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[Zum Zeugen gewandt:]

Ist das eine richtige Beschreibung der Tätigkeit der SA in den Monaten unmittelbar nach der Machtübernahme?

GRUSS: Ja, ich muß sagen, daß das meiste, was der Herr Verfasser hier sagt, mir damals in Berlin tagtäglich bekanntgeworden ist. Aber bedenken Sie, daß es sich hier um die SA handelt, die unter dem Stabschef Röhm stand und daß die spätere SA einer Reinigung unterzogen wurde. Ich glaube, daß aus dieser späteren SA...

OBERST PHILLIMORE: Jawohl, darauf werde ich gleich zu sprechen kommen. Aber es ist doch eine richtige Beschreibung von dem, was sich in den ersten Monaten des Jahres 1933 in Berlin zugetragen hat? Wenn Sie einen Bericht darüber abzugeben hätten, würden Sie dann sagen, daß das eine richtige Beschreibung der Ereignisse in allen Städten Deutschlands war?

GRUSS: Ich möchte sagen, daß nach meiner Erinnerung Herr Gisevius nicht übertrieben hat. Es wird häufig so gewesen sein, wie er es schildert.

OBERST PHILLIMORE: Nun möchte ich Ihnen doch noch Fragen über die Juden stellen. Sie haben gesagt, daß die Mitglieder des Stahlhelms keine Antisemiten gewesen sind. War die antisemitische Einstellung der SA einer der Gründe, warum, Ihrer Aussage nach, Stahlhelmmitglieder ihr nicht gern beitreten wollten?

GRUSS: Nein, das ist vielmehr so: Die Stahlhelmerziehung, diese gemäßigt demokratische Idee des Stahlhelms, die schloß ja eigentlich eine antisemitische Propaganda aus. Denn diese antisemitische Propaganda wäre ja ein Radikalismus gewesen, und diesen Radikalismus gab es bei der übergroßen Zahl der Stahlhelmer nicht.

OBERST PHILLIMORE: Kennen Sie den Zeugen Hauffer? Er hat vor der Kommission ausgesagt.

GRUSS: Ja, Hauffer ist mir bekannt. Er war früher in Dresden.

OBERST PHILLIMORE: Seine Aussage enthält folgendes:

»Wir mißbilligten vollständig die Politik der Partei gegen die Juden.«

Stimmt das?

GRUSS: Jawohl.

OBERST PHILLIMORE: Und die Politik der Partei war die Politik der SA und der SA-Führung, nicht wahr?

GRUSS: Ja, das stimmt.

OBERST PHILLIMORE: Nun zur Eingliederung des Stahlhelms im Jahre 1933: Kann man nicht sagen, daß alle Mitglieder des Stahlhelms gezwungen wurden, der SA beizutreten?

GRUSS: Ich hatte ja auch vorhin ausgeführt, daß bestimmte Altersklassen des Stahlhelms beitreten mußten; und diese Altersklassen allerdings wurden geschlossen und ohne Ausnahme überführt.

OBERST PHILLIMORE: Aber es konnte sich doch sicherlich jemand über 35 Jahre davon ausschließen, nicht wahr?

GRUSS: Ja, wenn sie vorher gefragt worden wären; aber sie wurden eben nicht vorher gefragt. Sie bekamen den Befehl und mußten übertreten.

OBERST PHILLIMORE: Sie kennen den Zeugen Waldenfels, der vor der Kommission erschienen ist. Kennen Sie ihn? Ein höherer Beamter?

GRUSS: Ja.

OBERST PHILLIMORE: Er hat sich geweigert beizutreten und hat trotzdem seine Stellung bis zum Krieg behalten. Stimmt das nicht?

GRUSS: Das ist insofern richtig; aber das ist genauso wie bei mir. Waldenfels war über das Alter derjenigen hinaus, die in die SA eingegliedert wurden.

OBERST PHILLIMORE: Er war doch damals unter 45, nicht wahr?

GRUSS: Ob er damals unter 45 Jahren war, das weiß ich nicht; aber er ist doch ein älterer Mann, und deshalb nehme ich an, wurde er von der Eingliederung nicht betroffen.

OBERST PHILLIMORE: Er ist jetzt ein älterer Mann; er ist seinen Aussagen nach am 10. August 1889 geboren. Wissen Sie, daß der Zeuge Jüttner erklärt hat, selbst wenn man einen Mann zum Beitritt gezwungen habe, hätte ihn nichts abhalten können, wieder auszutreten. Nun, ich weiß, Sie sagen; daß er dann boykottiert worden wäre; aber es ist doch eine Tatsache, daß die Mitgliederzahl der SA von 1934 bis 1939 von viereinhalb Millionen auf eineinhalb Millionen gesunken ist. Stimmt das nicht?

GRUSS: Davon habe ich gehört.

OBERST PHILLIMORE: Geschah das nicht, weil die Leute ausgetreten sind?

GRUSS: Nein, sondern, soviel ich die Sachlage übersehen kann, sind zunächst einmal nach dem 30. Juni 1934 alle Anhänger des Stabschefs Röhm aus der SA entfernt worden, und das waren schon sehr viel. Ich kann eine Ziffer dafür nicht nennen, jedenfalls waren es sehr viele. Dann wurden weiterhin Hunderttausende von SA-Leuten entlassen, aber nicht etwa um in das Privatleben zurückzukehren, sondern sie wurden, soviel ich mich erinnere, anderen Gliederungen der Partei zugeführt. Von den Stahlhelmern sind nur ganz wenige damals von der Entlassung betroffen worden. Das weiß ich deshalb genau, weil vielfach Stahlhelmer zu mir kamen und mir sagten, sie hofften nunmehr, endlich aus der SA hinauszukommen; aber nach einiger Zeit kamen sie wieder zu mir und sagten, das ginge nicht, der Stahlhelm müßte bei der SA bleiben, weil man ihn besser kontrollieren wolle.

OBERST PHILLIMORE: Befolgten diese Mitglieder des Stahlhelms, nachdem sie einmal in der SA waren, die Befehle genauso wie alle anderen in der SA, und betätigten sie sich in der gleichen Weise?

GRUSS: Es blieb ihnen nichts anderes übrig, wenn sie sich nicht den von mir geschilderten außerordentlichen Schwierigkeiten aussetzen wollten. Aber es ist eine Tatsache, daß es vielfach gerade Stahlhelmer gewesen sind, die sich der Ausführung von Befehlen widersetzt haben, die sie nicht verantworten könnten.

OBERST PHILLIMORE: Ich habe keine weiteren Fragen mehr.

VORSITZENDER: Dr. Böhm! Wollen Sie ein Wiederverhör anstellen?

RA. BÖHM: Nein.

VORSITZENDER: Herr Zeuge! Können Sie mir die Mitgliederzahl des Stahlhelms im Jahre 1933, zur Zeit der Eingliederung des Stahlhelms in die SA, und die Stärke der SA ungefähr angeben?

GRUSS: Ich kann nur die ungefähre Stärke des Stahlhelms angeben, und ich möchte sie auf annähernd eine Million beziffern, das heißt die Leute, die also vom Stahlhelm in die SA eingegliedert wurden. Wie stark die SA gewesen ist, weiß ich aber nicht.

VORSITZENDER: Wissen Sie, wieviel Stahlhelmer am oder ungefähr um den 1. September 1939 herum in der SA waren?

GRUSS: Nein, das kann ich nicht sagen.

VORSITZENDER: Wissen Sie, wieviel Stahlhelmer es am Ende des Krieges ungefähr gegeben hat?

GRUSS: Wenn Sie das meinen, wieviel Stahlhelmer noch in der SA waren zu Ende des Krieges, so kann ich auch das nicht beantworten. Es mögen aber noch zu Ende des Krieges vielleicht 500000 bis 600000 Stahlhelmer gewesen sein. Man kann das nur schätzen, nachdem alles in Deutschland durcheinander gewesen war, aber man kann das nicht genau sagen.

VORSITZENDER: Dann können Sie mir also wirklich keine ungefähr genauen Zahlen für den Stahlhelm nach dem Jahre 1934 angeben?

GRUSS: Meinen Sie nun den Stahlhelm, wie er nach 1934 noch weiterbestand, als Bund, oder den Stahlhelm, der in die SA überführt war?

VORSITZENDER: Ich meinte den Stahlhelm, der in die SA überführt worden war.

GRUSS: Ja, das müssen doch ungefähr eine Million gewesen sein.

VORSITZENDER: Der Zeuge kann sich zurückziehen, und der Gerichtshof wird jetzt eine Pause eintreten lassen.