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[Das Gericht vertagt sich bis

10. August 1946, 10.00 Uhr.]

Zweihundertster Tag.

Samstag, 10. August 1946.

Vormittagssitzung.

[Der Zeuge von Manstein im Zeugenstand.]

DR. LATERNSER: Herr Feldmarschall! Wie beurteilten Sie die Absicht, im Westen anzugreifen?

VON MANSTEIN: Nach meiner Ansicht gab es, nachdem eine politische Einigung mit den Westmächten friedlich nicht mehr möglich war, keinen anderen Ausweg, als eine Offensive im Westen zu führen, um damit den Krieg zu beenden.

DR. LATERNSER: Waren Sie an den Vorbereitungen gegen Norwegen, Griechenland und Jugoslawien beteiligt?

VON MANSTEIN: Nein, von diesen Feldzügen oder ihrer Eröffnung habe ich erst durch den Rundfunk erfahren.

DR. LATERNSER: Wie sahen Sie als militärischer Führer den Krieg gegen Rußland an?

VON MANSTEIN: Ich habe den Krieg gegen Rußland als einen Präventivkrieg unsererseits angesehen. Nach meiner Ansicht hat es auch für Hitler keinen anderen Ausweg aus der Lage gegeben, in die er Deutschland gebracht hatte, nachdem er das Risiko einer Landung in England im Herbst 1940 nicht gewagt hatte. Wir mußten meines Erachtens in der Sowjetunion im Jahre 1940/1941 eine ganz starke, drohende Gefahr sehen, die auch akut werden würde, sobald wir unsere Kräfte in einen Kampf gegen England endgültig festgelegt hatten. Die einzige Chance, dieser Lage zu entgehen, wäre eine Landung in England im Herbst 1940 gewesen, und das hat Hitler nicht riskiert.

DR. LATERNSER: Wie ist es möglich, daß der Oberbefehlshaber des Heeres und Chef des Generalstabs des Heeres in den wichtigsten militärischen Entscheidungen, zum Beispiel dem Krieg gegen die Sowjetunion, von Hitler übergangen wurden?

VON MANSTEIN: Das erklärt sich meines Erachtens aus folgendem:

Politisch hatten wir Generale schon lange nichts mehr zu melden, denn die Bedenken, die von seiten der Generale zum Beispiel bei der Rheinlandbesetzung und beim Einrücken in die Tschechoslowakei geäußert worden waren, hatten sich als gegenstandslos erwiesen. Hitler hatte recht behalten. Also mit politischen Einwänden befaßte er sich gar nicht mehr, nur noch auf militärischem Gebiete. Auf militärischem Gebiet bin ich persönlich der Ansicht, wie ich eben sagte, daß die Westoffensive vom soldatischen Standpunkt aus unumgänglich notwendig war. Das OKH ist anderer Ansicht gewesen, und es hat damit meines Erachtens militärisch einen falschen Standpunkt vertreten. Der Erfolg hat auch da Hitler recht gegeben, und von diesem Moment an war er, das ist auch aus seinem ganzen Verhalten ersichtlich gewesen, der Ansicht, daß er eben mehr verstünde als die Soldaten, und so hat er in der entscheidenden Frage gegen die Sowjetunion recht behalten und das OKH nicht mehr gehört.

DR. LATERNSER: Sie haben den Kommissarbefehl erhalten?

VON MANSTEIN: Ja.

DR. LATERNSER: Welche Stellung haben Sie zu diesem Befehl eingenommen?

VON MANSTEIN: Es war der erste Fall, in dem ich in einen Konflikt zwischen meiner Gehorsamspflicht und meiner soldatischen Auffassung kam. An sich hätte ich gehorchen müssen. Ich habe mir aber gesagt, daß ich als Soldat so etwas nicht mitmachen kann und habe sowohl dem Oberbefehlshaber der Heeresgruppe, der ich unterstand, wie dem Befehlshaber der Panzergruppe gemeldet, daß ich einen derartigen Befehl, der gegen die soldatische Ehre ging, nicht ausführen würde. In der Praxis ist der Befehl auch nicht ausgeführt worden. Meine Divisionskommandeure, die den Befehl schon, unabhängig von mir, im Reich bekommen hatten, waren meiner Auffassung. Und im übrigen haben die Kommissare sich stets als Vorkämpfer bis zum letzten gewehrt und sich in vielen Fällen vor der Gefangennahme selbst erschossen oder sie haben ihre Abzeichen abgemacht und waren von der Truppe nicht zu erkennen. Und die Truppe; die diesem Befehl innerlich ablehnend gegenüberstand, hat sicherlich nicht unter den Gefangenen nach Kommissaren gesucht.

DR. LATERNSER: Sie erwähnten eben den Oberbefehlshaber Ihrer Heeresgruppe und den Befehlshaber der Panzergruppe. Wer waren diese Generale?

VON MANSTEIN: Oberbefehlshaber der Heeresgruppe war der Feldmarschall von Leeb. Befehlshaber der Panzergruppe war der Generaloberst Höppner.

DR. LATERNSER: Und wie war deren Einstellung zu diesem Befehl?

VON MANSTEIN: Feldmarschall von Leeb nahm als Vorgesetzter meine Meldung, daß ich den Befehl nicht ausführen würde, zur Kenntnis, das heißt, er billigte sie stillschweigend. Generaloberst Höppner, der bei ihm gleichzeitig mit dem anderen Kommandierenden General eines Panzerkorps, Reinhardt, Vorstellungen erhob, sagte zu, beim OKH gegen den Befehl vorstellig werden zu wollen. Er hat aber keinen Erfolg gehabt.

DR. LATERNSER: Wie vereinbarten Sie nun Ihren Ungehorsam in diesem Falle mit Ihrer Auffassung über die militärische Gehorsamspflicht?

VON MANSTEIN: An sich ist der militärische Gehorsam selbstverständlich unbedingt und unteilbar. Es hat aber immer im Laufe der Kriege Fälle gegeben, in denen höhere militärische Führer einen Befehl nicht oder anders ausgeführt haben. Das liegt in der höheren Verantwortung, die, ein hoher militärischer Befehlshaber trägt. Es kann keinem Armeeführer zugemutet werden, eine Schlacht anzunehmen, wenn er weiß, daß er sie verlieren muß.

In diesen Fragen – also operativen Fragen – besteht in der Praxis letzten Endes ein gewisses Recht, das allerdings durch den Erfolg bestätigt werden muß, zur Abweichung vom Befehl, und gerade in der deutschen Armee ist diese Selbständigkeit der Unterführer besonders betont worden.

Anders liegen die Dinge bei Befehlen, die das Handeln aller Soldaten betreffen. In diesen Fällen kann der Ungehorsam eines kleinen Mannes ausgeglichen werden in seinen Folgen durch Bestrafung. Wenn der hohe Führer aber in solchen Fällen ungehorsam ist, dann erschüttert er nicht nur seine eigene Autorität, sondern die Disziplin überhaupt und gefährdet damit den militärischen Erfolg. In diesen Fällen ist der höhere Führer stärker gebunden als der Soldat oder Unterführer; denn er soll Vorbild sein.

DR. LATERNSER: Erschütterten Sie nicht durch diesen Ungehorsam die Disziplin?

VON MANSTEIN: In diesem Falle nicht. Denn das Empfinden der Truppe entsprach dem, was ich dachte. Es stand eben hier das soldatische Gefühl, das wir unserer Truppe eingeimpft hatten, dem politischen Willen Hitlers entgegen, und außerdem konnten wir uns berufen auf den Befehl, den der Oberbefehlshaber des Heeres gegeben hatte, daß die Aufrechterhaltung der Manneszucht allem anderen vorzugehen habe.

DR. LATERNSER: Wie war nun die Ausübung der Militärgerichtsbarkeit auf Grund des Befehls des Oberbefehlshabers des Heeres, nach dem streng auf Aufrechterhaltung der Disziplin geachtet werden sollte?

VON MANSTEIN: Wir haben die Militärgerichtsbarkeit so ausgeübt, wie wir sie nach unserer Erziehung ausüben mußten, nämlich nach Recht und Gesetz und im Sinne eines anständigen Soldatentums. Ich möchte als Beispiel nur anführen, daß die beiden ersten Todesurteile, mit denen ich zu tun gehabt habe, verhängt worden sind anfangs des Rußlandfeldzugs gegen zwei deutsche Soldaten meines Korps wegen Vergewaltigung russischer Frauen. Und so ist es überall gewesen.

DR. LATERNSER: Nun zu einem anderen Kapitel. Was können Sie über die Behandlung der Kriegsgefangenen sagen?

VON MANSTEIN: Zur Behandlung der Kriegsgefangenen, soweit sie in unserem Bereich waren, muß ich als grundsätzlich voranstellen, daß wir als Soldaten Achtung vor jedem tapferen Gegner hatten, und zweitens, daß wir aus dem ersten Weltkrieg genau wußten, daß alles, was man fremden Kriegsgefangenen antut, letzten Endes gegen die eigenen Soldaten zurückschlägt. Wir haben also grundsätzlich die Kriegsgefangenen so behandelt, wie wir es als Soldaten gelernt hatten und tun mußten, also entsprechend den Bestimmungen des Kriegsrechtes.

DR. LATERNSER: Haben Sie selbst einmal einen Verstoß festgestellt, und sind Sie gegen eine falsche Behandlung eingeschritten?

VON MANSTEIN: Ich möchte zunächst sagen, daß ich sehr viele Gefangenen-Transportkolonnen gesehen habe. Ich habe nie auf der Wegen dieser Kolonnen einen erschossenen Gefangenen gesehen. Ich habe aber einmal, wie ich Oberbefehlshaber der Heeresgruppe war, gesehen, wie ein deutscher Soldat mit einem Knüppel auf einen Gefangenen losschlug, um meinem Auto, das an der Kolonne vorbei wollte, Platz zu machen. Ich habe sofort angehalten, den Mann festgestellt und habe am nächsten Tag mir seinen Kommandeur bestellt, ihm befohlen, den Mann zu bestrafen und ihm selbst gesagt, daß er selbst das nächste Mal vor ein Kriegsgericht kommen werde, wenn er derartige Ausschreitungen seines Wachbataillons duldete.

DR. LATERNSER: Haben Sie oder können Sie Erklärungen finden für den Massentod vieler russischer Gefangener im ersten Winter?

VON MANSTEIN: Meine Armee hat, aber erst später, auch große Gefangenenzahlen gehabt, bis zu 150000 Gefangene, und es ist natürlich immer schwer, für solche Zahlen gleich die notwendige Verpflegung und Unterkunft zu beschaffen. Im Rahmen meiner Armee sind wir damit fertig geworden. Wir haben zum Beispiel der Zivilbevölkerung erlaubt, den Gefangenen in die Lager Lebensmittel zu bringen, um ihre Lage zu erleichtern.

Bei den großen Kesselschlachten im Jahre 1941 in der Heeresgruppe Mitte und bei Kiew, wo es sich um viele Hunderttausende Gefangener handelte, ist die Lage anders gewesen. Einmal kamen die russischen Soldaten aus den Kesseln, in denen sie sich bis zum letzten gewehrt hatten, schon halb verhungert heraus und dann kann eine Armee mit ihrem Transportraum unmöglich die Mittel mit sich führen, um, sagen wir, 500000 Gefangene auf einmal zu ernähren und in Mittelrußland unterzubringen. Die gleichen Verhältnisse haben sich ja in Deutschland nach der Kapitulation ergeben, wo Hunderttausende von Soldaten wochenlang unter freiem Himmel gelegen haben und auch nicht richtig verpflegt werden konnten.

DR. LATERNSER: Inwieweit waren die Oberbefehlshaber für die Kriegsgefangenen verantwortlich?

VON MANSTEIN: Wir waren für die Kriegsgefangenen verantwortlich, solange sie in unserem Armeebereich waren, also bis zur Abgabe an die Durchgangslager.

DR. LATERNSER: Das war also ein rein vorübergehender Zustand?

VON MANSTEIN: Ja, soweit nicht die Gefangenen zur Arbeit in unserem Armeegebiet blieben.

DR. LATERNSER: Soweit die Gefangenen bei der Armee verblieben, wie war deren Behandlung?

VON MANSTEIN: Die Gefangenen, die wir im Armeebereich behielten, brauchten wir zu unserer Unterstützung und Arbeit. Sie sind demgemäß auch anständig behandelt worden. Wir haben ja schließlich bei jeder Division ungefähr tausend – manchmal mehr – Gefangene als sogenannte Hilfswillige, also als freiwillige Helfer gehabt. Diese Hilfswilligen sind uns treu geblieben und auch auf unseren Rückzügen mit uns gegangen, und das wäre nicht der Fall gewesen, wenn wir sie schlecht behandelt hätten. Noch ein Beispiel. Als ich Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd wurde, da hatte ich nur meinen engsten Stab mit und kein Bewachungspersonal. Da habe ich eine Kosakenwache ungefähr acht bis zehn Tage als einzige Wache in meinem Haus gehabt. Und wenn wir die Gefangenen schlecht behandelt hätten, dann würden die wohl mich umgebracht haben.

DR. LATERNSER: Nun hinsichtlich des Gefangenenwesens im Heimatkriegsgebiet: Wem unterstanden die Lagerkommandanten?

VON MANSTEIN: Soweit ich weiß, unterstanden die Lagerkommandos innerhalb der Wehrkreise einem General des Kriegsgefangenenwesens und dieser unterstand dem Befehlshaber des Ersatzheeres.

DR. LATERNSER: Wer war der Befehlshaber des Ersatzheeres?

VON MANSTEIN: Befehlshaber des Ersatzheeres war bis 1944 der Generaloberst Fromm, und nach dem 20. Juli 1944 wurde es Himmler.

DR. LATERNSER: Ist das Gefangenenwesen 1944 nicht noch ausdrücklich Himmler unterstellt worden?

VON MANSTEIN: Ja, ich weiß den genauen Zeitpunkt nicht, aber ich weiß, daß die Kriegsgefangenen insgesamt ausdrücklich Himmler unterstellt worden sind.

DR. LATERNSER: Sind im Bereich Ihrer Armee oder Heeresgruppe Zerstörungen größeren Umfanges vorgekommen?

VON MANSTEIN: Ja, in dem Gebiete der Ukraine vor allen Dingen waren sehr umfangreiche Zerstörungen, die wir aber schon vorfanden zum erheblichen Teil im Jahre 1941.

Es waren alle Bahnen zerstört, so daß zum Beispiel die Wasseranlagen im Jahre 1943 nicht wieder voll leistungsfähig waren. Es waren alle Nachrichtenanlagen und -ämter zerstört, es waren sehr viele Industrieanlagen zerstört, zum Beispiel der große Staudamm von Saporoshe, das Betonwerk in Charkow, dann die großen Eisenwerke von Kertsch und Mariupol und die Ölindustrie bei Maikop im Kaukasus.

DR. LATERNSER: Lagen besondere Gründe vor, daß im letzten Kriege die Zerstörungen solchen Umfang annahmen? Worauf sind sie zurückzuführen?

VON MANSTEIN: Daß die Zerstörungen im letzten Kriege über das Maß früherer Kriege weit hinausgegangen sind, erklärt sich aus der Taktik dieses letzten Krieges. 1941 hat Stalin, von seinem Standpunkt aus völlig mit Recht, von seinen Armeen den Kampf um jeden Fußbreit Boden verlangt. Dieses System hat Hitler angenommen, und wenn man die Armeen um jeden Fußbreit Boden zwingt bis zum letzten zu kämpfen, dann müssen darüber die Dörfer und Städte in Flammen und Schutt sinken. Als Beispiel nur: Sewastopol ist acht Monate lang als Festung und zum Schluß die Stadt selbst verteidigt worden. In Stalingrad ist wochenlang Haus um Haus umkämpft gewesen. Rostow und Charkow sind zweimal von uns und zweimal von den Sowjetarmeen in schwerem Kampf genommen worden, Kiew und Rowno einmal, Odessa haben die rumänischen Armeen nach einem wochenlangen Kampf erobert. Daß darüber diese Städte halb zerstört worden sind, war unausweichlich.

DR. LATERNSER: Wurde nicht auch planmäßig zerstört?

VON MANSTEIN: Es wurden – ich habe das 1943 erlebt – bei dem Rückzug hinter den Dnjepr auf Befehl Hitlers auch in großem Umfange planmäßige Zerstörungen vorgenommen. Der Befehl Hitlers war der, das Gebiet ostwärts des Dnjepr für die russische Kriegführung unbrauchbar zu machen. Es waren dazu mehrere bis ins einzelne gehende Befehle von ihm erteilt worden.

DR. LATERNSER: Waren diese Zerstörungen durch die Erfordernisse der Kriegführung bedingt?

VON MANSTEIN: Ich muß das für diesen Rückzug hinter den Dnjepr absolut bejahen. Die Lage war so, daß, wenn wir die russischen Armeen nicht am Dnjepr zum Stehen brachten, sondern wenn sie ihren Durchbruch und ihre Verfolgung fortsetzen konnten, dann der Krieg verloren war. Der Dnjepr war nicht befestigt, das hatte Hitler, wie wir es vorschlugen, früher verboten; es war gerade erst angefangen mit der Arbeit. Ausreichende Truppen, um gegen einen starken Angriff die Dnjepr-Linie zu halten, hatten wir nicht. Wenn also nicht aus Nachschubgründen der russische Angriff zum Erlahmen kam, dann war abzusehen, daß im Herbst 1943 zunächst der südliche Teil der Ostfront erledigt wurde und damit der Krieg im Osten zu unseren Ungunsten entschieden war. In solchen Fällen kann letzten Endes nur die Oberste Führung entscheiden, was durch die Erfordernisse des Krieges, operativ gesehen, erheischt wird. Dem Unterführer fehlt dazu die Beurteilungsmöglichkeit – er kann nur die Verhältnisse seines Abschnitts übersehen – und demnach auch das Recht, eine solche Entscheidung abzulehnen.

DR. LATERNSER: Nun sind aber auch diese Befehle betreffend Zerstörungen verschieden ausgeführt worden?

VON MANSTEIN: Gewiß. Es hat wohl jeder Armeeführer versucht, diese Zerstörungen in einem möglichst geringen Ausmaß zu halten, ganz besonders bei uns in der Ukraine, wo wir mit der Bevölkerung – wir Soldaten – ein sehr gutes Verhältnis gehabt haben. Das hängt letzten Endes von der Verantwortung des einzelnen Führers ab, ob er glaubt, das operative Ziel auch mit einem geringeren Maß von Zerstörungen erfüllen zu können. Es ist da zum Beispiel ein Unterschied gewesen bezüglich der Zerstörung von Unterkünften. Im Winter hing im Osten die Möglichkeit einer Kriegführung, überhaupt einer Kampfführung im großen Ausmaße, davon ab, ob man Truppen in der Nacht einigermaßen unter Dach und Fach bringen konnte. Im Winter konnte die Zerstörung von Unterkünften absolut entscheidend sein; im Sommer spielte das natürlich nicht die Rolle.

DR. LATERNSER: Was wissen Sie über die Zerstörungen von Kirchen und Kulturstätten?

VON MANSTEIN: Ich kann nur sagen, daß in meinem Bereich die Kulturstätten geschont worden sind. Ein großer Teil ist von uns – zum Beispiel auf der Krim an der Südküste – zerstört vorgefunden worden, aber zum Beispiel das Schloß Liwardia haben wir sorgfältig erhalten, dann das alte Tatarenschloß in Bakschisarai. Ich bin auch vorübergehend einmal mit meinem Armeeoberkommando vor Leningrad gewesen, um einen Angriff vorzubereiten, der aber nicht zur Ausführung kam. Ich habe da verschiedene Zarenschlösser gesehen – Oranienbaum und andere –, die waren zerstört, aber sie lagen im Feuerbereich der russischen Artillerie, und ich selbst bin bei einem solchen Besuch in das Artilleriefeuer gekommen. Die Schlösser waren ausgebrannt und sind sicher nicht planmäßig von unseren Truppen etwa zerstört worden.

DR. LATERNSER: Nun einige Fragen zum Bandenkrieg. Ist Ihnen bekanntgeworden, daß der Bandenkrieg dem Ziele dienen sollte, Juden und Slawen auszurotten?

VON MANSTEIN: Nein.

DR. LATERNSER: Haben Sie Befehle bekommen oder gegeben, im Bandenkampf keine Gefangenen zu machen?

VON MANSTEIN: Nein.

DR. LATERNSER: Welche Vorstellungen hatten Sie damals von den Folgen der Übergabe einer Person an den SD?

VON MANSTEIN: Wir hatten den Eindruck, daß diese Person vom SD zunächst mal vernommen und dann wahrscheinlich in irgendein Lager oder sonst etwas gebracht würde. Wir mußten ja auch die deutschen Soldaten, die zum Beispiel wegen Fahnenflucht verurteilt waren, an den SD übergeben, weil eine Bestimmung bestand, daß längere Freiheitsstrafen im Kriege nicht vollstreckt werden, sondern daß die Betreffenden – um ihre Arbeitskraft nutzbar zu machen und sie nicht in der Sicherheit eines Gefängnisses dem Kriege zu entziehen –, daß diese Gefangenen und Verurteilten für Kriegsdauer in Konzentrationslager kommen sollten. Also, daß die Abgabe irgendeiner Person an den SD etwa gleichbedeutend mit dem Tode gewesen wäre, davon konnte keine Rede sein nach unserer Auffassung.

DR. LATERNSER: Wußten Sie damals etwas von den Zuständen in den Konzentrationslagern?

VON MANSTEIN: Nein. Ich habe darüber ebensowenig gehört wie das deutsche Volk, oder sagen wir mal, noch weniger, denn wenn man 1000 Kilometer von Deutschland entfernt im Kampfe steht, hört man von solchen Dingen natürlich nichts. Ich weiß aus der Vorkriegszeit von zwei Konzentrationslagern, Oranienburg und Dachau, und mir hat einmal ein Offizier, der einmal auf Einladung der SS ein solches Lager besucht hatte, darüber erzählt, es wäre geradezu eine Mustersammlung von Verbrechertypen da gewesen, daneben auch politische Häftlinge, die aber, nach dem, was er gesehen hatte, streng, aber korrekt behandelt würden.

DR. LATERNSER: Wie erklären Sie als Soldat alter Tradition die Erscheinungen, die die Anklage als Verbrechen gegen die Humanität der deutschen Kriegführung zur Last gelegt hat?

VON MANSTEIN: Dieser letzte Krieg ist vom Jahre 1941 an – also von dem Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion – sozusagen mit einem doppelten Gesicht geführt worden. Das eine war die militärische Kriegführung, die wir Soldaten machten, und das andere, und zwar von beiden Seiten, die weltanschauliche Kriegführung, die wir Soldaten nicht machten, sondern von anderen Elementen gemacht wurde.

DR. LATERNSER: Sie sagten 1941?

VON MANSTEIN: Ja, meiner Auffassung nach sind der Polenkrieg, der Krieg im Westen und die Feldzüge in Norwegen und auf dem Balkan noch rein militärisch geführt worden, solange dort die Kampfhandlungen andauerten, und das doppelte Gesicht des Krieges, also die weltanschauliche Kriegführung, hat meines Erachtens erst eingesetzt mit dem Krieg gegen die Sowjetunion und ist dann auch von den Elementen, die diese Art des Krieges führten, auf die übrigen besetzten Gebiete ausgedehnt worden.

DR. LATERNSER: Wer führte denn diesen weltanschaulichen Kampf auf deutscher Seite?

VON MANSTEIN: Diesen weltanschaulichen Kampf haben wir Soldaten nicht geführt. Diesen führte Hitler meines Erachtens nach mit einigen seiner engsten Mitarbeiter und mit einer begrenzten Zahl von Helfershelfern.

DR. LATERNSER: Inwiefern wurde dieser Krieg nicht von Soldaten geführt?

VON MANSTEIN: Hitler wußte genau, daß wir auf Grund unserer, wie gesagt, überkommenen Auffassung ritterlicher Kriegführung solche Dinge nicht mitmachen würden. Er hat diese Auffassung ja ganz klar in der Ansprache vor dem Westfeldzug zum Ausdruck gebracht – also nach dem Polenfeldzug – und auf Grund dieser Anschauung hat er bewußt meines Erachtens die Wehrmacht von diesem Gebiet des weltanschaulichen Kampfes herausgehalten und alles, was da geschah, bewußt nicht nur unserem Einfluß, sondern auch unserer Kenntnis entzogen.

DR. LATERNSER: Durch welche Mittel entzog Hitler diesen Teil der Kriegführung dem militärischen Einfluß?

VON MANSTEIN: Er hat sie uns entzogen einmal räumlich, indem er die Masse der besetzten Gebiete dem Einfluß der Oberbefehlshaber entzog, also im Osten die Reichskommissariate und in den übrigen Ländern die Gebiete der Militärbefehlshaber beziehungsweise der landeseigenen Regierungen, die ja nicht von uns Oberbefehlshabern abhingen. Außerdem entzog er uns aber auch die sachlichen Gebiete, auf denen dieser Kampf geführt wurde. Wir waren räumlich auf die engbegrenzten Operationsgebiete beschränkt; sachlich hatten wir in ihnen aber auch nur sehr wenig zu sagen. Alle Polizeimaßnahmen machte Himmler unter seiner eigenen Verantwortung, wie das in dem bekannten »Barbarossa«-Befehl niedergelegt ist. Die wirtschaftliche Ausnützung hatte Göring. Die Arbeiterbeschaffung unterlag Sauckel. Die Kunstschätze unterlagen der Sichtung, Registrierung und so weiter durch den Sonderstab Rosenberg. Die Rechtspflege gegenüber der Zivilbevölkerung war ausdrücklich unseren militärischen Gerichten entzogen. Es blieb also für uns eigentlich nur die Führung des militärischen Kampfes an der Front, die militärische Sicherung des Operationsgebietes und die Einrichtung einer örtlichen Verwaltung und das Ingangbringen der Landwirtschaft und des gewerblichen Lebens.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Ich habe eine Skizze über die Zuständigkeitsverteilung anfertigen lassen und möchte sie bei meinem Dokumentenvortrag dem Gericht überreichen. Es handelt sich um Skizze Mil-3. Ich möchte diese Skizze nur dem Zeugen vorlegen und ihn fragen, ob diese Skizze richtig ist. Ich werde dann später dem Gericht mit Erklärungen diese Skizze vorlegen.

VORSITZENDER: Ja, gewiß.

DR. LATERNSER: Herr Feldmarschall! Ich lasse Ihnen eine Skizze Mil-3 überreichen und frage Sie, ob diese Skizze richtig ist.

VORSITZENDER: Dr. Laternser! Sie werden doch die Skizze zweifellos auch der Anklage unterbreiten?

DR. LATERNSER: Jawohl, Herr Präsident.

VON MANSTEIN: Die Skizze ist meines Erachtens richtig. Natürlich sind Einzelheiten hinsichtlich der Unterstellung – zum Beispiel bei den besetzten Gebieten, die unter Militärbefehlshabern standen und die im Laufe des Krieges gewechselt haben – nicht gänzlich darin genannt worden.

DR. LATERNSER: Aber diese Gebiete betreffen nicht den angeklagten Personenkreis?

VON MANSTEIN: Jawohl, das ist richtig.

DR. LATERNSER: Auf welchen Gebieten wurde der weltanschauliche Krieg also von anderen geführt?

VON MANSTEIN: Man muß da zwei Dinge unterscheiden. Abseits der militärischen Kriegführung, die wir Soldaten machten, wurde der Krieg wirtschaftlich geführt, das heißt zur wirtschaftlichen Ausnutzung der besetzten Gebiete für unsere Kriegführung, also, sagen wir, im Sinne des Schlagwortes »Totaler Krieg«. Das war meines Erachtens wohl eine Neuerung im Völkerrecht, aber – sagen wir mal – kein Verbrechen. Das zweite ist das weltanschauliche Gebiet an sich, also besondere Methoden gegen die Bevölkerung, die von anderen Kräften durchgeführt wurden und die mit der wirtschaftlichen Ausnutzung an sich nichts zu tun haben.

DR. LATERNSER: Was meinen Sie mit den besonderen Methoden?

VON MANSTEIN: Da meine ich ausschließlich die Methoden der sogenannten Einsatzgruppen und alle die Methoden, die unter der Ägide von Himmler standen.

DR. LATERNSER: War nicht auch der Kommissar- oder Kommandobefehl ein Teil dieses weltanschaulichen Kampfes im militärischen Bereich?

VON MANSTEIN: Der Kommissarbefehl fällt meines Erachtens auch darunter, deswegen haben wir ihn ja auch nicht ausgeführt; der Kommandobefehl meines Erachtens nicht. Der Kommandobefehl war eine vielleicht anfechtbare Repressalie gegenüber einer Kriegsmethode, die neu war.

DR. LATERNSER: Nun zu den Einsatzgruppen. Was wußten Sie von den Aufgaben der Einsatzgruppen?

VON MANSTEIN: Von den Aufgaben der Einsatzgruppen wußte ich nur, daß sie zur Vorbereitung der politischen Verwaltung, also für eine politische Überprüfung der Bevölkerung der besetzten Gebiete im Osten vorgesehen waren und daß sie nach Sonderanweisung unter Verantwortung von Himmler arbeiteten.

DR. LATERNSER: Haben Sie jemals von der Absicht und dem Auftrag der Ausrottung der Juden und anderen Teilen der Bevölkerung erfahren?

VON MANSTEIN: Nein, das habe ich nicht erfahren. Diesen Auftrag hat ja auch, wie der Zeuge Ohlendorf ausgesagt hat, Himmler mündlich nur unmittelbar an die Einsatzgruppen und so weiter gegeben.

DR. LATERNSER: Sind Sie, als Sie den Oberbefehl über die 11. Armee übernahmen, über das Vorhandensein der Einsatzgruppen unterrichtet worden?

VON MANSTEIN: Als ich im September 1941 die Armee in Nikolajew übernahm, bin ich nur zwei bis drei Tage im Hauptquartier gewesen und habe dann einen vorgeschobenen Gefechtsstand mit einem kleinen Teil meines Stabes in der Nähe der Front bezogen. In den zwei oder drei Tagen in Nikolajew haben mir die verschiedenen Abteilungschefs des Oberkommandos über ihre Aufgaben vorgetragen. Ich nehme an, daß dabei auch mir vorgetragen worden ist, daß sich also Teile des SD im Operationsgebiet mit besonderen Aufträgen von Himmler befänden. Die Organisation der Einsatzgruppen, so wie sie mir heute klar ist, ist mir damals aber keineswegs in der Form klargeworden und ihre Aufträge in gar keinem Falle.

DR. LATERNSER: Haben Sie persönlich mit Ohlendorf zu tun gehabt?

VON MANSTEIN: Es kann sein, daß sich Ohlendorf einmal bei mir gemeldet hat. Und da diese Meldungen meistens in der Mittagsstunde waren, kann es auch sein, daß ich ihn aufgefordert habe, zum Essen da zu bleiben; wenn er bei mir war, jedenfalls nur im Beisein meines Chefs; denn Leute, die nicht zu meiner Armee gehörten, habe ich immer im Beisein meines Chefs empfangen. Ich möchte dazu noch sagen, daß ich bereits mehrere Wochen hier im Gefängnis gewesen bin, als mir eines Tages der General Westphal sagte: Hier ist ein SD-Führer Ohlendorf, der behauptet, auf der Krim gewesen zu sein. Ich habe dann General Westphal gebeten, ihn mir einmal zu zeigen und habe dann gesagt, ja, es mag sein, daß ich ihn mal gesehen habe, ich weiß das nicht mehr. Also daraus erhellt sich die Art der Verbindung, die einmal mit ihm bestanden haben könnte.

DR. LATERNSER: Der Zeuge Ohlendorf hat ausgesagt, er hätte auf dem Marsch mit Ihnen und Ihrem Chef gesprochen?

VON MANSTEIN: Auf dem Marsch kann er gar nicht mit mir gesprochen haben, denn ein Oberbefehlshaber macht ja nicht die Märsche seiner Truppe mit, sondern, wenn ich einen Gefechtsstand wechsle, so mache ich das im Flugzeug, oder ich fahre mit einem Ordonnanzoffizier im Wagen, und wenn ich das mache, dann ist mein Chef nicht dabei; denn bei einem solchen Wechsel bleibt der Chef immer am alten Gefechtsstand, bis der Oberbefehlshaber am neuen ist, damit nicht die Führung der Armee abreißt. Infolgedessen ist es völlig ausgeschlossen, daß Ohlendorf mit mir auf dem Marsch gesprochen haben will.

DR. LATERNSER: Herr Feldmarschall! Wie erklären Sie, daß Ihnen die Ermordung von 90000 Juden entgangen sein kann?

VON MANSTEIN: Diese 90000 Juden, die angegeben worden sind, sind keineswegs in meinem Befehlsbereich ermordet worden, sondern wie Ohlendorf ausgesagt hat, hat sein Bereich von Czernowitz, also von den Karpathen, bis Rostow gereicht, das sind schätzungsweise 1200 Kilometer, und in der Breite war dieses Gebiet vielleicht 300 bis 400 Kilometer breit. In diesem riesigen Gebiet operierte aber keineswegs nur die 11. Armee, sondern in diesem Gebiet operierten noch die 1. Panzerarmee, die 3. und 4. rumänische Armee, also vier Armeen, und die 90000, die im Laufe eines Jahres dort umgebracht worden sein sollen, verteilen sich also räumlich auf ein Riesengebiet, also räumlich auf ein Gebiet, in dem die 11. Armee nur ein kleines Stück in der Krim gehabt hat.

DR. LATERNSER: Aber mußten Sie nicht auch etwas erfahren, wenn zum Beispiel auf der Krim einige hundert Juden ermordet wurden?

VON MANSTEIN: Nein, das mußte ich nicht erfahren. Ich habe mich in dem Jahr, glaube ich, auf zwölf oder dreizehn verschiedenen Gefechtsständen befunden, immer im Kampfgebiet. Wenn ich in meinem Hauptquartier war, in Sarabus, das war ein kleines Dorf ungefähr 20 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, erreichten mich nur taktische Meldungen, denn es kamen in der Woche ein- bis zweimal – es kann auch drei- oder viermal gewesen sein – der Oberquartiermeister und der Armeearzt und ähnliche zu mir, um das Wesentliche vorzutragen. Man muß auch bedenken, daß die Lage bei uns so war, daß ein Oberbefehlshaber restlos durch die Sorgen des Kampfes in Anspruch genommen war und daß mit Recht ihm nur das Wesentliche auf allen anderen Gebieten vorgetragen wurde. Das zweite ist, daß unsere Truppen ja beinahe bis auf den letzten Mann, besonders damals auf der Krim, im Kampf vorne standen – wir haben sogar zum Teil unsere Schreiber an die Kampffront schicken müssen. Das ganze rückwärtige Gebiet war von Truppen mehr oder weniger leer, nur die wichtigsten Versorgungspunkte waren von Truppen belegt. Alles, was außerhalb dieser wenigen Punkte vor sich ging, das erfuhren praktisch die militärischen Stellen eben nicht.

DR. LATERNSER: Haben Sie nie eine Meldung über Judenerschießungen bekommen?

VON MANSTEIN: Ich habe keine Meldung über eine Judenerschießung bekommen. Ich habe einmal von einem Gerücht gehört.

DR. LATERNSER: Und worum handelte es sich dabei?

VON MANSTEIN: Als ich die Armee übernahm – es war am Tage, wie ich dies vorhin schon schilderte, als ich von Nikolajew zu meinem Gefechtsstand ging – wurde erzählt, die SS – aber ohne nähere Angaben – hätte angeblich in rückliegender Zeit, also vor meiner Zeit, ich glaube, es war in Bessarabien, ein paar Juden erschossen. Das war ein Gerücht über einen Einzelfall. Ich habe, da ich am nächsten Morgen früh wegfuhr, meinem Ordonnanzoffizier befohlen, daß dem Führer der SS zu übermitteln wäre, daß da, wo ich Oberbefehlshaber wäre, ich derartige Schweinereien nicht dulden würde. Und damit war die Sache – da es sich nur um ein Gerücht handelte und ein Befehl von mir, den ich ausgegeben habe, man solle nachforschen, ob was Wahres dran wäre, keinen beibringen konnte, der das gesehen hatte – tatsächlich erledigt. Ich bin dann gleich in die schwersten Kämpfe gekommen und habe seither nie mehr etwas über Judenerschießungen gemeldet bekommen.

DR. LATERNSER: Der Zeuge Ohlendorf hat aber von Judenerschießungen gesprochen, an denen auch Soldaten der Wehrmacht beteiligt gewesen sein sollen. Ihr Armeehauptquartier war doch in Simferopol?

VON MANSTEIN: Nein, in Simferopol lag nur die Oberquartiermeisterabteilung. Ich selbst lag mit der Führungsabteilung etwa 20 Kilometer entfernt in einem Dorf bei Simferopol. Daß Truppenteile meiner Armee an Judenerschießungen teilgenommen haben, halte ich für völlig ausgeschlossen. Ohlendorf hat im übrigen auch von Heeresgefolge gesprochen, also Polizei oder OT, oder was das gewesen sein mag. Wenn ein Truppenteil oder ein Offizier meiner Armee sich an so etwas beteiligt hätte, dann wäre das sein Ende gewesen.

DR. LATERNSER: Die Armee soll vom SD Uhren bekommen haben, die von ermordeten Juden stammten?

VON MANSTEIN: Das weiß ich nicht. Der Armeeintendant ist einmal bei mir gewesen und hat mir gemeldet, er hätte für die Armee eine größere Anzahl von Uhren aus Deutschland beschafft. Er hat mir auch eine Uhr vorgelegt, es war eine fabrikneue, deutsche Uhr.

DR. LATERNSER: Wie war die Unterstellung der Einsatzgruppen?

VON MANSTEIN: Bei der Unterstellung, überhaupt bei jeder militärischen Unterstellung, unterscheidet man entweder eine taktische Unterstellung – das ist die Unterstellung für den Kampf an der Front – oder eine wirtschaftliche Unterstellung – das ist die Unterstellung für die Versorgung mit Verpflegung, mit Betriebsstoff und die Unterbringung –, drittens eine truppendienstliche Unterstellung – das heißt also die Unterstellung für die Ausbildung, für die Ausrüstung, in Personalfragen: disziplinar und gerichtlich. Diese letztere truppendienstliche Unterstellung ist uns nie, in keinem Falle – selbst nicht für die Verbände der Waffen-SS – zugebilligt worden. Wirtschaftlich und taktisch, das heißt für den Kampf, war eine solche Unterstellung möglich. Der SD ist uns wirtschaftlich, das heißt für den Marsch, Unterbringung und Versorgung unterstellt gewesen. Eine fachliche Unterstellung, von der mal gesprochen worden ist von dem Zeugen Schellenberg, die gab es gar nicht, die gab es bei uns nur zum Beispiel für Ärzte, wo der kleinere Arzt dem Divisionsarzt auf seinem Fachgebiet unterstand. Polizeiliche Fachgebiete hatten wir aber nicht, und eine fachliche Unterstellung des SD für seine Polizeiaufgaben kam schon gar nicht in Frage. Was die Unterstellung für Marsch und Versorgung angeht, so waren das Dinge, die der Oberquartiermeister bearbeitete. Ein Oberbefehlshaber wird mit der Marschregelung von solchen kleinen Einheiten nicht befaßt.

DR. LATERNSER: Ohlendorf hat von einem Befehl des Armeeoberkommandos gesprochen, nach dem Judenerschießungen nur zweieinhalb oder nach einer anderen Aussage von ihm 200 Kilometer vom Armeehauptquartier entfernt vorgenommen werden sollten. Stimmt das?

VON MANSTEIN: Nein, ein solcher Befehl wäre auch völliger Unsinn. Was sollen zweieinhalb Kilometer Entfernung von einem Oberkommando, was soll das für einen Sinn haben, und 200 Kilometer, das wäre schon außerhalb des Operationsgebietes gewesen. An solcher Stelle hatten wir gar nicht zu befehlen. Ein solcher Befehl ist von meiner Stelle auch bestimmt nicht gegeben worden; ich habe ihn jedenfalls nicht gegeben.

DR. LATERNSER: Haben Sie bei der Panzergruppe Höppner mit den Einsatzgruppen zusammengearbeitet?

VON MANSTEIN: Ich war bei der Panzergruppe Höppner Kommandierender General des I. Panzerkorps. Ich entsinne mich nicht, daß da bei mir jemals SD aufgetreten ist. Ich habe mich mit dem Panzerkorps damals – das war in den ersten Monaten des Rußlandkrieges – teilweise bis 100 Kilometer vor der Front befunden. Zwischen mir und den nachfolgenden deutschen Infanteriearmeen waren noch die zurückgehenden russischen Armeen. Daß in dieser Lage, wo uns die Russen auf dem Fuß folgten, der SD Judenerschießungen in meinem Bereich vorgenommen hätte, ist völlig ausgeschlossen, das hätte er nie riskiert. Und wie gesagt, kam ich mal nach vorne, da habe ich keine SD-Leute gesehen.

DR. LATERNSER: Kannten Sie den Generaloberst Höppner?

VON MANSTEIN: Ja, natürlich.

DR. LATERNSER: Wie war seine Einstellung zu solchen Gewaltmethoden?

VON MANSTEIN: Höppner war ein anständiger, gerader, sehr offener Soldat. Daß der solche Sachen mitgemacht hätte, halte ich für vollkommen ausgeschlossen. Im übrigen zeigt ja auch sein Tod im Verfolg des 20. Juli, daß er nicht auf der Seite solcher Leute gestanden hat.

DR. LATERNSER: Hat bei der 11. Armee eine taktische Zusammenarbeit mit den Einsatzgruppen stattgefunden?

VON MANSTEIN: Ja, von der SS, oder SD, oder Polizei haben wir zum Partisanenkampf, soviel ich mich entsinne, Hilfskräfte bekommen. Es gab damals auf der Krim im Jaila-Gebirge kleine unzugängliche Teile des Gebirges, wo sich Partisanen befanden. Wir kamen nicht an sie heran, weil wir keine Gebirgstruppen hatten. Es blieb uns nur übrig, zu versuchen, diese Banden auszuhungern, indem wir verhinderten, daß sie die tatarischen Dörfer überfielen und sich so das Leben weiter erhielten. Dazu haben wir die Tataren bewaffnet, und zur Erkundung, ob diese Dörfer in unserem Sinne zuverlässig waren, dazu hat der SD mitgeholfen.

VORSITZENDER: Das geht zu sehr auf Einzelheiten ein. Ist das nicht schon alles vor der Kommission behandelt worden? Können Sie das nicht etwas abkürzen?

DR. LATERNSER: Jawohl, Herr Präsident, ich bin mit diesem Punkt bei der letzten Frage, und diese Frage war vor der Kommission nicht gestellt worden, soweit ich mich erinnere.

VON MANSTEIN: Ebenso zur Erkundung der Lebensmittellager der Partisanen haben sie mitgewirkt. Wir mußten das tun, weil wir deutsche Kräfte nicht zur Verfügung hatten, sondern nur rumänische Gebirgstruppen, die allein mit diesen Aufgaben befaßt wurden.

DR. LATERNSER: Ist es auch schon mal vorgekommen, daß, wenn sich Teile des SD oder SS oder Einsatzgruppen an einem derartigen Bandenkampf beteiligt haben, sie dann eine Auszeichnung bekommen haben für diese Tätigkeit?

VON MANSTEIN: Das ist durchaus möglich, dann war es aber die Auszeichnung für die Tätigkeit im Kampf und nicht etwa für Judenerschießungen.

DR. LATERNSER: Nun zu einem anderen Punkt: Es wird der Wehrmacht auch die Ausplünderung der besetzten Gebiete vorgeworfen?

VON MANSTEIN: Wir haben in der Armee sehr strenge Bestimmungen gegen Plündern gehabt und sind gegen Plünderer unnachsichtlich eingeschritten. Der einzelne Mann durfte auch nicht requirieren, sondern nur der Truppenteil, und nur das, was der Truppenteil für seinen dienstlichen Bedarf brauchte, zu seiner Verpflegung innerhalb der Rationssätze. Dagegen haben wir im Jahre 1943 mitgewirkt bei der Rückführung von Gütern, die für die Kriegführung für uns wichtig waren. Es ist aber auf meinen ausdrücklichen Befehl beschränkt worden in der Ukraine auf Getreide, auf Ölsaaten, auf einige wenige Mengen Metalle und auf eine geringe Menge von Vieh, das mitgetrieben werden konnte. Bei alledem handelte es sich aber nicht um Plünderung von Privateigentum, sondern um eine staatliche Requisition von staatlichem Eigentum.

DR. LATERNSER: Sind auch Fabriken durch die Wehrmacht abmontiert worden?

VON MANSTEIN: Die Abmontage von Fabriken, wenn sie erfolgt ist, ist erfolgt auf Anordnung des Wirtschaftsstabes Ost, denn die Ausnützung der Industrie in den besetzten Gebieten, auch im Operationsgebiet, unterstand nicht den Armeen, sondern dem Wirtschaftsstab Ost.

DR. LATERNSER: Wie weit hatten die militärischen Führer mit der Arbeiterdeportation zu tun?

VON MANSTEIN: Wir waren nur angewiesen, die Erfassung von Arbeitskräften durch den Reichsbevollmächtigten zu unterstützen. Wir haben uns an sich gegen die Abgabe von Arbeitskräften gewehrt, weil wir sie selber im Interesse der Landwirtschaft der besetzten Gebiete brauchten. In Besprechungen mit Sauckel hat er mir auf meine Vorstellung, daß man durch Zwangsmethoden die Bevölkerung aufsässig machen würde, auch erklärt, daß er selbst gegen Zwangsmethoden sei. Es war mir gemeldet oder berichtet worden über eine angebliche Zwangszusammentreibung im Reichskommissariat Als ich das zur Sprache brachte, hat mir Reichskommissar Koch erklärt, das stimme nicht, er selbst hätte von den Gerüchten auch gehört. Er wäre dem Gerücht nachgegangen, das sei alles erlogen. Dagegen konnte ich natürlich keinen Gegenbeweis führen. Jedenfalls haben wir uns auf die Werbung beschränkt, und im übrigen hat hier auch der Reichsbevollmächtigte die Bestimmung vorgelegt, nach der die Fremdarbeiter in Deutschland entsprechend den deutschen Arbeitern behandelt und verpflegt werden sollten.

DR. LATERNSER: Sie erwähnten hier im Zusammenhang Sauckel und Koch. Waren das zwei getrennte Besprechungen, oder wurden die beiden zusammen abgehalten?

VON MANSTEIN: Nein, das waren meines Erachtens getrennte Besprechungen. Koch war einmal mit Rosenberg bei mir, und bei dieser Gelegenheit habe ich zur Sprache gebracht, daß ich von diesen Zwangsmaßnahmen gehört hätte, und da hat er sie bestritten, da war aber Sauckel nicht dabei.

DR. LATERNSER: Und ein anderes Mal, war damals Sauckel allein bei Ihnen?

VON MANSTEIN: Ja.

VORSITZENDER: Wann fand die Besprechung mit Rosenberg statt?

VON MANSTEIN: Das kann ich nicht mehr genau sagen.

VORSITZENDER: Nicht genau, aber ungefähr können Sie das Datum doch angeben?

VON MANSTEIN: Ja, das ist im Jahre 1943 gewesen. Da war Rosenberg zusammen mit Koch bei mir, und zwar muß es gewesen sein, ich würde denken etwa im September oder Oktober, aber ich kann das Datum beim besten Willen nicht mehr sagen, es kann auch schon früher gewesen sein.

DR. LATERNSER: Herr Feldmarschall! Warum haben Sie als hoher militärischer Führer alle die Verletzungen von Kriegsrecht und Humanität geduldet?

VON MANSTEIN: Ich habe in meinem Bereich, also im militärischen Bereich, derartige Dinge nicht geduldet, und was im Rahmen des weltanschaulichen Kampfes außerhalb unseres Bereiches Vorging, das erfuhren wir ja nicht; das vollzog sich ja abseits unseres Einflusses und unserer Kenntnis, und wir hatten auch weder Macht noch Recht, so etwas zu verhindern, ganz abgesehen davon, daß wir alle die Scheußlichkeiten, die sich enthüllten, auch gar nicht gewußt haben.

DR. LATERNSER: Glaubten Sie, auf Grund der militärischen Gehorsamspflicht alles mitansehen beziehungsweise mitmachen zu müssen?

VON MANSTEIN: Die militärische Gehorsamspflicht ist an sich ganz zweifellos bindend und unteilbar. Ein Recht zum Ungehorsam oder eine Pflicht zum Ungehorsam – möchte ich sagen – gibt es an sich nicht für den Soldaten. Es kann eine moralische Pflicht dazu geben und diese moralische Pflicht wäre gegeben gewesen zum Beispiel in solchen Fällen wie den Judenexekutionen, aber davon erfuhren wir nichts.

DR. LATERNSER: Hätte nicht auch im Falle des Kommissarbefehls eine Weigerung aller Oberbefehlshaber Hitler zum Einlenken veranlaßt?

VON MANSTEIN: Das hätte er sicher nicht getan; im Gegenteil, es wäre vielleicht für ihn und manche andere eine erwünschte Gelegenheit gewesen, uns zu beseitigen. Im übrigen ist eine offene Verweigerung des Gehorsams, um einen Diktator zu zwingen, in einer Diktatur ein völlig unbrauchbares Mittel. Der Diktator kann sich nicht zwingen lassen. Mit dem Moment, wo er einem solchen Zwang auch einmal nachgibt, ist seine Diktatur ja erledigt.

DR. LATERNSER: Bestand nicht die Möglichkeit, ihn durch Gegenvorstellungen von seinen Entschlüssen abzubringen?

VON MANSTEIN: Man kann da zwei Dinge unterscheiden in den grundsätzlichen politischen Entscheidungen; in den Entschlüssen zum Kriege und so weiter da bestand für uns bestimmt keinerlei Möglichkeit. Er gab seine Entscheidung bekannt in den Ansprachen oder durch Befehle – und da war keine Diskussion und keine Einrede möglich.

VORSITZENDER: Der Zeuge hat sich damit bereits beschäftigt.

DR. LATERNSER: Hatten Sie militärischen Einfluß auf Hitler?

VON MANSTEIN: In rein militärischen Führungsfragen hat er in gewisser Hinsicht wohl auf mich gehört. Ich habe allerdings mit ihm in diesen Dingen eine unausgesetzte Reihe von Auseinandersetzungen gehabt. Meine schriftlichen Vorschläge an ihn selbst oder an den Chef des Generalstabs zur Vorlage bei ihm können einen dicken Band füllen. Ich bin in den entscheidenden Punkten der rein Operativen Führung im allgemeinen vielleicht mit meinen Ansichten durchgekommen, in anderen Fällen, sobald sie das reine Führungsgebiet verließen, schnitt er jede Diskussion ab. Ich habe aber dreimal versucht, ihn in persönlichen Unterredungen dazu zu bringen, den militärischen Oberbefehl zu ändern, das heißt auf deutsch den Oberbefehl, wenn auch nicht pro forma, so doch de facto abzugeben. Das hat jedesmal naturgemäß...

VORSITZENDER: Dr. Laternser! Was haben wir damit zu tun? Mit diesen rein strategischen Sachen? Das Oberkommando ist nicht seiner Strategie wegen angeklagt!

DR. LATERNSER: Wissen Sie, Herr Feldmarschall, ob auch andere militärische Führer Differenzen mit Hitler gehabt haben?

VON MANSTEIN: Die Zahl solcher Differenzen ist zweifellos sehr groß gewesen. Das zeigt sich schon aus folgender Tatsache:

Von 17 Feldmarschällen, die dem Heer angehörten, sind zehn im Kriege nach Hause geschickt worden und drei im Verfolg des 20. Juli ums Leben gekommen. Nur ein einziger Feldmarschall hat den Krieg in seiner Stellung als Feldmarschall des Heeres überdauert.

Von 36 Generalobersten sind allein 18 nach Hause geschickt worden, und fünf sind im Verfolg des 20. Juli ums Leben gekommen oder in Unehren verabschiedet worden. Nur drei Generaloberste haben den Krieg in ihrer Stellung überdauert.

DR. LATERNSER: Von 36?

VON MANSTEIN: Von 36; ich glaube, es gibt keinen Berufsstand, der derartige Opfer seiner Überzeugung verzeichnet hat, denn alle diese Führer waren militärisch hochqualifizierte Offiziere. Sie konnten nicht wegen Unfähigkeit weggeschickt werden, sondern sie wurden weggeschickt, weil Hitler ihnen mißtraute oder weil er ihnen nicht die nötige Härte in der Kampfführung zutraute.

DR. LATERNSER: Hat der Kreis der Männer vom 20. Juli mit Ihnen Fühlung genommen? Der Zeuge Gisevius hat so etwas ausgesagt.

VON MANSTEIN: Das ist mir nicht bewußt geworden. Ich habe einmal einen Brief von Generaloberst Beck bekommen, in dem er sich im Winter 1942 über die strategische Lage auf Grund von Stalingrad ausließ und sagte, daß der Krieg wohl kaum zu einem guten Ende führen würde. Ich habe ihm darauf geantwortet, daß ich seine Darlegung nicht widerlegen könnte, daß aber eine Niederlage noch kein Grund wäre, einen Krieg verloren zu geben; daß ein Krieg nur verloren sei, wenn man ihn selbst verloren gebe. Ich hätte im übrigen so viele Sorgen an meiner Front, daß ich mich auf eine lange Auseinandersetzung nicht einlassen könnte.

Jetzt nachträglich ist mir klargeworden, daß noch verschiedene Fühlungsversuche gemacht worden sind, anscheinend um meine Einstellung zu sondieren. Da war in einem Falle der General von Gersdorff bei mir gewesen und hat, wie er mir nachträglich gesagt hat, Briefe mitgehabt von Goerdeler, glaube ich, und Popitz, die er mir zeigen sollte, wenn er glaube, daß ich für einen Staatsstreich zu haben wäre. Da ich aber immer den Standpunkt vertreten habe, daß eine Beiseiteschiebung oder Beseitigung Hitlers im Kriege zum Chaos führen müsse, hat er mir diese Briefe gar nicht gezeigt. Daß das Fühlungsversuche sein sollten, das ist mir jetzt erst nachträglich klargeworden. Ich habe also niemals an irgend jemand eine Zusage gemacht, mich an solchen Unternehmen zu beteiligen.

DR. LATERNSER: Haben Sie eine Dotation bekommen?

VON MANSTEIN: Nein, ich habe keine bekommen.

DR. LATERNSER: Wann und warum sind Sie Ihrer Stellung enthoben worden?

VON MANSTEIN: Ich bin meiner Stellung enthoben worden Ende März 1944. Der Grund, den Hitler mir angab, war der, daß große Operationen, bei denen er mich brauche, nicht mehr zu führen seien. Es käme nur noch auf stures Festhalten an, und dafür müßte ein neuer Mann an meine Stelle gesetzt werden. Ich habe nie geglaubt, daß das der wahre Grund war. Der wahre Grund lag wohl darin, daß er auch mir mißtraute. Er war letzten Endes der Revolutionär, und ich war der alte preußische Offizier – und dazu kam, wie mir damals bei dieser Gelegenheit der Chef des Generalstabs, General Zeitzler, gesagt hat, eine unausgesetzte Hetze gegen mich von seiten Himmlers unter allen möglichen Behauptungen. Ein Christ wie ich könnte nicht treu sein und ähnliches – und eine Hetze, die wohl auch noch von anderen Elementen ausgegangen ist.

DR. LATERNSER: Nun komme ich zur letzten Frage, Herr Feldmarschall. Was können Sie noch gegen den Vorwurf der Anklagebehörde anführen, die militärische Führerschaft für verbrecherisch zu erklären?

VON MANSTEIN: Ich bin 40 Jahre Soldat gewesen. Ich stamme aus einer Soldatenfamilie und bin in soldatischen Auffassungen groß geworden. Das Beispiel aus meiner allernächsten Verwandtschaft, das mir vor Augen gestanden hat, war der alte Hindenburg. Wir haben als junge Offiziere natürlich den Kriegsruhm als etwas Hohes angesehen. Ich will auch gar nicht bestreiten, daß ich stolz war, als mir in diesem Kriege eine Armee anvertraut wurde, aber wir haben unser Ideal – und das gilt auch für meine Kameraden – nicht im Kriegführen an sich gesehen, sondern in der Erziehung unserer Jugend zu ehrenhaften Menschen und zu anständigen Soldaten. Diese Jugend ist unter unserem Befehl in den Tod gegangen zu Millionen.

Und wenn ich etwas Persönliches sagen darf:

Mein ältester Sohn ist als Leutnant mit 19 Jahren bei der Infanterie gefallen; zwei Schwiegersöhne von mir, die in meinem Hause groß geworden sind, sind als junge Offiziere gefallen. Meine besten Kameraden in diesem Kriege, mein junger Ordonnanzoffizier und mein junger Kraftfahrer, sind gefallen. Fast alle Söhne meiner Geschwister sind gefallen. Daß wir alten Soldaten unsere Jugend, an der unser Herz gehangen hat, für ein Verbrechen in den Krieg geführt haben sollen, das geht über das hinaus, was die weiteste Phantasie den Menschen an Schlechtigkeit zutrauen kann. Es mag ein einzelner, der keine Familie und keine Tradition hat und der von einem fanatischen Glauben an eine höhere Sendung besessen ist, sich über die Schranken des menschlichen Gesetzes erheben. Wir als Soldaten wären dazu, rein menschlich gesehen, nicht in der Lage gewesen. Wir konnten unsere Jugend nicht zu Verbrechen führen.

DR. LATERNSER: Ich habe keine weiteren Fragen mehr, Herr Präsident.