[Zum Zeugen gewandt:]
Erklären Sie nun, daß die Ausrüstung für diese wichtigen Luftwaffen-Experimente nach Dachau geliefert wurde, ohne daß man Sie dabei beteiligte?
GÖRING: Erstens, nicht die Luftwaffe hat Versuche in Dachau gemacht, sondern der Reservearzt Dr. Rascher. Ob er sich und in welcher Form den Auftrag von der Sanitätsinspektion geholt hat, weiß ich nicht.
Zweitens, nicht Holz und verschiedene Teile wurden hinzugeliefert, sondern ein sogenannter Höhenschrank. Das ist ein Ding, von dem ich vorhin sprach, in das normalerweise jeder hineinkommt, um die Druckverhältnisse seines Körpers zu überprüfen. Es war also für Dr. Rascher nicht schwierig, sich an die Inspektion zu wenden, an die technische, und um einen solchen Schrank zu bitten, ohne genau anzugeben, in welcher Art er seine Versuche machen wollte und ob solche irgendwelche Gefahr für die Untersuchungen und Versuche in sich bergen würden.
Drittens möchte ich nochmals betonen, die Anklage hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, und erst zum letztenmal im Schlußplädoyer von Herrn Justice Jackson hat sie ja ganz besonders betont, daß ich meine fetten Finger überall dazwischen gehabt hätte. Wenn ich also so viele Ämter hatte, wie mir zum Vorwurf gemacht werden, so können Sie verstehen, daß ich mich selbst nicht um jeden einzelnen Höhenschrank zu Versuchszwecken kümmern konnte.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber haben Sie sich nicht selbst mit den Experimenten zur Prüfung der Fliegerkleidung für die Luftwaffe befaßt, wobei Konzentrationslagerinsassen die verschiedensten Arten von Fliegerkombinationen trugen? Sie waren doch selbst Flieger von Beruf, Herr Angeklagter, der auf eine tapfere Laufbahn während des letzten Krieges zurückblicken kann. Worauf ich nämlich hinweisen will ist, daß diese Angelegenheiten nicht nur im Bereich Ihrer Zuständigkeitsinteressen lagen, sondern Sie persönlich als ehemaligen Fliegeroffizier interessieren mußten. Deshalb behaupte ich, daß Sie an diesen Experimenten Interesse haben mußten und es auch hatten. Sind Sie ganz sicher, wenn Sie einmal nachdenken, daß Sie sich nicht an diese Experimente an Konzentrationslagerinsassen zur Prüfung der Fliegerkleidung erinnern können?
GÖRING: Sir David! Ich bin nicht nur ganz sicher, daß ich mich nicht erinnere, sondern ich bin ganz sicher, daß es nicht so gewesen ist; also ich möchte betonen, ich sage nicht, ich erinnere mich nicht, sondern ich sage mit absoluter Sicherheit, es ist nicht so gewesen.
Zum zweiten: Sie haben vollständig recht, daß ich mich natürlich außerordentlich für meine Flieger, ihr Wohlbefinden und auch ihre Kleidung interessiert habe. Es wurde wiederholt unter uns Fliegern über die beste Art der Kombination gesprochen. Hätte man mir gesagt, man würde mit heizbaren Kombinationen arbeiten, so würde ich, gerade aus meiner eigenen Erfahrung, gesagt haben, ich verzichte darauf, denn ich habe zum Schluß des letzten Weltkriegs einmal einen solchen heizbaren Anzug bekommen; Erfolg, daß ich mich außerordentlich verbrannt habe.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Also wenden wir uns einem anderen Experiment zu. Es muß doch das gleiche in Ihrer Luftwaffe wie in unserer gewesen sein, daß eine der größten Schwierigkeiten oder eines der Probleme, die man zu lösen versuchte, das Abstürzen über See war, also was getan werden könne und wie lange man durchhalten könnte. Sagen Sie, daß Sie von den Kälteexperimenten nichts wußten? Nach dem Affidavit, auf das ich mich bezogen habe, führte Dr. Rascher diese Kälteexperimente durch. Das war auch für die Luftwaffe. Man wollte die Widerstandskraft des menschlichen Körpers gegen kaltes Wasser prüfen. Auch von diesen Experimenten erklären Sie, nichts gewußt zu haben?
GÖRING: Ich kannte weder Dr. Rascher noch irgendeines seiner Experimente. Die Kälteerscheinungen, wenn die Leute ins Wasser fielen, waren bekannt. Gegen Erfrierungen war ein ausgezeichnetes Pulver oder so etwas ähnliches vorhanden; im übrigen wußte ich, daß alles getan war, um die Schwimmwesten derartig zu konstruieren, daß das Atmen möglich war trotz Wellen und so weiter, und wir haben ebenso die Vorkehrung und Kleidung und Rettungsmittel der Flieger unserer Gegner auf dem Gebiet beachtet und studiert. Ich erinnere mich, daß ich einmal eine derartige Broschüre in der Hand hatte; aber das ist alles. Im übrigen sind die Leute seit langem ins Wasser gefallen und haben immer das Zweckmäßigste dann getan durch Bewegung, durch Einflößen von Alkohol und so weiter, um wieder warm zu werden.
Verzeihen Sie, auf eines lege ich sehr großen Wert. Die Experimente, wie sie hier dann vorgetragen wurden, mit den Frauen und so weiter, entsprechen durchaus nicht meiner Auffassung der Frau gegenüber, so daß ich mich gerade über solche Experimente auf das allertiefste empört hätte, nicht jetzt, hinterher, sondern damals.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nur noch ein Experiment, und dann werde ich von der Frage, ob Sie von den damaligen Experimenten etwas wußten, abgehen.
Wußten Sie – ja oder nein –, daß das Sanitätswesen der Luftwaffe im Mai 1944 an Experimenten zur Trinkbarmachung des Seewassers arbeitete und zu diesem Zwecke Konzentrationslagerinsassen benutzte?
GÖRING: Nein, das wußte ich nicht. Aber, Herr Ankläger, ich möchte dazu sagen, wie es natürlich vor sich gegangen sein kann. Nicht einmal die Sanitätsinspektion muß das gewußt haben. Sie hat einen Auftrag gegeben – und selbst unterstellt, ich hätte diesen Auftrag gegeben –, so ist ja damit noch nicht eine Kombination mit lebensgefährlicher Benutzung von Menschen gegeben. Wenn nun ein Arzt der Reserve der Luftwaffe irgendwelche Beziehungen, sagen wir, zu Himmler oder seinem Forschungsinstitut hatte – er konnte ja nebenbei zum Beispiel auch noch der SS angehören –, dann waren hier Querverbindungen gegeben, von denen nicht einmal die Luftwaffen-Sanitätsinspektion das geringste zu wissen brauchte. Es wurde ja nicht jede Methode, der Art und Weise nach, nach oben gemeldet.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Der erste Brief, den ich Ihnen vorgelegt habe, war vom 20. Mai 1942. Sie sagten also – um es ganz klarzustellen – daß, was Feldmarschall Milch betrifft, dieser einfach die Information über die damals bestehenden Tatsachen weiterzuleiten hatte. Erinnern Sie sich, daß Hitler am 28. Juli 1942 einen Führererlaß, der vom Angeklagten Keitel und vom Zeugen Lammers gegengezeichnet war, zur Bildung eines Lenkungsstabes der Wehrmacht auf dem Gebiet des Gesundheitswesens herausgab. Das war am 28. Juli 1942. Dadurch sollten in Zukunft die Aufgaben der Wehrmacht, der Waffen-SS und der unterstellten Organisationen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens koordiniert werden, und ich möchte Sie daran erinnern, damit Sie es sich in Ihr Gedächtnis einprägen.
»Für die zusammenfassende Bearbeitung dieser Aufgaben sind ihm« – das heißt dem Chef des Wehrmachtssanitätswesens – »... je ein Sanitätsoffizier der Kriegsmarine und ein Sanitätsoffizier der Luftwaffe... zu unterstellen« – und nun hören Sie mir gut zu – »dieser« – also der Sanitätsoffizier der Luftwaffe – »mit der Stellung eines Chefs des Stabes.«
Das war zu der Zeit, als Feldmarschall Milch an Wolff über diese Experimente schrieb. Zwei Monate später erschien ein Führererlaß, und einer Ihrer Offiziere wurde zum Stabschef dieses neuen Lenkungsstabes bestimmt. Wollen Sie jetzt dem Gerichtshof erzählen, daß Sie von dem Führererlaß und davon, daß einer Ihrer Offiziere ernannt wurde, nichts wußten?
GÖRING: Bevor ich dem Gericht das sage, bitte ich um den Erlaß, daß ich ihn einen Moment sehen kann.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie ihn sehen?
GÖRING: Ja, ich möchte ihn gern sehen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich habe ihn leider nur auf englisch.