[Dem Zeugen wird das Dokument überreicht.]
RA. BÖHM: Sie finden diese Feststellung auf der zweiten Seite dieses Dokuments im letzten Drittel.
JÜTTNER: Ich darf dazu sagen, Euer Lordschaft, daß nach der Übernahme der Konzentrationslager durch den Reichsführer-SS, meines Wissens Ende 1933, die SA als Organisation und die SA mit Konzentrationslagern und auch Bewachung von solchen Lagern nichts zu tun hatte. Wenn hier in der Tat SA-Männer zur Bewachung herangezogen wurden, dann sind sie behördlicherseits notdienstverpflichtet worden als Hilfspolizei oder ähnliches, um diese Aufgabe durchzuführen. Damit aber schieden sie aus der Verantwortlichkeit und Befehlsgebung der SA vollkommen aus.
RA. BÖHM: Ein weiteres Dokument, das vorgelegt worden ist, ist Dokument 4013-PS. In ihm heißt es:
»Von englischer ernstester Seite werde ich heute morgen angefragt, ob es möglich sei, daß hinter dem Rücken Hitlers und Habichts die Österreicher aus Deutschland in Österreich einbrechen könnten. Man habe, so fügte mein Gewährsmann hier hinzu, bisher die österreichischen Angriffe beiseite geschoben, doch sei diese Meldung von einer derart ernsten Stelle gekommen, daß man sich unbedingt mit uns in Verbindung setzen wolle. Ich befürchte unter Umständen eine Provokation seitens gedungener Elemente, die eben dann in die Welt hinausgerufen, die Konflikte hervorrufen können.«
Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang nur fragen, handelt es sich hier um eine der üblichen Enten, wie sie in der vergangenen Zeit häufig üblich waren? Kennen Sie das Dokument?
JÜTTNER: Nein, ich kenne es nicht.
[Dem Zeugen wird das Dokument überreicht.]
Ich darf dazu sagen, daß mir von der Angelegenheit bis zum gestrigen Tage nichts bekannt war. Ich hätte das bestimmt wissen, erfahren müssen. Die geflüchteten oder ausgewiesenen Österreicher, die sogenannte österreichische Legion, das spätere Hilfswerklager Nord-West, wurde bewußt weit von der österreichischen damaligen Grenze, abseits gelegen mehrere 100 Kilometer, nämlich am Rhein, untergebracht. Schon daraus dürfte hervorgehen, daß man irgendwelche Grenzzwischenfälle oder was vielleicht hier der Erfinder dieser Vermutung befürchtet, gar nicht in Betracht ziehen konnte. Jedenfalls war mir von der Angelegenheit bisher nichts bekannt.
RA. BÖHM: Die Anklage hat dann gestern ein weiteres Dokument vorgelegt, D-951. Auf dem zweiten Blatt dieses Dokuments heißt es:
»Nach Meldung des Wehrkreiskommandos VI sollen auch bereits die SA-Brigadeführer Bildung einer solchen Stabswache in Aussicht nehmen und dazu SA- Leute auf 1 bis 11/2 Jahre Dienstzeit verpflichten... Zahlenmäßig würde sich das im Bereiche des Wehrkreiskommandos VI allein auf 6000 bis 8000 Mann ständig mit Gewehr und Maschinengewehr bewaffneter SA-Leute auswirken.«
Das Schreiben datiert vom 6. März 1934 beziehungsweise 2. März 1934, und in dem zweiten Schreiben heißt es:
»Die Ausbildung ist am Gewehr 98 durchzuführen.«
Haben Sie dieses Dokument gesehen?
JÜTTNER: Nein, aber gestern davon gehört.
[Dem Zeugen wird das Dokument überreicht.]
RA. BÖHM: Beziehen sich diese Dokumente nicht auf die von Röhm in Aussicht genommene Volksmiliz, an der er gescheitert ist? Ich bitte Sie, die Volksmilizpläne Röhms in ihrem politischen Zusammenhang zu schildern; aber ich darf Sie bitten, sich kurz zu fassen.
JÜTTNER: Zunächst zu der Frage der Stabswachen: Stabswachen hat es gegeben – zum Teil bewaffnet – zum Schutze der Dienststellen und zur Aufstellung von Ehren- und sonstigen Wachposten in aller Öffentlichkeit. Daß in Höchst am Main hier die Stabswache 6000 Mann umfaßt haben soll, ist völlig ausgeschlossen. Herr von Blomberg hatte sich wiederholt geirrt, anscheinend auch hier. Seine Irrtümer gehen besonders deutlich hervor aus einem Briefwechsel nach dem Tode Röhms, wo er mich persönlich damals wegen eines Befehls vom 8. Mai 1934 angriff und den Sachverhalt völlig falsch dargestellt hatte und auf Vorstellungen meinerseits und Stabschefs Lutze hin sich entschuldigte mit der Begründung, in solchen aufgeregten Zeiten könnten solche Irrtümer vorkommen. Wenn Euer Lordschaft wünschen, kann ich den Sachverhalt näher darstellen. Im übrigen hat der Stabschef Röhm, wie er sich auf Führerbesprechungen wiederholt ausgelassen hat, neben der Reichswehr die Schaffung einer Miliz aus der SA heraus angestrebt in Stärke von 300000 Mann. Bei seinen Ausführungen hat er immer wieder betont, das von der Staatsführung dem alten Herrn, damit war Feldmarschall von Hindenburg gemeint, gegebene Wort müsse gehalten werden, das heißt, die Reichswehr dürfe nicht angetastet werden. Über seine Milizpläne hat er ganz offen mit den Militärattachés der Westmächte gesprochen. Ich bin selbst zweimal Zeuge gewesen und habe dabei den unzweideutigen Eindruck gewonnen, daß besonders der Militärattaché von Frankreich diesen Plänen keineswegs abwegig gegenüberstand.
VORSITZENDER: Ich glaube nicht, daß wir diese Erörterungen weiter auszudehnen brauchen. Ich entnehme der Aussage des Zeugen, daß sich dieses Dokument auf eine Miliz bezieht, die Röhm aufstellen wollte. Stimmt das?
RA. BÖHM: Gewiß, das waren die Pläne Röhms.
VORSITZENDER: Nun, das ist alles, was wir brauchen.
RA. BÖHM: Und ich möchte eine kurze Frage daran anknüpfen: Sind diese Pläne dann mit dem Tode Röhms restlos zu den Akten gelegt worden beziehungsweise ins Wasser gefallen?
JÜTTNER: Meines Wissens sind diese Pläne in keiner Weise weiter verfolgt worden. Im Gegenteil, die verhältnismäßig wenigen Waffen, die die Stabswachen hatten, wurden nach dem 30. Juni 1934 eingezogen und abgegeben.
RA. BÖHM: Ich komme dann zum nächsten Dokument, 3050-PS, die erste Seite A. Es ist dieses Dokument gestern im Kreuzverhör vorgelegt worden und enthält eine Sammlung von Artikeln aus dem »SA- Mann«, zu denen ja an sich in der Kommission hinreichend Stellung genommen worden ist, und bei denen ja genügend geklärt worden ist, welche Bedeutung der »SA-Mann« dem einzelnen SA-Angehörigen gegenüber hatte, und wie und welches der Einfluß der Obersten SA-Führung im Verhältnis zu dieser Zeitung war. Nachdem diese Dinge aber nun neuerdings vorgelegt worden sind, muß hierzu noch einmal, wenn auch in aller Kürze, Stellung genommen werden. Grundsätzlich falsch ist es auch dann, wenn man den Artikel zitiert, ihn nur auszugsweise zu zitieren.
VORSITZENDER: Sie scheinen nicht zu verstehen, daß Sie hier nicht argumentieren, sondern dem Zeugen Fragen vorlegen sollen. Wenn Sie ihn befragen wollen, tun Sie das!
RA. BÖHM: Gewiß, Herr Präsident! Ich möchte einen Artikel zitieren, der hier noch nicht angeführt worden ist, und zwar ist es das Dokument 3050-a-PS. Dieser Artikel muß von mir zitiert werden, Herr Präsident, weil ich daran dann eine Frage stellen möchte; er lautet nämlich – und ich bitte, das amtlich festzustellen – aus der Vorlage des »Der SA-Mann« durch die Anklagebehörde nicht so, wie er hier wiedergegeben ist. Der Artikel lautet nämlich:
»Da auch der Marsch letzten Endes eine sportliche Übung ist, gelten für ihn dieselben Grundsätze wie für jeden anderen Sport. Gesundheit und Abhärtung des Körpers ist die Voraussetzung für ein erfolgreiches Marschtraining. Dazu kommt für die Marschierenden die ganz besonders wichtige Fußpflege.«
In diesem Artikel wird dann die Fußpflege weiter geschildert. Damit will ich Sie, meine Herren Richter, nicht aufhalten, und es wird dann darauf hingewiesen, daß
»der Marsch nicht nur für den Soldaten in der Wehrmacht wichtig ist, sondern auch für den politischen Soldaten, den SA-Mann.«
Also nach meinem Dafürhalten eine vollkommen unmilitärische Angelegenheit. In Dokument 3050-c-PS sehe ich einen Artikel, auch aus »Der SA- Mann« vom 24. März 1934 mit der Überschrift: »Wir gehen ins Gelände.« Das ist der dritte Artikel, der dem Gericht mit Dokument 3050-PS vorgelegt worden ist. Es soll eine militärische Einstellung der SA nachgewiesen werden. Er soll deshalb auch vorgelegt werden.
VORSITZENDER: Ich hatte schon eben gesagt, daß Sie jetzt über das Dokument 3050-PS argumentieren. Was Sie aber tun sollen, ist, den Zeugen über das Dokument zu befragen.
RA. BÖHM: Herr Jüttner! Das Dokument, das ich Ihnen vorgelesen habe, nachdem ich die Fehlstellen nachgeprüft habe, sollte nach der Auffassung der Anklage den militärischen Charakter der SA deshalb nachweisen, weil es von der Fußpflege spricht und weil dieser Artikel in »Der SA-Mann« erschienen ist.
Ist dieser Artikel von Ihnen veranlaßt?
JÜTTNER: Die Aufsätze in »Der SA-Mann« hat die Oberste SA-Führung nicht veranlaßt, sondern dafür war verantwortlich die Schriftleitung. Einen militärischen Charakter hat die SA nicht besessen und auch niemals angestrebt. Wenn, wie gestern gesagt wurde, auch »Der SA-Mann«, die Zeitung, bei der Erziehung und Ausbildung der SA auch als Hilfsmittel herangezogen werden soll, so bezieht sich das...
VORSITZENDER: Dr. Böhm! Wir wollen diese Argumentation nicht immer wieder hören. Wir wissen sehr wohl, daß Sie sagen, diese Dokumente über die Ausbildung bezogen sich nur auf den Sport; der Zeuge hat dies auch mindestens zwanzigmal im Verlauf seines Verhörs ausgesagt.
RA. BÖHM: Jawohl, Herr Präsident! In irgendeiner Weise muß natürlich der Zeuge, nachdem diese Dokumente gestern eingeführt worden sind, zu dieser Sache Stellung nehmen, Herr Präsident. Und ich muß ihn dazu fragen und muß ihm den Inhalt dieser Dokumente bekanntgeben, wenn überhaupt zu diesen Dokumenten noch Stellung genommen werden soll innerhalb der Beweisaufnahme. Ich finde sonst ja keine andere Gelegenheit mehr.
VORSITZENDER: Er hat genügend Gelegenheit gehabt, sich mit den Dokumenten vertraut zu machen. Sie sind ihm gestern vorgelegt worden.
RA. BÖHM: Sie sind ihm nicht vorgelegt worden, Herr Präsident! Keine Fragen wurden gestellt.
VORSITZENDER: Er sagte gestern, daß das ein Vortrag von Lutze gewesen sei.
RA. BÖHM: Nein, in diesem Dokument nicht, Herr Präsident! Zu der ganzen Dokumentenserie, die hier vorgelegt worden ist...
VORSITZENDER: Wenn Sie dem Zeugen Fragen stellen wollten, anstatt zu argumentieren, würden wir besser vorwärts kommen. Wenn Sie aber keine Fragen stellen wollen, müssen Sie überhaupt mit Ihrem Verhör aufhören.
RA. BÖHM: Jawohl, Herr Präsident.