[Der Angeklagte Funk betritt den Zeugenstand.]
VORSITZENDER: Angeklagter! Sie sind sich bewußt, daß Sie noch unter Eid stehen.
WALTHER FUNK: Ja.
VORSITZENDER: Sie können sich setzen.
DR. SAUTER: Herr Dr. Funk! Verstehen Sie mich so?
FUNK: Ja.
DR. SAUTER: Herr Dr. Funk! Ich muß Sie heute vernehmen über dieses Affidavit, das die Anklage in der vorigen Woche von dem früheren SS-Obergruppenführer Pohl von den KZ-Lagern vorgelegt hat. Sie selber sind über diesen Komplex bereits am 7. Mai hier vernommen worden. In dieser Vernehmung vom 7. Mai haben Sie auf eine Frage erklärt, daß Sie seinerzeit diesen SS-Gruppenführer Pohl einmal gesehen haben, und zwar – ich zitiere hier aus dem Protokoll vom 7. Mai:
»Ich habe ihn einmal in der Bank gesehen, als er mit Herrn Pohl« – das ist der Vizepräsident der Bank – »oder mit anderen Herren des Direktoriums zu Mittag aß. Ich ging durch den Raum und sah ihn dort sitzen. Ich persönlich habe mit Herrn Pohl« – das ist der Gruppenführer der SS – »niemals über diese Dinge gesprochen. Es ist mir völlig neu, daß solche Dinge gemacht worden sind.«
Das ist das wörtliche Zitat aus Ihrer Aussage vom 7. Mai. Nun hat der Gruppenführer Pohl in dem Affidavit, 4045-PS, das hier am 5. Mai vorgelegt worden ist, angegeben, er habe zweimal mit Ihnen gesprochen. Können Sie sich an das andere Gespräch, von dem Sie uns seinerzeit noch nichts gesagt haben, jetzt erinnern? Ja oder nein?
FUNK: Nein.
DR. SAUTER: Was können Sie von diesem anderen Gespräch bezüglich der Angaben des Gruppenführers Pohl sagen, Herr Zeuge? Ich meine hier jetzt das Gespräch, bezüglich dessen der Obergruppenführer Pohl erklärt hat, er habe mit Ihnen gesprochen im Auftrage Himmlers, damit Sie als Reichswirtschaftsminister die SS bei der Zuteilung von Textilien, wahrscheinlich für Uniformen, bevorzugt berücksichtigen sollen. Was können Sie zu dem Komplex sagen?
FUNK: Nach meiner Überzeugung hat dieses Gespräch nicht stattgefunden. Ich kann mich jedenfalls beim besten Willen an ein solches Gespräch mit Pohl nicht erinnern. Es spricht auch vieles dagegen. Erstens habe ich mich mit derartigen Spezialfragen, wie der Zuteilung von Textilkontingenten an eine Waffengattung, niemals zu beschäftigen gepflegt. Zweitens pflegte ich derartige Gespräche stets in Gegenwart meines Staatssekretärs oder des zuständigen Abteilungsleiters und Fachreferenten zu führen, insbesondere, wenn es sich um ein Gespräch gehandelt hätte mit einem Menschen, den ich bisher noch gar nicht kannte. Ich bin mit der Frage der Lieferung von Alttextilien aus Konzentrationslagern überhaupt niemals beschäftigt worden. Diese Dinge wurden behandelt im Aufgabengebiet des Reichskommissars für Altmaterialverwertung. Das war eine Dienststelle außerhalb des Ministeriums. Diese Stelle arbeitete naturgemäß mit dem Textilreferat des Ministeriums zusammen. Nach meiner Überzeugung gingen die Dinge so vor sich, daß die in den Sammellagern befindlichen Altmaterialien, also Alttextilien, direkt an die Betriebe gingen, die solche Materialien verarbeiteten. Ich bin also der Überzeugung, daß auch die Beamten des Wirtschaftsministeriums von derartigen Lieferungen aus den Konzentrationslagern nichts wußten. Denn vorher wurden ja diese Materialien schon von der Wirtschaftsabteilung der SS, die unter Leitung von Pohl stand, gesammelt. Ich habe bis zu diesem Prozeß gar nicht gewußt, daß Pohl die Konzentrationslager unterstanden. Ich kannte die Zusammenhänge zwischen der Wirtschaftsabteilung der SS und den Konzentrationslagern überhaupt nicht. Diese Lieferungen von Altmaterialien spielten im Verhältnis zu der Gesamtproduktion auch keine so entscheidende Rolle, daß man mich damit überhaupt befaßt hat. Aber ich unterstelle einmal, daß Herr Pohl bei mir war. Mein Gedächtnis ist nicht mehr so gut, insbesondere nicht nach den jahrelangen Krankheiten, die ich durchgemacht habe, so daß mir ein solcher Besuch, der, wie Pohl sagt, nur wenige Minuten gedauert haben soll, entfallen sein könnte. Wenn Pohl mir einen solchen Wunsch Himmlers zum Ausdruck gebracht hätte, dann hätte ich diese Angelegenheit bestimmt an meinen Staatssekretär weitergegeben zur Erledigung. Ungeheuerlich ist nun aber die Behauptung von Pohl, daß er mir in diesem Zusammenhange etwas von toten Juden erzählt haben will, von denen die Lieferungen angeblich kamen, die die SS als Altmaterialien abgab. Es soll im Jahr 1941, vielleicht auch 1942 gewesen sein. Daß Pohl mir, den er gerade zum erstenmal sah, ein bis zum Schluß auf das strengste behütetes Geheimnis mitteilen sollte, ist schon an sich unglaublich. Aber er hatte gar keine Veranlassung, mich auf die toten Juden hinzuweisen, denn, wenn er mir sagte, es kommen größere Lieferungen von der SS, so war mir das sehr plausibel, da ja in dem großen Bereich der SS, wo Hunderttausende von Menschen kaserniert waren und öffentlich bekleidet wurden, fortlaufend Altmaterialien an Textilien, Decken, Uniformen, Wäsche und so weiter...
VORSITZENDER: Das ist eine Argumentation, keine Aussage über Tatsachen.
FUNK: Jedenfalls bestreite ich ganz entschieden, daß Pohl mir eine solche Mitteilung gemacht hat. Ich bezeichne dies als eine Lüge und als eine Verleumdung, denn ich habe bis zu diesem Prozeß von keinem Menschen etwas erfahren, es hat niemand mit mir darüber gesprochen, daß in den Konzentrationslagern die Juden ermordet worden sind.
DR. SAUTER: Herr Zeuge! Das ist der eine Punkt, über den ich Sie vernehmen wollte.
FUNK: Ich hätte eine solche Mitteilung auch nicht auf sich beruhen lassen, sondern ich hätte mich sofort an meine vorgesetzte Dienststelle gewandt – das war der Beauftragte für den Vierjahresplan – und hätte ihm davon Mitteilung gemacht.
DR. SAUTER: Herr Zeuge! Das ist der eine Punkt. Ich glaube, er ist durch Ihre Vernehmung genügend geklärt, und ich möchte jetzt zum zweiten Punkt übergehen, und bitte Sie, sich auch hier so kurz zu fassen, daß wir bis 1.00 Uhr, wenn möglich, fertig sind.
Herr Zeuge! Sie haben schon im Mai bei Ihrer Vernehmung – ich glaube, es war am 6. Mai – erklärt, daß Sie den SS-Gruppenführer Pohl einmal beim Mittagessen in der Reichsbank, im Kasino der Reichsbank getroffen haben. Auf dieses Gespräch – das möchte ich Ihnen vorhalten – hat der Zeuge Pohl in einem Affidavit, Dokument 4045-PS, auch Bezug genommen; er sagt hier – ich lasse alles andere weg –, daß er mit Puhl, mit Ihrem Vizepräsidenten, gesprochen haben soll. Denn darüber wissen Sie ja nichts, es wäre also nur Zeitverschwendung, wenn ich das von Ihnen fragen würde. Ich halte Ihnen nun vor, was er über Sie sagt. Er sagt im Protokoll vom 5. August in der Wiedergabe:
»Nachdem wir« – also der Gruppenführer Pohl und der Vizepräsident Pohl und einige andere Herren – »in den Gewölben der Reichsbank die verschiedenen Wertsa chen besichtigt hatten, gingen wir hinauf in ein Zimmer, um mit dem Reichsbankpräsidenten Funk zu Mittag zu essen; es war für die Zeit nach der Besichtigung arrangiert. Es nahmen außer Funk und Puhl« – das ist Ihr Vizepräsident – »die Herren meines Stabes teil« – des Stabes Pohl –. »Wir waren ungefähr 10-12 Personen. Ich saß nächst zu Funk und« – da bitte ich jetzt besonders acht zu geben, Herr Zeuge – »und wir unterhielten uns unter anderem Über die Wertsachen, die ich in seinem Gewölbe« – also im Gewölbe der Reichsbank meinte er – »gesehen habe.«
VORSITZENDER: Herr Dr. Sauter! Wir haben diese Aussage neulich gehört. Könnten Sie dem Zeugen nicht die Umstände vorhalten und ihn fragen, ob es wahr ist oder nicht. Sie brauchen doch nicht alles vorzulesen.
DR. SAUTER: Ich lese ja nur die zwei Sätze vor, die sich auf den Angeklagten beziehen. Es sind nur zwei Sätze. Alles andere lasse ich ja ohnehin weg. Aber ich muß ihm das natürlich vorlesen, damit er genau weiß, was der Pohl gesagt hat. Was ich bisher vorgelesen habe, Herr Präsident, ist der eine Satz, und jetzt kommt ein ganz kurzer zweiter Satz, der sagt:
»Bei dieser Gelegenheit kam es klar zum Ausdruck, daß ein Teil der Wertsachen, die wir besichtigt hatten, von Konzentrationslagern stammte.«
Das ist das Ende des Zitats und damit das Ende des zweiten Satzes.
Herr Zeuge! Sie haben gehört, was Pohl, dieser Gruppenführer, in seinem Affidavit behauptet. Stimmt das, oder stimmt das nicht? Das können Sie mit Ja oder Nein beantworten, und wenn nein, dann können Sie die Erklärung dazu geben.
FUNK: Daß er sich bei diesem Frühstück mit mir unterhalten hat, daran erinnere ich mich. Daß er mit mir über die von der SS eingelieferten Wertgegenstände gesprochen hat, daran erinnere ich mich nicht. Aber bestimmt weiß ich, daß er nicht mit mir über diejenigen Wertsachen gesprochen hat, die ich gar nicht kannte, also über den Teil der Einlieferungen der SS, die nicht zur Verwertung für die Reichsbank eingeliefert wurden, sondern zur Verwertung für das Reichsfinanzministerium, also Goldsachen und Schmuck und alles, was dabei war; diese Dinge kannte ich nicht; diese Dinge habe ich nicht gesehen, und über diese Dinge hat sich Pohl mit mir nicht unterhalten, denn dann hätte ich ja über sie Bescheid gewußt, hätte mich danach erkundigt. Es ist nun völlig ausgeschlossen, daß Pohl mit mir in Gegenwart von zwölf Herren, worunter vielleicht noch drei oder vier oder fünf Reichsbankdirektoren waren, und in Gegenwart des Bedienungspersonals darüber sprach, daß diese Dinge aus Konzentrationslagern kommen und womöglich von ermordeten Juden stammen. Daß von der SS Gold, Devisen, Noten und Wertpapiere abgeliefert wurden und daß solche Dinge auch aus Konzentrationslagern kamen, das wußte ich und habe ich auch mit Pohl besprochen. Das war der Ausgangspunkt dieser ganzen furchtbaren Angelegenheit, indem Himmler mich bat, ihm für diese Dinge, die beschlagnahmt worden waren, in der Reichsbank Tresorraum zur Verfügung zu stellen und ich Himmler selbst gebeten habe, dieses für das legale Reichsbankgeschäft in Frage Kommende vorbereiten zu dürfen. Aber über die anderen Dinge habe ich nichts Näheres gewußt, kannte also nichts über die Art, Umfang und ganz und gar nicht ihre Herkunft.
DR. SAUTER: Zeuge! Ich möchte eine letzte Frage abschließend an Sie stellen, damit das ganz klar wird: Wann haben Sie erfahren, daß zum Beispiel diese Brillenfassungen oder diese Goldzähne und dergleichen, also diese Dinge außer den Goldmünzen und den Devisen, die ablieferungspflichtig waren, daß solche häßlichen Dinge in Ihre Reichsbank gekommen sind? Wann haben Sie zum erstenmal davon erfahren? Sie sagen hier unter Eid aus.
FUNK: Hier im Prozeß.
DR. SAUTER: Jawohl. Können Sie das mit gutem Gewissen beschwören?
FUNK: Ich kann es beschwören. Herr Dr. Sauter, ich muß aber da hinzufügen...
VORSITZENDER: Er hat das bereits ausgesagt.
DR. SAUTER: Es war nur eine kurze Frage.
FUNK: Das, was natürlich im Depot der SS lag, das wußte ich nicht, das habe ich nie gesehen. Daß darin auch andere Dinge sein konnten wie Devisen, Gold und Effekten, das war mir schon klar...
DR. SAUTER: Das haben Sie sicher bereits klargestellt.
Danke sehr, Herr Präsident, ich habe keine weiteren Fragen.
MR. DODD: Sie sagen uns nunmehr, daß Sie von den Golddepots und Juwelen, die aus Konzentrationslagern kamen, wußten. Ist das richtig?
FUNK: Wußte ich nichts, nein.
MR. DODD: Sie haben nichts davon gewußt? Dann muß ich Sie falsch verstanden haben. Ich dachte, Sie sagten soeben dem Gerichtshof, Sie hätten von diesen Golddepots und Halbedelsteinen und Juwelen, die Ihnen durch Himmler übergeben wurden, gewußt.
FUNK: Das wußte ich nicht. Nein, das wußte ich nicht. Ich habe nur gesagt: das, was in den Depots der SS war; daß die SS solche Depots bei uns hatte, war mir wohl bekannt, aber was in den Depots war, wußte ich nicht, denn ich habe diese Dinge nie gesehen, und es hat mich auch niemand über den Umfang, die Art und die Herkunft dieser Gegenstände unterrichtet.
MR. DODD: Sie erinnern sich wohl, daß ich, als Sie vor dem Gerichtshof am 7. Mai aussagten, Sie fragte, ob Sie etwas über die Goldeinlieferungen wußten, die aus Konzentrationslagern stammten (Band XIII, Seite 186). Damals erklärten Sie, Herr Puhl habe Ihnen eines Tages berichtet,
»daß von der SS ein Golddeposit angekommen ist, und er sagte weiterhin etwas ironisch, am besten ist, wir stellen nicht fest, was das ist.«
Das war Ihre eigene Aussage in diesem Gerichtssaal, im gleichen Stuhl und vor dem gleichen Gerichtshof vor ein oder zwei Monaten. Nun wußten Sie doch, daß etwas Anrüchiges an diesen Lieferungen war, als Ihnen Direktor Puhl sagte, daß es am besten sei, nicht zu versuchen festzustellen oder zuviel zu wissen, woraus diese Lieferungen bestehen. Was haben Sie nun heute vormittag dazu zu sagen? Was sind die wirklichen Tatsachen?
FUNK: Ich habe diese Aussage insofern bereits berichtigt, als die erste Unterredung über diese Vorgänge zwischen Himmler und mir stattfand, indem Himmler mir sagte, daß die SS erhebliche Werte beschlagnahmt habe im Osten und daß darunter auch Werte seien, die für die Reichsbank interessant seien, wie Gold, ausländische Münzen, ausländische Noten, Wertpapiere und andere Devisen.
Ich habe ihn daraufhin gebeten – das habe ich auch ausgesagt –, jemand zu beauftragen, der mit dem Vizepräsidenten Puhl diese Dinge bespricht. Daraufhin hat Himmler Pohl zu Puhl geschickt, nachdem ich vorher Puhl von dem Gespräch mit Himmler unterrichtet hatte. Als dann die Dinge ankamen, als dann die ersten Einlieferungen wahrscheinlich ankamen und in die Depots eingeliefert wurden, da hat Puhl zu mir gesagt: »Es sind jetzt von der SS Einlieferungen ins Depot vorgenommen worden« – und dabei hat er irgendeine etwas sarkastische Bemerkung gemacht –, »wer weiß, was da alles drin ist.« Das entspricht ungefähr dem, was ich hier ausgesagt habe.
MR. DODD: Sie haben auch, und zwar am gleichen Tage und als Antwort auf die nächste Frage, dem Gerichtshof erklärt:
»Ich habe aber angenommen, daß es sich um ein Golddeposit handelte, daß dieses Golddeposit aus kleinen Münzen oder ausländischem Geld oder ähnlichem bestand, das von den Insassen der Konzentrationslager abgeliefert wurde...«
Sie hatten also einiges Wissen über die Quelle und die Herkunft dieser Deposits, nicht wahr? Sie wußten, woher sie kamen, und das ist alles, was wir hier feststellen wollen. Sie hatten, gelinde gesagt, eine ziemlich gute Kenntnis.
FUNK: Das brauchte nicht allein aus den Konzentrationslagern zu kommen. Aber, daß die Insassen der Konzentrationslager...
MR. DODD: Einen Augenblick! Wir brauchen uns darüber überhaupt nicht zu streiten. Was ich festzustellen versuche, ist die Tatsache, daß Sie selber dem Gerichtshof erklärten, Sie nahmen an, die Dinge stammten von den Insassen der Konzentrationslager. Das ist Ihre eigene Aussage vom 7. Mai.
FUNK: Nicht das Gold allein, sondern auch Devisen, Noten und alles, was für den legalen Geschäftsverkehr der Reichsbank in Frage kam von diesen Dingen. Daß das auch aus Konzentrationslagern stammen könnte, war mir klar, denn den Insassen der Konzentrationslager mußten ja diese Dinge genau so abgenommen werden wie jedem anderen Menschen. Das war mir klar. Nur die anderen Dinge habe ich nicht gekannt, die also für das Reichsfinanzministerium bei der Reichsbank eingeliefert wurden; von den Abmachungen zwischen dem Finanzministerium und der SS ist mir nichts bekannt gewesen.
MR. DODD: Wollen wir sehen, ob Sie davon wußten oder nicht. Sie waren hier im Gerichtssaal, als Herr Elwyn Jones von der Britischen Anklagevertretung das Dokument 4024-PS vorlegte, das von der Aktion »Reinhardt« handelt. Sie haben zugehört, als dieses Dokument hier besprochen wurde, nicht wahr?
FUNK: Ja.
MR. DODD: Dieses Dokument liegt dem Gerichtshof vor. In dieser Aktion allein – und wir wissen nicht einmal, ob das alles ist – wurde eine Gesamtsumme von RM. 100.047.000.- entweder bei der Reichsbank oder im Wirtschaftsministerium deponiert. Dies nur aus dieser einen Aktion. Wollen Sie dem Gerichtshof sagen, daß dieser Betrag von über 100 Millionen Reichsmark im Laufe eines Jahres, oder zum mindesten eines Jahres, in Ihrer Bank deponiert oder diese Werte gutgeschrieben worden sind, ohne daß Sie als Reichsbankpräsident etwas davon wußten? Sie hätten doch davon wissen müssen, nicht wahr?
FUNK: Darf ich die Summe noch einmal hören? Es scheint nicht richtig übersetzt worden zu sein.
MR. DODD: Wir brauchen nicht auf den Pfennig zu gehen. Es waren über 100 Millionen Mark.
FUNK: Eine Million?
MR. DODD: Nein, 100 Millionen.
FUNK: 100 Millionen Mark an Devisen? Das ist völlig ausgeschlossen. Das ist ja absurd.
MR. DODD: Aber das Dokument zeigt es.
FUNK: Wo sollen da 100 Millionen herkommen? Das ist absurd.
MR. DODD: Nett, daß Sie sich darüber freuen! Aber wollen wir etwas weitergehen. Dieses Dokument der SS-Männer besagt weiter, daß es sich um eine Summe von 500000 amerikanischen Dollars handelte. Hätten Sie nicht wissen müssen, daß derartige Gelder in Ihre Bank eingelegt wurden oder Ihnen zur Verfügung standen? Ich nehme an, das ist ziemlich viel Geld für Deutschland im Jahre 1943, in Dollars.
FUNK: Sicherlich! Aber ich erinnere mich nicht, daß mir jemals davon etwas berichtet worden ist, von diesen 500000 Dollars. Es ist das eine Summe, über die man mit mir schon hätte sprechen können; das gebe ich zu. Aber es ist nicht gesprochen worden mit mir.
MR. DODD: Sie wissen, daß das Dokument weiterhin Geld aus praktisch jedem Land der Welt aufführt, und zwar in großen Mengen. Sie wissen das, nicht wahr? Sie wissen, daß dieses Geld Ihrer Bank von der SS in sehr großen Summen übergeben wurde – 500000 Dollar, Tausende von britischen Pfunden, Francs und Geld aller Art. Sie mußten sicherlich wissen, daß dieses Geld im Jahre 1943 in Ihre Bank eingebracht wurde, auf Grund des so hohen Betrages mußten Sie auch wissen, woher es kam. Was sagen Sie dazu?
FUNK: Daß von der SS auf Grund der hier erörterten Aktion Valuten, also Devisen und Noten und Goldmünzen und was weiß ich noch alles, an die Reichsbank eingeliefert wurden, wußte ich. Der Umfang dieser Einlieferungen ist mir nicht gemeldet worden. Ich erinnere mich jedenfalls daran nicht. Die zusammengefaßte Summe kenne ich jedenfalls nicht. Ich bin erstaunt, daß es so viel ist.
MR. DODD: Ja, wir auch. Wichtig ist hier, daß Sie als Chef dieser Bank doch unmöglicherweise – stimmen Sie mir darin nicht zu – über diese Summen in Unwissenheit geblieben sein konnten. Sie waren dort doch sicherlich mehr als ein Dekorationsstück. Und gerade aus diesem Grunde muß doch der Gerichtshof und auch jeder andere annehmen, daß Sie über die Depots solch großer Summen Bescheid wissen mußten, besonders über Devisen. Meines Erachtens ist Ihre Antwort absolut nicht zufriedenstellend. Ist das Ihre ganze Antwort, daß Sie sich nicht mehr daran erinnern oder daß Sie überhaupt nichts davon wußten, oder beides?
FUNK: Die zuerst genannte Summe von 100 Millionen Mark halte ich für absolut absurd. Die zweite Summe von 500000 Dollars halte ich für möglich. Es ist durchaus im Bereich des Möglichen, daß solche Summen bei den ganzen Aktionen den Menschen abgenommen wurden, die zum Beispiel in Konzentrationslager eingeliefert wurden und auch sonst in den Aktionen...
MR. DODD: Nun, ich frage Sie nicht, ob es möglich ist, daß sie abgenommen wurden; wir wissen, daß sie abgenommen wurden.
FUNK: Ich wußte, daß das normalerweise weggenommen werden mußte. Das war klar. Aber die Summe als solche ist mir nicht genannt worden. Die kenne ich nicht, das wußte ich nicht.
MR. DODD: Ich will nicht all diese Dokumente durchgehen, aber Sie haben wahrscheinlich die Liste der aufgeführten Artikel gelesen, von den Tausenden von Weckern und Füllfederhaltern? Sie wußten als Wirtschaftsminister davon, nicht wahr?
FUNK: Davon habe ich kein Wort gewußt.
MR. DODD: Wußten Sie, daß die Million Waggons an Textilwaren, die diese SS-Männer angaben, verschickt oder gelagert zu haben, aus der Bekleidung von toten Juden und anderen Konzentrationslagerhäftlingen stammten, die vernichtet wurden. Als Wirtschaftsminister mußten Sie doch etwas davon wissen?
FUNK: Nein, davon habe ich kein Wort gewußt. Ich habe die Erklärung dafür abgegeben hier, weil diese Dinge an den Reichskommissar für Altmaterialverwertung gingen und weil sie zu den einzelnen Betrieben aus den Sammellagern direkt kamen. Mich hat über beschlagnahmte Textilien aus Konzentrationslagern nie ein Mensch mit einem Wort unterrichtet.
MR. DODD: Gut...
FUNK: Darf ich zu der Reichsbanksache noch etwas sagen? Ich stehe hier ja selbst, ich möchte fast sagen, vor einem unbegreiflichen Ereignis, vor einem Rätsel. Daß ich über diese Lieferungen von Pretiosen, Perlen und so weiter nicht unterrichtet worden bin, hat seinen Grund wahrscheinlich darin, daß diese Dinge nicht für die Reichsbank abgeliefert wurden, sondern daß die Reichsbank hier nur Abrechnungsstelle war und daß infolgedessen mir darüber niemand Näheres gesagt hat. Aber ich trage die Verantwortung für alles, was in der Reichsbank geschehen ist, als Präsident zusammen mit den Herren des Direktoriums. Wenn aber hier Beamte Verdacht schöpfen mußten, daß hier Dinge vorkamen, die auf Grund verbrecherischer Handlungen vorgekommen sind, dann war es ihre Pflicht, mir offen und klar das zum Ausdruck zu bringen und nicht, wie es einmal – wie mir jetzt auch in Erinnerung ist – Herr Wilhelm in einem Gespräch getan hat, als er davon sprach, daß das eine schwere Verantwortung für die Beamten wäre – eine schwere Belastung, so etwas hat er gesagt – eine schwere Belastung für die Beamten wäre. Wie sollte ich denn damals, wo ich von den Dingen nichts kannte, wie sollte ich darauf kommen, daß es sich hier um eine moralische Belastung handelt.
MR. DODD: Ich weiß nicht, wie lange Sie darüber noch reden wollen, aber was mich betrifft, so haben Sie mir bereits alle Auskünfte gegeben, die ich benötige.
Herr Vorsitzender! Ich glaube nicht, daß dies dem Gerichtshof sehr viel nützt. Diese Art von Erklärung ist keine Antwort auf irgendeine meiner Fragen.