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[Zum Gericht gewandt:]

Ich beziehe mich dabei auf die Urkunde 872-PS, US-134, Euer Lordschaft.

VON BRAUCHITSCH: Nach den Ausführungen von Hitler handelte es sich im Falle Rußland, wenn es überhaupt zum Kriege kam, um einen Präventivkrieg. In der Besprechung habe ich mich beschränkt auf die rein militärischen Bedenken. Generaloberst Halder und ich trugen über drei Dinge vor. Das eine war die Weite des russischen Raumes, die man auch heute noch nicht mit dem Motor allein überbrücken kann. Das zweite war die hohe Bevölkerungszahl und damit die große Zahl zur Verfügung stehender, ausgewählter Reserven, das ganz andere Bildungsniveau und die ganz andere Aufgeschlossenheit der russischen Bevölkerung gegenüber den Jahren 1914/1918, wovon ich mich selbst überzeugen konnte, als ich in Rußland Gast der Roten Armee im Jahre 1931 war. Und das dritte war das hohe Rüstungspotential Rußlands. Nach unserer Schätzung verfügte Rußland damals über rund 10000 Panzer. Hitler mußte sich mit diesen Fragen auch schon beschäftigt haben, denn er antwortete sofort und widerlegte die beiden ersten Punkte damit, daß er sagte, die Herrschaft der Sowjets sei bei den russischen Völkern derart unbeliebt, daß sie zusammenbrechen würde. Es käme nur darauf an, daß die ersten Erfolge durchschlagend wären. Für den letzten Punkt der Rüstung führte er an Hand von umfangreichem Zahlenmaterial, das er wie immer auswendig wußte, aus, daß die Rüstung Rußlands nicht auf dem Standpunkt sein könne, wie wir sie mutmaßten. Genaue Unterlagen hatten wir nicht zur Verfügung.

DR. LATERNSER: Hitler war also auf die von Ihnen vorgetragenen Bedenken nicht, eingegangen?

VON BRAUCHITSCH: Auf eine weitere Auseinandersetzung oder Diskussion ließ er sich nicht ein.

DR. LATERNSER: Wann haben Sie dann die Ihnen unterstellten Oberbefehlshaber der Heeresgruppen und der Armeen von den Rußlandplänen unterrichtet?

VON BRAUCHITSCH: Am 18. Dezember 1940 war vom Oberkommando der Wehrmacht der Befehl herausgegangen. Anschließend, Ende Dezember, gingen die ersten Weisungen an die Heeresgruppen.

DR. LATERNSER: Wie gestaltete sich Ihr Verhältnis zu Hitler während des Rußlandfeldzugs?

VON BRAUCHITSCH: Während des Rußlandfeldzugs steigerten sich die Schwierigkeiten zunehmend. Aus der Fülle dieser Ereignisse will ich nur zwei herausgreifen. Das Heer hatte in den von ihm besetzten Gebieten die Kirchen der Bevölkerung, soweit wie das erwünscht war, wieder zur Verfügung gestellt. Die deutschen Geistlichen hatten auf Wunsch der Bevölkerung vielfach Amtshandlungen vorgenommen. Dies wurde von Hitler verboten. Es ergab sich jetzt das eigenartige Bild, daß die Geistlichen der rumänischen, ungarischen, italienischen und so weiter Divisionen amtierten, die deutschen nicht.

Das zweite und schwerwiegende war die Frage über die operative Führung des Krieges. Wenn man nun schon einmal den Krieg angefangen hatte, dann mußte man sich die Voraussetzungen für die Fortführung des Krieges im nächsten Jahr in diesem schaffen. Nach meiner Auffassung und der des Oberkommandos des Heeres spielte hier der Raum um Moskau, nicht die Stadt, eine entscheidende Rolle. Dort läuft das gesamte Verkehrsnetz zusammen. Dort war dementsprechend die Voraussetzung für die Aufstellung und Verteilung der Hauptreserven gegeben. Dort befanden sich auch zahlreiche Rüstungseinrichtungen, die die Ausrüstung dieser aufzustellenden Verbände ermöglichten. Das Oberkommando des Heeres war deshalb der Auffassung, daß, nachdem die Linie Dnjepr-Smolensk-Peipussee erreicht war, daß man dann sich in den Besitz des gesamten Gebietes Moskau setzen müsse. Hitler war anderer Auffassung. Er legte entscheidenden Wert auf Leningrad, forderte nachher die Offensive bei Kiew. Die Entscheidung darüber traf er. So wurde es dann später zu spät. Die Offensive auf dem Moskauer Gebiet wurde unter dem Einfluß der Witterung zum Scheitern verurteilt.

DR. LATERNSER: Hinsichtlich des Ostfeldzugs möchte ich gewisse Unterstellungsverhältnisse klären. Ist Ihnen ein Abkommen zwischen dem Generalquartiermeister des Heeres, General Wagner, und Heydrich über die Einsatzgruppen gemeldet worden?

VON BRAUCHITSCH: Mir ist gemeldet worden, daß eine Besprechung zwischen dem General Wagner und dem Chef des SS-Hauptamtes, Heydrich, stattgefunden hat. Diese Besprechung sollte entsprechend dem Befehl des Oberkommandos der Wehrmacht die Fragen regeln, die notwendig waren, um den von Hitler befohlenen Einsatz von Kommandos in dem Operationsgebiet des Heeres zu regeln. Es ist mir gemeldet worden, daß es sich dabei handelte um die Fragen des Grenzübertrittes, die Fragen der wirtschaftlichen Versorgung und die Fragen des Vorfahrtsrechtes auf den Straßen. Weiter ist mir darüber nichts gemeldet worden. Ob etwas anderes noch besprochen worden ist, weiß ich nicht; es kann sich aber höchstens nur darum handeln, daß vielleicht die Frage besprochen worden ist, daß, wenn solche Kommandos in der vorderen Kampflinie irgendwie in das Kampfgebiet hineingezogen würden, daß sie dann unter den Befehl des örtlich führenden Führers treten. Sämtliche Anordnungen für diese Kommandos erfolgten befehlsgemäß durch den Reichsführer-SS; den Heeresgruppen, den Armeen waren auf Wunsch des Heeres Verbindungskommandos zugeteilt worden. Sie hatten aber nur die Aufgabe, diese Kommandos über Zielrichtung und so weiter der Operationen, soweit es für sie in Frage kam, zu unterrichten. In dem Befehl des Oberkommandos der Wehrmacht heißt es hinsichtlich des Zweckes und der Aufgaben dieser Kommandos: »Es ist beabsichtigt, die besetzten Gebiete sobald als möglich zu politischen Staaten auszugestalten.«

Zur Vorbereitung dieser Maßnahmen sollten diese Kommandos eingesetzt werden. Etwas anderes ist dem Oberkommando des Heeres nicht bekanntgeworden.

DR. LATERNSER: Hat General Wagner Ihnen gemeldet, daß durch diese Einsatzgruppen Massenvernichtungen durchgeführt werden sollten?

VON BRAUCHITSCH: Nein.

DR. LATERNSER: Der Zeuge SS-Führer Schellenberg ist hier vernommen worden, und er hat angegeben, daß er der Überzeugung sei, daß das OKH von Massenvernichtungen gewußt und dies auf dem Dienstwege den Oberbefehlshabern mitgeteilt habe.

Stimmt diese Überzeugung des Zeugen Schellenberg?

VON BRAUCHITSCH: Er spricht von einer Überzeugung, nicht von einer Gewißheit, und diese Überzeugung trifft nicht zu.

DR. LATERNSER: Wie war die Unterstellung geregelt?

VON BRAUCHITSCH: Die Unterstellung dieser Einsatzkommandos, wie schon erwähnt, war derartig geregelt, daß sie alle Befehle allein vom Reichsführer- SS erhielten. Sie unterstanden dem Heere in keiner Weise.

DR. LATERNSER: Aber hinsichtlich der Versorgung unterstanden sie doch?

VON BRAUCHITSCH: Nein, unterstanden sie auch nicht, sondern sie waren angewiesen, vom Heere ihre Versorgung zu erhalten, weil ja kein anderer Versorgungsweg für Verpflegung und Betriebsstoff vorhanden war.

DR. LATERNSER: Sind Ihnen dienstliche Berichte dieser Einsatzgruppen zugegangen?

VON BRAUCHITSCH: Nein.

DR. LATERNSER: Nun müßte noch die Unterstellung der Waffen-SS klargemacht werden. Wie war die Unterstellung einer Division der Waffen-SS unter das Heer?

VON BRAUCHITSCH: Die Waffen-SS unterstand dem Heere nur für den taktischen Einsatz. Sie unterstand dem Heere weder in disziplinarer noch in gerichtlicher Hinsicht. Das Heer hatte keinerlei Einfluß auf Beförderungen oder Absetzungen von Persönlichkeiten und so weiter.

DR. LATERNSER: Wem unterstand eine Waffen- SS-Division, wenn sie sich außerhalb einer taktischen Aufgabe, also nicht im Kampf und nicht im Operationsgebiet befand?

VON BRAUCHITSCH: Jedenfalls nicht dem Heer. Sie unterstand dem Reichsführer-SS oder dem Oberkommando der Wehrmacht.

DR. LATERNSER: Und wem unterstand sie, wenn sie im Heimatgebiet war?

VON BRAUCHITSCH: Dem Reichsführer-SS.

DR. LATERNSER: Ist die Waffen-SS aus dem Haushalt der Wehrmacht bezahlt worden?

VON BRAUCHITSCH: Aus dem Haushalt des Heeres sicher nicht.

DR. LATERNSER: Und die Haushalte der Luftwaffe und Marine kämen noch weniger in Frage als...?

VON BRAUCHITSCH: Ich glaube, ebensowenig. Soweit ich orientiert bin, hatte die SS nicht nur ihren eigenen Haushalt, sondern sie hatte ihr eigenes Rüstungsamt, Bekleidungsamt und Verwaltungsamt und so weiter.

DR. LATERNSER: Es bestand also zu einer Waffen- SS-Division nur dann eine nähere und taktische Verbindung, wenn sich diese Waffen-SS-Division im Kampf befunden hat?

VON BRAUCHITSCH: Sie unterstanden dem Heer in dem Moment, wo sie im Operationsgebiet eingesetzt wurden oder wenn sie zum Abtransport zur Verfügung gestellt wurden.

DR. LATERNSER: Wäre es ein richtiger Vergleich, daß also zwischen einer Waffen-SS-Division und dem Heer keine nähere Verbindung bestanden hat, wie wenn zum Beispiel eine italienische oder spanische Division dem Heer für den Kampf unterstellt worden ist?

VON BRAUCHITSCH: Eine ähnliche Weise.

DR. LATERNSER: Wie war überhaupt das Verhältnis der Führerschaft der Waffen-SS zu der des Heeres, Marine oder Luftwaffe? War das besonders harmonisch?

VON BRAUCHITSCH: In Kampfverhältnissen, klar. Sonst war wenig Verbindung.

DR. LATERNSER: Herr Feldmarschall! Können Sie die näheren Umstände angeben, unter denen Hitler den berüchtigten Kommissarbefehl gegeben hat?

VON BRAUCHITSCH: Im März 1941 hatte Hitler die militärischen Führer befohlen. In einer längeren Ansprache setzte er ihnen nochmals die Gründe für die Beurteilung der Haltung gegenüber Rußland auseinander. Er führte dann aus, daß es sich hier um einen Kampf handle, der weltanschaulicher Natur sei und der nicht mit den ritterlichen Methoden, die das Heer gewohnt sei, zu führen wäre. Er wisse, daß die Offiziere sich diese Anschauung nicht zu eigen machen könnten, er verlange aber unbedingte Durchführung der von ihm erteilten Befehle. Im Zusammenhang damit gab er dann den Befehl für die Behandlung der Kommissare.

DR. LATERNSER: Was haben Sie getan, um die Ausführung dieses Befehls und Ausschreitungen der Truppen im Osten zu unterbinden?

VON BRAUCHITSCH: Nach Beendigung der Besprechung, als Hitler weggegangen war, kam ein Teil der Oberbefehlshaber zu mir. Ich entsinne mich insbesondere der Oberbefehlshaber der drei Heeresgruppen, Generalfeldmarschall von Rundstedt, Feldmarschall von Bock und Feldmarschall von Leeb, sowie noch einer Anzahl von Armeeführern, die zu mir kamen und in erregter Form sich darüber aussprachen, daß eine derartige Kriegführung für sie untragbar sei. Ich gab ihrer Auffassung recht und sagte ihnen, daß von seiten des Oberkommandos des Heeres kein Befehl in dieser Hinsicht ergehen würde. Ich müsse mir aber erst überlegen, welche Schritte ich tun könne.

Ich hatte Hitler inzwischen so weit kennengelernt, daß, wenn er einen Entschluß gefaßt hatte, und wenn er ihn, wie in diesem Fall, öffentlich, das heißt unter militärischen Führern, ausgesprochen hatte, er jetzt gleich nachher um keinen Preis der Welt davon abzubringen war. Ich mußte aber dem Heere die Handhabe geben, sich von diesem Befehl abzusetzen. Aus diesem Grunde gab ich einen Befehl über die Handhabung der Disziplin heraus.

DR. LATERNSER: Welches war der ungefähre Wortlaut dieses Disziplinarbefehls?

VON BRAUCHITSCH: Den Wortlaut vermag ich nicht mehr anzugeben. Der Inhalt des Befehls war rund kurz folgender:

Die Disziplin im Heere sei mit aller Schärfe in den alten bisher gepflogenen Richtungen und Regeln durchzuführen. Das Verhalten gegenüber der Bevölkerung hat aber durchaus korrekt zu sein, jede Übergriffe seien zu bestrafen.

DR. LATERNSER: Wäre eine offene Weigerung Hitler gegenüber erfolgreich gewesen oder eine Androhung Ihres Rücktritts?

VON BRAUCHITSCH: Wie ich schon vorhin ausgeführt habe, nein.

DR. LATERNSER: Nun noch eine Frage zum Ostfeldzug.

Hat das deutsche Heer 1941 auf seinem Vormarsch in Rußland erhebliche Zerstörungen vorgefunden, die die sowjetrussische Armee bei ihrem Rückzug selbst vorgenommen hatte?

VON BRAUCHITSCH: Es war das Bild so, wie wir es erwartet hatten. Schon aus den Zeiten von hundert Jahren vorher war die Auffassung und die Rücksichtslosigkeit Rußlands im eigenen Lande in dieser Hinsicht bekannt. Wir fanden zahlreiche zerstörte Brücken und Bahnen, zerstörte Kraftwerke, zerstörte Fabrikanlagen in großem Umfange. Die Bergwerke im Donezgebiet waren derartig zerstört, daß sie trotz monatelanger Arbeit von uns kaum in Benutzung genommen werden konnten. In den Städten trafen wir auf Extrakommandos junger russischer Truppen, die den Auftrag zum Teil durchgeführt hatten, die Ortschaften in Brand zu setzen. In Kiew und in verschiedenen anderen Orten fanden wir vorbereitete Minen mit Zeitzünder vor, die uns erhebliche Verluste beigebracht haben.

DR. LATERNSER: Sind Sie vorher über den Kriegseintritt Italiens oder über die Kriegserklärung an Amerika unterrichtet worden?

VON BRAUCHITSCH: Nein. Wir haben sie beide in höchstem Grade bedauert.

DR. LATERNSER: Sind Ihnen militärische Abmachungen mit Japan bekanntgewesen?

VON BRAUCHITSCH: Ich kenne sie heute noch nicht.

DR. LATERNSER: Die Protokolle über die Vernehmung des Zeugen Gisevius sind Ihnen dadurch bekanntgeworden, daß ich sie Ihnen zur Durchsicht gegeben habe. Kennen Sie den Zeugen Gisevius?

VON BRAUCHITSCH: Ich habe die Existenz von Herrn Gisevius im April 1946 zum erstenmal aus der Zeitung erfahren. Ich las in der Zeitung, daß er als Zeuge hier auftreten würde. Ich hätte darüber weggelesen, wenn mir nicht der Name aufgefallen wäre, der mir bekannt war, weil ein Dr. Gisevius in den neunziger Jahren Hausarzt bei meinen Eltern war.

DR. LATERNSER: Der Zeuge hat aber verschiedene, und zwar ganz detaillierte Angaben über Ihre Person gemacht und insbesondere darüber, daß er mit Ihnen über einen gemeinsamen Putsch gesprochen habe. Wie erklären Sie sich das?

VON BRAUCHITSCH: Ich glaube, jeder, der mich nur etwas kennt, wird bei dem Gedanken lachen, daß ich mit einem jungen Menschen, der mir gänzlich fremd ist, über Putschpläne gegen das Staatsoberhaupt sprechen würde.

DR. LATERNSER: Diese Angaben...

VON BRAUCHITSCH: Ich kann mir nur ein Bild aus dem Protokoll machen und kann aus dieser Niederschrift nur den Eindruck gewinnen, daß es sich um vollkommen haltlose Kombinationen handelt, und zwar von einem Mann, der glaubt, daß die Erde sich allein um ihn dreht.

DR. LATERNSER: Gisevius hat weiter behauptet, die Generale hätten sich bereichert. Stimmt das?

VON BRAUCHITSCH: Ich wüßte nicht auf welchem Wege?

DR. LATERNSER: Haben Sie selbst eine Dotation bekommen?

VON BRAUCHITSCH: Nein.

DR. LATERNSER: Sie haben der Anklagebehörde, Herr Feldmarschall, zwei Affidavits ausgestellt, und zwar das Affidavit Nummer 2, US-532, und Affidavit Nummer 4, US-535; beide mit dem Datum vom 7. November 1945. Befanden Sie sich damals in Haft?

VON BRAUCHITSCH: Ich war von zwei amerikanischen Offizieren gebeten worden, ihnen die Gliederung des Heeres und so weiter auseinanderzusetzen.

DR. LATERNSER: Herr Feldmarschall! Ich glaube, ich bin mißverstanden worden. Ich habe Sie gefragt, ob Sie zur Zeit der Ausstellung dieser Affidavits in Haft waren?

VON BRAUCHITSCH: Ich befinde mich seit dem 19. Oktober vorigen Jahres als Zeuge hier in Nürnberg im Gefängnis.

DR. LATERNSER: Nun zu den Affidavits. Wer hat diese Erklärungen aufgesetzt?

VON BRAUCHITSCH: Aufgesetzt sind sie von zwei amerikanischen Offizieren.

DR. LATERNSER: Von wem sind diese Erklärungen einverlangt worden?

VON BRAUCHITSCH: Das weiß ich nicht, das ist mir nicht gesagt worden.

DR. LATERNSER: Wurde Ihnen gesagt, zu welchem Zweck diese Erklärungen verwendet werden sollen?

VON BRAUCHITSCH: Nein. Auf Grund der vorhergehenden Unterhaltungen nahm ich an, daß sie zur Orientierung über die Organisationen für Fachleute bestimmt wären.

DR. LATERNSER: Haben Sie Verbesserungen auf den Erklärungen vorgenommen?

VON BRAUCHITSCH: Ich habe eine Reihe von Verbesserungen vorgenommen. Die Zahl kann ich nicht mehr nennen.

DR. LATERNSER: Waren diese Erklärungen, zunächst nach Ihrer Meinung natürlich, mißverständlich?

VON BRAUCHITSCH: Sie waren noch zum Schluß nach den Verbesserungen nach meiner Auffassung nur klar in Verbindung mit den Unterredungen, die vorher stattgefunden hatten. Es waren eine ganze Reihe von Unterredungen, die, wie mir ausdrücklich gesagt wurde, nicht unter dem Zeugeneid standen, was für mich an sich gleichgültig ist, und die den Zweck hatten, die Gliederung klarzulegen. Die ganzen Probleme und Fragen waren oft von verschiedenen Seiten beleuchtet und besprochen worden.

DR. LATERNSER: Haben Sie bei Unterschrift des Affidavits Nummer 2, dem die Skizze angefügt ist, darauf verwiesen, daß diese Skizze unrichtig oder mißverständlich sei?

VON BRAUCHITSCH: Ich habe darauf hingewiesen, daß diese Skizze zu Mißverständnissen Anlaß geben könnte. Ich erhielt darauf die Antwort, daß die Dinge klar wären und daß es auf die Skizze nicht besonders ankäme.

DR. LATERNSER: Das Affidavit Nummer 1, US- 531, das Generaloberst Halder am gleichen Tage unterzeichnet hat, stimmt mit Ihrem Affidavit Nummer 2 mit Ausnahme des letzten Absatzes wörtlich völlig überein. Wurden Sie gemeinsam mit Generaloberst Halder vernommen?

VON BRAUCHITSCH: Nein.

DR. LATERNSER: Wie Sie vorhin angegeben haben, haben Sie bei der Unterzeichnung des Affidavits Nummer 2 darauf hingewiesen, daß die Skizze nicht richtig sei. Ich lasse Ihnen nunmehr diese Skizze vorlegen und möchte Sie fragen, was an dieser Skizze unzutreffend ist?

VON BRAUCHITSCH: Die Skizze gibt zu Mißverständnissen Anlaß und...

VORSITZENDER: Würden Sie nicht lieber Ihren Zeugen fragen – wenn es Ihr Zeuge ist – ob irgend etwas mit dem Affidavit nicht stimmt?

DR. LATERNSER: Ich bitte um Entschuldigung. Ich habe nicht verstanden, da inzwischen falsch eingestellt war.

VORSITZENDER: Wollen Sie ihn nicht lieber fragen, ob nicht irgend etwas in seinem Affidavit falsch ist? Er hat noch nicht gesagt, daß irgend etwas falsch sei.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Ich werde im Anschluß daran Fragen in dieser Richtung stellen. Ich wollte zunächst den Zeugen über die Skizze befragen. Die weiteren Fragen kommen noch.

VON BRAUCHITSCH: Die Skizze gibt zu Mißverständnissen Anlaß mit Rücksicht auf die Striche. Und wenn man in der Skizze die Hierarchie zum Ausdruck bringen wollte, dann gehörten nach meiner Auffassung die ganzen Stäbe vom Oberkommando der Wehrmacht und der einzelnen Wehrmachtsteile nicht hinein.

VORSITZENDER: Nun, der Gerichtshof möchte gerne wissen, ob der Zeuge sagt, daß mit dem Affidavit irgend etwas nicht in Ordnung sei, ob es unwahr sei.

DR. LATERNSER: Ja, Herr Präsident!

Herr Feldmarschall! In dem Affidavit Nummer 2 gebrauchen Sie das Wort »Gruppe« viermal. Stimmt dieser Ausdruck oder...

VORSITZENDER: Ich sagte: der Gerichtshof möchte jetzt gerne wissen, ob der Zeuge behauptet, daß irgend etwas Unwahres in seinen Affidavits stehe, und wir möchten das jetzt wissen. Sie wissen doch, was »jetzt« heißt?

DR. LATERNSER: Ja, freilich.

VORSITZENDER: Gut, ich werde den Zeugen selbst fragen.

Feldmarschall von Brauchitsch! Behaupten Sie, daß in Ihren beiden Affidavits irgend etwas unrichtig oder unwahr ist?

VON BRAUCHITSCH: Nein, nicht unwahr, sondern daß es mißverständlich...

VORSITZENDER: Etwas, das Sie für irreführend halten?

VON BRAUCHITSCH: Es sind verschiedene Fragen, die zu Mißverständnissen Anlaß geben. Einmal ist es die Skizze, das zweite ist der Ausdruck »Gruppe«. Der Ausdruck »Gruppe«, den ich genauso verstehe wie Zahl oder Anzahl, aber nicht eine Zusammenfassung einer bestimmten Anzahl... einer bestimmten Serie von Dienststellen in organisatorischer oder in geistiger Hinsicht. Denn es bestand zwischen den Wehrmachtsteilen überhaupt keine Verbindung. Eine Verbindung hier war in der Spitze des Obersten Befehlshabers der Wehrmacht, Adolf Hitler, und Hitler persönlich spielte einen Wehrmachtsteil gegen den anderen aus. Wiederholt hat er mir gegenüber sich in dieser Hinsicht über die Marine und Luftwaffe und ihre Oberbefehlshaber geäußert, und ich weiß, daß er dasselbe über das Heer und mich getan hat. Also der Ausdruck »Gruppe« ist mißverständlich in seiner Fassung hier. Er war nur verständlich im Zusammenhang mit den ganzen Besprechungen, die vorher geführt worden sind.

DR. LATERNSER: Herr Feldmarschall! Haben Sie diesen Ausdruck »Gruppe« bei den Besprechungen mit der Anklagebehörde selbst gebraucht?

VON BRAUCHITSCH: Das kann ich nun nicht mehr so genau sagen. Es ist wohl möglich, weil ich unter »Gruppe«, wie gesagt, nichts anderes verstehe als eine Zahl von Persönlichkeiten oder eine Anzahl, nicht eine organisatorische, nicht eine festgefügte Verbindung.

DR. LATERNSER: Und diesen Sinn, den Sie eben gesagt haben, wollten Sie bei Unterzeichnung der Erklärung diesem Wort »Gruppe« geben?

VON BRAUCHITSCH: Jawohl.

DR. LATERNSER: Haben Sie vorher schon mal, also vor der Vernehmung durch die Anklagebehörde über diesen Punkt, das Wort »Gruppe« in Verbindung mit der höchsten militärischen Führung gebraucht?

VON BRAUCHITSCH: Nein, denn eine derartige Gruppe gab es nicht. Es gab sie weder organisatorisch noch gab es sie geistig. Wir kennen in der deutschen Armee nur die Gliederung nach der Kriegsgliederung einer Division, Korps, Armee oder sonst was.

DR. LATERNSER: Ich komme jetzt zu den letzten Fragen, Herr Feldmarschall. Sie traten im Jahre, und zwar zu Ende des Jahres 1941, zurück. Welches waren die Gründe für Ihren Rücktritt?

VON BRAUCHITSCH: Im Sommer 1941 war die immer stärker werdende Einflußnahme Hitlers auf alle Fragen des Heeres, die völlige Einflußlosigkeit des Oberkommandos des Heeres auf allen Gebieten der politischen und wirtschaftlichen Verwaltung der besetzten Gebiete und die innere Gegensätzlichkeit gegen die von Hitler betriebene Politik immer schärfer und stärker geworden. Im Herbst 1941 nahm diese Spannung weiter zu. Daneben liefen die dauernden Kämpfe mit der Parteileitung, die ihren Einfluß auf das Heer immer weiter ausdehnen wollte. Ich sah keine Möglichkeit mehr, hier irgendeine Änderung herbeizuführen. So schwer mir der Entschluß war, in diesem Zeitpunkt von dem Heere, in dem Millionen gefallen waren, mich zu trennen, so entschloß ich mich doch, den entscheidenden Schritt zu tun. Am 7. Dezember 1941 bat ich Hitler unter vier Augen, mich von meinem Amt zu entheben. Er antwortete mir, daß er sich das überlegen müsse und daß er mich vorläufig über diese Frage nicht sprechen wolle. Am 17. Dezember teilte er mir wieder alleine mit, daß er sich entschlossen habe, den Oberbefehl über das Heer persönlich zu übernehmen. Er gab als Grund an, daß er das ganze Vertrauen, das er im Heere genieße, bei der Schwere des Winterfeldzugs in die Waagschale werfen müsse. Am 19. Dezember – auch hier befahl er mir wieder Stillschweigen – am 19. Dezember erhielt ich den Befehl, am 20. Dezember abends fuhr ich nach Hause und habe Hitler nicht wieder gesehen. Hitler war das Schicksal Deutschlands, und dieses Schicksal war nicht aufzuhalten.

DR. LATERNSER: Ich habe keine weiteren Fragen mehr an diesen Zeugen.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof vertagt sich jetzt.