[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]
DR. LATERNSER: Herr Präsident! Für den Fall, daß der Zeuge Professor Dr. Schreiber durch die Russische Anklagebehörde gestellt werden sollte, möchte ich – aber nur für diesen Fall – beantragen, daß zu diesem Punkt noch ein anderer Zeuge vernommen werden möchte, der über dieses Gebiet genauestens Auskunft geben könnte. Nur für diesen Fall.
VORSITZENDER: Wollen Sie uns sagen, welchen Punkt Sie meinen?
DR. LATERNSER: Die Russische Anklagebehörde hat heute im Kreuzverhör des Zeugen von Manstein eine schriftliche Erklärung über eine besondere Art der Kriegführung vorgelegt, stammend von Professor Dr. Schreiber.
VORSITZENDER: Ich weiß; aber in dieser Erklärung sind drei oder vier Punkte behandelt. Welchen meinen Sie? Es ist nicht nur ein Punkt in der Erklärung, sondern eine Anzahl von Punkten.
DR. LATERNSER: Ich würde nur darum bitten, Herr Präsident, mir für den Fall, daß dieser Zeuge kommt, Gelegenheit zu geben, ebenfalls einen Zeugen zu diesem Punkt beantragen zu dürfen. Das ist alles. Es ist nur ein eventuell gestellter Antrag.
VORSITZENDER: Sie müssen diesen. Antrag gleich stellen. Welchen Antrag stellen Sie, und wer ist der Zeuge?
DR. LATERNSER: Für den Fall, daß Professor Dr. Schreiber als Zeuge erscheint, beantrage ich, zu dem gleichen Beweisthema den General-Oberstabsarzt Dr. Handloser zu vernehmen, und zwar als Verteidigungszeugen.
VORSITZENDER: Ist der Zeuge in Nürnberg oder wo?
DR. LATERNSER: Ich kann den Aufenthaltsort nicht angeben, werde mich aber in der Zwischenzeit bemühen, ihn feststellen zu können.
VORSITZENDER: Herr Dr. Laternser! Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß Sie diesen Antrag schriftlich einbringen müssen unter genauer Angabe der Gründe, warum Sie glauben, daß dieser Arzt über die biologische Kriegführung Bescheid weiß und wo Sie ihn finden können. Damit sind Sie mit Ihren Zeugen fertig?
DR. LATERNSER: Ja.
VORSITZENDER: Dann hat der Gerichtshof nur noch den Fall der SA zu prüfen. Wollen Sie bitte Ihren Zeugen für die SA rufen.
RECHTSANWALT GEORG BÖHM, VERTEIDIGER FÜR DIE SA: Im Rahmen der Beweisführung für die SA bitte ich, als ersten Zeugen den Zeugen Bock vernehmen zu dürfen.
[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]
VORSITZENDER: Zeuge! Bitte geben Sie ihren vollen Namen an.
ZEUGE FRANZ BOCK: Franz Bock.
VORSITZENDER: Wollen Sie mir die folgende Eidesformel nachsprechen: »Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzufügen werde.«
[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]
VORSITZENDER: Sie können sich setzen.
RA. BÖHM: Herr Zeuge! Wann sind Sie zur SA gekommen?
BOCK: Ich bin im Jahre 1922 zur SA gekommen.
RA. BÖHM: Und was war damals Ihr Beruf, damals?
BOCK: Mein Beruf war kaufmännischer Angestellter.
RA. BÖHM: Welche Aufgaben hatten Sie in der SA?
BOCK: Ich war vom Jahre 1922 bis 1929 SA-Mann. Vom Jahre 1929 bis 1932 hatte ich folgende Dienstgrade: Truppführer bis ungefähr 1930; Sturmführer bis 1931; und Sturmbannführer bis 1932. Als ich in dieser Zeit arbeitslos wurde, kam ich im Jahre 1932 als Sturmbannführer hauptamtlich zum SA-Gruppenstab West als Adjutant. Von dort aus kam ich im Jahre 1933 zur SA-Gruppe »Bayerische Ostmark« als Stabsführer; im Jahre 1934 wieder als Standartenführer nach Traunstein, im Jahre 1935 bis 1937 Brigadeführer, um 1937 Abteilungschef erst und später Amtschef im Stab der Obersten SA-Führung. Im Jahre 1940 leistete ich meinen Wehrdienst. Nach meinem Wehreinsatz kam ich Ende 1942 als Führer der Gruppe Niederrhein nach Düsseldorf. Dort war ich bis zum Zusammenbruch 1945.
RA. BÖHM: Sie sind also einer der ältesten SA-Führer und können uns sagen, weshalb denn eigentlich die SA geschaffen worden ist und wie sie organisiert war.
BOCK: Die SA wurde ursprünglich als eine Turn- und Sportabteilung ungefähr im Jahre 1920 gegründet; kurze Zeit später wurde sie dann zu einer sogenannten Ordnungsgruppe, zu einer Saal- und Selbstschutzorganisation. Die SA bestand damals aus jungen Idealisten und Frontsoldaten des alten Weltkrieges und war nicht besonders organisiert bis ungefähr zum Jahre 1923. Sie entstand jeweils nach den örtlichen Notwendigkeiten oder Bedürfnissen, wie sie die Partei eben verlangte.
RA. BÖHM: Sie haben von einer Saal- und Selbstschutzorganisation soeben gesprochen. Was wollte man damit erreichen?
BOCK: Die Verbreitung des nationalsozialistischen Ideengutes stieß allenthalben damals gerade bei den politischen Gegnern auf harten Widerstand. Man wollte die junge Partei mit allen Mitteln bekämpfen, selbst mit den Mitteln des Terrors. Und daraus entstand dann eine Selbstschutzorganisation oder ein sogenannter Saalschutz.
RA. BÖHM: Warum propagierte die SA, daß Kampf gegen alles, was sich der Bewegung und den großen Zielen der Bewegung entgegenstellte, ihre Hauptaufgabe war?
BOCK: Jeder Selbsterhaltungstrieb erfordert Kampf. Die Verwirklichung der nationalsozialistischen Idee mit dem Ziel, einst die Macht im Staat zu erreichen, erforderte eben auch im politischen Kampf die Auseinandersetzung und den Kampf selbst. Die Mittel unseres Kampfes aber waren die geistigen Waffen, die Mundpropaganda, das gesprochene Wort, die Kundgebungen.
RA. BÖHM: Wie war die Entwicklung der SA von 1925 bis zum straffen Aufbau der SA im Jahre 1931?
BOCK: Die SA entwickelte sich im allgemeinen gerade vom Jahre 1925 an organisch mit der Entwicklung der gesamten Partei. Sie war eng mit der Partei verbunden, hatte nur einen unbedeutenden organisatorischen Aufbau und war im wesentlichen mit der Partei eng verbunden. Die Partei selbst aber war damals – und damit auch die SA – von den Machthabern des damaligen Staates anerkannt und genehmigt, genau so wie die anderen politischen Parteien, zum Beispiel das Reichsbanner oder der Rotfrontkämpferbund, die Sturmscharen, die irgendwie eben zu den jeweiligen politischen Organisationen und Parteien der damaligen Zeit gehörten.
RA. BÖHM: Welche Gründe bestanden nach Ihrer Ansicht für eine Umorganisation im Jahre 1931?
BOCK: Die Entwicklung der Partei und damit auch die Vergrößerung der SA über das ganze Reichsgebiet erforderte gerade um diese Zeit – meines Erachtens, soweit ich das noch im Gedächtnis habe – einen engen Zusammenschluß und eine entsprechende führungsmäßige Organisation und Aufgliederung der SA. Weiterhin war es dringend notwendig, daß gerade wegen der in diesen Jahren und fast in jedem Jahr stattfindenden großen Parteitage, wo die SA ja wohl der Hauptträger des Aufmarsches war, daß für diese Zwecke – für diese propagandistischen Zwecke – die SA in sich entsprechend organisiert und geschlossen aufgegliedert war.
RA. BÖHM: Weshalb war die SA uniformiert, und war diese Bekleidung militärischen Funktionen angepaßt?
BOCK: Meines Erachtens hatte die SA keine Uniform in diesem Sinne, im wortwörtlichen Sinne; sondern sie hatte erst nur eine graue Windjacke, später das sogenannte Diensthemd, das Braunhemd. Die übrige Bekleidung war meist ziviler Art. Diese Uniform mußte die SA damals haben zum Unterschied gegenüber den übrigen politischen Organisationen wie das Reichsbanner; wie ich soeben schon genannt habe, irgendwelchen militärischen Charakter daraus zu schließen, halte ich für abwegig, und wir haben auch nie daran gedacht, daß diese Bekleidung militärischen Charakter haben könnte oder sollte.
RA. BÖHM: Trugen denn die Angehörigen anderer Organisationen in der damaligen Zeit irgendwelche äußere Kennzeichen, die auf ihren Zusammenschluß schließen ließen?
BOCK: Selbstverständlich. Das Reichsbanner zum Beispiel trug sehr viel ähnliche Uniformen wie wir auch in der früheren Zeit, diese graue Windjacke und eigene Mützen. Der Rotfrontkämpferbund, soweit ich mich noch entsinne, trug auch eine hemdartige Uniform, ein grünbraunes Hemd und so weiter. So sind fast sämtliche Organisationen damals fast alle auch in ihren eigenen Uniformen aufgetreten.
RA. BÖHM: Hatte die SA Waffen, und wer konnte Waffen tragen?
BOCK: Die SA durfte keine Waffen tragen, das war ausdrückliche Anordnung. Nach 1933, um die Jahreswende 1933/1934, hatte die SA den sogenannten »Ehrendolch« bekommen. Eine Pistole durfte dann später – nach der Machtübernahme – nur der SA-Führer führen, der einen entsprechenden polizeilichen Waffenschein besaß oder einen vollgültigen SA-Paß. Das Tragen der Waffen, vor allem in der Kampfzeit, wurde ja strengstens überwacht von den zuständigen Stellen der Polizei und der Staatsexekutive, und ich kann mich aus meiner Zeit, wo ich Einheiten führte, erinnern, daß wir vor jeder Versammlung und in den Versammlungen, sogar bei allen großen Aufmärschen, fast durchwegs vorher von der Polizei nach Waffen untersucht wurden und daß wir deshalb unseren Männern strikte Anweisung gaben, keine Waffen mitzunehmen, selbst auf die Gefahr hin, daß wir angegriffen wurden.
VORSITZENDER: Wir wollen eine Pause einschalten.