[Zum Zeugen gewandt:]
Sehen Sie sich zuerst Artikel 1 an; ich glaube, es ist auf Seite 9. Haben Sie es gefunden?
BOCK: Ja.
MAJOR BARRINGTON:
»Der SA-Mann ist der politische Soldat Adolf Hitlers.« Und ein paar Zeilen darunter:
»Er genießt deshalb besonderes Ansehen und hat be stimmte Rechte im Staate.«
Wollen Sie bestreiten, daß diese Worte das bedeuten, was sie sagen? War der SA-Mann nicht in einer bevorzugten Stellung?
BOCK:...
MAJOR BARRINGTON: War der SA-Mann nicht in einer bevorzugten Stellung?
BOCK: Ich kann nur sagen, daß, soweit ich SA-Mann war und soweit ich die SA-Männer kennengelernt habe, der SA-Mann nicht in einer privilegierten Stellung war. Im übrigen handelt es sich hier um die Dienstordnung der SA vom Jahre 1933, die meines Wissens im wesentlichen im Jahre 1934 außer Kraft gesetzt wurde, und ich persönlich...
MAJOR BARRINGTON: Es interessiert mich nicht, wann sie außer Kraft gesetzt wurde. Sie wurde am 12. Dezember 1933 erlassen, nicht wahr? Also nachdem die Nazis zur Macht gekommen waren?
BOCK:...
MAJOR BARRINGTON: Das steht doch oben auf der Seite. Sagen Sie mir, was waren diese bestimmten Rechte im Staate, die der SA-Mann nach Artikel 1 genoß? Was waren das für bestimmte Rechte im Staat? Jeder SA-Mann hat doch dieses Buch gelesen?
BOCK: Wenn der SA-Mann im Rahmen des Staatsdienstes oder des Polizeinotdienstes eingesetzt war, hatte er natürlich die entsprechenden Rechte im Rahmen dieses Notdienstes oder dieses Dienstes.
MAJOR BARRINGTON: Ich nehme an, daß Sie mir nicht sagen können, was für bestimmte Rechte das waren. Sehen Sie sich Artikel 10 auf Seite 13 an. Haben Sie Artikel 10 auf Seite 13 gefunden?
BOCK: 10? Ja.
MAJOR BARRINGTON:
»Die gehobene Stellung des SA-Mannes darf durch verletzende, zurücksetzende oder ungerechte Behandlung nicht herabgewürdigt werden.«
Inwiefern war der SA-Mann über andere deutsche Bürger erhaben?
BOCK: Er hat meines Erachtens nur eine besondere Verpflichtung gehabt.
MAJOR BARRINGTON: Was bedeutet es, wenn es hier heißt: »Die gehobene Stellung«, und daß er nicht verletzend behandelt werden dürfe? Er konnte also andere deutsche Bürger verletzend behandeln, nicht wahr?
BOCK:...
MAJOR BARRINGTON: Stand der SA-Mann über dem Heer? Ja oder nein?
BOCK: Ich habe schon gesagt, daß ich, soweit ich es persönlich erlebt habe, niemals ein besonderes Recht gehabt habe oder eingeräumt habe; und ich kann mir auch nicht vorstellen, daß der SA-Mann etwa ein besonderes Recht für sich hätte in Anspruch nehmen können.
MAJOR BARRINGTON: Gut. Das ist also Ihre Antwort. Sehen Sie sich nun Artikel 18 auf Seite 17 an:
»Der SA-Mann darf Waffen, die ihm anvertraut sind, nur zur Ausübung seines Dienstes oder zur regelrechten Selbstverteidigung gebrauchen.«
Ich möchte, daß Sie mir sagen, welche Art Dienst den Gebrauch von Waffen für den SA-Mann erforderlich machte außer der Selbstverteidigung?
BOCK: Ich habe schon gesagt, daß der SA-Mann für den Notdienst eingesetzt werden konnte. Im übrigen möchte ich allgemein zu dieser Dienstvorschrift noch sagen, daß sie seinerzeit meiner Überzeugung nach geschaffen wurde unter Röhm, der damals...
MAJOR BARRINGTON: Darauf will ich nicht eingehen. Röhm war Stabschef der SA, und was er anordnete, war vermutlich für die SA Gesetz, und er erklärt, daß der SA-Mann die Waffen nur zur Ausübung seines Dienstes oder zur rechtmäßigen Notwehr gebrauchen dürfe. Ich frage Sie nun nochmals, in welchem Falle außer dem der Notwehr konnte der Dienst des SA-Mannes den Gebrauch von Waffen notwendig machen? Wenn Sie diese Frage nicht beantworten können, sagen Sie es.
BOCK: Ich kann nur folgendes sagen, was ich heute auf eine Frage des Herrn Anwalts schon gesagt habe, daß die SA nur insoweit bewaffnet wurde und eingesetzt wurde, als sie in Staatsfunktionen tätig war und tätig wurde.
MAJOR BARRINGTON: Soll das heißen, daß der Zweck, zu dem von der Waffe Gebrauch gemacht werden konnte, auf militärischem Gebiete liegen kann?
BOCK:...
MAJOR BARRINGTON: Heißt das, daß sie davon zu militärischen Zwecken Gebrauch machen konnten, wenn sie dazu aufgefordert wurden?
BOCK: Ich habe gesagt im Staatsnotdienst, vor allem Polizeihilfsdienst oder Polizeidienst, soweit die SA eingesetzt oder herangeholt wurde.
MAJOR BARRINGTON: Sie sagen also, daß Sie nicht behaupten wollen, daß die SA diese Waffen bei der Wehrmacht benutzte, sondern Sie behaupten, daß sie diese im Polizeihilfsdienst verwendete.
BOCK: Für den Polizeinotdienst oder Polizeihilfsdienst.
MAJOR BARRINGTON: Heißt das also, daß diese Bestimmung der Allgemeinen Dienstordnung für die SA zu gelten hatte, falls sie im Polizeihilfsdienst eingesetzt wurde? Oder galt in diesem Falle die Polizeidienstordnung?
BOCK:...
MAJOR BARRINGTON: Von wem erhielten die SA-Männer ihre Befehle, wenn sie im Polizeihilfsdienst tätig waren, von der SA oder von der Polizei? Das möchte ich von Ihnen wissen.
BOCK: Herr Anklagevertreter! Ich habe nur das gesagt, was ich selbst gesehen habe. Was im einzelnen hier nach den Dienstvorschriften festgelegt worden ist, entzieht sich meiner Kenntnis, und der SA-Mann hat, soweit ich es erlebte, eben diese Waffen bekommen oder wurde bewaffnet, soweit er im Staatsdienst oder im Polizeidienst eingesetzt wurde.
MAJOR BARRINGTON: Können Sie mir sagen, ob es außer im Polizeidienst oder in der Notwehr Fälle gab, in denen er von der Waffe Gebrauch machen durfte? Gibt es einen solchen Fall?
BOCK:...
MAJOR BARRINGTON: Ich halte Ihnen vor, Zeuge, daß, wenn in diesem Artikel 18 vom Waffengebrauch die Rede ist, damit gemeint ist, daß Waffen gebraucht werden durften zur Durchführung der SA-Aktionen. Ist das richtig?
BOCK: Ich habe nur immer wieder zu betonen, daß meiner Auffassung nach und so, wie ich es gesehen habe...
VORSITZENDER: Zeuge! Sie können diese Frage beantworten. Es ist entweder richtig oder falsch. Sie können es sagen, da Sie die ganze Zeit bei der SA waren.
BOCK: Wenn ein SA-Mann ohne Staatsnotdienstverpflichtung irgend etwas gemacht hat und mit der Waffe umgegangen ist, hat er sich strafbar gemacht. Im übrigen ist der SA-Mann nur im Rahmen des Notdienstes eingesetzt worden.
MAJOR BARRINGTON: Ich halte Ihnen vor, daß der SA-Mann sich dann strafbar gemacht hat, wenn er seine Waffen zu einem Zweck verwendet hat, den die SA nicht billigte. Aber ich behaupte jetzt, daß er angespornt, ja, daß ihm befohlen wurde, die Waffen bei Aktionen zu verwenden, die die SA billigte?
BOCK:...
MAJOR BARRINGTON: Nun, wenn Sie keine Antwort geben können, werde ich weiter gehen.
Sehen Sie sich etwas anderes in diesem kleinen Buch an. Sehen Sie auf Seite 33, Ziffer 6 der Dienststrafordnung, Seite 33. Haben Sie Seite 33?
BOCK: Ja.
MAJOR BARRINGTON: Nun, Sie sehen den letzten Satz im ersten Absatz über Bestrafung:
»Als Recht gilt, was der Bewegung nützt; als Unrecht, was ihr schadet.«
Haben Sie das gefunden?
BOCK: Nein.
MAJOR BARRINGTON:
»Als Recht gilt, was der Bewegung nützt; als Unrecht, was ihr schadet.«
BOCK: Ja, ich habe es gefunden.
MAJOR BARRINGTON: Ich behaupte nun, Zeuge, daß das, was der Bewegung nützte, zum Beispiel SA- Aktionen, gerade das war, wobei die SA von der Waffe Gebrauch machen sollte. Ist das richtig oder nicht? Sie können darauf mit Ja oder Nein antworten.
BOCK: Die SA-Führer wurden unter ihren Führern eingesetzt, und sie mußten wissen, zu welchem Zweck sie ihre SA-Männer einsetzen durften.
MAJOR BARRINGTON: Ich glaube nicht, daß dies die Antwort auf meine Frage ist. Sehen Sie sich noch einmal den Satz an:
»Als Recht gilt, was der Bewegung nützt; als Unrecht, was ihr schadet.«
Zeigt das nicht ganz klar, daß die Nazi-Partei die SA als eine privilegierte Gruppe ansah, die berechtigt war, Verbrechen zu begehen, sofern sie nur der Bewegung nützten?
BOCK: Der SA-Mann wurde ja geführt, und er konnte ja nicht, nur weil er diese Dienstvorschrift hatte, nun als Einzelperson handeln wie er wollte.
MAJOR BARRINGTON: Ich habe dann nur noch ein Dokument und möchte dazu noch zwei oder drei Fragen stellen, Euer Lordschaft.
VORSITZENDER: Gut.
MAJOR BARRINGTON: Euer Lordschaft! Das Dokument ist das erste Dokument im Buch C. Es ist D-918. Ich bitte um Entschuldigung, Euer Lordschaft! Es ist Buch 16 B. Das Dokument ist D-918 und erhält nun die Beweisstücknummer GB-594.
Zeuge! Ich will nicht auf Einzelheiten dieses Dokuments eingehen. Sie sehen, worum es sich hier handelt. Es sind Lutzes Ausbildungsrichtlinien für 1939. Sie sehen auf Seite 2 das Datum, wann sie herausgegeben wurden, nämlich am 4. November 1938. Das war vor Hitlers Befehl über die vor- und nachmilitärische Ausbildung. Ich möchte Ihnen nur einen Punkt darüber vorhalten. Sie haben doch eben behauptet, daß die Ausbildung der SA vor allem Sportzwecken diente. Ist das richtig?
BOCK: Ich habe gesagt, die Ausbildung der SA bewegte sich in der Leistungsübung des SA-Sportabzeichens, und zwar im Sinne einer geistigen, willensmäßigen und körperlichen Ausbildung.
MAJOR BARRINGTON: Aber haben Sie denn nicht gesagt, daß besonderes Gewicht auf den Sport gelegt wurde und nicht auf militärische Ziele? Sagen Sie, wenn Sie es nicht gesagt haben.
BOCK: Ich kann mich an die Einzelheiten der vorhin ausgesagten Ausführungen nicht mehr erinnern. Aber ich kann nur das eine sagen, daß die SA eine wehrsportliche Ausbildung betrieben hat im Sinne einer körperlichen, willensmäßigen und geistigen Erziehung, so wie sie hier auch in diesem Buch festgehalten ist.
MAJOR BARRINGTON: Sie streiten also nicht ab, daß hinter der Ausbildung militärische Absichten lagen? Streiten Sie das ab? Hinter der Ausbildung für das Sportabzeichen lagen doch militärische Absichten?
BOCK: Wir hatten für irgendwelche militärische Ausbildung keinerlei Auftrag und haben sie nicht durchgeführt. Es handelt sich hier um eine sittliche Erziehung, wie ich immer wieder betonen möchte, in geistiger, willensmäßiger und körperlicher Hinsicht und sonst nichts.
MAJOR BARRINGTON: Ich möchte nur, daß Sie bestimmte Stellen überfliegen. Sehen Sie sich Seite 7 dieser Lutzeschen Ausbildungsrichtlinien für 1939 an. Sie können sehen, daß Seite 7 den ersten Ausbildungsabschnitt behandelt, und zwar vom November 1938 bis Anfang Februar 1939. Und unten auf der Seite können Sie der Reihe nach aufgezählt sehen, worauf besonderes Gewicht gelegt wird: Marschieren, Exerzieren, Schießen, Geländedienst, und ganz zum Schluß Sport. Sehen Sie das?
BOCK: Jawohl.
MAJOR BARRINGTON: Schlagen Sie nun Seite 9 auf. Dort finden Sie ähnliche Richtlinien für den zweiten Ausbildungsabschnitt, von Anfang Februar 1939 bis Ende April 1939. Ungefähr auf der Mitte der Seite können Sie unterstrichen finden: Exerzierdienst, Schießdienst, Geländedienst, und ganz am Schluß Sport. Sehen Sie das?
BOCK: Ich weiß nicht, Herr Anklagevertreter, was hier gemeint ist. Ich habe es jetzt.
MAJOR BARRINGTON: Schlagen Sie nun Seite 10 auf, wo Sie dasselbe für den dritten und letzten Ausbildungsabschnitt von Anfang Mai 1939 bis Ende Juni 1939 finden. Auf Seite 10 finden Sie dasselbe: Exerzierdienst, Schießdienst, Geländedienst, und ganz am Schluß Sport. Ist es nicht ganz klar, daß der Sport nur eine Ausrede und ein Mittel zum Zweck war?
Euer Lordschaft! Ich habe nicht die Absicht, weitere Fragen an diesen Zeugen zu richten, da die allgemeinen Fragen im Kreuzverhör mit dem Zeugen Jüttner behandelt werden.
VORSITZENDER: Gut, wir vertagen nunmehr die Verhandlung.