[Zum Zeugen gewandt:]
Haben sich die Einheiten der SA-Reserve I bis zum Zusammenbruch 1945 erhalten?
GRUSS: Nicht alle. Ein großer Teil dieser Einheiten wurde im Laufe der Jahre, namentlich bei Kriegsbeginn, in die aktive SA überführt. Dort wurde er entweder in die Front-SA einrangiert oder der Front-SA in Form von Reservegruppen angegliedert. Die übrigen SA-Reserve-I-Einheiten blieben weiter bestehen.
RA. BÖHM: Warum fand diese Verschmelzung der SA-Reserve mit der SA statt?
GRUSS: Es waren namentlich bei Kriegsbeginn in der SA Lücken entstanden. Diese wurden durch die Überführung der SA-Reserve I aufgefüllt. In der Hauptsache aber wollte man durch diese Überführung die immer als oppositionell erkannten Stahlhelmer durch die SA besser überwachen lassen.
RA. BÖHM: Warum sind Sie selbst nicht in die SA eingegliedert worden?
GRUSS: Ich war damals schon zu alt, und außerdem war ich Hochgradfreimaurer.
RA. BÖHM: Sind bei der Eingliederung des Stahlhelms in die SA über die Befehle hinaus Druckmittel angewandt worden?
GRUSS: Ja, in großer Zahl. Zunächst ist ja keine freiwillige Überführung erfolgt. Es geschah diese Überführung befehlsgemäß, beispielsweise beim Wehr- Stahlhelm in der Form – so ist es in den meisten Fällen gewesen –, der Wehr-Stahlhelm wurde zu einem Appell zusammengerufen. Man teilte ihm mit, er sei überführt, und dann übernahm den Wehr-Stahlhelm ein anwesender SA-Führer. Gefragt wurde niemand, ob er diesen Übertritt mitmachen wollte. Es zeigte sich sofort bei der Eingliederung des Stahlhelms, daß überall bei der übergroßen Menge der Stahlhelmer diese Eingliederung nur mit Widerstreben und unter Anwendung von Widerstand vor sich ging. Stahlhelmer, die nicht zur SA gehen wollten, wurden in zahlreichen Fällen mit Verhaftung bedroht. Es sind in diesem Zusammenhang auch Polizeiarreststrafen bis zu zehn Tagen und länger verhängt worden. Es wurde ferner den Stahlhelmern gesagt, daß, wenn sie der SA fernblieben, ein Befehl Hitlers nicht befolgt würde, und dies bedeutete Staatsfeindlichkeit. Diese Staatsfeindlichkeit hatte aber immer die allerschwierigsten Folgen. Wer mit dem Makel der Staatsfeindlichkeit belegt wurde, wurde der Polizei als politisch unzuverlässig gemeldet und von der Polizei besonders überwacht. Es konnte ihm passieren, daß er bei irgendeiner Gelegenheit ohne jeden Grund verhaftet, in die Gefängnisse oder Konzentrationslager überführt wurde. Die Bezeichnung als Staatsfeind hatte aber auch noch die sehr schwierigen Folgen, daß fast immer die Existenz entweder mindestens schwer gestört oder sogar vernichtet wurde. Staatsbeamte, die als Stahlhelmer nicht in der SA sein wollten und als Staatsfeinde bezeichnet wurden, wurden aus ihren Stellungen entfernt, häufig sogar unter Verlust des Ruhegehalts. Ähnlich war es bei den Angestellten in der Privatwirtschaft. Diese verloren fast immer ihre Stellungen, weil die Chefs in ihrem Betrieb einen Mann nicht haben wollten, der ein Staatsfeind war. Wir haben von der Bundesführung damals in vielen hundert Fällen versucht, diesen Stahlhelmern, die uns um Hilfe angingen, dadurch zu helfen, daß wir die Arbeitsgerichte anriefen. Aber wir konnten es doch in den meisten Fällen nicht erreichen, daß diese Leute wieder ihre Stellungen erhielten. Meistens beschränkte sich das Gericht darauf, ihnen ein Entlassungsgeld zu gewähren. Die Schikanen, die ein Stahlhelmer über sich ergehen lassen mußte, der nicht der SA angehören wollte, waren in einigen Fällen so groß, daß ich mich mit Bestimmtheit an mehrere Selbstmorde von Stahlhelmern erinnere, die alles dies nicht mehr ertragen konnten.
RA. BÖHM: Erstreckten sich diese Ihre Beobachtungen auf ganz Deutschland?
GRUSS: Ja.
RA. BÖHM: Sollte es richtig sein, daß bei der Eingliederung außerdem Täuschungsmanöver stattgefunden haben?
GRUSS: Nach meiner Ansicht haben auch Täuschungsmanöver stattgefunden. Ich erwähnte zum Beispiel vorher bereits, daß sowohl dem Wehr-Stahlhelm wie auch der SA-Reserve I gestattet worden war, die Eingliederung in eigenen Formationen mit eigenen Führern und in der feldgrauen Uniform vorzunehmen. Nach kurzer Zeit wurden aber diese Zusagen ohne weiteres gebrochen, und sowohl Wehr-Stahlhelm wie SA-Reserve I mußten die braune Uniform der SA anlegen. Sie waren also nicht mehr in der SA als ehemalige Stahlhelmer kenntlich. Dann war ein Punkt, der besonders viele Unzuträglichkeiten im Gefolge hatte. Man hatte den Stahlhelmern zugesagt, daß sie nach dem Übertritt gleichzeitig auch Mitglieder des Stahlhelms bleiben konnten, die sogenannte Doppelmitgliedschaft. Sie durften an den Veranstaltungen des Stahlhelms teilnehmen, wenn dadurch der SA-Dienst nicht beeinträchtigt wurde. Aber auch diese Zusage wurde sehr bald zurückgenommen, und es entstanden gerade hieraus bei den Stahlhelmern, die doch treu zu ihrem Bund halten wollten, die allergrößten Schwierigkeiten mit sehr vielen Verhaftungen und Bestrafungen aller Art.
RA. BÖHM: War Seldte in der Zeit, als er den Stahlhelm an Hitler übergab, Willensträger des Stahlhelmbundes gewesen?
GRUSS: Nein, das ist er nicht gewesen. Die übergroße Zahl der Stahlhelmer war mit den Maßnahmen des Bundesführers Seldte nicht einverstanden. Es ist deshalb im Stahlhelm zu ganz schweren Auseinandersetzungen gekommen, und wenn der Stahlhelm damals nicht auseinandergefallen ist, so nur deshalb, weil die Stahlhelmer sagten, wir sind nicht auf die Person Seldtes vereidigt, wir haben dem Stahlhelm und den Frontsoldaten Treue geschworen.
RA. BÖHM: Welche Ränge erhielten die Stahlhelmer in der SA und welche Bedeutung hatten sie?
GRUSS: Auch hier könnte man noch von einem Täuschungsmanöver insofern sprechen, als den Stahlhelmführern bei der Überführung ausdrücklich versprochen worden war, sie würden in den gleichen Rängen in der SA Dienst tun. Aber dieses Versprechen wurde ebenfalls nicht gehalten. Die Stahlhelmführer wurden um ein bis zwei Dienstgrade heruntergesetzt. Bald darauf wurden sie sogar ihrer Kommandos enthoben und zur Disposition gestellt. Nur wenige von ihnen blieben noch in Kommandostellen. Die meisten hatten eigentlich in der SA nichts mehr zu tun, aber sie konnten auch aus der SA nicht heraus. Nach meinen Beobachtungen haben die Stahlhelmführer überhaupt in der SA die Charge eines Standartenführers nicht überschritten, wenn es sich hier nicht um ganz besondere Ausnahmen handelte von solchen Männern, die sich durch eine besonders aktive Tätigkeit im Nationalsozialismus hervortaten. Eine Sonderrolle spielte hierbei hinsichtlich der Dienstgrade auch noch das NS-Reiterkorps, in dem sehr viele Stahlhelmer vereinigt waren. Aber man ließ dieses Reiterkorps hinsichtlich der Führer ziemlich unbehelligt. Die Stahlhelmführer haben dort zumeist ihre Kommandos bis einschließlich zum Standartenführer beibehalten, obwohl auch unter diesen Stahlhelmern viele Oppositionelle sich befanden.
RA. BÖHM: War die Haltung der in die SA überführten Stahlhelmer von den Zielsetzungen der SA verschieden?
GRUSS: Ja. Der Stahlhelm war ja in seinem innersten Wesen etwas ganz anderes als die SA. Wenn jemand in den Stahlhelm eintrat, so tat er das freiwillig und aus eigenster Entschließung. Es wurde nicht jeder in den Stahlhelm aufgenommen. Jede Aufnahme erfolgte erst nach sorgfältiger Prüfung. Der Stahlhelm hatte dann ein Bundesstatut, eine Bundesverfassung, die auf rein demokratischer Grundlage ihm die Möglichkeit gab, in der Mitgliederversammlung sich die Führer zu wählen, die er haben wollte, oder die Führer abzusetzen, die er nicht wollte. Auch die beiden Bundesführer mußten sich von Zeit zu Zeit der Mitgliederversammlung stellen, die dann über ihre Wiederwahl entschied. Das Hauptwesen jedoch des Stahlhelms war die Fortführung und Tradition der im Felde entstandenen Frontkameradschaft, jener eigenartigen Kameradschaft, die in Not und Tod verlangt, daß ich unbedingt für meinen Kameraden mit meinem ganzen Selbst eintreten muß und ihm immer helfen muß. Das war, wie wir das nannten, der Frontsozialismus. Da wurde kein Unterschied gemacht zwischen arm und reich und Rang und Stand. Wir Stahlhelmer waren alle gleich. Nun kommt noch hinzu, daß sich zum Stahlhelm vorwiegend Leute meldeten, die aus einer gemäßigten bürgerlichen, ich möchte fast sagen konservativen Schicht der Bevölkerung stammten. Diese Leute waren nicht für Extreme und Radikalismus, sie waren für eine gemäßigte und ruhige Entwicklung und, wenn man alles dieses zusammenfaßt, dann erkennt man, daß in dem Stahlhelm eben eine ganz besondere Art von Menschen zusammengekommen ist und daß sich hieraus mancherlei Reibungsflächen mit der SA ergeben mußten.
RA. BÖHM: Brachten die Stahlhelmer in die SA militärische Anschauungen mit?
GRUSS: Ja, aber nur insofern, als man oft im Stahlhelm vom ersten Weltkriege gesprochen hat, an dem wir ja fast alle teilgenommen hatten. Aber wir waren doch keine militärische Organisation. Man hat das aber oft vom Stahlhelm behauptet, weil er militärische Kommandos hatte. Es war aber ganz unmöglich, eine Massenbewegung von eineinhalb Millionen Mitgliedern in Ordnung zu führen, ohne solche Kommandos, die den Stahlhelmern als alten Soldaten auch in Fleisch und Blut übergegangen waren. Sonst haben wir eigentlich nie damit gerechnet, daß es wieder zu einem Krieg kommen könnte, denn wir hatten an dem ersten Weltkrieg gerade genug und sahen es als unsere Aufgabe an, im Volk die Idee zu verbreiten, daß man auch ohne Kriege Aufgaben lösen könnte. Aber nicht nur in Deutschland haben wir diese Auffassung vertreten, sondern wir haben auch im Ausland Fühlung genommen, besonders bei den ausländischen Frontkämpferorganisationen, weil wir glaubten, daß diese alten Veteranen uns am besten verstehen würden, wenn wir sagten, daß es nie wieder einen Krieg geben dürfte.
RA. BÖHM: Sollte der soldatische Kameradschaftsgedanke der Vorbereitung eines Angriffskrieges dienen?
GRUSS: Nein, der Stahlhelm hat – das geht ja auch aus dem, was ich eben gesagt habe, hervor – niemals an einen Angriffskrieg gedacht, und der soldatische Frontkameradschaftsgedanke hatte doch nur den Zweck, die edlen Tugenden der im Felde entstandenen Kameradschaft auf weitere Kreise auszudehnen, um dadurch auf friedlichem Wege zu einem besseren staatlichen Zusammenleben zu führen.
RA. BÖHM: Welche Auffassungen bestanden im Stahlhelm gegenüber den politischen Parteien Deutschlands?
GRUSS: Der Stahlhelm war gegen alle radikalen politischen Strömungen. Er verfolgte dabei aber nicht ein Vernichtungs- oder Ausrottungsprinzip, sondern er hatte immer wieder versucht, durch Aufklärung, Überzeugung, durch Werbung diese extremen Richtungen mit den gemäßigten Richtungen zu vereinigen. Ein Beweis dafür, daß die politischen Gegner des Stahlhelms ihn doch letzten Endes verstanden haben, ergab das Frühjahr 1933, als viele Mitglieder, verfolgte Mitglieder der SPD und KPD, im Stahlhelm Schutz und Hilfe suchten. Sie wurden dort von uns aufgenommen, aber der Stahlhelm geriet dadurch in die schwersten Konflikte mit der Partei. Die Partei konnte sich nicht damit einverstanden erklären, daß die von ihr verfolgten Leute vom Stahlhelm geschützt wurden. Bezeichnend hierfür sind die Vorgänge in Braunschweig im Frühjahr 1933. Dort hatte eine Ortsgruppe des Stahlhelms eine Versammlung. Die SA hat dieses Versammlungslokal umstellt und alle Mitglieder verhaftet. Bei der Nachprüfung ergab sich, daß von ungefähr 1500 Teilnehmern über 1000 ehemalige Mitglieder der SPD und KPD waren. Wir hatten sie aufgenommen, als sie uns nachwiesen, daß sie anständige Leute waren und daß sie zum allergrößten Teil mit uns zusammen an der Front gestanden hatten.
RA. BÖHM: War er gewerkschaftsfeindlich gesonnen?
GRUSS: Nein! Die Stahlhelmer waren auch hier nur gegen die extremen Übersteigerungen. Der Stahlhelm hatte ja selbst eine eigene Gewerkschaft, die Stahlhelm-Selbsthilfe. In dieser waren fast alle Arbeiter, die dem Stahlhelm als Mitglieder angehörten, zusammengefaßt. Ich bemerke hierbei, daß der Stahlhelm ungefähr 25 bis 30 Prozent seines Mitgliederstandes unter den Arbeiterkameraden hatte. Übrigens wurde die Stahlhelm-Selbsthilfe im Sommer 1933 gewaltsam aufgelöst.
RA. BÖHM: Betrieben die Stahlhelmer antisemitische Propaganda?
GRUSS: Im Stahlhelm hatte es viele Meinungen und Ansichten gegeben. Jeder konnte eigentlich denken, was er wollte, aber ein Befehl der Bundesführung gegen Juden, den habe ich nie kennengelernt, und er ist auch nicht gegeben worden. Das war auch ganz unmöglich, denn in der Bundesführung zum Beispiel war ja der zweite Bundesführer Düsterberg. Von ihm wußten wir, daß er jüdischer Herkunft war, und trotzdem war Düsterberg der beliebteste und populärste Stahlhelmführer. In dem Zentralamt der Bundesführung in Berlin war einer meiner engsten Mitarbeiter ein Stahlhelmer, der mit einer Jüdin verheiratet war. Wir haben uns darum überhaupt nicht gekümmert. Wir hatten im Stahlhelm viele Juden, weil wir nicht die radikale Rassentheorie der Partei uns zu eigen gemacht hatten, sondern immer dagegen gewesen sind.
Wir hatten auch außer Düsterberg Nichtarier als Stahlhelmführer. Es gab also bei uns im Stahlhelm Juden, Mischlinge, Freimaurer, und es kann deswegen auch keine antisemitische Tendenz im Stahlhelm gewesen sein, mit Ausnahme einiger Kreise, die aber nicht die Oberhand hatten.
RA. BÖHM: Wie wirkte sich nun diese Stahlhelmerziehung bei der Überführung des Stahlhelms in die SA aus?
GRUSS: Es ist zweifellos in erster Linie diese tief einschneidende Stahlhelmerziehung gewesen, die bei allen Stahlhelmern in der großen Mehrzahl den Widerstand gegen die Eingliederung hervorrief. Es waren besonders drei Punkte, die der Stahlhelmer nie verstehen konnte, die ihn immer von der SA trennten. Das war zunächst das autokratische Führerprinzip. Beim Stahlhelm gab es nur selbstgewählte Führer. Die gab es aber bei der SA nicht. Dann konnte man sich mit dem Radikalismus, wie er vielfach in der SA beobachtet wurde, nicht einverstanden erklären. Und ferner konnte man sich auch mit dem Totalitätsgedanken nicht befreunden.
RA. BÖHM: Ja, nun möchte ich Sie fragen, warum sind denn dann die Stahlhelmer aus der SA nicht wieder ausgetreten?
GRUSS: Ja, wenn das möglich gewesen wäre! Da können Sie mir glauben, dann wären sie in hellen Scharen wieder ausgetreten. Aber ein Austritt aus der SA war fast unmöglich. Es gab in der SA eigentlich nur zwei Möglichkeiten, sie zu verlassen: das eine war der ehrenvolle Abschied und das andere der Ausschluß.
Der ehrenvolle Abschied wurde erteilt, wenn man unzweifelhaft nachweisen konnte, daß man zum Beispiel sehr schwer krank war. Von dieser Möglichkeit, die SA zu verlassen, konnte aber nur ein ganz verschwindend kleiner Bruchteil des Stahlhelms Gebrauch machen. Für viele Stahlhelmer kam in der Hauptsache nur der Ausschluß in Frage, und zwar deshalb, weil die SA aus der Opposition des Stahlhelms ja schon sehr frühzeitig erkannt hatte, daß es sich hier um ihr feindlich gesinnte Elemente handelte. Infolgedessen wurde vielfach der Ausschluß dann ausgesprochen, wenn man damit den Stahlhelmer ganz empfindlich treffen wollte.
Zu den Beispielen, die ich bereits vorhin bei dem Begriff »staatsfeindlich« gesagt habe, möchte ich noch folgendes hinzufügen: Der Ausschluß aus der SA wurde in die Papiere des Stahlhelmers eingetragen. Wenn der Stahlhelmer eine neue Stellung annehmen wollte, dann war sofort offenbar, daß er aus der SA ausgeschlossen war; und das war ein so schlimmes Vergehen, daß ihn niemand haben wollte. Stahlhelmer, die in die Reichswehr eintreten wollten, wurden dort nicht angenommen, wenn sie aus der SA ausgeschlossen waren. Es ergab sich also, wenn Sie das berücksichtigen, was ich bereits vorher gesagt habe, eine derart große Menge von Schwierigkeiten schlimmster Art, daß viele Stahlhelmer, die sonst mutige und tapfere Männer waren, doch zögerten, aus der SA auszuscheiden, weil sie es nicht verantworten konnten, die Existenz ihrer Familie zu gefährden.
RA. BÖHM: Und auf welche Zeit erstreckten sich diese Ihre Beobachtungen?
GRUSS: Bis in die Kriegszeit hinein.
RA. BÖHM: Und von wem erhielten Sie Kenntnis von diesen Dingen, die Sie hier wiedergegeben haben?
GRUSS: In meiner Stellung als Bundeskämmerer habe ich ständig mit sehr vielen Stahlhelmern mündlich über alle diese Dinge gesprochen. Ich habe außerdem zahllose Berichte lesen müssen.
RA. BÖHM: Haben Sie als Liquidator des Stahlhelms einen Zusammenhalt der überführten Stahlhelmer über die geschäftliche Abwicklung hinaus aufrechterhalten?
GRUSS: Ja, das habe ich.
RA. BÖHM: Durften Sie das?
GRUSS: Nein! Ich durfte zwar den Stahlhelm kaufmännisch abwickeln, jeder Versuch jedoch, den Stahlhelm etwa getarnt noch weiterzuführen, war mir von der Gestapo untersagt worden. Ich habe deshalb auch wiederholt Zusammenstöße mit der Gestapo gehabt. Aber ich habe doch immer wieder den Versuch weitergeführt, weil zahlreiche meiner alten Kameraden mir immer wieder sagten, daß ich dies tun müßte, weil sonst niemand mehr dagewesen wäre.
RA. BÖHM: Worin bestand denn Ihre Tätigkeit zum Zweck des Zusammenhaltes?
GRUSS: Ich habe viele einzelne Stahlhelmer selbst gesprochen. Sie kamen aus allen Teilen Deutschlands zu mir nach Berlin. Ich habe mit vielen schriftlich in Verbindung gestanden. Ich habe ferner unter kaufmännischer Tarnung Rundschreiben herausgegeben, aus denen die alten Stahlhelmer das entnehmen konnten, was sie...
VORSITZENDER: Was haben wir damit zu tun, Dr. Böhm?
RA. BÖHM: Es dreht sich darum, dem Gericht in der Hauptsache zu zeigen, welcher Art die Ideenrichtung und die Ideologie der aus dem Stahlhelm gekommenen Menschen war.
VORSITZENDER: Nun, Sie verteidigen die SA gegen die Anklage, eine verbrecherische Organisation zu sein. Sie versuchen uns jetzt zu zeigen, was die Weltanschauung des Stahlhelms war. Sie haben fast eine Stunde für diesen Zeugen in Anspruch genommen. Praktisch ist alles, was er gesagt hat, in der Zusammenfassung seiner Ausführungen vor der Kommission schon enthalten, die uns vorliegt.
RA. BÖHM: Gewiß, aber irgend etwas muß ich dem Court vortragen über die Einstellung des Zeugen und der eineinhalb Millionen Leute, die aus dem Stahlhelm in die SA gekommen sind. Ich will versuchen, wegen der restlichen wenigen Fragen, es sind nur noch vier oder fünf, mich auf das kürzeste zu beschränken.
Sie wollen also sagen, Herr Zeuge, daß diese Fortsetzung des Stahlhelms nach 1934 eine illegale gewesen ist?
GRUSS: Ja, denn sie war ja nicht erlaubt.
RA. BÖHM: Und wie groß war etwa der Personenkreis, mit dem Sie in dieser Hinsicht in Verbindung standen?
GRUSS: Ich selbst stand nur mit einigen hundert ehemaligen Stahlhelmern in Verbindung. Aber das waren nur die Verbindungsleute, hinter diesen standen dann die vielen Tausende in den einzelnen Städten.
RA. BÖHM: Bestanden weitere Verbindungen unter den Stahlhelmern?
GRUSS: Ja! Außer der Verbindung mit mir hatten sich überall in ganz Deutschland in den einzelnen Orten selbständige Gruppen von Stahlhelmern außerdem noch zusammengeschlossen, die manchmal doch ganz beträchtliche Stärken erreichten. Zum Beispiel habe ich in Berlin oftmals an solchen Zusammenkünften teilgenommen, an denen über 150 bis 200 Stahlhelmer zusammen waren. Damit nun die Gestapo das nicht...
VORSITZENDER: Dr. Böhm! Wenn das zeigen soll, daß der Zeuge die Verhältnisse im Stahlhelm kannte, dann können Sie es doch sicher dem Wiederverhör überlassen, wenn es bestritten werden sollte. Warum sollten Sie jetzt schon vorwegnehmen, daß man sein Wissen über den Stahlhelm in Frage zieht. Vermutlich weiß er etwas davon. Wenn es bestritten wird, können Sie es dem Wiederverhör überlassen.
RA. BÖHM: Ich will meine letzte oder vorletzte Frage stellen, Herr Präsident.