[Pause von 10 Minuten.]
VORSITZENDER: Herr Dodd! Der Gerichtshof möchte die Stellungnahme der Anklagebehörde zu dem Antrag von Dr. Sauter hören.
MR. THOMAS J. DODD, ANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Herr Vorsitzender! Ich habe dem Gerichtshof folgende Erklärung abzugeben: Soviel ich verstehe, wird in dem Antrag gebeten, die eidesstattliche Erklärung Pohls zu streichen und Funk die Erlaubnis zu geben, noch einmal als Zeuge aufzutreten. Ich möchte gegen den Antrag auf Streichung der eidesstattlichen Erklärung Pohls Einspruch erheben. Diese scheint uns höchst wichtig in diesem Fall zu sein – obwohl ich sehr bezweifle, daß noch notwendig sein wird, Pohl zum Kreuzverhör zu laden –, aber falls irgend etwas notwendig wäre, so wäre es dies. Der Angeklagte Funk hatte, wie uns scheint, reichlich Gelegenheit, als er im Zeugenstand war. Ich habe ihn gefragt, wie sich der Gerichtshof entsinnen wird, wann er angefangen hat, mit der SS Geschäfte zu machen, und ich glaube, daß ich damals voll und ganz auf alle Phasen dieser Beziehungen zwischen dem Angeklagten Funk und der SS eingegangen bin; und der Angeklagte Funk hat dies alles verneint. Er wird weiterhin Gelegenheit haben, nehme ich an, mit Erlaubnis des Gerichtshofs in seiner Schlußerklärung über neue Punkte, die sich aus dem Pohl-Affidavit ergeben könnten, Erklärungen abzugeben.
VORSITZENDER: Jawohl; aber die eidesstattliche Erklärung Pohls ist doch ganz neu, nicht wahr?
MR. DODD: Jawohl, sie ist neu; sie bezieht sich aber eigentlich nur auf eine neue Sache, nämlich auf die Spinnstoffgeschäfte, die nach unserer Meinung zwischen der SS, der Reichsbank und dem Angeklagten Funk vor sich gegangen sind. Die Juwelenangelegenheit und die anderen Punkte sind meines Erachtens schon behandelt worden.
VORSITZENDER: Ich wollte damit nicht ausdrücken, daß es sich um eine ganz neue Sache handelt; aber es ist die Aussage eines neuen Zeugen in dieser Angelegenheit.
MR. DODD: Ja, das ist es.
VORSITZENDER: Und was das betrifft, hat der Angeklagte Funk noch keine Gelegenheit gehabt, es unter Eid zu bestreiten. Es kann sein, daß der Gerichtshof es für richtig erachten wird, ihm diese Gelegenheit zu geben. Es entstehen da zwei ganz verschiedene Fragen: erstens, ob Pohls eidesstattliche Versicherung zurückgewiesen werden soll, und zweitens, ob Funk gerufen werden soll.
MR. DODD: Nun, ich bin keineswegs der Ansicht, daß die eidesstattliche Versicherung Pohls zurückgewiesen werden soll; sie scheint Uns sehr erheblich zu sein. Wie sich der Gerichtshof erinnern wird, bestanden ziemlich gegensätzliche Meinungen über diese Beziehungen, deren Bestehen wir zwischen Funk und der SS behauptet haben. Wir haben also einen weiteren Zeugen gerufen, nämlich Pohl, und noch einen Zeugen, nämlich seinen ehemaligen Untergebenen; ich möchte fast annehmen, daß der Verteidiger vorzieht, Pohl ins Kreuzverhör zu nehmen. Wir sind sehr gern bereit, ihn das tun zu lassen; und dann später, wenn Funk Gelegenheit haben wird – und daß er sie haben wird, dessen bin ich sicher – seine Aussagen zu machen, könnte er ja seinen gegenteiligen Standpunkt vorbringen. Ich weiß nicht, was er mehr noch sagen könnte, als daß das nicht der Fall war, und ich glaube, das hat er bereits eingehend dargelegt, als er im Zeugenstand war; er hat dabei abgestritten, daß er irgendwelche Beziehungen zu Himmler oder zur SS gehabt habe. Ich fürchte auch, Herr Präsident, daß, wenn der Gerichtshof dies Verfahren in diesem Fall erlaubt, auch andere Fälle auftreten könnten, wo andere Angeklagte vielleicht verhört werden wollen und daß wir dann so weitermachen mit diesen Gegenbeweisen. Ich fürchte, daß das dem Gerichtshof sehr viel Zeit kosten wird.
VORSITZENDER: Dr. Sauter! Wir haben Sie über dieses Thema schon eingehend gehört.
DR. SAUTER: Herr Präsident! Darf ich da noch auf eine Tatsache hinweisen? Dieser Zeuge Pohl ist am 1. Juni, also am ersten Tage des sechsten Monats im Nürnberger Gefängnis angekommen; vernommen wurde der Zeuge in dem Affidavit am 15. Juli, das war...
VORSITZENDER: Herr Dr. Sauter! Sie haben erklärt, daß Sie ihn nicht mehr ins Kreuzverhör nehmen wollen. Wieso ist es dann erheblich, zu welcher Zeit er hier angekommen ist, wenn Sie ihn doch nicht ins Kreuzverhör nehmen wollen?
DR. SAUTER: Herr Präsident! Ich stehe auf dem Standpunkt, daß es grundsätzlich für die Staatsanwaltschaft nicht mehr gestattet sein darf, weitere Beweismittel vorzubringen gegen einen Angeklagten, dessen Fall vollkommen abgeschlossen ist. Der Zeuge Pohl ist am 1. Juni hier eingetroffen; am 15. Juli, also sechs Wochen später, wurde er dann in dem Affidavit vernommen. Das war derselbe Tag, an dem ich mein Plädoyer für den Angeklagten Funk gehalten habe. Und wieder nach mehreren Wochen ist das Affidavit erst vorgelegt worden. Ich glaube nicht, daß das mit den Forderungen der Gerechtigkeit in Einklang zu bringen ist, daß gegen einen Angeklagten nach vollständigem Abschluß seines Falles von der Staatsanwaltschaft noch weitere Beweismittel vorgebracht werden, ohne daß der Angeklagte Gelegenheit hat, im Zeugenstand dazu Stellung zu nehmen. In dem Affidavit Pohl sind ja ganz neue Tatsachen behauptet; zum Beispiel behauptet Pohl, über diese Goldzahngeschichte habe man sich bei einem Mittagessen in Gegenwart von zehn bis zwölf Personen unterhalten. Das ist etwas ganz Neues und natürlich von Haus aus vollkommen unwahrscheinlich; und deshalb habe ich ja gebeten, Herr Präsident, Sie wollen uns gestatten, daß der Angeklagte Funk zu diesem Punkt im Zeugenstand vernommen wird.
VORSITZENDER: Sie müssen einsehen, daß es dem Gerichtshof überlassen bleiben muß, wann er die Beweisführung beenden will, und es ist natürlich notwendig, daß die Beweisführung einmal beendet werden muß. Der Gerichtshof hat ja ausführlich gehört, was Sie zu sagen hatten, und er wird diese Angelegenheit jetzt prüfen.
DR. SAUTER: Jawohl. Danke schön.
VORSITZENDER: Was den Antrag von Dr. Sauter betrifft, so wird die eidesstattliche Versicherung von Pohl nicht zurückgewiesen werden; sie wird im Protokoll verbleiben. Aber angesichts der besonderen Umstände dieses Falles kann der Angeklagte Funk im Zeugenstand über dieses Thema noch einmal gehört werden. Und er wird wieder aufgerufen werden, nachdem die Beweisführung für die Organisationen abgeschlossen ist.
Was die Einwendungen von Dr. Laternser gegen die Verwendung der von Generalmajor Walter Schreiber gemachten Aussage anlangt, ist der Gerichtshof nicht geneigt, so spät noch irgendwelche Beweismittel zuzulassen oder die Fragen noch einmal aufzuwerfen, die vor dem Gerichtshof, schon eingehend erörtert worden sind. Andererseits jedoch in Anbetracht der Wichtigkeit der Aussagen des Generalmajors Schreiber und ihrer besonderen Erheblichkeit nicht nur für das Verfahren gegen gewisse Einzelangeklagte, sondern auch für das Verfahren gegen das Oberkommando, wird der Gerichtshof eine Zeugeneinvernahme des Generals Schreiber erlauben, wenn er vor Ende des Verfahrens hierhergebracht werden kann. Im anderen Falle kann diese Aussage nicht verwertet werden.
Hinsichtlich der Frist, innerhalb deren General Schreiber hierherzubringen wäre, falls man ihn als Zeugen hier hören will, hält der Gerichtshof es für angebracht zu verfügen, daß er nur als Zeuge gehört werden kann, wenn man ihn noch vor den Schlußplädoyers für die Organisationen herbringen kann. Und natürlich werden die Verteidiger für die Organisationen Gelegenheit haben, zu allen Aussagen, die General Schreiber möglicherweise macht, Stellung zu nehmen. Das ist alles.
Der Zeuge kann sich zurückziehen.