETER ANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Euer Lordschaft! Darf ich eine kurze Bemerkung machen, bevor der Zeuge erscheint?

VORSITZENDER: Ja, Marschall, halten Sie den Zeugen noch für einen Moment draußen.

OBERST TAYLOR: Euer Lordschaft! Ich wollte eine ganz kurze Bemerkung hinsichtlich der Reichweite der Aussagen des Zeugen Feldmarschall von Brauchitsch machen.

Die anderen beiden Zeugen, die Dr. Laternser rufen wird, Feldmarschall von Manstein und Feldmarschall von Rundstedt, wurden erstmalig von Dr. Laternser vorgeladen und haben vor der Kommission fast über alle Fragen, die Generalstab und Oberkommando betreffen, ausgesagt. Dies geht aus den Zusammenfassungen ihrer Aussagen hervor, die, wie ich glaube, dem Gerichtshof vorliegen.

Der Fall des Zeugen Brauchitsch liegt etwas anders. Der Zeuge von Brauchitsch hat zwei Affidavits unterschrieben, die die Anklage dem Gerichtshof angeboten hat, und zwar als Beweisstücke US-532 und US-535. Diese Affidavits behandeln ausschließlich die Frage der Zusammensetzung und Organisation der Gruppe Generalstab und Oberkommando.

Vor der Kommission ist der Zeuge von Brauchitsch im Kreuzverhör durch Dr. Laternser nur im Rahmen dieser Affidavits befragt worden. Vor der Kommission wurden keine anderen Themen berührt. Soviel ich jetzt verstehe, hat Dr. Laternser vor, den Zeugen von Brauchitsch vor dem Gerichtshof über eine große Anzahl oder wenigstens mehrere andere Fragen, die von den Affidavits nicht gedeckt sind, zu verhören.

Die Anklagebehörde möchte nur darauf hinweisen, daß in dem Ausmaß, in welchem der Zeuge von Brauchitsch andere Angelegenheiten behandelt, die nicht in den Affidavits erwähnt sind, er ein Zeuge für die Verteidigung wird und daß die Anklagebehörde ihn möglicherweise, aber nicht notwendigerweise, über diese bestimmten Dinge in das Kreuzverhör nehmen müssen wird.

Wir dürfen auch vorschlagen, daß, wenn der Zeuge nicht andere Themen bespricht als die, die Manstein und Rundstedt ausführlich behandelt haben, es völlig fair und beschleunigend wäre, wenn sich die Aussagen von Brauchitsch auf die Themen der Affidavits beschränkten, es sei denn, wie ich eben sagte, Brauchitsch sollte die Punkte erörtern, die von den Zeugen von Rundstedt und von Manstein nicht behandelt werden.

VORSITZENDER: Dr. Laternser! Der Gerichtshof wünscht, daß Sie fortfahren und den Zeugen Feldmarschall von Brauchitsch vernehmen. Wir hoffen, daß Sie sich so kurz als möglich fassen, soweit sich seine Aussagen auf dieselben Angelegenheiten beziehen wie die der anderen beiden Zeugen, die zu laden Sie vorschlagen.

DR. LATERNSER: Ich rufe sodann den Feldmarschall von Brauchitsch als ersten Zeugen auf.