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[Das Gericht vertagt sich bis

13. August 1946, 10.00 Uhr.]

Zweihundertzweiter Tag.

Dienstag, 13. August 1946.

Vormittagssitzung.

[Der Zeuge Bock im Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird morgen nachmittag um 2.00 Uhr eine geschlossene Sitzung abhalten; das heißt, der Gerichtshof wird morgen nach 1.00 Uhr keine öffentliche Sitzung abhalten.

Herr Barrington! Sind Sie zu Ende?

MAJOR BARRINGTON: Ja, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Will noch ein anderer Hauptanklagevertreter ein Kreuzverhör durchführen?

[Keine Antwort.]

Dr. Böhm! Wollen Sie Fragen im Wiederverhör stellen?

RA. BÖHM: Herr Vorsitzender! Ich möchte noch einige kurze Fragen stellen, die auf das gestrige Kreuzverhör Bezug nehmen.

[Zum Zeugen gewandt:]

Herr Zeuge! Ich möchte Sie bitten, die Fragen möglichst kurz zu beantworten.

Ist Ihnen die Grundformel bekannt, die in der SA vorherrschte, nämlich »Gleiches Recht für alle«?

BOCK: Jawohl, diese Formel ist mir bekannt, und sie wurde auch an den Schulen gelehrt.

RA. BÖHM: Ist es richtig, daß man unter der gehobenen Stellung des SA-Mannes, von der gestern gesprochen worden ist, nichts anderes verstand als das Ansehen des SA-Mannes innerhalb der Volksgemeinschaft für seinen bisherigen Einsatz zur Erreichung der Ziele des Dritten Reiches?

BOCK: Der SA-Mann wurde immer erzogen zu Ordnungssinn und Disziplin und zur Einhaltung der Bestimmungen und der gesetzlichen Vorschriften.

RA. BÖHM: Waren diese Privilegien, von denen gestern gesprochen worden ist, etwas anderes als das Ansehen des SA-Mannes als politischer Soldat?

BOCK: Privilegien hatte der SA-Mann nicht. Er konnte sich entsprechende Rechte erwerben in Bezug auf seine dienstliche Tätigkeit, daß er ein besseres Fortkommen hatte in sozialer Hinsicht; aber sonst mußte er sich allen rechtlichen Bestimmungen unterwerfen.

RA. BÖHM: Sie haben gestern davon gesprochen, daß der SA-Angehörige nicht bewaffnet war, daß er lediglich einen SA-Dolch besaß und darüber hinaus eine Schußwaffe besaß vom Sturmführer ab; und zu dieser benötigte er einen Waffenschein, wie ihn jeder Deutsche, wenn er eine Waffe tragen wollte, auch haben mußte.

BOCK: Ja.

RA. BÖHM: Hat es nun innerhalb der SA, und zwar innerhalb des Personenkreises, der hier in Frage kommt, ein Recht gegeben für den einzelnen, der nun dieser Pistolenträger war, die Pistole gegen andere Staatsangehörige zu richten?

BOCK: Nein, der SA-Angehörige, der eine Waffe führte, mußte genauso wie jeder Staatsbürger wissen, daß er sie nur einsetzen darf unmittelbar zu seiner Notwehr.

RA. BÖHM: Unter Artikel 10 ist Ihnen gestern vorgelesen worden, daß die gehobene Stellung des SA- Mannes nicht durch verletzende, zurücksetzende oder durch ungerechte Behandlung herabgewürdigt werden darf.

BOCK: Die Rechte ergaben sich ja jeweils aus den Pflichten. Wenn der Mann in einer besonderen Verpflichtung stand, dann mußte er eine bestimmte Form von Rechten haben. Er durfte aber niemals – und das wurde immer und immer wieder betont – sich irgendwie außerhalb der bestehenden Gesetze begeben.

RA. BÖHM: Unter Artikel 18 heißt es ausdrücklich: Der SA-Mann darf Waffen, die ihm anvertraut sind – und zwar in dem Rahmen, wie ich es vorhin vorgetragen habe –, nur zur Ausübung seines Dienstes oder zur regelrechten Selbstverteidigung gebrauchen. Wird damit nicht zum Ausdruck gebracht, daß der SA- Mann wie jeder andere deutsche Staatsbürger den geltenden Vorschriften im Waffentragen und dem Waffengebrauch unterworfen ist?

BOCK: Das habe ich schon einmal gesagt. Der SA- Mann war den geltenden Bestimmungen unterworfen. Das sagt ja schon, daß er im Besitz einer polizeilichen Bescheinigung sein mußte oder seines gültigen Passes, auf dem vermerkt stand, wie und wann er zum Gebrauch der Waffe berechtigt war.

RA. BÖHM: War es nicht so, daß der SA-Mann, gerade weil er SA-Mann war und weil man von ihm mehr verlangt hat als von jedem anderen Staatsbürger, um so höher bestraft worden ist, wenn er sich irgendeines Vergehens im Zusammenhang mit der Waffe schuldig gemacht hat?

BOCK: Es besteht eine Verordnung, daß der SA- Mann, wenn er vor Gericht steht, in besonderem Maße zu bestrafen ist oder in der Strafbemessung besondere Maßstäbe anzulegen sind, wenn er sich irgendwie vergangen hat.

RA. BÖHM: Es ist Ihnen gestern vorgelesen worden – gleichfalls aus der Dienstordnung vom 12. Dezember 1933 –, daß alle Verletzungen der Disziplin bestraft werden. Bedeutet das nicht, daß die Disziplinlosigkeit – also Übergriffe – von der Obersten SA-Führung geahndet wurden, und daß die Ordnung als Prinzip in der SA geherrscht hat?

BOCK: Wir haben gerade von seiten der Führerschaft aus in besonders nachdrücklicher Weise darauf hingewirkt, daß jeder SA-Mann sich im Rahmen der Gesetzmäßigkeit bewegt. Wir haben außerdem strenge Anweisung gehabt, daß der SA-Mann, wenn er irgendwo sich vergangen hatte im Rahmen seines bürgerlichen Lebens, daß er dann gemeldet werden mußte und auch von den Gerichtsstellen uns gemeldet wurde, und dann wurde der Betreffende disziplinarisch bestraft.

RA. BÖHM: Nach dem Dokument, das Ihnen gestern vorgelegt wurde, vom 12. Dezember 1933 unter Seite 33, Nummer 6, heißt es:

»Als Recht gilt, was der Bewegung nützt, als Unrecht, was ihr schadet.«

Bedeutet dieser Satz etwas anderes als das englische Sprichwort:

»Recht oder Unrecht, es ist mein Vaterland!«

BOCK: Nach meiner Auffassung und wie ich das ausgelegt habe, bedeutet es, daß der Mann im Rahmen seiner Pflichten Rechte hat und daß er auf der anderen Seite, wenn er Unrecht tut und wenn er sich außerhalb der Gesetzmäßigkeit bewegt hat, auch damit seinem Vaterland schadet.

RA. BÖHM: Es sind Ihnen dann die Ausbildungsrichtlinien vorgelegt worden, und Sie sind verwiesen worden auf Seite 7 und auf Seite 9 dieser Richtlinien. Ich frage Sie nun: Hier ist die Rede vom Ordnungsdienst, vom Exerzierdienst, vom Schießdienst, vom Geländedienst und vom Sport; ist im Fünfkampf der Olympischen Spiele etwas anderes geübt worden als das, von dem hier die Rede ist? Sind nicht die Fünfkämpfer im Olympischen Stadion einmarschiert in Ordnung und in der Weise, wie es nur auf Grund einer Übung möglich war?

Wurde von ihnen nicht auch exerziert, haben sie nicht auch geschossen, haben sie nicht auch Sport getrieben und die sämtlichen Sportarten, die auch hier aufgeführt sind?

VORSITZENDER: Glauben Sie nicht, daß das mehr eine Erörterung als ein Verhör ist?

Die Erwägung, ob es aus sportlichen oder militärischen Zwecken geschehen ist, ist immer wieder angestellt worden. Wir müssen selbst darüber entscheiden. Es hilft uns nicht viel, wenn das noch einmal Gegenstand des Wiederverhörs ist.

RA. BÖHM: Ja, Herr Präsident! Ich hätte diese Frage nicht gestellt, wenn der Zeuge nicht nur darauf hingewiesen worden wäre, daß die letzte der Übungen, die in diesen Ausbildungsvorschriften enthalten sind, der Sport ist. Ich möchte darauf hinweisen, daß auch die übrigen Übungen, die hier aufgeführt sind, im Fünfkampf der Olympiade durchgeführt worden sind, und ich glaube kaum, daß man in diesem Fünfkampf eine militärische oder gar militaristische Einstellung erblickt hat oder erblicken konnte. Ich möchte dann den Zeugen noch auf eines hinweisen beziehungsweise an ihn eine Frage stellen.