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[Zum Zeugen gewandt:]

Jetzt komme ich auf eine Sache, die Sie schon verschiedentlich erwähnt haben. Sie sagten, die einzige SA-Organisation in diesem Gebiet war die Einheit, die von dem Angeklagten Frank im Generalgouvernement, ich glaube, im April 1942, gebildet wurde. Die SA-Einheit des Generalgouvernements wurde auf Befehl von Lutze gebildet, und dann wurde das Kommando von dem Angeklagten Frank übernommen. Das ist richtig, nicht wahr? Sie sagten, daß er einen besonderen Stab für die tatsächliche Führung der Einheit hatte; und diese lag in den Händen von zwei Männern namens Selz und Friedemund, wenn ich Sie recht verstanden habe. Ist das richtig?

JÜTTNER: Nein, so stimmt das nicht. Erstens waren es nicht die Namen Friedemund...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn die Namen nicht stimmen, so war es mein Fehler. Ich habe sie so notiert, wie ich sie verstanden habe. Sagen Sie mir die richtigen Namen. Es ist mein Fehler, wenn ich sie falsch verstanden habe. Wie lauteten die richtigen Namen?

JÜTTNER: Die richtigen Namen wären Pelz und Kühnemund, und dieser Führungsstab unterstand nicht dem ehemaligen Generalgouverneur Frank, sondern dem Stabschef unmittelbar; der übte die Geschäftsleitung aus, und Frank war lediglich ernannt als Führer der SA dort, wie ich das schon ausgeführt habe. Zu den anderen eidesstattlichen Erklärungen darf ich mich wohl nachher noch äußern?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Sie finden das in dem bereits vorgelegten Dokument 3216-PS, US-434, ein Auszug aus »Das Archiv«. Es beschreibt die Gründung dieser Einheit im Generalgouvernement.

Zeuge! Ich möchte, daß Sie dem Gerichtshof sagen, zu welchem Zweck eine Einheit im Generalgouvernement gebildet wurde.

JÜTTNER: Das waren zweierlei. Vorher darf ich nochmals eine Frage stellen zu den Affidavits aus Kowno, Schaulen und Riga. Ich habe noch eine Aufklärung zu geben, die zur Ergründung der Wahrheit notwendig ist. Ich wollte fragen, ob ich das jetzt tun darf, oder soll ich das im Anschluß an die eben jetzt gestellten Fragen tun?

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß Ihr Verteidiger die Fragen während des Wiederverhörs stellen sollte.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte gern, daß Sie mir so kurz wie möglich sagen, zu welchem Zweck die SA-Einheit im Generalgouvernement im Jahre 1942 gebildet wurde.

JÜTTNER: Der Zweck war ein zweifacher: Erstensmal, die im Generalgouvernement tätigen Reichsdeutschen kameradschaftlich und geschlossen, soweit sie der SA angehörten, zusammenzuhalten, und zum zweiten, Volksdeutsche, die geneigt waren und geeignet erschienen, später der SA beizutreten, in die Gemeinschaft einzufügen, indem man ihnen die deutsche Sprache, deutsche Sitten und so weiter nahebrachte und die Kameradschaft, die wir in der SA pflegten.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte das ganz klarstellen. Sie sagen, es handelte sich um ganz friedliche Absichten im Generalgouvernement. Bleiben Sie bei dem, was Sie dem Gerichtshof gesagt haben, nämlich, daß keine anderen SA-Formationen in den Ostgebieten tätig waren, insbesondere nicht im Ostland – das sind, wie ich glaube, die ehemaligen Länder Estland, Lettland und Litauen. Ich habe Ihnen bereits einige Dokumente vorgehalten und möchte dies klarstellen. Sind Sie darauf vorbereitet, daß Ihre Aussage auf Grund der Tatsache beurteilt wird... auf Grund Ihrer Antwort zu folgender Frage: Sagen Sie, daß keine SA-Einheiten im Ostland tätig waren?

JÜTTNER: Ich bin bereit, darauf ganz klar zu antworten: Die Oberste SA-Führung hat in diesem Gebiet Ostland – das Sie eben umschrieben mit Litauen, und Lettland, wenn ich recht verstanden habe – eine SA- Organisation nicht aufgezogen. Eine deutsche SA wurde dort nicht gebildet. Wenn SA dort gebildet worden sein sollte, ist das eine wilde Organisation gewesen, die mit der SA-Führung nicht das geringste zu tun hatte. Davon ist mir nichts bekannt, daß dort eine SA aufgezogen war.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut, das ist Ihre Antwort.

Euer Lordschaft! Ich möchte bitten, daß der Gerichtshof sich kurz eine Stelle des Dokuments 1475-PS ansieht. Es ist auch R-135, US-289, und zwar befindet es sich im Dokumentenbuch 16 B, Seite 81, – gleich nach Seite 81. Es ist 81 A – es sollte da sein. Euer Lordschaft, würden Sie dem Zeugen eine Abschrift geben lassen. Es ist ein Protest des Reichskommissars für das Ostland an den Angeklagten Rosenberg und dürfte dem Gerichtshof bekannt sein. Auf der ersten Seite ist ein Protest gegen die Tötung so vieler Juden bei dem Unternehmen »Cottbus«, da sie zur Sklavenarbeit hätten verwendet werden können; auf jeden Fall erscheine es nicht die geeignete Methode zur Bandenbekämpfung, Männer, Frauen und Kinder in Scheunen einzuschließen und diese dann anzuzünden. Soweit dies. Das, Euer Lordschaft, hat einen Haken. Auf der nächsten Seite ist ein Bericht des Generalkommissars von Weißruthenien vom 5. Juni 1943 an den Angeklagten Rosenberg über den Reichskommissar für das Ostland. Es ist möglich, daß das Gebiet nicht ganz mit dem erwähnten übereinstimmt, Euer Lordschaft; doch werde ich das klarstellen. Dieser Bericht fängt an, indem er das Ergebnis meldet:

»Feindtote 4500, Bandenverdächtige-Tote 5000«

offenbar jene Leute, die in Scheunen eingeschlossen und dort verbrannt wurden.

Euer Lordschaft! Weiter unten ist die Beute angegeben. Dann der nächste Absatz:

»Das Unternehmen berührt das Gebiet des Generalbezirks Weißruthenien im Gebiet Borissow. Es handelt sich dabei besonders um die beiden Kreise Begomie und Pleschtschamizy. Gegenwärtig sind die Polizeitruppen zusammen mit der Wehrmacht bis zum Palik-See vorgestoßen und haben die ganze Front der Beresina erreicht. Die Fortsetzung der Kämpfe findet im rückwärtigen Heeresgebiet statt.«

Dann wird angegeben, daß »bei 4500 Feindtoten nur 492 Gewehre« erbeutet wurden. Das ist eine Schlußfolgerung, die tief blicken läßt.

Der nächste Absatz lautet:

»Auf Anordnung des Chefs der Bandenbekämpfung, SS-Obergruppenführer von dem Bach...« – Euer Lord schaft, das ist ein Offizier, der vor dem Gerichtshof bereits vor einigen Monaten ausgesagt hat – »haben auch Einheiten der...« –

ich möchte Sie bitten, Zeuge, dies besonders zu beachten

»Einheiten der Wehrmannschaften an dem Unternehmen teilgenommen. SA-Standartenführer Kunze hat die Wehrmannschaften geführt.«

Herr Zeuge! Wollen Sie dem Gerichtshof sagen, daß die SA-Wehrmannschaften nicht zur SA gehörten und daß der Standartenführer Kunze nicht in seiner Eigenschaft als Mitglied der SA gehandelt hat?

JÜTTNER: Jawohl, sehr gerne und freudig werde ich ganz klar antworten. Erstens steht hier nicht drin SA- Wehrmannschaften, sondern Wehrmannschaften, und zweitens...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Einen Augenblick, wollen Sie sagen, daß Wehrmannschaften nicht SA- Wehrmannschaften sind, daß sie also nicht Einheiten der SA waren. Ist das Ihre Antwort?

JÜTTNER: In dem Falle war es keine Einheit der SA; das behaupte ich mit aller Bestimmtheit. Es waren nicht von der SA gebildete oder aufgezogene Wehrmannschaften, wenn solche Wehrmannschaften überhaupt bestanden haben. Zweitens, wenn der SA-Standartenführer Kunze diese dort angeblich gebildeten Wehrmannschaften geführt hat, hat er sie keinesfalls in seiner Eigenschaft als SA-Führer geführt, sondern im Rahmen der Ostverwaltung.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber er war doch der Befehlshaber der Wehrmannschaften. Wollen Sie behaupten, daß eine bekannte SA-Formation, eine von einem SA-Standartenführer befehligte Wehrmannschaft... wollen Sie dem Gerichtshof sagen, daß diese nicht als SA tätig geworden sei? Ist das Ihre Aussage? Verlangen Sie wirklich, daß der Gerichtshof Ihnen das glaubt?

Gut, nun lege ich Ihnen ein anderes Dokument vor. Euer Lordschaft! Wenn Sie Seite 64 A aufschlagen, werden Sie finden...

JÜTTNER: Ich habe hierzu zu sagen: Das will ich nicht nur dem Gericht glauben machen, sondern es war so; SA-Wehrmannschaften ist ein ganz fester Begriff. Es gab auch Wehrmannschaften anderwärts, die mit der SA nichts zu tun hatten; anscheinend waren dies hier solche. Wir hatten keine Wehrmannschaften dort. Der Standartenführer Kunze war nicht als SA- Führer tätig; SA-Führung und Organisation hat weder mit diesen noch mit den geschilderten Vorgängen in Schaulen, Riga und Kowno irgend etwas zu tun.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, Zeuge, seien Sie vorsichtig, bevor Sie die nächste Frage beantworten. Sagen Sie, daß es keine SA-Einsatzkommandos gab, die im Generalgouvernement Sklavenarbeiter beschafften? Es ist doch eine einfache Frage. Sagen Sie, daß es keine Einsatzkommandos gab, die im Generalgouvernement Sklavenarbeiter erfaßte?

JÜTTNER: Die SA kannte Einsatzkommandos überhaupt nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, ich behaupte, daß das absolut unwahr ist.

JÜTTNER: Das ist die SA-Führung.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte Euer Lordschaft bitten, das Dokument D-970 anzusehen; es wird Dokument GB-602 werden auf Seite 64 A. Es ist ein Bericht an den Angeklagten Frank als Generalgouverneur, datiert vom 25. September 1944. Er handelt von dem Prior des Karmelitenklosters Czerna, auf den von einem der erwähnten SA-Einsatzkommandos geschossen wurde. Ich lese:

»Der in Frage stehende Vorfall hat sich im Rahmen der Erfassung von Arbeitskräften zur Durchführung besonderer Bauvorhaben im Kreise Ilkenau ereignet. Er wurde dem Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Krakau durch die Außendienststelle Kressendorf und den Stützpunkt Wolbron bekannt. Da der Tatort im Bereich des Einsatzstabes Ilkenau liegt, wurden die Ermittlungen von der Staatspolizeileitstelle Kattowitz – Außenposten Ilkenau – geführt.

Auf Grund des vorliegenden Ermittlungsergebnisses ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die termingemäße Durchführung des Bauvorhabens in dem genannten Gebiet war in Frage gestellt, da die einzelnen Gemeinden das ihnen auferlegte Soll an Arbeitskräften nicht stellten. Daher wurde von dem Baustab Kattowitz ein besonderes Kommando in Stärke von 12 SA-Männern beauftragt, in den einzelnen Dörfern Arbeitskräfte einzutreiben. Die Durchführung dieser Aufgabe seitens dieses SA-Einsatzkommandos ging in jedem Falle so vor sich, daß zunächst an den Dorfschulzen herangetreten und ihm das Anliegen vorgebracht wurde.«

Anschließend wird beschrieben, wie im Weigerungsfalle die Häuser durchsucht wurden. Bei der Überholung der Häuser leisteten einige Bewohner Widerstand, der mit der Waffe gebrochen werden mußte.

»Auf Grund der Tatsache, daß in dem genannten Raum in letzter Zeit mehrfach Banden aufgetreten sind, rechneten die SA-Männer damit, daß sich Bandenangehörige tagsüber in Zivil getarnt in den Dörfern aufhielten. Im übrigen wurde nach den Ermittlungen der Staatspolizeileitstelle Kattowitz bei der Erfassung der Arbeitskräfte auf die örtlichen Belange der Dörfer Rücksicht genommen und Arbeitskräfte wehrwirtschaftlicher Betriebe von der Maßnahme ausgenommen.«

Das ist das erste Kommando, das Zwangsarbeiter aus diesem Dorfe erfaßte.

Nun kommt ein anderes SA-Kommando:

»Der Prior des Klosters Czerna wurde in Nowojowa Gora von Angehörigen des SA-Einsatzkommandos erfaßt. Es wurde ihm aufgegeben, zunächst bei den Männern des SA-Einsatzkommandos zu verbleiben. Als sich die Angehörigen des Kommandos gerade in einem Hause befanden, um es nach Arbeitskräften zu durchsuchen, benutzte der Prior nach den Ermittlungen der Staatspolizeileitstelle Kattowitz diesen ihm geeignet erscheinenden Augenblick zur Flucht. Da er auf mehrmaligen Anruf und Abgabe einiger Warnschüsse nicht stehen blieb, sondern vielmehr sein Tempo beschleunigte und zu entkommen versuchte, wurde von der Waffe Gebrauch gemacht. – Der Prior war angehalten worden, weil er angeblich anderen Arbeitern gegenüber negative Äußerungen über den Ostwall und das Bauvorhaben gemacht hatte, die geeignet wären, den ohnehin geringen Arbeitswillen der Arbeiter noch weiter ungünstig zu beeinflussen. Es war beabsichtigt, den Geistlichen zunächst zum Baustab nach Nielepice und von dort zur Dienststelle der Sicherheitspolizei zu bringen, um weitere Ermittlungen in dieser Angelegenheit vorzunehmen.«

Nun, beachten Sie den letzten Absatz:

»Nach Mitteilung der Staatspolizeileitstelle Kattowitz soll sichergestellt sein, daß in Zukunft nicht SA-Männer, sondern Polizeibeamte derartige Unternehmen durchführen.«

Nun, Zeuge, warum haben Sie dem Gerichtshof vor zehn Minuten gesagt, daß es keine SA-Einsatzkommandos gegeben habe und daß diese niemals an der Suche nach Zwangsarbeitern im Generalgouvernement beteiligt gewesen seien? Warum haben Sie das gesagt? Sie wußten doch, daß es unwahr ist. Warum haben Sie es gesagt?

JÜTTNER: Das ist nicht unwahr, sondern ich wiederhole diese Aussage nochmals und bleibe dabei, daß die SA Einsatzkommandos nicht hatte. Hier, diese SA-Männer sind wohl herangezogen worden von der Stelle, die den Bericht erstattet hat, und zwar notdienstverpflichtet – anders kann ich mir das nicht erklären – als Hilfspolizei, und die berichtende Stelle hat diese als notdienstverpflichtete Hilfspolizeikommandos schlechthin als SA-Einsatzkommandos in seinem Sprachgebrauch bezeichnet. Von uns stammt dieser Begriff nicht. Wir hatten keine und haben auch keine solchen gebildet, und die Verantwortlichkeit für die Handlungen, die durchgeführt wurden, lag hier nicht bei, der SA, sondern bei der Stelle, die die Männer eingesetzt hat.

Ich kann noch hinzufügen, daß wir gerade mit der Polizeistelle im Generalgouvernement wiederholt gegen den zu häufigen Einsatz von SA-Angehörigen des Generalgouvernements zu Polizeizwecken Stellung genommen haben. Wir wollten das nicht; wir wollten keine Polizeidienste durch die SA erfüllen lassen. Sie wurden aber zeitweise herangezogen auf Grund gesetzlicher Bestimmung als Hilfspolizeibeamte. Wenn zum Schluß es heißt, »in Zukunft nicht SA-Männer, sondern Polizeibeamte«, dann soll das zweifellos heißen, nicht Hilfspolizeibeamte, sondern richtige Polizeibeamte...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber die Polizei protestierte dagegen, daß die SA das tat und auch gegen die brutalen Methoden, mit denen sie vorgingen. – Soll ich aus Ihrer langatmigen Antwort schließen, daß Sie wissen, daß SA-Leute in der Hilfspolizei des Generalgouvernements verwendet wurden? Wollen Sie das dem Gerichtshof sagen?

JÜTTNER: Wir haben von dem dort tätigen SA-Führer Kühnemund wiederholt Berichte bekommen, daß SA-Männer auf Grund gesetzlicher Bestimmungen zum Polizeidienst verpflichtet worden sind.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das ist wenigstens etwas. Ich bitte Sie, mir nun folgendes zu sagen: Sie sagten in Ihrem Bericht über den Krieg, daß die SA zur Bewachung von Kriegsgefangenen Verwendung fand. Hat die SA nicht auch Lager von Zwangsarbeitern bewacht?

JÜTTNER: Es ist mir nicht bekannt, daß wir Arbeitslager bewacht haben sollen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Lassen Sie mich Ihnen die Namen einiger Lager geben, die, wie ich behaupte, von der SA bewacht wurden. Sakrau, ein Zwangsarbeiterlager, dessen Insassen alles Juden waren; Mechtal, Markstadt, Faulbrück, Reichenberg und Annaberg.

JÜTTNER: Ich höre die Namen als Arbeitslager heute zum ersten Male.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Sie werden auf Seite 131 des Dokumentenbuches 16 B ein Affidavit von Rudolf Schönberg finden. Dies wird Beweisstück GB-601. Er spricht über Bewachung dieser Lager durch die SA sowie über die dortigen Zustände und schließt folgendermaßen:

»Ich will hiermit nur besagen, daß die SA seinerzeit schon in den mörderischen und verbrecherischen Methoden der SS in nichts zurückstand.«

Das war im Jahre 1940.

Ich will Ihnen noch etwas vorhalten. Erinnern Sie sich daran, daß die SA ein Arbeitslager in Frauenberg, in der Nähe von Admont, bewachte? Das war ein Arbeitslager für Arbeitsscheue und Trunkenbolde mit ungefähr 300 Insassen. Erinnern Sie sich daran, daß die SA dieses Lager bewachte?

JÜTTNER: Ist mir völlig unbekannt. Ich habe nie davon gehört.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich lege das Dokument vor. Es ist ohne jeden Zweifel ein persönlicher Bericht an Himmler. Wollen Sie es bitte ansehen. Es ist Dokument NO-034.

Euer Lordschaft! Das Dokument ist von gewissem unerfreulichem Interesse insofern, als es sich mit der Wahl von Auschwitz als Konzentrationslager befaßt. Der Grund, Euer Lordschaft, warum ich mich damit beschäftige, und zwar nur dieser eine. Ich bitte um Verzeihung, Euer Lordschaft! Das Affidavit hätte Nummer GB-603 sein sollen, und dieses hier ist Beweisstück GB-604.

VORSITZENDER: Auf welcher Seite?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Verzeihung, Euer Lordschaft, Seite 132, die nächste Seite. Es ist ein Bericht von einem SS-Oberführer Glücks, dessen Name uns nicht ganz unbekannt ist. Es ist ein Bericht vom 21. Februar 1940 an Himmler, in welchem Glücks sich mit fünf eventuellen Konzentrationslagern beschäftigte, deren Verwendung Himmler prüfen sollte... nein, sechs eventuelle Konzentrationslager. Das dritte Lager ist ein Ort Frauenberg, und es heißt hierüber:

»Frauenberg ist ein vom Landesfürsorgeverband Steiermark eingerichtetes Arbeitslager für Arbeitsscheue und Trunkenbolde. Es besteht aus 5 Holzbaracken und ist aufnahmefähig für 300 Häftlinge.

Die Arbeitshäftlinge sind ausschließlich Steiermärker, die vom Landesfürsorgeverband Steiermark während ihres Lageraufenthaltes für ihre Arbeitsleistung gelöhnt werden (Stunde 27-57 Pfg., abzüglich Verpflegung). Die Bewachung erfolgt durch die SA (etwa 20 Mann). Die Arbeitshäftlinge werden beschäftigt in zwei Steinbrüchen und im Straßenbau.«

Sodann heißt es:

»Grund und Boden ist jetzt Staatseigentum; früher gehörte es zum Stift Admont.«

Zeuge! Wie kann es möglich sein, daß diese SA- Männer ein Arbeitslager bewachten und Sie, der stellvertretende Stabschef, nichts über die Tatsache wußten, daß SA-Männer in Arbeitslagern beschäftigt waren? Wie konnten Ihnen diese Tatsachen unbekannt sein? Erklären Sie dem Gerichtshof, wieso Ihnen das unbekannt sein konnte?

JÜTTNER: Diese Männer haben, wenn sie eingesetzt worden sind, als Hilfspolizeibeamte verpflichtet gehandelt. Genau wie NSKK-Männer oder andere Staatsbürger als Hilfspolizisten gesetzlich verpflichtet werden konnten, wurden auch SA-Männer auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen als Hilfspolizei verpflichtet. Das waren staatliche Maßnahmen, die mit der SA nichts zu tun hatten, auf die die SA keinen Einfluß hatte, von der die SA auch nichts wissen konnte. Es war unmöglich, daß die SA-Führung über das Geschick jedes einzelnen Mannes, wie es hier an mich in der Frage zum Ausdruck kommt, Bescheid wissen konnte. Das war völlig ausgeschlossen. Das waren nicht SA-Männer, sondern das waren in die Polizei dienstverpflichtete Leute.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich halte Ihnen das vor und lege das Beweismittel vor, in welcher Weise die SA während der Kriegsjahre beschäftigt war.

Ich möchte Sie nun ein wenig über die Ausbildung verhören, durch die es ihnen möglich war, diese Art von Arbeit zu verrichten. Streiten Sie ab, daß die SA der Träger des militärischen Gedankens in Deutschland war?

JÜTTNER: Es sind mir in der Vorverhandlung schon solche Fragen gestellt worden. Man verwechselt immer Wehrgedanken mit militärischen Gedanken. Die SA war Träger des Wehrgedankens. Das hat mit militärischem Dienst oder militärischer Ausbildung nichts zu tun.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und Sie behaupten, das habe nichts mit der Pflege des Angriffsgeistes zu tun?

JÜTTNER: Keineswegs, nicht das geringste.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Warum hat Ihr Freund Lutze, von dem Sie uns soviel erzählt haben, in seinem Vortrag im Jahre 1939 diese zwei Begriffe so eng miteinander verbunden!

Euer Lordschaft! Ich beziehe mich nur kurz auf ein Dokument, das bereits vorgelegt worden ist; 3215-PS, US-426. Es ist im Original-SA-Dokumentenbuch enthalten.

Es ist ein Artikel von Lutze als Stabschef der SA über die militärische Ausbildung der SA vom 11. März 1939, und er sagt darin:

»Niemals aber vergaßen diese Männer auch den Auftrag des Führers, die Wehrerziehung des deutschen Mannes zu fördern und den Wehrgeist im deutschen Volke wieder aufzurichten.«

Und dann zitiert er die sehr bekannte Stelle aus »Mein Kampf«, welche Sie, Zeuge, sicherlich auswendig kennen:

»Die Sportabteilungen der SA sollen einst Träger des Wehrgedankens eines freien Volkes sein.«

Und er zitiert Hitlers Worte:

»Man gebe der deutschen Nation sechs Millionen sportlich tadellos trainierte Körper, alle von fanatischer Vaterlandsliebe durchglüht und zu höchstem Angriffsgeist erzogen...«

Geben denn nicht diese Worte Ihres Chefs Lutze, in einen Satz zusammengefaßt, Geist und Ziel wieder, in dem sie die SA von 1934 bis 1939 zu erziehen bestrebt waren?

JÜTTNER: Ich muß mich wirklich wundern, daß der Herr Anklagevertreter in den langen Monaten der Verhandlung den Unterschied zwischen Wehrgedanken und militärischer Ausbildung noch nicht gefunden hat. In der Vorverhandlung vor dem kleinen Gerichtshof ist hier eingehend darüber gesprochen worden. Lutze hat nicht von militärischer Ausbildung geschrieben. Er hat von Wehrerziehung geschrieben. Das ist etwas ganz anderes als militärische Ausbildung. Wir haben das getan, was jedes Land von seinen Patrioten erwartet, eine Wehrerziehung, eine körperliche und sittliche Ertüchtigung der Menschen, sonst nichts, aber keine Kriegsvorbereitung, die Sie mir unterzuschieben suchen, betrieben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn es so ist, wie Sie sagen, warum hat die SA-Führung schon am 25. Juli 1933 befohlen, daß keine Veröffentlichungen über die technischen Sondereinheiten, Nachrichten-, Motor- oder auch der gesonderten Fliegerstürme, erfolgen dürften, weil sie »als Verstöße gegen die Bestimmungen des Versailler Vertrags aufgefaßt werden könnten«.

Euer Lordschaft! Das ist Dokument D-44, US-428, das erste Dokument im Dokumentenbuch.