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[Zum Zeugen gewandt:]

Vor der Kommission wurde Ihnen folgende Frage vorgelegt:

»Sie kennen sicher den Befehl des Generals von Reichenau, in dem er rücksichtsloses Verhalten gegenüber der Zivilbevölkerung forderte? Haben Sie diesen Befehl bekommen, und hatte er irgendwelchen Einfluß auf Ihre Haltung und auf das Benehmen Ihrer Truppe gegenüber der Zivilbevölkerung?«

Und Sie antworteten:

»Dieser Befehl ist uns auf Veranlassung des Führers zur Kenntnis zugegangen; jedoch keiner der anderen Führer war derselben Ansicht wie Reichenau, und er wurde niemals durchgeführt, besonders in meinem Gebiet.«

Sie haben doch den Reichenau-Befehl nicht vergessen, nicht wahr?

VON MANSTEIN: Den Reichenau-Befehl hatte ich, bis er hier unter den Dokumenten auftauchte, völlig vergessen, und ich habe vor allen Dingen diesen Befehl von mir völlig vergessen. Das ist schließlich kein Wunder, denn es liegt eine Reihe von Jahren zurück, und ich habe in diesen Jahren Hunderte, vielleicht Tausende von Befehlen unterschrieben, und ich kann mich unmöglich an jede Einzelheit erinnern.

OBERST TAYLOR: Haben Sie eine Menge derartiger Befehle unterzeichnet? Ist das der Grund, warum Sie Schwierigkeiten haben, sich daran zu erinnern?

VON MANSTEIN: Nein, von einem solchen Befehl habe ich eine größere Anzahl nicht unterzeichnet. Ich habe aber auch vor allem sehr viele Berichte schreiben und lesen müssen, und daß ich diesen Befehl vergessen habe, was ich durchaus zugebe, das ist schließlich kein Wunder. Ich weiß nur eines, daß dieser Befehl jedenfalls im Gegensatz zu dem Reichenau-Befehl ganz scharf die Formen betont, die ich an das anständige Verhalten meiner Soldaten stellte, und das ist ja letzten Endes der springende Punkt.

OBERST TAYLOR: Sie erinnern sich an den Reichenau-Befehl und erinnern sich, daß Ihnen nahegelegt wurde, ihn weiterzuleiten; und das einzige, was Sie vergessen haben, ist, daß Sie das taten?

VON MANSTEIN: Nein, ich habe gesagt, daß ich mich an den Reichenau-Befehl erst hier erinnert habe, wie ich ihn hier bei den Dokumenten, also vor der Kommission und so weiter, zu sehen bekam und daß ich mich an die Tatsache, daß ich diesen Befehl gegeben habe, beim besten Willen nicht erinnert habe. Wenn ich es getan hätte, hätte ich es bestimmt zur Sprache gebracht, denn dieser Befehl entspricht ja in seinem zweiten Teil völlig meiner Auffassung.

OBERST TAYLOR: Sie glauben, daß der zweite Teil von Ihnen geschrieben ist und nicht der erste?

VON MANSTEIN: Geschrieben habe ich den Befehl überhaupt nicht selber. Der Befehl ist mir wahrscheinlich als Entwurf vorgelegt, und ich habe ihn unterschrieben. Wenn in dem ersten Teil von dem Kampf gegen das System und der Ausrottung des Systems die Rede ist und auch von dem Kampf gegen die Juden als Träger der Partisanenbewegung, so hatte das letzten Endes seine sachliche Berechtigung; aber das hat ja alles nichts damit zu tun, daß die Juden ausgerottet werden sollten. Sie sollten ausgeschaltet werden, es sollte das System beseitigt werden, das ist doch der springende Punkt dabei.

OBERST TAYLOR: Ich glaubte, Sie sagten dem Gerichtshof vor einigen Minuten, Sie wußten nicht einmal, daß die Juden der neuen Verwaltung wahrscheinlich feindlich gegenüberstehen würden? Es scheint, daß Sie dies ganz besonders für Ihre Soldaten geschrieben hatten.

VON MANSTEIN: Nein, das habe ich nicht gewußt, und dieser Befehl, daß die Juden ausgerottet werden sollten, dieser Befehl kann mir das auch nicht in Erinnerung rufen, denn es steht ja mit keinem Wort drinnen, daß die Juden ausgerottet werden sollten; es steht drin, das System soll ausgerottet werden.

OBERST TAYLOR: Ich lenke Ihre Aufmerksamkeit auf den Absatz:

»Für die Notwendigkeit der harten Sühne am Judentum, dem geistigen Träger des bolschewistischen Terrors, muß der Soldat Verständnis aufbringen. Sie ist auch notwendig, um alle Erhebungen, die meist vom Juden angezettelt werden, im Keime zu ersticken.«

Ich frage Sie, Zeuge, die Einsatzkommandos konnten doch nicht Juden liquidiert haben, ohne daß die Soldaten etwas davon wußten, nicht wahr? Stimmt das?

VON MANSTEIN: Das ist durchaus möglich, denn, wie Ohlendorf ja geschildert hat, sind diese Judenerschießungen mit »Umsiedlung« getarnt worden. Die Juden sind an abgelegene Stellen gefahren, dort erschossen und begraben worden; also, daß die Kenntnis den Kommandobehörden entzogen war – ganz sicher. Selbstverständlich ist es möglich, daß der eine oder andere Soldat durch Zufall eine solche Exekution gesehen hat, denn es sind ja auch Beweise dafür vorgelegt. Ich entsinne mich auch bei der russischen Anklage der Schilderung eines Zeugen, eines Ingenieurs, der, glaube ich, in der Ukraine in der Gegend von Schitomir oder Rowno einer solchen Erschießung beigewohnt hat und dies in den grauenhaftesten Farben geschildert hat. Dazu kann man nur fragen: Warum hat dieser Mann das nicht den Kommandostellen gemeldet? Und die Antwort darauf ist: Die Angst vor der SS war eben so stark, daß dieser Mann, anstatt die Schweinerei zu melden, sie bei sich behalten hat und jetzt damit rauskommt. Damals – es ist ja nicht in meinem Bereich gewesen, sondern wo anders – wenn dieser Mann zu einer hohen militärischen Kommandostelle gegangen wäre und hätte dieses Ereignis geschildert, dann – ich bin überzeugt – würde der betreffende Befehlshaber eingegriffen haben, und dann hätten wir auch davon erfahren; aber praktisch haben wir eben nichts davon erfahren.

OBERST TAYLOR: Noch eine Frage zu diesem Thema, Herr Vorsitzender.

Zeuge! Stimmt es nicht, daß dieser Befehl sehr sorgfältig entworfen war, so daß die Truppen ihn verstanden und, sagen wir, dem, was die Einsatzkommandos bezüglich der Judenvernichtung ausgeführt haben, sympathisch gegenüberstanden?

VON MANSTEIN: Meinen Sie meinen Befehl?

OBERST TAYLOR: Ja.

VON MANSTEIN: Nein, davon ist gar keine Rede, daß ich jemals meine Truppe, auch nur zwischen den Zeilen, dazu hätte anregen wollen, mit solchen Methoden mitzumachen; davon kann gar keine Rede sein, und wie hätte ich sonst als letztes die soldatische Ehre da besonders hervorheben können.

OBERST TAYLOR: Euer Lordschaft! Die Anklagevertretung hat keine weiteren Fragen an diesen Zeugen.

VORSITZENDER: Wir werden uns vertagen.