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[Zum Zeugen gewandt:]

Sie ersehen aus der Überschrift, daß es vom OKW am 23. Juli 1941 ausgegeben wurde.

VON MANSTEIN: Ja. Das ist aber meines Erachtens eine Entscheidung des OKW, denn der Kopf heißt: »The Chief of the Supreme Command of the Armed Forces.« Das ist das OKW.

OBERST TAYLOR: Das sagte ich ja. Es handelt sich um ein Dokument des OKW.

DR. LATERNSER: Ich bitte um Entschuldigung, aber ich muß unterbrechen. Ich bitte, dem Zeugen ein deutsches Exemplar dieses Befehls vorlegen zu wollen. Wie ich aus der Antwort entnahm, hat er einen englischen Text zitiert.

OBERST TAYLOR: Der Zeuge hat auch eine deutsche Kopie, sagt man mir.

VORSITZENDER: Haben Sie eine deutsche Kopie?

VON MANSTEIN: Jawohl, es ist eine deutsche Kopie darunter.

OBERST TAYLOR: Ich will Ihnen dieses Dokument vorlesen und Ihnen dann eine Frage darüber stellen:

»Nach einem Vortrag des Ob.d.H. hat der Führer am 22. 7. als Ergänzung und Erweiterung der Weisung 33 befohlen...«

Und jetzt, Zeuge, wollen Sie sich bitte Abschnitt 6, den letzten Abschnitt, ansehen.

Haben Sie ihn gefunden?

VON MANSTEIN: Ja.

OBERST TAYLOR:

»Die zur Sicherung der eroberten Ostgebiete zur Verfügung stehenden Truppen reichen bei der Weite dieser Räume nur dann aus, wenn alle Widerstände nicht durch die juristische Bestrafung der Schuldigen geahndet werden, sondern wenn die Besatzungsmacht denjenigen Schrecken verbreitet, der allein geeignet ist, der Bevölkerung jede Lust zur Widersetzlichkeit zu nehmen.

Die entsprechenden Oberbefehlshaber sind mit den zur Verfügung stehenden Truppen verantwortlich zu machen für die Ruhe in ihren Gebieten. Nicht in der Anforderung weiterer Sicherungskräfte, sondern in der Anwendung entsprechender drakonischer Maßnahmen müssen die Oberbefehlshaber die Mittel finden, um ihre Sicherungsräume in Ordnung zu halten.«

Unterzeichnet ist es von dem Angeklagten Keitel.

Haben Sie diesen Befehl niemals erhalten, Zeuge?

VON MANSTEIN: Ich kann mich an diesen Befehl nicht entsinnen. Er ist ja auch lange vor meiner Zeit als Oberbefehlshaber ergangen, und es sind mir naturgemäß nicht sämtliche Befehle, die vor meiner Kommandoführung eingegangen sind, vorgelegt worden. Ich kann mich auf den Befehl nicht entsinnen.

OBERST TAYLOR: Zur Zeit, als dieser Befehl herauskam, waren Sie doch Kommandierender General eines Korps, nicht wahr?

VON MANSTEIN: Ja.

OBERST TAYLOR: Geht nicht aus diesem Befehl klar hervor, daß er nur bei weitester Verbreitung an die Stäbe und Einheiten aller Formationen ausgeführt werden konnte?

VON MANSTEIN: Nein, an sich nicht. Der Befehl enthält ja Weisung für die Südostfront, für die mittlere Ostfront und die Nordostfront, für die Marine und Luftwaffe und für die Sicherung der eroberten Gebiete im Rücken. Ich war damals mit meinem Panzerkorps schon weit vor der Front in diesen Tagen; gerade im Juli war ich westlich des Ilmensees; da war ich mal zeitweise abgeschnitten und eingeschlossen. Daß man mir dann einen Befehl zuschickt, der die ganze Front angeht, das ist ganz ausgeschlossen; also wenn überhaupt, dann hätte ich höchstens einen Auszug, der mein Gebiet angeht, bekommen. Aber hier handelt es sich bei der Ziffer 6 ja letzten Endes um die Sicherung der rückwärtigen Gebiete, und das Panzerkorps, das weit vor der Front der Infanteriearmee war, das hatte mit diesen Sachen ja gar nichts zu tun.

OBERST TAYLOR: Es ist doch ganz klar, daß der Befehl für die ganze Front gilt, nicht wahr?

VON MANSTEIN: Ja, die Ziffer 6 gilt natürlich für die ganze Front, aber mit diesen Maßnahmen hat ein Panzerkorps, das vor der Front ist und das unausgesetzt im Kampf mit den feindlichen Streitkräften steht, nichts zu tun, und selbst wenn der Befehl an mich abgeschickt worden wäre, so ist noch lange nicht gesagt, daß er mich erreicht hätte, denn ich entsinne mich gerade, im Juli, wo ich da abgeschnitten war, da ist einmal ein großer Teil unseres Trosses vom Generalkommando mit sehr wichtigen Schriftstücken in feindliche Hand gefallen. Also, ich entsinne mich beim besten Willen nicht, daß ich den Befehl bekommen habe. Ich glaube auch nicht, daß er an das Korps gegangen ist.

OBERST TAYLOR: Ein Armeeoberbefehlshaber, der diesen Befehl erhielt, konnte ihn doch nur ausführen, indem er ihn an seine unteren Einheiten verteilte. Das war doch die einzige Möglichkeit, ihn auszuführen.

VON MANSTEIN: Er mußte ihn nicht unbedingt verteilen, denn die Ziffer 6 spricht ja von den eroberten Gebieten, also den rückwärtigen Gebieten; und die Panzergruppe, der ich unterstand, die nur zwei Panzerkorps in der vordersten Front hatte, die brauchte nicht unbedingt den Befehl an die Korps weiterzugeben, denn die Sicherung ihres geringen rückwärtigen Gebietes mußte sie ohnehin selber, ohne die beiden Korps, machen und hat das auch getan.

OBERST TAYLOR: Nehmen wir also an, Sie waren damals abgeschnitten und erhielten diesen Befehl zur Zeit seiner Ausgabe gar nicht, haben nicht einige der Generale anderer Kampfabschnitte – preußischer Soldatentradition gemäß – mit Ihnen diesen Befehl besprochen und angedeutet, sie hätten ihn erhalten?

VON MANSTEIN: Gesprochen hat mit mir über den Befehl keiner. Man kam ja zum Beispiel als Oberbefehlshaber mit den anderen Oberbefehlshabern nur in den allerseltensten Fällen zusammen, und ob sie den Befehl bekommen haben, das kann ich wirklich nicht aussagen.

OBERST TAYLOR: Wir werden jetzt das Dokument als erledigt ansehen.

Hitler betrachtete den Krieg an der Ostfront als einen weltanschaulichen Krieg und einen Rassensieg, nicht wahr?

VON MANSTEIN: Jawohl, ja.

OBERST TAYLOR: Und er wollte nicht nur die Sowjetarmeen besiegen, sondern auch das politische System der Sowjets vernichten, das stimmt doch?

VON MANSTEIN: Er wünschte zweifellos, das Produktionssystem der Sowjetunion im besetzten Gebiet für unsere Kriegführung nutzbar zu machen.

OBERST TAYLOR: Und er wünschte ein neues politisches System in den von der Armee besetzten Gebieten einzuführen?

VON MANSTEIN: Ich verstehe nicht, was Sie mit »neuem System« meinen. Worauf bezieht sich das?

OBERST TAYLOR: Ein politisches System, ein System der politischen Verwaltung.

VON MANSTEIN: Selbstverständlich; besetzte Gebiete müssen ja irgendwie verwaltet werden.

OBERST TAYLOR: Und er wünschte eine Verwaltung, die äußerst verschieden war von der Sowjetregierung, nicht wahr?

VON MANSTEIN: Ja, da das nationalsozialistische System in gewisser Hinsicht sich von dem der Sowjetunion unterschied, mußte natürlich auch sein Bestreben, die Verwaltung dementsprechend einzurichten, vorliegen.

OBERST TAYLOR: Um eine neue politische Verwaltung einzurichten und dazu eine Verwaltung, die friedlich arbeitete, so daß das Gebiet ausgebeutet werden konnte, war Hitler doch bestrebt, die Teile der Bevölkerung, jene Elemente der Bevölkerung, zu vernichten, die sich seinen Zielen widersetzten, nicht wahr?

VON MANSTEIN: Das weiß ich nicht, ob das von Anfang an schon im klaren war, und jedenfalls hat er diesen Plan uns militärischen Führern nie bekanntgegeben.

OBERST TAYLOR: Hatte das OKW, um bei der Ausführung dieser Pläne mitzuwirken, nicht verschiedene Befehle an die Kommandierenden Generale herausgegeben, die recht außergewöhnlich waren? Ich denke zum Beispiel an den Kommissarbefehl, den Sie erwähnten.

VON MANSTEIN: Der Kommissarbefehl betraf ja letzten Endes nur die Beseitigung von Elementen, die, sagen wir mal, von der Sowjetseite den Krieg über das Militärische hinaus zum Weltanschaulichen steigern sollten, und den Kampf, sagen wir mal, bis aufs Messer bei ihrer Truppe durchsetzen sollten. Das hat mit der Ausrottung von Teilen der Bevölkerung nichts zu tun, sondern höchstens die Beseitigung einer gewissen Klasse vom Gefolge der feindlichen Wehrmacht, bei denen er Politiker vielleicht und weniger Soldaten sah.

OBERST TAYLOR: Ich verweise auch auf Hitlers wohlbekannten Befehl vom 13. Mai 1941, der die Anwendung von Kriegsgerichtsverfahren in Fällen beschränkte, in denen deutsche Soldaten Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung verübt hatten. War das nicht auch ein Teil dieses selben Planes?

VON MANSTEIN: Sicherlich ist das, wenn der Plan bei ihm bestand, auch ein Teil dieses Planes gewesen. Aber dieser Plan ist ja von uns nicht befolgt worden, denn, wie gesagt, wir haben ja auf Grund dieses Befehls des Oberbefehlshabers des Heeres durch unsere Gerichtsbarkeit die Ausschreitungen im Interesse der Manneszucht streng bestraft. Ich erwähnte schon vorhin das Beispiel von zwei Todesurteilen bei meinem Korps.

OBERST TAYLOR: Zeuge! Waren nicht Sie, Zeuge, und die anderen Kommandierenden Generale an der Ostfront in der Tat mit dieser Ansicht Hitlers und dem Zweck dieser Befehle wohl vertraut?

VON MANSTEIN: Nein, ein weiterer Zweck dieses Befehls war uns nicht bekannt. Der Zweck der Ausrottung? Auf diesen Gedanken sind wir damals auch gar nicht gekommen.

OBERST TAYLOR: Welche Elemente in der russischen Bevölkerung, glaubten die Deutschen, würden den wirtschaftlichen und politischen Zielen im besetzten Gebiet Widerstand leisten?

VON MANSTEIN: Darüber habe ich mir weiter keine Gedanken gemacht, da ich mit den wirtschaftlichen Plänen in den besetzten Gebieten nichts zu tun hatte und auch nicht mit den politischen Plänen, von denen wir ausgeschlossen waren. Ich kann nur sagen, daß wir Soldaten nur den Gedanken hatten, daß wir die Bevölkerung der besetzten Gebiete durch eine vernünftige Behandlung in Ruhe halten müssen, und darüber hinaus gingen unsere Erwägungen überhaupt nicht.

OBERST TAYLOR: Ob Sie sich darüber Gedanken machten oder nicht – wußten Sie nicht, welche Elemente in der Sowjetbevölkerung Hitler und die anderen politischen Führer für am schädlichsten hielten? Ich frage Sie: Wußten Sie das nicht?

VON MANSTEIN: Daß er die politischen Kommissare für schädlich und für unsere Feinde hielt, das ist selbstverständlich;

das hat er auch im Kommissarbefehl zum Ausdruck gebracht. Wie weit er – abgesehen von dem Kommissarbefehl – an die Vernichtung solcher Elemente dachte, das weiß ich nicht, das hat er uns nicht gesagt. Wir haben auch keinen Befehl hierüber bekommen.

OBERST TAYLOR: Glaubte er nicht auch, daß die Juden aus genau den gleichen Gründen ausgerottet werden müßten?

VON MANSTEIN: Das mag sein; aber er hat zum Beispiel mit mir nicht ein einziges Mal über die Judenfrage gesprochen.

OBERST TAYLOR: Und Sie wußten also nichts davon?

VON MANSTEIN: Nein, ich wußte nichts von dem Plan der Ausrottung.

OBERST TAYLOR: Ich möchte noch einige Fragen an Sie stellen über die Einsatzgruppen und Einsatzkommandos: Wollen Sie vor dem Gerichtshof behaupten, daß Sie nicht wußten, daß eine der wichtigsten Aufgaben dieser Einheiten war, die Kommissare und die Juden in Verfolg dieser Politik auszurotten?

VON MANSTEIN: Nein, das wußte ich nicht.

OBERST TAYLOR: War Ihrer Armee eine Einsatzgruppe zugeteilt? Der 11. Armee?

VON MANSTEIN: Ja; diese Einsatzgruppe ist ja, wie Ohlendorf ausgesagt hat, im Bereich meiner Armee tätig gewesen.

OBERST TAYLOR: Ich glaube, Sie sagten vorhin, daß die Einsatzgruppe für Operationszwecke vollständig unter dem Befehl Himmlers stand. Ich glaube auch, Sie sagten, Himmler wäre ein erbitterter Feind der Armee gewesen. Was taten Sie, als Sie hörten, daß Ihrer Armee eine Einsatzgruppe zugeteilt war? Was wurde Ihnen darüber gesagt?

VON MANSTEIN: Mir ist seinerzeit vorgetragen worden – ich weiß nicht einmal, ob der Name »Einsatzgruppe« damals gefallen ist –, daß Organe der SS in den Operationsgebieten die Bevölkerung politisch überprüfen sollten und daß sie die Aufträge hierzu von Himmler bekämen. Dagegen konnte ich nichts tun, denn ich konnte auch nicht annehmen, daß diese Teile der SS verbrecherische Aufgaben hatten.

OBERST TAYLOR: Ist es dem Oberkommandierenden angenehm, in seinem Operationsgebiet eine unabhängige Einheit zu haben, der er keine Befehle geben kann? Ist das üblich? Haben Sie das gern?

VON MANSTEIN: Nein, man hat es natürlich nicht gern, aber es gab ja noch sehr viele andere unabhängige Einheiten. Ich möchte nur betonen, daß die Luftwaffe uns in keiner Weise unterstand. Wenn wir zusammen im Kampf arbeiteten, mußten wir uns mit ihnen verabreden. Irgendwelche Befehle konnten wir ihnen nicht geben. Ähnlich war es mit der OT und den Organisationen des Wirtschaftsstabes Ost, ebenso war es mit der Polizei. Kurz, wir waren ja praktisch auf die militärische Führung beschränkt, und letzten Endes ist für einen Soldaten die Beschränkung auf sein militärisches Gebiet im Grunde genommen das beste, denn von den anderen Dingen versteht er ja nach allgemeinem Urteil ohnehin nichts.

OBERST TAYLOR: Erregte es nicht Ihre Neugierde, als Sie hörten, daß eine unabhängige Einheit unter Himmlers Befehl in Ihrem Gebiet tätig war? Hat es Sie nicht gereizt, ihre Tätigkeit aufzudecken?

VON MANSTEIN: Die Aufgabe der Überprüfung der Bevölkerung auf politische Zuverlässigkeit ist mir ja gemeldet worden. Ich habe schon gesagt, daß ich nur zwei oder drei Tage im Hauptquartier war und dann an die Front gefahren bin, und ich muß sagen, daß mich der militärische Kampf derart in Anspruch genommen hat während des ganzen Winters als Oberkommandierender, so daß für eine Neugierde für Dinge, von denen ich ja gar nichts ahnen konnte, beim besten Willen kein Raum mehr war.

OBERST TAYLOR: Sie sprachen aber doch mit Oberbefehlshabern und anderen Stabsoffizieren von Zeit zu Zeit, nicht wahr?

VON MANSTEIN: Die anderen Oberbefehlshaber habe ich nur gesehen, wenn irgendeine Besprechung beim OKH mit einigen war. Mit meinen Offizieren habe ich selbstverständlich gesprochen. Aber diese Frage des SD ist da nie zur Sprache gekommen, weil das für uns als eine wichtige Frage gar nicht in Erscheinung getreten ist.

OBERST TAYLOR: Sagten Sie niemals Ihrem Stabschef oder einem anderen Stabsoffizier, er solle Sie sehr sorgfältig über das, was diese unabhängigen Gruppen unter Himmler in Ihrem Gebiet taten, auf dem laufenden halten?

VON MANSTEIN: Nein. Von unabhängigen Gruppen Himmlers kann man wohl nicht sprechen, denn diese Einsatzgruppe ist ja verhältnismäßig klein gewesen und ist nie in Erscheinung getreten. Sie ist in Erscheinung getreten, als sie uns Leute für die Partisanenbekämpfung auf der Krim stellte. Da weiß ich, daß darüber von meinem Stab mit dem SS-Führer verhandelt worden ist.

OBERST TAYLOR: Ich habe noch zwei oder drei Dokumente über diese Angelegenheit, die bereits als Beweisstücke vorliegen. Ich möchte sie Ihnen zeigen und einige Fragen dazu stellen. Das erste ist Affidavit Nummer 12, das bereits als Beweisstück US-557 vorliegt. Der erste Teil dieses Affidavits behandelt Angelegenheiten, über die Sie wahrscheinlich nicht direkt Bescheid wissen. Sicherlich müssen Sie aber über den zweiten Abschnitt Bescheid wissen. Das ist ein Affidavit von Walter Schellenberg. Ich möchte gern die ersten beiden Abschnitte verlesen. Der Gerichtshof wird es im ersten Dokumentenbuch des Generalstabs finden.

»Meiner Erinnerung nach verhandelte Mitte Mai 1941 der Chef des vierten Amtes des Reichssicherheitshauptamtes (SS-Brigadeführer Müller) im Namen des Chefs des Reichssicherheitshauptamtes (SS-Gruppenführer Heydrich) mit dem Generalquartiermeister des Heeres (General Wagner) über Fragen des Einsatzes der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes im Rahmen des Feldheeres beim bevorstehenden Feldzug gegen Rußland. Wagner fand keinen Kontakt mit Müller, und daher bat Heydrich um Abstellung eines anderen Verhandlungspartners. Ich war damals Chef der Abteilung E im vierten Amt des RSHA unter dem Amtschef Müller und wurde auf Grund meiner Protokollerfahrungen von Heydrich zu Wagner entsandt, um die endgültige Vereinbarung zu formulieren. Laut meines Befehls sollte ich darauf achten, daß es in dieser Vereinbarung vorgesehen wurde, daß die verantwortlichen Heeresdienststellen zur völligen Unterstützung aller Tätigkeiten der Einsatzgruppen und Einsatzkommandos der Sipo und des SD fest gebunden wären. Ich habe mit Wagner das Problem dieses gegenseitigen Verhältnisses eingehend besprochen. Gemäß dieser Aussprache habe ich ihm dann einen ausgearbeiteten Vereinbarungsentwurf vorgelegt, der seine volle Billigung fand. Dieser Vereinbarungsentwurf wurde die Grundlage einer Abschlußbesprechung gegen Ende Mai 1941 zwischen Wagner und Heydrich.

Der Inhalt dieser Vereinbarung ist meiner Erinnerung nach ungefähr folgender gewesen. Ihre Grundlage war der zu Eingang der Vereinbarung erwähnte Führerbefehl, daß die Sipo und der SD im Kampfverband des Feldheeres zum Einsatz gelange, mit der Aufgabe, jeden Widerstand in eroberten Frontgebieten beziehungsweise in eroberten rückwärtigen Nachschubgebieten mit allen Mitteln schnellstens und vollkommen zu brechen. Als dann wurden die einzelnen Räume, in denen die Sipo und der SD eingesetzt werden und tätig sein sollten, festgelegt. Die einzelnen Einsatzgruppen waren dabei verteilt auf die zum Einsatz gelangenden Heeresgruppen und die einzelnen Einsatzkommandos auf die betreffenden zum Einsatz gelangenden Armeen.

Die Einsatzgruppen und Einsatzkommandos sollten im einzelnen tätig werden

1.) in den Frontgebieten: bei völliger Unterstellung unter das Feldheer, taktisch, fachlich und truppendienstlich;

2.) in den rückwärtigen Operationsgebieten: bei Unterstellung unter das Feldheer nur truppendienstlich, aber befehlsmäßig und fachlich unter das RSHA;

3.) in den rückwärtigen Heeresgebieten: Regelung wie unter 2.);

4.) in den Gebieten der zivilen Ostverwaltung: genau wie im Reich.

Die taktisch-fachliche Befehlsgewalt und die Verantwortlichkeit der Frontdienststelle des Feldheeres über die Einsatzkommandos wurden in der Vereinbarung in keiner Weise beschränkt, und daher bedurfte sie keiner weiteren Erläuterung. Die Vereinbarung legte...«

VORSITZENDER: Das ist bereits als Beweismaterial vorgelegt, wir brauchen daher die Einzelheiten nicht.

OBERST TAYLOR: Es ist vorgelegt, aber niemals vorher verlesen worden. Ich habe nur noch einen weiteren Abschnitt, den ich mit Ihrer Erlaubnis verlesen möchte.

VORSITZENDER: Bitte.

OBERST TAYLOR:

»Die Vereinbarung legte fest, daß die truppendienstliche Unterstellung nicht nur die disziplinäre Unterstellung umfaßte, sondern auch die Verpflichtung der rückwärtigen Dienststellen des Feldheeres auf Unterstützung der Einsatzgruppen und Einsatzkommandos in Fragen des Nachschubs (Benzin, Verpflegung usw.) sowie auf Benützung des Nachrichtennetzes.«

Das ist alles, was verlesen zu werden braucht, Herr Vorsitzender.

Zeuge! Stimmt es nicht, daß die Armee diesen Einsatzgruppen und Einsatzkommandos ihre Tätigkeit erst ermöglicht hat? Daß sie diese mit Verpflegung, Transportmitteln und anderen Dingen versorgt hat, damit sie ihren Auftrag ausführen konnten?

VON MANSTEIN: Ja, sicher; das wissen wir ja auf Grund der wirtschaftlichen Zuteilung der SS zu der Armee.

OBERST TAYLOR: Stimmt es nicht auch, daß die Kommandierenden Generale sich davon überzeugen mußten, was diese Einheiten taten, so daß deren Operationen nicht mit den militärischen Operationen in Konflikt gerieten?

VON MANSTEIN: Nein, an sich brauchten sich die Kommandierenden Generale um diese Einsatzgruppen nicht zu kümmern, solange sie nicht vorn im Bereich erschienen und da störten. Ich habe als Kommandierender General, wie ich schon sagte, eine solche Einsatzgruppe bei mir nicht angetroffen.

OBERST TAYLOR: Haben Sie dem Gerichtshof gesagt, daß militärische Operationen nur an der Front gestört werden konnten? Stimmt es nicht auch, daß die rückwärtigen Gebiete wegen der Sicherung der Verbindung und der Befriedung der Bevölkerung ebenso wichtig sind? Haben Sie sich nicht auch um die rückwärtigen Gebiete gekümmert?

VON MANSTEIN: Im rückwärtigen Gebiet kam es für uns ja auf die Sicherung der Nachschubwege, also der Bahnen und Straßen, an. Die machten wir meistens selbst. Eine Störung hätte nur stattfinden können, wenn zum Beispiel Massenexekutionen oder so etwas – wie ich das jetzt nachträglich gehört habe – stattgefunden haben sollten, wenn dadurch Schwierigkeiten und Unruhen in der Bevölkerung aufgetreten wären. Davon würden dann die Befehlshaber des rückwärtigen Armeegebietes gehört und dann sicher auch eingegriffen haben.

OBERST TAYLOR: Herr Vorsitzender! Ich möchte jetzt eine kleine Stelle aus Dokument 447-PS vorlesen; es liegt als Beweisstück US-135 vor.

Zeuge! Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit jetzt auf den Abschnitt 2 lenken, Unterabschnitt a), beginnend mit den Worten: »Das mit dem Vorgehen des Heeres...« Sehen Sie das?

VON MANSTEIN: Ja.

OBERST TAYLOR: Ich will zwei Absätze verlesen:

»Das mit dem Vorgehen des Heeres über die Grenzen des Reiches und der Nachbarstaaten gebildete Operationsgebiet des Heeres ist der Tiefe nach soweit als möglich zu beschränken. Der Ob.d.H. hat die Befugnis, in diesem Gebiet die vollziehende Gewalt auszuüben mit der Ermächtigung, sie auf die Oberbefehlshaber der Heeresgruppen und Armeen zu übertragen.

b) Im Operationsgebiet des Heeres erhält der Reichsführer-SS zur Vorbereitung der politischen Verwaltung Sonderaufgaben im Auftrag des Führers, die sich aus dem endgültig auszutragenden Kampf zweier entgegengesetzter politischer Systeme ergeben. Im Rahmen dieser Aufgaben handelt der Reichsführer-SS selbständig und in eigener Verantwortung. Im übrigen wird die dem Ob.d.H. und den von ihm beauftragten Dienststellen übertragene vollziehende Gewalt hierdurch nicht berührt. Der Reichsführer-SS sorgt dafür, daß bei Durchführung seiner Aufgaben die Operationen nicht gestört werden. Näheres regelt das OKH mit dem Reichsführer- SS unmittelbar.«

Ich frage Sie nochmals, Zeuge, war es nicht Ihre Verantwortlichkeit und die Ihres Hauptquartiers, dafür zu sorgen, daß die Operationen dieser Gruppe nicht mit militärischen Operationen in Konflikt gerieten, und hatten Sie sich selbst nicht über deren Tätigkeit auf dem laufenden zu halten?

VON MANSTEIN: Wenn eine Störung der militärischen Operationen in irgendeiner Form eingetreten wäre, so hätten natürlich die militärischen Befehlshaber eingreifen müssen. Aber die Tatsache, daß eine politische Polizei ein besetztes Gebiet überwachte und in diesem Gebiet die politische Zuverlässigkeit prüfte, das ist ja doch kein Grund, daß man annehmen muß, daß dabei Inkorrektheiten vorkommen oder daß sogar Massenerschießungen oder überhaupt Erschießungen in diesem Gebiet stattgefunden haben, sondern die politische Überwachung durch die politische Polizei ist eine Erscheinung, die es in jedem besetzten Gebiet geben wird.

OBERST TAYLOR: Ich denke, Sie sagten schon aus, daß Sie nichts von Massenerschießungen in Ihrem Gebiet wußten. Ist das richtig? Wußten Sie nichts davon?

VON MANSTEIN: Nein, ich wußte nichts davon.

OBERST TAYLOR: Ich möchte Dokument R-102 vorlegen, das als Beweisstück US-470 vorliegt, und ich möchte gerne zwei Absätze auf der letzten Seite der Übersetzung verlesen.