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[Der Angeklagte Göring betritt den Zeugenstand.]

Sie sind sich bewußt, Angeklagter, daß Sie immer noch unter Eid stehen.

HERMANN WILHELM GÖRING: Selbstverständlich.

DR. STAHMER: Waren Sie Präsident des Reichsforschungsrates?

GÖRING: Jawohl.

DR. STAHMER: Wann und durch wen wurde der Reichsforschungsrat geschaffen? Welche Aufgaben hatte er?

GÖRING: Der Reichsforschungsrat wurde meines Erinnerns im Jahre 1942 oder Anfang 1943 von mir geschaffen. Es handelte sich darum, daß alle Gebiete der Forschung überhaupt – Physik, Chemie, Technik, Medizin, Geisteswissenschaften - zusammengefaßt wurden und die verschiedenen staatlichen Institute – Kaiser-Wilhelm-Institut, Universitätsinstitute, wirtschaftliche Forschungsinstitute –, die die gleichen Forschungen betrieben, jeweils zusammengefaßt wurden. In diesem Reichsforschungsrat wurden nach den Gebieten Kommissionen gebildet, die zusammengeschlossen wurden und dafür zu sorgen hatten, daß nicht Parallelforschungen geschahen, sondern die Forschungen gemeinsam erfolgten; und zweitens, daß die Einschleusung der jeweils verwandten Forschungsgebiete, es handelte sich zum Beispiel um Chemie und so weiter, richtig erfolgte. An jeder Spitze dieser Kommissionen stand ein Beauftragter. Im Vordergrund stand selbstverständlich bei sämtlichen Forschungen die Anwendung für die Kriegsnotwendigkeiten. Auch hierfür waren besondere Männer berufen. Unter dem Reichsforschungsrat wurden nun nicht Hunderte, sondern Tausende von Forschungsaufträgen vergeben. Da ich persönlich ja nicht Sachverständiger bin, stand ich dem Gesamtgremium nur deshalb vor, um ihm meine Autorität zu geben, und vor allen Dingen auch, um die notwendigen Geldmittel bereitzustellen. Solche Aufträge liefen unter dem Titel »Der Reichsmarschall des Deutschen Reiches, der Präsident des Reichsforschungsrates«.

DR. STAHMER: Welche Stellung innerhalb der Luftwaffe, welche Aufgaben hatte die Sanitätsinspektion der Luftwaffe?

GÖRING: Diese hatte die Aufgabe wie bei allen anderen Waffenteilen, für die Gesundheit der Luftwaffe zu sorgen und alle auf diesem Gebiet liegenden Aufgaben zu erfüllen.

DR. STAHMER: Stand die Sanitätsinspektion in irgendeiner Beziehung zum Reichsforschungsrat?

GÖRING: Sie hatte selbstverständlich eine lose Verbindung zum Reichsforschungsrat, um die Ergebnisse medizinischer und klinischer Forschungen zugeleitet zu erhalten, beziehungsweise um ihre Wünsche über Forschungsaufträge, die sie besonders interessierte, an den Reichsforschungsrat zu leiten.

DR. STAHMER: Haben Sie nun dem Reichsforschungsrat oder der Sanitätsinspektion der Luftwaffe oder einer anderen Dienststelle zu irgendeiner Zeit Aufträge erteilt zur Vornahme medizinischer Versuche an Häftlingen in KZ-Lagern, wie Dachau oder anderen KZ-Lagern?

GÖRING: Ich möchte hierauf ganz klar erklären, daß es kein einziges Schreiben mit meinem Namen geben kann, daß kein einziger Mann auftreten kann, der behauptet, von mir direkt, und zwar jemals und zu irgendeiner Zeit, einen einzigen Auftrag hierzu oder auch nur eine Andeutung in dieser Richtung erhalten zu haben.

DR. STAHMER: Haben Sie Kenntnis davon gehabt, daß ein Dr. Rascher oder ein Oberfeldarzt der Luftwaffe Dr. Welz medizinische Versuche an Häftlingen im Konzentrationslager Dachau vorgenommen haben?

GÖRING: Dr. Rascher war, wie ich hier erfahren habe und aus den Dokumenten ersehen konnte, anfangs ein Reservearzt der Luftwaffe. Da er scheinbar, es geht aus seinem Schriftwechsel hervor, später mit seinen Versuchen nicht Erfolg hatte, trat er aus der Luftwaffe aus und wurde SS-Arzt. Ich habe diesen Mann nie gesehen, nie gekannt, ebensowenig den zweiten Namen, den Sie eben nannten, von dem ich nicht einmal weiß, ob er Reservearzt war oder aktiver Arzt.

DR. STAHMER: Haben Sie an irgendeine Dienststelle den Befehl erteilt oder erteilen lassen, an Häftlingen in KZ-Lagern Unterdruckkammer-Versuche durchzuführen?

GÖRING: Ich sagte vorhin schon, daß ich das nicht getan habe. Es ist selbstverständlich, daß, wenn irgend jemand zu mir gekommen wäre – sagen wir, von der Sanitätsinspektion oder vom Reichsforschungsrat – und mir gesagt hätte, es ist zweckmäßig, daß wir Forschungen auf dem Gebiet des Flecktyphus machen oder selbst Krebsforschung oder auf anderen Gebieten, daß ich selbstverständlich gesagt hätte, das ist sehr lobenswert; aber mit dieser Tatsache kann ich nicht in Verbindung bringen, daß irgendein Mensch in nicht menschlicher Weise hierzu verwendet wird.

Und wenn mir jemand sagt, es sind zur Zeit Versuche mit der Unterdruckkammer im Gange, so kann ich mir darunter auch nicht vorstellen, daß hierzu Häftlinge genommen worden sind, um so weniger, als ich ja wußte, daß jeder Flieger bezüglich der Prüfung seiner Höhentauglichkeit vorher in eine Unterdruckkammer hineingehen mußte.

DR. STAHMER: Haben Sie dem Reichsforschungsrat oder der Sanitätsinspektion der Luftwaffe oder einer anderen Dienststelle einen Auftrag erteilt zur Vornahme von Versuchen, Meerwasser trinkbar zu machen?

GÖRING: Ich habe von diesen Versuchen niemals gehört. Es hätte mich außerordentlich interessiert deshalb, weil wir wiederholt über diesen Punkt unter uns Fliegern gesprochen haben, nicht in der Richtung, Meerwasser trinkbar zu machen, sondern, womit sich ein Flieger, der auf dem Rettungsgummiboot herumtreibt, überhaupt Wasser verschaffen kann; und es wurde damals allen Fliegern gesagt, es gibt da nur eine Möglichkeit: Sie sollten in ihrem Boot Angelhaken drinliegen haben, um Fische zu fangen und diese dann – um hier eine ganz primitive Anweisung zu geben – in Tüchern auszupressen, weil das das einzige Süßwasser wäre, was in solchen Fällen zu erhalten gewesen wäre. Deshalb ist mir dieser Punkt ganz besonders in Erinnerung.

DR. STAHMER: Nun soll im Mai 1944 über diese Angelegenheit eine Besprechung im Luftfahrtministerium stattgefunden haben. Haben Sie diese Besprechung befohlen, oder ist Ihnen darüber nachträglich etwas gemeldet worden?

GÖRING: Nein, im Luftfahrtministerium fanden täglich laufend Besprechungen aller möglichen Abteilungen und Inspektionen statt. Es ist ganz unmöglich, daß sie mir mitgeteilt werden konnten oder von mir aus dem Hauptquartier bestimmt werden konnten.

DR. STAHMER: Zu der gleichen Frage sollen mit der Luftwaffe in Dachau Besprechungen stattgefunden haben. Sind diese von Ihnen befohlen worden oder zu Ihrer Kenntnis gelangt?

GÖRING: Nein.

DR. STAHMER: Es sollen für diese Zwecke von der Luftwaffe in Dachau Arbeitsräume zur Verfügung gestellt worden sein. Haben Sie davon Kenntnis erhalten?

GÖRING: Ich hatte davon keinerlei Kenntnis.

DR. STAHMER: Kennen Sie den Reservearzt der Luftwaffe Dr. Denk oder Ding?

GÖRING: Weder unter dem Namen Denk noch unter dem Namen Ding.

DR. STAHMER: Haben Sie den Auftrag erteilt oder erteilen lassen zur Vornahme von Unterkühlungsversuchen, die angeblich ein Professor Holzlöhner, ein Reservearzt der Luftwaffe, in Dachau an den Häftlingen durchgeführt hat?

GÖRING: Nein. Soviel mir aus den Papieren erinnerlich ist, hat Rascher diese Versuche gemacht. Holzlöhner ist mir ebenso unbekannt wie die anderen Namen. In der Luftwaffe hat es Tausende von Ärzten und Reserveärzten gegeben.

DR. STAHMER: Haben Sie jemals dem Professor an der Universität Straßburg Dr. Haagen, der Oberstabsarzt der Luftwaffe und beratender Hygieniker gewesen sein soll, den Auftrag erteilt, Versuche mit allen Mitteln zur Bekämpfung von Fleckfieber vorzunehmen?

GÖRING: Wie ich ebenfalls aus den Dokumenten ersehen habe, war Dr. Haagen Reservearzt der Luftwaffe und beratender Hygieniker nicht der Luftwaffe, sondern einer Luftflotte, also eines Unterverbandes. Ich kenne ihn nicht, habe ihm niemals einen Auftrag erteilt. Er könnte darüber ja jederzeit gehört werden. Im übrigen würde das auch in jeder Beziehung in meinem Gedächtnis haften geblieben sein, denn es würde mich in Erstaunen gesetzt haben; nachdem ich selbst mit einem Mittel gegen Flecktyphus dreimal geimpft worden bin, habe ich nicht geglaubt, daß noch weitere Erkundungen auf diesem Gebiet stattfinden würden.

DR. STAHMER: Wie erklären Sie es nun, daß der Zeuge Sievers in einem Brief an den Obergruppenführer Pohl im Mai 1944 sagt, Professor Haagen sei zur Durchführung der Versuche durch den Reichsmarschall und Präsidenten des Reichsforschungsrates beauftragt worden?

GÖRING: Dies erklärt sich daraus, erstens, daß, wie ich vorhin schon sagte, der Briefkopf für alle diese Aufträge, die irgendwie aus der Reichsforschung liefen, lautete: »Der Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches«, Unterschrift: »Der Präsident des Reichsforschungsrates.« Das war im Deutschland üblich, daß immer der persönliche Titel angegeben wurde und nicht das Amt. Es hieß: »Der Reichsfinanzminister« und nicht »Das Reichsfinanzministerium«. Zweitens hat der Zeuge Sievers hier selbst bekundet – er hat dabei reichlich große Zahlen angenommen –, daß Zehntausende von Aufträgen unter meinem Namen liefen, ohne daß ich von diesen Aufträgen etwas gewußt hätte. Das wäre auch unmöglich gewesen. Zum dritten ist es in ganz Deutschland bekannt gewesen, daß wohl selten ein Name so viel gebraucht wurde wie der meinige. Wenn irgend jemand etwas erreichen wollte, schrieb er frisch-fröhlich: »Der Reichsmarschall wünscht das, befiehlt das oder möchte dies und jenes angeordnet wissen.« Ich habe aus diesem Grunde im Jahre 1944 ein eigenes Referat gegen den Mißbrauch meines Namens für alle derartigen Dinge errichten lassen.

DR. STAHMER: Wie war nun Ihre grundsätzliche Einstellung zur Vornahme von medizinischen Versuchen an Menschen?

GÖRING: Ich habe bereits...

VORSITZENDER: Dr. Stahmer! Ich glaube, der Angeklagte hat uns bereits gesagt, was seine grundsätzliche Einstellung war.

DR. STAHMER: Jawohl, dann habe ich zu diesem Sachverhalt keine weiteren Fragen. Ich muß mir noch weitere Fragen vorbehalten, sobald der Zeuge Schreiber hier erschienen ist, von dem ja hier eine Erklärung vorgelegt war, die aber noch nicht als Beweismittel eingeführt ist und zu der ich einstweilen noch keine Stellung nehmen kann.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof weiß nicht, wovon Sie sprechen, da der Gerichtshof noch nicht zugelassen hat, daß der Zeuge Halder gerufen wird. Sie müssen die Vernehmung des Angeklagten jetzt beschließen.

DR. STAHMER: Ich glaube, ich bin mißverstanden worden, Herr Vorsitzender, es handelt sich um den Zeugen Schreiber. Von dem Zeugen Schreiber war hier eine Erklärung angekündigt, und das Gericht hat den Beschluß verkündet, daß Schreiber hier als Zeuge erscheinen soll; ich muß mir vorbehalten...

VORSITZENDER: Die Übersetzung kam durch als Halder.

DR. STAHMER: Nein, nein, Schreiber, von dem Professor Schreiber, von der russischen Erklärung.

VORSITZENDER: Wenn Professor Schreiber laut Verfügung des Gerichtshofs hierher gebracht wird, werden Sie bestimmt die Möglichkeit haben, ihn ins Kreuzverhör zu nehmen. Dr. Stahmer! Wenn Sie an den Angeklagten Göring weitere Fragen stellen wollen, müssen Sie dies jetzt tun; der Gerichtshof beabsichtigt nicht, den Angeklagten noch einmal aufzurufen, wenn der Zeuge Schreiber hier erscheint. Deshalb müssen Sie, wenn Sie dem Angeklagten über das Fragen stellen wollen, was Dr. Schreiber möglicherweise behandeln wird, dies jetzt tun.

DR. STAHMER: [zum Zeugen gewandt] Haben Sie niemals von Hitler einen Auftrag oder besondere Vollmacht zur Durchführung einer Vorbereitung zum bakteriologischen Krieg erhalten?

GÖRING: Ich habe niemals eine solche Vollmacht oder einen solchen Auftrag erhalten, wie er in dem Brief des Generalarztes Schreiber an die Sowjetische Regierung enthalten ist.

DR. STAHMER: Haben Sie Kenntnis davon erhalten, daß Ihre Ärzte an einer solchen Vorbereitung mitgewirkt haben?

GÖRING: Nein, in diesem Brief wird auch nichts von Ärzten gesagt, sondern lediglich, daß ein Luftwaffenoffizier...

VORSITZENDER: Einen Augenblick bitte!

Fahren Sie fort. Herr Dr. Stahmer, wollen Sie sich bitte auf die Punkte beschränken, die Sie in Ihrem schriftlichen Antrag bezüglich Dr. Schreiber angegeben haben.

DR. STAHMER: Haben Sie Kenntnis davon gehabt, daß eine Arbeitsgemeinschaft »Bakteriologischer Krieg« bestanden hat?

GÖRING: Daß eine Arbeitsgemeinschaft bestanden hat, davon habe ich keine Kenntnis gehabt; wohl aber war mir bekannt, daß selbstverständlich auch Abwehrmaßnahmen gegen einen bakteriologischen Krieg besprochen worden sind. Man darf nicht vergessen, daß ja auch in gewissem Ausmaß schon ein solcher gegen uns begonnen hat durch Abwerfen des schädlichen Kartoffelkäfers und ähnliches. Es waren Maßnahmen getroffen, um Abwehr auf der einen Seite vorzubereiten und vielleicht – das entzieht sich meiner Kenntnis, aber durchaus möglich – auf Vorbereitungen, um, falls auch von der Gegenseite dieser Krieg in Szene gesetzt wird, ebenfalls darauf zu antworten.

DR. STAHMER: Ist Ihnen Professor Blohme bekannt?

GÖRING: Nein.

DR. STAHMER: Dann haben Sie ihm auch keinen Auftrag gegeben zur Vorbereitung dieser Maßnahmen?

GÖRING: Nicht gut möglich.

DR. STAHMER: Ich habe keine weiteren Fragen.

VORSITZENDER: Will die Anklagevertretung Fragen stellen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Angeklagter! Ich möchte zuerst wissen, inwieweit Sie mit dem Brief des Zeugen Sievers einverstanden sind und inwieweit nicht. Geben Sie zu, daß die Anweisungen zur Ausführung von Fleckfieber-Experimenten in Händen des Direktors des Hygienischen Instituts der Reichsuniversität Straßburg, Professor Dr. Haagen, lagen, der Major und beratender Arzt einer Luftflotte war. Hat Sievers recht, wenn er das behauptet?

GÖRING: Das kann ich nicht nachkontrollieren, das ist möglich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut. Nun, bestreiten Sie, daß Dr. Haagen – ich zitiere:

»dazu durch den Reichsmarschall, Präsident des Reichsforschungsrates, beauftragt wurde«,

oder sagen Sie wiederum, daß Sie das nicht nachkontrollieren können?

GÖRING: Das habe ich ganz klar gesagt, ich habe davon nichts gewußt, und es ist interessant, daß er hier auch ausspricht, Reichsmarschall und Präsident des Reichsforschungsrates, das heißt also unter der Firma, unter der sämtliche Tausende Forschungsaufträge liefen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mit einem Wort, Sie berufen sich auf den Gummistempel, daß Ihre Unterschrift auf den Aufträgen einfach ein Gummistempel war, der ebensoviel galt wie die Unterschrift des Präsidenten des Reichsforschungsrates selbst. Das wollen Sie dem Gerichtshof zu verstehen geben?

GÖRING: Nein, das sage ich keinesfalls; wenn meine Unterschrift gegeben wurde, dann war sie vollwertig. Sie ist aber nicht gegeben worden, sondern ich habe vorhin ausgeführt, das war der Kopftitel des Auftrags. Unterschrieben wurden die Aufträge von irgendeiner Unterabteilung, die sich damit befaßte. Wenn ich einen Brief unterschrieben habe, so trage ich allein die Verantwortung. Es würde ja der Anklagebehörde leicht sein, mir ein solches Schriftstück vorzulegen oder Herrn Haagen zu befragen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie erklären also, daß, wenn Befehle vom Reichsforschungsrat ausgegeben wurden, Sie davon nichts wußten? Habe ich Ihre Antwort richtig verstanden?

GÖRING: In den Details selbstverständlich nicht, weil das erstens rein zeitlich unmöglich war, auch für mich hat ja der Tag nur 24 Stunden. Zweitens habe ich betont, daß ich ja in keiner Weise Fachmann war; sondern meine Aufgabe bestand darin, Generalanweisungen an die Forschung zu geben, die Forschung auf allen Gebieten zusammenzufassen, und drittens, die sehr großen Geldmittel bereitzustellen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie sehen, daß der Brief fortfährt:

»Den Bestimmungen gemäß...«, die angeblich vom Reichsmarschall, dem Vorsitzenden des Reichsforschungsrates, erlassen worden sind, »Den Bestimmungen gemäß muß Dr. Haagen über seine Arbeiten dem Chef des Sanitätswesens der Luftwaffe Bericht erstatten.«

GÖRING: Es ist möglich, daß er diesen Auftrag gehabt hat. Mir hat er nicht berichtet, und der Chef der Sanitätsinspektion hat mir auch nicht berichtet. Aus diesem Grunde hat ja mein Verteidiger auch die Ladung des Chefs der Sanitätsinspektion als Zeugen beantragt, um dies ganz klarzumachen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: In diesen beiden Funktionen – nur in diesen zwei Ihrer Funktionen – handelten sowohl der Reichsforschungsrat als auch der Sanitätsdienst der Luftwaffe ohne Ihre Kenntnis? Von diesen Experimenten, die unter anderem Angelegenheiten des Ihnen unterstellten Wehrmachtsteils betrafen, erklären Sie, daß sie von diesen beiden Stellen ohne Ihr Wissen durchgeführt wurden. Das haben Sie gesagt. Ist das richtig? Sind Sie dessen sicher, daß es stimmt?

GÖRING: Das ist absolut richtig; kurze Begründung dazu. Ja, gestatten Sie es ist ja völlig...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Einen Augenblick; wollen Sie bitte ein oder zwei Punkte berücksichtigen, bevor Sie sich zu weit festlegen. Wissen Sie, daß Feldmarschall Milch im Mai 1942 der SS Ihren besonderen Dank für ihre Mitarbeit bei diesen Höhenexperimenten übermittelt hat?

Euer Lordschaft! Es ist Dokument 343-PS. Es ist der Brief, der mit den Worten anfängt: »Liebes Wölffchen!« Wolff gehörte zu Himmlers persönlichem Stab. Wenn ich mich recht erinnere, war er Verbindungsmann zwischen Himmler und Hitler, jedenfalls war er es einmal.

Ihr zweiter Mann, Herr Angeklagter, Feldmarschall Milch, hat der SS für ihre weitgehende Mitarbeit bei diesen Höhenexperimenten den besonderen Dank des Oberbefehlshabers der Luftwaffe übermittelt. Sie sagen, daß Feldmarschall Milch, als er diesen Brief schrieb oder als er ihn im Namen Ihres Sanitätsdienstes unterschrieb, lediglich ein chanson de malaise, nicht aber Ihren Dank an Himmler übermittelt hat?

GÖRING: Das sage nicht nur ich, sondern das hat ganz klar Milch als Zeuge hier gesagt, und wenn Sie das Protokoll nachlesen, gibt er ausdrücklich zu, daß ich von diesen Details keinerlei Wissen gehabt habe. Im übrigen, Herr Anklagevertreter, ist es ja so, daß bei uns eine gewisse Methode des Briefwechsels war, die vielleicht nicht ganz hierherein paßt, aber sie war nun einmal so. Wenn ein Beauftragter eines Ministeriums ein Dankschreiben richtete, das nicht persönlicher Art war, mußte er immer im Namen des Chefs danken. Ich glaube, daß das im übrigen überall gleich ist.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte Sie nur daran erinnern, daß der Zeuge Milch sagte, daß ihm diese Briefe von Ihrem Sanitätsdienst vorgelegt wurden. Diese Experimente betrafen hauptsächlich die Luftwaffe, Behaupten Sie, daß der Dank der Luftwaffe und des Oberbefehlshabers der Luftwaffe – also von Ihnen selbst – übermittelt wurde, ohne daß man Sie dabei beteiligte?

GÖRING: Feldmarschall Milch sagte nicht aus, daß die Briefe mir vorgelegt worden sind, sondern ihm vorgelegt wurden. Das habe ich auch gesagt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich sagte »ihm vorgelegt«. Ich habe nicht einmal angenommen, daß sie Ihnen vorgelegt wurden.

GÖRING: Es ist wahrscheinlich nicht richtig durchgekommen. Und er sagte weiter aus, daß er höflich gedankt habe, weil ihm die Inspektion sagte, sie sei daran weiter nicht interessiert, da die Höhenversuche bereits durch unsere jungen Ärzte freiwillig durchgeführt worden seien. Er hat sich des längeren und breiteren darüber geäußert.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber Sie wissen doch, es verblieb nicht bei Ihren jungen Sanitätsoffizieren. Ihre Dienststelle hat auch für Dachau die Ausrüstung für diese Experimente geliefert.

GÖRING: Die Übersetzung kommt nicht durch.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will es wiederholen: Es blieb nicht dabei. Ihre Dienststelle hat auch für Dachau die Ausrüstung für diese Experimente geliefert.

Euer Lordschaft! Es handelt sich hier um GB-582, 2428-PS, ein Affidavit eines Häftlings, namens Anton Pacholegg, der in Dachau war. Er erklärte, daß die Luftwaffe ins Lager Dachau einen Schrank aus Holz und Metall geliefert hat, der einen Quadratmeter groß und zwei Meter hoch war und so weiter. Er beschreibt die Ausrüstung genau.