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[Der Angeklagte verläßt den Zeugenstand.]

DR. STAHMER: Herr Präsident! Sie haben heute vormittag Angaben darüber gefordert, ob diese Fragen, für die ich den Zeugen benannt habe, schon früher behandelt sind. Ich habe darüber bisher folgendes feststellen können: In der Sitzung vom 8. März 1946 (Band IX, Seite 61/62) ist der Zeuge Milch von mir gefragt worden über ein oder zwei Briefe, die der Obergruppenführer Wolff an ihn gerichtet hatte. Die Antwort ist von Milch. Der Brief stammt aus dem Mai 1942.

Es ist dann im Kreuzverhör von Mr. Justice Jackson auf diese Frage zurückgekommen worden (Band IX, Seite 103). Alsdann hat Herr General Rudenko im Kreuzverhör mit demselben Zeugen Milch einen anderen Brief Himmlers an – ich glaube an Milch – produziert vom November 1942 (Band IX, Seite 147/148). Weiteres habe ich darüber bisher nicht finden können. Ich habe das in der kurzen Zeit nur durchsehen können. Ich erinnere mich selbst nicht, Göring darnach gefragt zu haben. Ich glaube das auch nicht, denn es handelt sich um einen ganz beschränkten Punkt, der durch die Aussage von Milch ausreichend geklärt wurde. Milch ist vor Göring vernommen worden, und ich darf darauf hinweisen, daß es sich hier meines Erachtens um andere Vorgänge handelt. Es ist damals von der Trinkbarmachung des Meerwassers und von einem Mittel zur Bekämpfung des Flecktyphus überhaupt nicht die Rede gewesen, bestimmt nicht. Ich glaube auch nicht von Unterkühlungsversuchen, so daß es sich um einen anderen Fragenkomplex handelt als den, der von Milch behandelt ist.

VORSITZENDER: Wollen Sie sagen, daß der Angeklagte Göring das Thema der Experimente an Konzentrationslager-Insassen überhaupt nicht erörtert hat? Sie beziehen sich auf General Milch.

DR. STAHMER: Ja, soweit ich die Sache jetzt noch in Erinnerung habe... ich habe dies bezüglich Göring nicht nachprüfen können. Soweit ich mich erinnere, habe ich Milch über dieses Thema gefragt und bin dann bei Görings Vernehmung, die später erfolgte, nicht wieder darauf zurückgekommen, weil ich annahm, daß diese Frage durch Milch geklärt sei. Ich möchte mich aber selbst noch einmal davon, überzeugen, indem ich die Protokolle noch einmal genau durchsehe. Das habe ich heute mittag in der kurzen Zeit nicht machen können. Ich möchte in diesem Zusammenhang dann nur noch auf eines hinweisen: In meinem schriftlichen Antrag habe ich auch einen Eventualantrag gestellt für den Fall, daß der Zeuge General Schreiber, dessen Erklärungen vor einigen Tagen von der Russischen Anklagebehörde erwähnt wurden, hier als Zeuge vorgeführt wird; also wenn der Zeuge Schreiber noch vorgeführt werden sollte, bitte ich, die Vernehmung Görings nach der Vernehmung des Zeugen Schreiber stattfinden zu lassen, damit es nicht nötig ist, ihn ein drittes Mal auf den Zeugenstand zu rufen.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird das auch in Erwägung ziehen. General Rudenko! Können Sie dem Gerichtshof sagen, ob Dr. Schreiber hierher gebracht werden soll, ob Sie sein Affidavit verwenden und ihn herbringen wollen oder nicht?

GENERAL R. A. RUDENKO, HAUPTANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Wir haben alle notwendigen Schritte eingeleitet, um den Zeugen Schreiber, der sich in einem Gefängnis in der Nähe von Moskau befindet, vor dem Ende der Verhandlungen der Organisationen hierherzubringen. Ich vermute, daß wir im Laufe des heutigen oder morgigen Tages genaue Nachrichten darüber erhalten werden und dies dem Gerichtshof mitteilen können.

VORSITZENDER: Nun, Sir David, haben Sie schon ausfindig machen können, ob der Angeklagte Göring, über dieses Thema Aussagen gemacht hat?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mein Stab ist gerade bei dieser Sache. Sie sind mit der Durchsicht des Protokolls noch nicht ganz fertig. Ich hoffe, Euer Lordschaft bald darüber Bescheid geben zu können.

VORSITZENDER: Gut. Der Gerichtshof wird jetzt die Dokumente für die Organisationen behandeln. Ich glaube, Herr Dr. Servatius will sich zuerst damit befassen.

DR. ROBERT SERVATIUS, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SAUCKEL, VERTEIDIGER FÜR DAS KORPS DER POLITISCHEN LEITER: Herr Vorsitzender! Ich trage zunächst den Inhalt der Dokumentenbücher vor, daran anschließend komme ich dann zu den Affidavits. Ich habe die Dokumente selbst schon angeführt, damals im Anschluß an die Beweisaufnahme. Die Exhibit-Nummern sind mit dem Herrn Generalsekretär vereinbart.

Auf Seite 1 befindet sich das Dokument Nummer 10.1 Es befaßt sich mit der Statistik der Partei. Es ist ein Auszug aus einer Nummer »Der Hoheitsträger«. Die Bedeutung liegt darin, daß man einen Anhalt bekommt, wie viele Menschen durch dieses Verfahren betroffen werden. Wie Sie aus Seite 1 ersehen, ist für das Jahr 1935 die Zahl der Ämter (Block-, Zellen-, Ortsgruppen-, Kreis- und Gau-Ämter) mit rund 600000 angegeben.

Wenn man auf die Seite 2 herumschlägt, kommen dazu – und zwar auf der unteren Hälfte der Seite – die Führerschaft aus den Organisationen für das Jahr 1935. Das sind einmal, um zur Einführung Zahlen zu nennen, in der Frauenschaft und Frauenwerk etwa 50000, Studentenbund 1600, DAF und ähnliches 800000, das Amt für Volkswohlfahrt und NSV 300000 – ich nenne runde Zahlen –, der Reichsnährstand rund 100000 und die Kriegsopferversorgung 84000. Das sind die Fachämter, zusammengezogen 1475000. Nimmt man dazu die vorerwähnten 600000 Ämter, so kommt man auf eine Zahl von über 2 Millionen.

VORSITZENDER: Sind diese Zahlen solche von Personen, die unter die Definition »Politische Leiter« fallen?

DR. SERVATIUS: Ja, Herr Präsident!

VORSITZENDER: Nun, entweder die Gauleiter oder die Kreisleiter...

DR. SERVATIUS: Darf ich das kurz erklären? Man muß hier grundsätzlich unterscheiden zwischen den eigentlichen politischen Führern, die den politischen Apparat gesteuert haben, vom Gau- bis zum Blockleiter, und daneben diese große Zahl von Leuten, die in der Arbeitsfront, NSV und in diesen Organisationen gearbeitet haben und auch »Politische Leiter« heißen. Es wurde dies schon klar, wie der Zeuge Hupfauer hier vernommen wurde und sagte, daß in seiner Organisation, die 20 Millionen Mitglieder umfaßte, auch die Leitung durch »Politische Leiter« erfolgte. Ich glaube, ich werde später in meinem Schlußwort auseinanderlegen, wie hier eine Auslegung erfolgen kann. Zunächst aber sind diese alle erfaßt durch das Wort »Korps der Politischen Leiter«. Tatsächlich hat die Anklage offenbar nur diejenigen gemeint, die die eigentlichen politischen Ämter steuern vom Gau bis Block; aber sie sind durch das Wort alle mit erfaßt. Deshalb habe ich, um das klarzustellen, Zahlen gegeben.

VORSITZENDER: Aber was haben wir mit all diesen Leuten außer denen vom Gauleiter bis zum Blockleiter zu tun? Der Rest davon ist Gefolgschaft, soweit es den Gerichtshof betrifft.

DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Sie sind zunächst ja durch das Wort »Korps der Politischen Leiter« mit erfaßt, und die Anklage hat es noch nicht eingeschränkt. Das müßte sie dann tun. Es ist aber auch von Bedeutung, weil aus diesen Organisationen in die Fachstäbe dieser Politischen Ämter...

VORSITZENDER: Sie meinen, daß die Anklageschrift nicht spezifiziert »Gau- bis herab zum Blockleiter«, sondern einfach »Korps der Politischen Leiter« sagt?

DR. SERVATIUS: Das ist später definiert; aber zunächst im Antrag ist das gesamte »Korps der Politischen Leiter« gemeint. Wenn die Staatsanwaltschaft das aufklärt, dann schrumpft natürlich der Bestand erheblich zusammen. Ich wollte nur hier auf das statistische Material verweisen. Wenn es also...

VORSITZENDER: Wo hat sich die Anklageschrift auf »Gauleiter bis Blockleiter« beschränkt?

DR. SERVATIUS: Es ist im Trial-Brief. Es werden im einzelnen die Stellen aufgeführt, aber es ist nirgendwo gesagt, daß die anderen herausgelassen sind.

VORSITZENDER: Soweit ich verstehe, sagen Sie, die Anklageschrift stelle die Politischen Leiter, das »Korps der Politischen Leiter« unter Anklage?

DR. SERVATIUS: Jawohl.

VORSITZENDER: In diesem Korps gab es Leute, die »Politische Leiter« waren, aber nicht in der Klassifizierung »Gauleiter bis herab zum Blockleiter« eingeschlossen sind?

DR. SERVATIUS: Jawohl.

VORSITZENDER: Dann, zu einem späteren Zeitpunkt, und zwar in dem Trial-Brief, beschränkt die Anklagebehörde oder läßt jedenfalls eine Beschränkung ihres Antrags auf die Erklärung der »Gauleiter bis herab zum Blockleiter« als verbrecherisch erkennen; das bedeutet also eine Beschränkung auf den ursprünglichen Rahmen der Anklage.

DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Ich habe das so verstanden, daß herausgelassen werden die Stäbe der Ortsgruppenleiter und die Block- und Zellenhelfer. Dann bliebe noch die größere Masse übrig. Es ist also von der negativen Seite verfahren worden.

VORSITZENDER: Die Block- und Zellenleiter wurden nicht ausgelassen, sagen Sie?

DR. SERVATIUS: Nein, die Helfer der Block- und Zellenleiter, also deren sogenannte Stäbe und die Stäbe des Ortsgruppenleiters, und ich glaube, daß...

VORSITZENDER: Das eben habe ich gesagt, daß die ursprüngliche Anklageschrift das ganze »Korps der Politischen Leiter« einschloß, diese aber auf »Gauleiter bis herab zum Blockleiter« begrenzt wurden.

DR. SERVATIUS: Ich glaube, es sind einzelne Teile herausgenommen worden, und man hat nicht gesagt: Das ist der Rest, der nun noch unter Anklage steht. Es kann sein, daß das ein Mißverständnis ist. Vielleicht kann die Anklage das aufklären.

VORSITZENDER: Oberst Griffith-Jones! Können Sie uns das sagen?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Vielleicht kann ich behilflich sein. Die Anklageschrift umfaßte alle »Politischen Leiter«. Als der Fall vorgetragen wurde, hat die Anklagebehörde von dieser Gesamtzahl die Stabsmitglieder im Stab der Ortsgruppenleiter ausgeschlossen. Euer Lordschaft werden sich erinnern, daß das »Korps der Politischen Leiter« seine Hoheitsträger hatte, die Gauleiter, Kreisleiter, Ortsgruppenleiter, Zellenleiter und Blockleiter. Die Gau-, Kreis- und Ortsgruppenleiter hatten ebenfalls Stäbe, Leute, die in ihren Büros arbeiteten, die wohl »Politische Leiter«, aber keine Hoheitsträger waren. Die Anklagebehörde hat die Stabsmitglieder und die Ortsgruppenstäbe ausgeschlossen; somit bleiben übrig; alle Hoheitsträger vom Gauleiter abwärts bis zum Blockleiter und die Politischen Leiter der Stäbe oder die Gaustabsmitglieder. Ich glaube, so liegt die Sache im Moment.

VORSITZENDER: Nun, sind Sie damit einverstanden, Dr. Servatius?

DR. SERVATIUS: Jawohl, aber es muß dann eine formelle Erklärung der Anklagebehörde erfolgen. Die Anklagebehörde hat doch bekanntlich angeklagt das gesamte »Korps der Politischen Leiter«. Sie hat sich vorbehalten, Gruppen herauszulassen. Dann muß sie also hier erklären, daß sie die Politischen Leiter in diesen Organisationen, die ich eben nannte – NSV, Frauenschaft, Arbeitsfront – aus der Anklage herausnimmt. Dann muß sie den formellen Antrag stellen.

VORSITZENDER: Gut, Oberst Griffith-Jones, Dr. Servatius schlägt vor, daß Sie eine formelle Erklärung namens der Anklagebehörde abgeben sollten, daß das so ist.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wie ich die Lage betrachte, Herr Vorsitzender, unterstehen alle die Politischen Leiter, auf welche Dr. Servatius sich bezieht und die hier aufgeführt sind – die Frauenschaft und so weiter – dem Stab; sie arbeiten für die Politischen Leiter im Stabe der verschiedenen Hoheitsträger. Möglicherweise bildet die Deutsche Arbeitsfront eine Ausnahme. Durch die Zeugen für die Verteidigung wurde angedeutet, daß es andere Politische Leiter in der DAF gab, die nicht direkt zu den Stäben eines der Hoheitsträger gehörten. Wenn dem so ist, sind sie natürlich in der Anklage mit inbegriffen.

VORSITZENDER: Aus diesem Dokument scheint nicht hervorzugehen, ob diese Leute Stabsmitglieder sind oder nicht. Es gibt nur Zahlen an.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Das stimmt; aber tatsächlich ist die Lage so, daß sie den Stab der verschiedenen Hoheitsträger bildeten. Die Vertreter dieser verschiedenen anderen Organisationen, die Stäbe jedes Hoheitsträgers, des Gauleiters, Kreisleiters oder Ortsgruppenleiters zeigen ziemlich das gleiche Bild. Er hatte seine Stabsmitglieder, seine Ausbildungsleiter und so weiter; er hatte aber auch die Vertreter dieser anderen Organisationen wie zum Beispiel die Deutsche Arbeitsfront, die Volkswohlfahrt, die Frauenschaft, die Studentenschaft, den Lehrerbund und so weiter. Es waren eben diese Stabsmitglieder, die den Gesamtstab bildeten. Vielleicht darf ich noch sagen, daß die angegebene Zahl von zwei Millionen auch die Stabsmitglieder und Ortsgruppenstäbe, also diejenigen, die die Anklagebehörde ausgeschlossen hat, einschließt. Gerade die Stabsmitglieder und Ortsgruppenstäbe machten die Mehrheit dieser Gesamtzahl aus.

Ich kann dem Gerichtshof die genauen Zahlen angeben, wenigstens so genau, als wir eine Schätzung vornehmen konnten. Ich fürchte, daß ich sie im Augenblick nicht bei mir habe. – Sie werden daraus ersehen, daß ungefähr 6002 Ortsgruppen mit je ungefähr 15 Stabsmitgliedern bestanden haben, so daß die Gesamtzahl ziemlich beträchtlich ist.

VORSITZENDER: Diese Ziffern wären von den hier vorhandenen abzuziehen?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Diese Ziffern müßten abgezogen werden. Die Anklagevertretung hat die soeben von Dr. Servatius dem Gerichtshof genannte Zahl nicht eingeschlossen. Von diesen wäre somit der vollständige Stab aller Ortsgruppen, die einen sehr großen Teil der angegebenen Gesamtzahl darstellen, abzuziehen. Soweit ich das im Gedächtnis habe, beläuft sich die Gesamtziffer nach Abzug dieser Zahl auf etwa 600000.

VORSITZENDER: Könnten Sie uns vielleicht die Ziffern schriftlich vorlegen? Oder vielleicht könnten Sie uns jetzt angeben, wie viele Stabsmitglieder der Ortsgruppenleiter bei Annahme einer Gesamtzahl von 2000000 Ihrer Schätzung nach vorhanden waren.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Herr Vorsitzender! Ich werde dem Gerichtshof binnen einer Viertelstunde die Zahlen angeben können, wenn ich jetzt nach ihnen schicken darf. Ich bedaure, daß ich sie nicht auswendig behalten kann. Ich werde sie holen und dann den Gerichtshof wissen lassen.

VORSITZENDER: Gut.

DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Darf ich zu dieser Frage Stellung nehmen? Es ist richtig, daß die Stäbe der Ortsgruppenleiter herausgelassen sind. Sie machen nach meiner Kalkulation etwa eine Million aus, aber die Zahl erhöht sich wieder durch den Wechsel. Es sind etwa eineinhalbmal im Lauf dieser Jahre Wechsel eingetreten – im Durchschnitt –, so daß man von der geringeren Zahl wieder auf das Anderthalbfache kommt und die Zahlen immer wieder in die Millionen gehen. Es kommt noch eines hinzu: Es sind diese Ortsgruppenleiter und diese Ämter ja nicht nach der Personenanzahl angegeben, sondern nur als Ämter, so daß die Stellvertreter, Nachfolger, nicht erfaßt sind. Es kann sich mit dieser Frage in Wahrheit nur eingehend ein Statistiker befassen. Ich glaube, es kommt aber nicht darauf an, es bis ins einzelne auszurechnen, um einen allgemeinen Begriff zu bekommen, daß es tatsächlich Millionen sind.

Ich gehe dann auf Seite 4 über. Dort ist ein Auszug, ebenfalls aus dem »Der Hoheitsträger«. Es ist leider durch ein Versehen aus dem Dokument nicht ersichtlich, daß es sich um eine andere Nummer des »Der Hoheitsträger« handelt aus dem Jahre 1937, zweite Folge. Hier kann man sehen, wie prozentual aufgeteilt ist zwischen Blockleiter, Kreis- und Gauleiter; man sieht, daß die größte Menge – über 50 Prozent – Block- und Zellenleiter sind. Diese Block- und Zellenleiter sind aus der Anklage nicht herausgelassen. Herausgelassen sind ihre Helfer. Der eigentliche Kern der »Politischen Leiter« sind die Kreis- und Gauleiter, die 1,3 Prozent ausmachen. Von Bedeutung sind dann noch die Zahlen, die unter 5) und 6) stehen, nämlich die Fachämter mit 27,8 Prozent und die parteiinternen Ämter, die Verwaltung, mit 16 Prozent. Diese Fachämter sind deswegen von Bedeutung, weil darin die Politischen Leiter der Organisationen sitzen, der Berufsverbände, also zum Beispiel aus der DAF, aus der NSV. Es sind aber bei weitem nicht alle Politischen Leiter dieser Verbände nun gleichzeitig in diesen Gaustäben, Kreisstäben und Ortsgruppenstäben gewesen, sondern nur sehr wenige, also in jedem Gau vielleicht ein oder zwei, im Kreis einige, vielleicht auch bei der Ortsgruppe, so daß es immer eine übersehbare Zahl bleibt. Das Gros dieser Fachleute ist natürlich in ihren Verbänden.

Ich gehe dann zum Dokument auf Seite 5 über, es ist das Dokument Nummer 12. Das ist von Bedeutung bezüglich des Begriffs »Korps der Politischen Leiter«. Ob ein solches Korps besteht oder jetzt gebildet werden kann, ist zweifelhaft. Hier ist davon die Rede, daß eine politische Organisation verboten und der Ausdruck untersagt wird, daß eine Anordnung von Heß im Jahre 1935 gegeben worden ist, gerade mit der rechtlichen Begründung, daß es eine solche Sonderorganisation nicht geben könne.

Ich komme dann zu dem Dokument Nummer 13. Dieses ist aus folgendem Grunde von Bedeutung: »Politischer Leiter« wird man nicht durch Übertragung eines Amtes, sondern durch eine besondere Ernennung. Das ist hier ausgeführt, indem es heißt, daß durch einen besonderen Hoheitsakt diese Ernennung zum Hoheitsträger erfolgen muß. Wer also nicht ernannt wird, ist nicht Hoheitsträger und gehört damit nicht zum »Korps der Politischen Leiter«. Es zeigt sich, daß eine ganze Menge nicht ernannt sind, so im besonderen im Kriege alle diejenigen, die aushilfsweise die unteren Ämter, die ehrenamtlich waren, geführt haben.

Das Dokument Nummer 14 bestätigt dieselben Fragen.

Das Dokument Nummer 15 betont auch in ähnlicher Weise, daß es sich bei der Ernennung um einen öffentlichen Dienst handelt, also daß es nicht einfach eine private Einstellung in ein Amt ist.

Im Dokument Nummer 16, Seite 9, findet man die Anordnung, daß die Leiter in der DAF (Deutsche Arbeitsfront) ebenfalls Politische Leiter der Partei sind, also nach dem Begriff, den die Anklage gebildet hat, an und für sich zum »Korps der Politischen Leiter« gehören würden, wenn man sie nicht herausnimmt.

Das nächste Dokument, Nummer 17, zeigt das Höhere Führerkorps, die Hoheitsträger, die bis zum Kreisleiter gehen. Man sieht, daß also der Ortsgruppenleiter und darunter, anders behandelt wird bezüglich der Ernennung. Hitler ernennt selbst den Gauleiter, seinen Adjutanten, den Gauamtsleiter, und den Kreisleiter. Das wird von Bedeutung sein für die Beurteilung dieser Personen.

Das nächste Dokument, Nummer 18, auf Seite 11, zeigt die Übertreibung des Begriffs »Hoheitsträger«, indem dort nicht der Begriff ist »Politische Leiter«; es ist die Rede von der Verleihung dieses Titels an Kraftfahrer, Telephonisten, Hausmeister und Ordonnanzen, und es heißt, man solle sie zu »Politischen Leitern« in den Organisationen machen, aber nicht in dem eigentlichen politischen Ressort zwischen Gau- und Ortsgruppenleiter.

Dokument Nummer 19, auf Seite 12, sagt, daß die Ernennungen zum »Politischen Leiter« bis auf weiteres ausgesetzt werden. Es stammt aus dem Jahre 1944; die Folge davon wäre, daß diejenigen, die nach August 1944 ein Amt bekommen haben, auf keinen Fall mehr »Politische Leiter« wurden. Die Praxis war schon vorher so.

Von großer Bedeutung ist das Wort »Hoheitsträger«. Die Anklagebehörde hat es darauf abgestellt und aus diesem Grunde die kleinen Funktionäre, die Zellen- und Blockleiter, nicht aus dem Verfahren herausgelassen, weil sie eben Hoheitsträger sind.

Hier ist im Dokument Nummer 20, auf Seite 13, von Heß verfügt am 14. April 1934, daß Hoheitsträger nur sind: Gauleiter, Kreisleiter und Ortsgruppenleiter. Es ist nicht ausdrücklich bestimmt, ergibt sich aber aus dem Text.

Das nächste Dokument, Nummer 2, auf Seite 14, ist deswegen von Bedeutung, weil es ebenfalls den Kreis der Hoheitsträger mit dem Ortsgruppenleiter abschließen läßt, also diese kleinen Funktionäre bei der Benutzung dieses Wortes herausläßt.

Ebenso das nächste Dokument, Nummer 21, Seite 15, beschränkt auch wieder den Begriff auf Gauleiter, Kreisleiter und Ortsgruppenleiter.

Auf Seite 16 ist das Dokument Nummer 1. Hier sind klar bestimmt die Hoheitsgebiete. Es ist dies ein Buch: »Die Verwaltung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei«, 1940, das von einem Dr. Lingg herausgegeben ist. Hier heißt es wörtlich:

»Die Partei gliedert sich zur Durchführung ihrer Aufgabe in vier Hoheitsgebiete: 1. Reich, 2. Gau, 3. Kreis, 4. Ortsgruppe.

In jedem dieser Hoheitsgebiete steht der Hoheitsträger an der Spitze: Der Führer, der Gauleiter, der Kreisleiter, der Ortsgruppenleiter.«

Dokument Nummer 22, auf Seite 77, aus dem Jahre 1940 ist eine amtliche Verfügung, die im gleichen Sinne eine Festlegung des Begriffs »Hoheitsträger« trifft.

Auch das Dokument Nummer 4, auf Seite 18, lautet im gleichen Sinne; es ist eine Anordnung Hitlers über den Personenkreis, der Schadenfeststellung nach Fliegerangriffen vornehmen kann. Es heißt dort:

»Zutritt... haben die zuständigen Hoheitsträger... Gauleiter, Kreisleiter, Ortsgruppenleiter...«

Also gerade da, wo sich etwas im nächsten Bereich des Block- und Zellenleiters abspielt, ist er nicht zugelassen, weil er eben kein Hoheitsträger ist.

Ich beziehe mich auf Dokument Nummer 23, auf Seite 19, das sich im gleichen Sinne ausspricht.

Das Dokument Nummer 24, Seite 20, bestätigt wiederum meine Darstellung.

Das Dokument Nummer 25, auf Seite 21, ein Auszug aus dem »Der Hoheitsträger«, befaßt sich mit vertraulichen Mitteilungen und der Frage, wie weit sie weitergegeben werden dürfen. Diese Vertraulichkeit endet beim Ortsgruppenleiter. Block- und Zellenleiter erfahren nichts.

Es folgt das Dokument 9, auf Seite 23. Es handelt sich dort um einen Erlaß des Reichsministers der Finanzen, und es dreht sich um die Gewährung von Ehestandsdarlehen und sonstigen Beihilfen. Das Dokument ist deswegen von Bedeutung, weil hier gesagt ist, wer seine politische Zuverlässigkeit nachweisen muß, bevor er Aussicht hat, daß eine Bewerbung bewilligt wird. Es ergibt sich hier, daß der Block- und Zellenleiter zunächst seine politische Zuverlässigkeit nachweisen muß, also kein Hoheitsträger im wahren Sinne des Wortes sein kann.

Ich komme nun zu einem anderen Komplex.

Es ist Dokument 26, auf Seite 26. Dort ist die Frage berührt, inwieweit SA und SS den »Politischen Leitern« unterstellt sind. Es ist hier bestimmt, daß ein solches Unterstellungsverhältnis nicht besteht, weder für die SA, noch SS, HJ, NSKK.

In gleicher Weise spricht sich das Dokument 27 aus. Das bestätigt auch, daß die Führer der SA-Gruppen oder Brigaden der Befehlsgewalt der Gauleiter nicht unterstellt sind.

Das nächste Dokument, Nummer 28, befaßt sich mit den Werbegruppen und der Frage, wie Propaganda gemacht werden soll, nämlich daß man mit Rat und Tat helfen und vor allen Dingen gewinnen und überzeugen soll. Es betrifft auch das später auftauchende Thema der Bespitzelung.

Das Dokument 29 befaßt sich mit der Frage Zusammenhang zwischen Partei und Staat, Eingriffe der Partei in staatliche Rechte.

Hier ist eine Anweisung, die sagt:

»Hände weg von Maßnahmen, die durchzuführen Aufgaben des Staates sind. Bei Anrufung staatlicher Organe zunächst sorgfältige Prüfung, ob ein Eingreifen berechtigt ist.«

Das Dokument 30, auf Seite 31, ist eine Verfügung von Heß über die Haltung des Nationalsozialisten, daß er Vertrauen und Bereitwilligkeit zur Mitarbeit erstreben soll.

Das nächste Dokument, Nummer 31, richtet sich auch gegen die Versuche, die Parteistellung zu mißbrauchen gegenüber anderen Dienststellen und dort Einfluß zu gewinnen.

Das Dokument 32 befaßt sich mit der Strafverfolgung und weist darauf hin, daß die Partei mit diesen Dingen nichts zu tun hat und sich heraushalten soll, und sagt wörtlich:

»Die Entscheidung, ob eine strafbare Handlung nicht verfolgt werden soll, liegt allein bei der Staatsanwalt schaft, bzw. beim Reichsminister der Justiz.«

Das nächste Dokument, Nummer 33, ist wieder eine Anordnung von Heß aus dem Jahre 1935. Es bezieht sich auf die politischen Beurteilungen und sagt, daß allein vom Kreisleiter aufwärts solche abgegeben werden dürfen. Ich möchte die besondere Aufmerksamkeit des Gerichts darauf lenken, weil ich es für ein wesentliches Merkmal halte für den höheren Parteiführer und ein Charakteristikum, das zu einer richtigen Beurteilung führen muß.

Das Dokument 34 befaßt sich mit der Frage der Ermittlungen, bekannt unter dem Thema »Bespitzelungen«. Es ist hier von Heß im Oktober 1936 verfügt, ich zitiere:

»Niemals aber dürfen die Zellen- und Blockleiter bei der Betreuung der letzten Volksgenossen und ihrer Familien aufdringlich werden, niemals auch darf die Betreuung in ein Beschnüffeln und Bespitzeln ausarten. Dadurch würde nicht Vertrauen, sondern Mißtrauen geweckt werden.«

Das nächste Dokument, Nummer 35, ist eine Anordnung von 1937, die erklärt, daß Nachforschungen und Ermittlungen keineswegs Aufgaben der Partei seien, sondern daß dieses Aufgaben des Staates sind, die zur Aufdeckung und Beseitigung dieser Gefahren geschaffen wurden.

Im Dokument 36, auf Seite 37, wird dies unterstrichen. Es ist ein Dokument, das über Zusammenarbeit der Parteidienststellen mit der Gestapo handelt. Dort ist gesagt:

»Ich verbiete allen Dienststellen der Partei..., Ermittlungen und Vernehmungen in Angelegenheiten anzustellen, die Sache der Gestapo sind.«

Das nächste Dokument, Nummer 37, zeigt, daß die »Politischen Leiter« keine anderen Aufgaben hatten, Vorgänge zu melden, als ein Beamter. Es ist das deutsche Beamtengesetz hier zitiert, Paragraph 3; da heißt es von den Beamten:

»Er hat Vorgänge, die den Bestand des Reiches oder der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei gefährden können, auch dann, wenn sie ihm nicht vermöge seines Amtes bekanntgeworden sind, zur Kenntnis seines Dienstvorgesetzten zu bringen.«

Das Dokument 38, auf Seite 39, betrifft die Fachämter in den politischen Stäben. Es ist ein Rundschreiben aus dem amtlichen Buch »Verfügungen, Anordnungen und Bekanntgaben«, Band I. Hier ist die Rede von den fachlichen Tätigkeitsberichten, die zu erstatten sind. Der politische Lagebericht wird nur von Hoheitsträgern gegeben. Es ist eine Auftrennung zwischen beiden Arten gegeben. Ich bringe es vor zur Entlastung der Facharbeiter in den politischen Stäben.

Die folgenden Dokumente befassen sich mit der Verschwörung gegen den Frieden. Es ist zunächst Dokument 39, auf Seite 41, ein Auszug aus dem Kommentar zum Parteiprogramm von Gottfried Feder, ein maßgebender Kommentar aus dem Jahre 1934. Es ist dort gesagt, ich zitiere:

»Wir erklären, daß wir indes nicht daran denken, mit Gewalt einen Anschluß der außerhalb Deutschlands unter dänischer, polnischer, tschechischer, italienischer oder französischer Oberhoheit lebenden Deutschen erzwingen zu wollen.«

Ich überspringe einen Satz:

»Somit entbehrt diese Forderung« – von der eben die Rede ist – »jeder imperialistischen Tendenz.«

Das Dokument 40, Seite 42, aus dem Verordnungsblatt der Reichsleitung, ist eine Bekanntgabe von Heß aus dem Jahre 1933; sie lautet:

»In einigen Teilen des Auslandes hat sich die gegen Deutschland gerichtete Propaganda neuerdings der unwahren Behauptung bemächtigt, die NSDAP erstrebe auf weitere Sicht die Einverleibung von Teilen der Schweiz, Holland, Belgien, Dänemark und so weiter.

So unsinnig diese Unterstellung ist, so findet sie nichtsdestoweniger hier und da Glauben. Die Reichsleitung legt daher Wert auf die Feststellung, daß kein ernsthafter Mensch in Deutschland daran denkt, die Unabhängigkeit anderer Staaten auch nur anzutasten.«

Das Dokument 41, auf Seite 43, ist wieder eine Anordnung von Heß, ein Jahr später, vom Oktober 1934. Es ist dort ausgedrückt, daß die anderen Völker und Staaten der Erde, mit denen das deutsche Volk und sein Führer in Frieden und gegenseitiger Achtung leben will, keine Differenzen mit der Welt haben wollen.

Im August 1935, also ein weiteres Jahr darauf, ist wieder eine Anordnung von Heß an die Partei ergangen. Das ist Dokument 42, und es wird Bezug genommen auf die großen Reden Hitlers mit dem immer wieder betonten Willen zur friedlichen Regelung aller schwebenden Fragen. Angaben des Auslandes werden für böswillige Erfindungen erklärt.

Das nächste Dokument, Nummer 43, ist wiederum von Heß, und zwar vom Januar 1937. Es nimmt Bezug auf die Aufrüstung und sagt, ihr Zweck sei nach außen Deutschland vor Willkür zu schützen.

Ich komme zu einem anderen Komplex. Es ist die Frage der Geheimhaltung, die der Verschwörung entgegenarbeitet. Zunächst der bekannte Geheimhaltungsbefehl, der für die Wehrmacht ergangen ist, hier auch für die Partei, und daß niemand, kein Offizier, keine Dienststelle, früher und mehr wissen darf, als unbedingt notwendig.

Im Dokument 45 ist dieser Befehl noch ausgedehnt auf jede Dienststelle, jeden Beamten, Angestellten und Arbeiter.

Das Dokument 46 behandelt eine Frage der Presse und betrifft insoweit die Geheimhaltung, als es dort heißt, daß grundsätzlich Aufsätze vorher mit der Reichspressestelle zu besprechen sind.

Dokument 47, Seite 49: Hier wird angeordnet, daß Erörterungen über die militärische Lage verboten sind und ein Fall zitiert, wo ein Blockleiter seine hervorragenden Informationen verbreitet hat.

Das Dokument 48, auf Seite 50, handelt von dem Gesetz über die Vernehmung von Angehörigen der Partei und ihrer Gliederungen. Auch hier ist die Geheimhaltung wieder gesichert durch die Vorschrift der Amtsverschwiegenheit und Vernehmung nur mit ausdrücklicher Genehmigung bei Unterführern der Partei. Das Dokument 48, auf Seite 51, ist eine Verordnung zur Ausführung dieses Gesetzes. Dort ist gesagt, wer Unterführer im Sinne der Partei ist, und hier weise ich darauf hin, daß wiederum in der Stufenleiter das Ende beim Ortsgruppenleiter ist. Block- und Zellenleiter scheiden wieder aus, selbst bei der Bezeichnung Unterleiter.

Das Dokument 49, auf Seite 53: Es sind dies vertrauliche Informationen der Partei vom 9. Oktober 1942,

»Vorbereitende Maßnahmen zur Endlösung der europäischen Judenfrage. – Gerüchte über die Lage der Juden im Osten.«

Es wird hier folgendes gesagt:

»Um jeder Gerüchtebildung in diesem Zusammenhang, die oftmals bewußt tendenziösen Charakter trägt, entgegentreten zu können, werden die nachstehenden Ausführungen zur Unterrichtung über den derzeitigen Sachstand wiedergegeben.«

Es kommt dann auf der nächsten Seite die Feststellung, was beabsichtigt ist: Erstens Zurückdrängung der Juden aus den einzelnen Lebensgebieten des deutschen Volkes, zweitens das Bestreben, den Gegner aus dem Reichsgebiet hinauszudrängen.

Das nächste Dokument, Nummer 50, befaßt sich mit dem Gedanken der Verschwörung. Es zeigt sich, daß hier das bekannte Führerprinzip...

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich unterbreche nur ungern, aber ich tue es, ehe Dr. Servatius das letzte Dokument Nummer 49, auf Seite 53, verläßt. Ein Dokument, auf das die Anklagebehörde jetzt, da sie es im Dokumentenbuch der Verteidigung gefunden hat, sehr großen Wert legt. Auf Seite 54, ungefähr in der Mitte des zweiten Abschnitts, kann man sehen, daß die Ausschaltung der Juden nicht mehr durch Abwanderung möglich ist. Ich möchte die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs besonders auf den letzten Satz der folgenden Seite lenken:

»Es liegt in der Natur der Sache, daß diese teilweise sehr schwierigen Probleme im Interesse der endgültigen Sicherung unseres Volkes nur mit rücksichtsloser Härte gelöst werden.«

Auf der ersten Seite dieses Dokuments kann man unter »Notizen« sehen: »Nur frei für G und K«. Herr Dr. Servatius kann mich verbessern, wenn ich unrecht habe; aber ich nehme an, das heißt doch: »Frei für Gau und Kreis«.

DR. SERVATIUS: Ich nehme an, daß die Notiz: »Nur frei für G und K« so sein wird in der Bedeutung, wie der Herr Anklagevertreter sagt: »Gau und Kreis«. Ich möchte aber nunmehr das ganze Dokument verlesen, da nur dann der völlige Sinn sich ergibt. Das Bestreben des Schreibers ist ja eine Vertuschung der wirklichen Lage, und wenn hier gesagt ist, es ist keine Möglichkeit zur Auswanderung mehr, so ergibt sich aus dem Schreiben, daß ein Siedlungsgebiet im Osten geschaffen werden soll, aber nicht, wie man schließen könnte, die Ausrottung; und wenn es heißt: Es wird rücksichtslos vorgegangen, mit rücksichtsloser Härte, – dann ist das die übliche Redewendung, die man in dem Parteischrifttum wieder findet, daß eben diese Maßnahme des Abtransportes mit rücksichtsloser Härte gelöst werden müsse. Ich glaube, daß es ja schon eine wirkliche Rücksichtslosigkeit bedeutet, diese Menschen abzutransportieren, ohne daß man nun weiß, daß sie ausgerottet werden sollen. Ich glaube, ich kann es mir ersparen, hiernach das Ganze vorzulesen, glaube aber, daß der Inhalt so richtig vorgetragen ist.

Das Dokument 50, auf Seite 56, zeigt, daß die Führung gerade in der Außenpolitik ganz in der Hand des Führers ist, daß selbst Maßnahmen, die für jeden Deutschen eigenartig erscheinen, wie der Verzicht auf Südtirol, auf einen Wink ohne weiteres erduldet werden. Irgendein Einspruch ist unzulässig.

Das Dokument 51, auf Seite 57, bewegt sich in der gleichen Richtung. Es ist ein Rundschreiben an die Partei, herausgegeben von der Parteikanzlei vom November 1942, und besagt, daß es immer nur eine verbindliche Parteimeinung geben darf, und nimmt Bezug auf einen früheren Erlaß.

In gleicher Weise ist das Dokument 52, Seite 58, zu verstehen. Hier ist gesagt, daß der Hoheitsträger allein nach den Richtlinien zu handeln hat, die er vom Führer erhält.

Das Dokument 53, auf Seite 60, befaßt sich mit der Stellung Bormanns. Es wird hier festgestellt – ich zitiere:

»Der Führer erteilt seit Jahren gewohnheitsmäßig dem Reichsleiter Martin Bormann laufend Sonderaufträge der verschiedensten Art, die nicht in den Aufgabenkreis des Reichsleiters Bormann in seiner Eigenschaft als Leiter der Parteikanzlei fallen, sich vielmehr auf Angelegenheiten beziehen, in denen außerhalb des Rahmens der Partei Weisungen und Auffassungen des Führers führenden, leitenden Persönlichkeiten des Staates und staatlichen Dienststellen im Auftrag des Führers übermittelt werden sollen.«

Es ist dies von Bedeutung, weil Bormann verschiedene sehr wesentliche Dinge bestimmt hat in seiner Eigenschaft als Sekretär des Führers; zum Beispiel fällt das Thema Gnadentod darunter.

Das Dokument 54, auf Seite 62, gibt allgemeine Gesichtspunkte zur politischen Führung wieder, nämlich Niederhalten von Meinungsverschiedenheiten unter den führenden Parteigenossen. Es wird damit praktisch eine Cliquenbildung verhindert.

Das nächste Dokument, Nummer 55, auf Seite 64, befaßt sich mit der Auslandsorganisation und macht das nächste Dokument, Nummer 56, verständlich, wo nun die Hoheitsträger bestimmt sind, aber in etwas anderer Art. Da sie ja kein eigentliches Gebiet haben, bekommen sie nur den Dienstrang eines Gauleiters und den Dienstrang eines stellvertretenden Gauleiters. Ebenso ist es mit den Kreisleitern, Ortsgruppenleitern und Stützpunktleitern.

Das Dokument 57, Seite 68, hebt in diesem Zusammenhang hervor den Grundsatz »Nationalsozialismus ist keine Exportware« und weist darauf hin, daß es nicht Aufgabe sein kann, andere Stellen im Ausland für den Nationalsozialismus zu gewinnen.

Das Dokument 58, auf Seite 69, ist ein Rundschreiben über den Verkehr mit fremdländischen politischen Gruppen aus dem Jahre 1942. Es sagt folgendes:

»Jeder Verkehr von Angehörigen der Dienststellen der Bewegung im In- und Ausland mit politischen oder angeblich unpolitischen Gruppen anderer Staaten richtet sich ausschließlich nach dem Verhältnis, in dem diese Gruppen zu ihrer offiziellen Regierung, mit der das Deutsche Reich diplomatische Beziehungen unterhält, stehen. Der Verkehr mit solchen Gruppen hat ausnahmslos zu unterbleiben, wenn sie nicht hinter ihrer offiziellen Regierung stehen, bzw. ihr sogar Schwierigkeiten bereiten. Dies gilt auch dann, wenn diese Gruppen sich als nationalsozialistisch oder faschistisch bezeichnen.«

Das Dokument 59, auf Seite 70, aus dem Reichsverfügungsblatt, ist eine Verfügung vom 4. November 1942, und zwar eine Verfügung Hitlers. Es ist dort folgendes gesagt:

»Das Zusammenleben der Völker verlangt gegenseitige taktvolle Rücksichtnahme auf ihre naturgegebene Eigenart. Die NSDAP und ihre Organisationen haben daher keine europäische oder weltumfassende Missionsaufgabe zu erfüllen.«

Damit beende ich das Dokumentenbuch I.

VORSITZENDER: Vielleicht wäre es angebracht, hier abzubrechen.