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[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

DR. GAWLIK: Im Hinblick auf die letzte Frage Eurer Lordschaft glaube ich, daß es dem Gericht hilft, wenn ich kurz die Richtung meiner Beweisführung angebe, was ich mit diesen Dokumenten beweisen will. Die Anklagebehörde nimmt ja an, daß die Gestapo, die Sicherheitspolizei und der SD – Sicherheitsdienst – selbständige Organisationen sind. Die Gestapo ist selbständig angeklagt, die Kripo – Kriminalpolizei – ist nicht angeklagt und der SD als Teil der SS. Über allem steht der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, und das ist im kleinen zu vergleichen vielleicht mit der Stellung des Angeklagten Göring, der Oberbefehlshaber der Luftwaffe, preußischer Ministerpräsident und Reichsjägermeister war.

Man kann also nicht daraus schließen, welches Amt das war, und das ergibt sich aus dem Aktenzeichen und aus den Personen, die das bearbeitet haben, und das will ich mit meinen Urkunden beweisen.

Ich komme nunmehr zum Dokument SD-20, betreffend Arbeitseinsatz sowjetrussischer Kriegsgefangener. Der eine Absatz betrifft gerade die Fragen, die Euer Lordschaft beim vorigen Dokument an mich gerichtet haben. Ich lese daher diesen Absatz vor:

»Um jede Verzögerung im Abtransport der neuanfallenden Kriegsgefangenen ins Reich zu verhindern, wird künftig die Aussonderung der Kommissare und Politruks durch Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei nur noch im Generalgouvernement vorgenommen.

Im Generalgouvernement geschieht die Aussonderung weiterhin durch die Sicherheitspolizei.«

Damit will ich beweisen, daß es eine reine Maßnahme der Sicherheitspolizei war und nicht des SD. Es heißt dann weiter:

»Zur schnelleren Durchführung wird die Sicherheitspolizei ihre Einsatzkommandos im Generalgouvernement verstärken.«

Ich komme weiter zum Dokument SD-21. Hier bitte ich, die Aufmerksamkeit des Gerichts darauf richten zu dürfen, daß es ausdrücklich heißt:

»Auch dem Verlangen von Kommandanturen, einzelne Arbeitskommandos durch die Sicherheitspolizei zu überprüfen, ist gegebenenfalls zu entsprechen.«

Und ich bitte, auch hier die Aufmerksamkeit des Gerichts auf das Aktenzeichen zu richten: »IV«, das heißt: Maßnahmen des Amtes IV. Amt IV war die Geheime Staatspolizei, die Gestapo. Wenn es der SD gewesen wäre, hätte das Aktenzeichen »III« oder »VI« lauten müssen. Ich komme weiter zum...

VORSITZENDER: Das Dokument, das Sie gerade besprechen, ist oben mit dem Aktenzeichen »2 A III E« versehen. Etwas weiter unten trägt es die Nummer »III B«.

DR. GAWLIK: Euer Lordschaft! Das obere ist die Allgemeine Erlaß-Sammlung: das sind mehrere Bände, die ich hier aus der Bibliothek habe, und auf diese Allgemeine Erlaß-Sammlung bezieht sich das »2 A III E«. Daß es das Amt IV angeht, ist aus dem Aktenzeichen »IV A 1 C 2468 B/42 G« ersichtlich.

VORSITZENDER: Das Aktenzeichen III B befindet sich gerade neben dem Datum 1. April 1942. Was bedeutet OKW Aktenzeichen Nummer 2 F 2473, Kriegsgefangenenorganisation III B?

DR. GAWLIK: Ich habe das nicht. Euer Lordschaft, ich habe das hier nicht, ich weiß nicht...

VORSITZENDER: Unmittelbar unter der Stelle: »Arbeitsabteilungen für die Landwirtschaft«.

DR. GAWLIK: Darf ich Euer Lordschaft fragen: SD-21? Das ist ja ein militärisches Aktenzeichen, Euer Lordschaft; das heißt OKW, Oberkommando der Wehrmacht, Aktenzeichen der Wehrmacht, Chef der Kriegsgefangenenorganisation III B. Dieses »III B« hat nichts mit dem Amt III zu tun.

VORSITZENDER: Gut. Fahren Sie fort.

DR. GAWLIK: Ich komme nun zum Dokument SD-22. Es handelt sich um einen Auszug aus den Richtlinien für die in die Stalags abzustellenden Kommandos des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD vom 17. Juli 1941. Ich bitte, hier die Aufmerksamkeit des Gerichts darauf richten zu dürfen, daß sich die Leiter der Einsatzkommandos in Verbindung zu setzen haben mit dem Leiter der örtlich nächstgelegenen Gestapoleitstelle beziehungsweise mit dem Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD.

Und beim Kommandeur ist es im kleinen so wie beim Chef der Sicherheitspolizei und des SD. Auch der hatte mehrere Abteilungen. Abteilung III war der SD, Abteilung IV die Staatspolizei, Abteilung V war die Kriminalpolizei, so daß auch der Titel »Kommandeur« nicht besagt, welche Abteilung das nun bearbeitet hat.

Ich darf aber die Aufmerksamkeit des Gerichts weiter auf folgenden Satz richten:

»Derartige Mitteilungen sind grundsätzlich nachrichtlich an das Reichssicherheitshauptamt IV A 1 durchzugeben.«

Daraus ist zu ersehen, daß diese Maßnahmen nur beim Amt IV, der Stapo, durchgeführt wurden und daß das Amt III nichts damit zu tun hatte.

Die nächsten Dokumente SD-23 bis einschließlich SD-28 beziehen sich auf die Behauptung der Anklagebehörde, daß der SD den »Kugel«-Erlaß durchgeführt habe; Trial-Brief gegen die Gestapo und den SD, Statement of evidence Nummer VI C.

Ich komme zunächst zum Dokument SD-23. Das Dokument ist bereits eingereicht von der Anklagebehörde unter 1650-PS. Es handelt sich um ein Fernschreiben der Geheimen Staatspolizei, Außendienststelle Aachen, an alle Staatspolizeileitstellen. Ich zitiere, um nachzuweisen, daß es sich auch hier um reine Maßnahmen der Geheimen Staatspolizei handelt:

»Hierzu befehle ich folgendes:

1. Die Staatspolizeileitstellen übernehmen von den Stalag-Kommandanturen die wiederergriffenen flüchtigen kriegsgefangenen Offiziere und überführen sie im bisher üblichen Verfahren, falls den Umständen nach nicht ein besonderer Transport erforderlich erscheint, in das Konzentrationslager Mauthausen...

2. Das Oberkommando der Wehrmacht ist gebeten worden, die Kriegsgefangenenlager anzuweisen, im Interesse der Tarnung die Wiederergriffenen nicht unmittelbar nach Mauthausen, sondern der örtlich zuständigen Staatspolizeistelle zu übergeben.«

Ich komme zu Dokument SD-24.

VORSITZENDER: Warum übergehen Sie, daß diese Dokumente an die Inspekteure der Sicherheitspolizei und des SD adressiert sind?

DR. GAWLIK: Bei den Inspekteuren, Euer Lordschaft, ist es das gleiche wie beim Chef der Sicherheitspolizei und des SD und den Kommandeuren. Der Inspekteur stand ja über der Kriminalpolizei, über der Staatspolizei und über dem SD und hatte also alle drei Tätigkeiten.

VORSITZENDER: Dann war er also Inspekteur des SD?

DR. GAWLIK: Er war Inspekteur des SD. Aber daraus folgt ja nicht, da er ja gleichzeitig Inspekteur der Sipo war in einer Person, daß er bei dieser Tätigkeit in seiner Eigenschaft als Inspekteur der Sipo tätig geworden ist. Es handelt sich hierbei um eine Personalunion. Aber aus dem Inhalt ergibt sich ja, daß die Kriegsgefangenen nur von den Staatspolizeileitstellen zu übernehmen waren und daß die SD-Dienststellen hiermit nichts zu tun hatten. Es steht ja ausdrücklich in Ziffer 1: »Die Staatspolizeileitstellen übernehmen...«

Über dieser Polizeileitstelle stand auch der Inspekteur der Sicherheitspolizei und des SD. Es hat diese Maßnahmen der Staatspolizei kontrolliert in seiner Eigenschaft als Inspekteur der Sipo. Daß er gleichzeitig auch Inspekteur des SD war, daraus ergibt sich nicht, daß dies nun auch von den SD-Dienststellen durchzuführen war.

VORSITZENDER: Bitte fahren Sie fort, Dr. Gawlik.

DR. GAWLIK: Ich komme zu dem Dokument SD-24. Es handelt sich um das bereits vorgelegte Dokument unter Nummer 1165-PS. Ich bitte, hierbei die Aufmerksamkeit des Gerichts darauf lenken zu dürfen, daß das Dokument von Müller unterschrieben ist, der gerichtsbekannt Amtschef IV war. Auch hieraus ergibt sich die alleinige Zuständigkeit für die Staatspolizei.

SD-25. Es handelt sich um einen Runderlaß des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD vom 20. Oktober 1942, betreffend die Behandlung flüchtiger sowjetischer Kriegsgefangener. Ich bitte, auch hier die Aufmerksamkeit des Gerichts auf das Aktenzeichen IV lenken zu dürfen. Ich zitiere dann:

»Ich ersuche die Staatspolizeileitstellen, auch wenn schon geschehen, sämtliche Polizeidienststellen des Bereiches im Sinne des Absatzes 3 des Erlasses des Oberkommandos der Wehrmacht vom 5. Mai 1942 zu unterrichten.«

Ich darf vielleicht in diesem Zusammenhang Euer Lordschaft sagen, wenn dies zur Aufgabe der SD- Dienststellen gehört hätte, hätten auch die SD-Dienststellen informiert werden müssen.

VORSITZENDER: Dr. Gawlik! Ich glaube, es ist nutzlos, jedes Dokument zu erläutern. Einmal werden Sie ja Ihre Schlußrede halten. Wenn Sie nicht etwas wirklich Wesentliches in einem besonderen Dokument haben, auf das Sie die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs lenken wollen, so daß wir es vor Ihrem Schlußplädoyer in Betracht ziehen können, scheint es besser, Sie würden sich die Argumentation bezüglich der Dokumente für die Schlußrede aufheben. Wir verlieren sonst zu viel Zeit, ohne irgend etwas zu erreichen.

DR. GAWLIK: Euer Lordschaft! Ich habe es nur getan...

VORSITZENDER: Wie ich sehe, haben Sie bis jetzt alle Dokumente erläutert. SD-22, SD-23, SD-24, SD-25. Auf diese Weise gehen Sie das ganze Buch durch. Warum legen Sie sie nicht alle in Bausch und Bogen als Beweismaterial vor? Wenn Sie dann unsere Aufmerksamkeit aus irgendeinem Grunde auf irgendein besonderes Dokument zu lenken wünschen, wie gesagt, weil Sie es für wichtig halten, damit wir es vor Ihrem Schlußplädoyer berücksichtigen, können Sie das tun. Aber verlieren Sie doch keine Zeit mit Erklärungen, was jedes Dokument ist. Wir müssen vor Ihrem Schlußplädoyer noch alle anderen Organisationen anhören.

DR. GAWLIK: Ich habe das auch nur getan, weil ich aus der Frage entnahm, daß hier eine Unklarheit ist hinsichtlich des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, der Kommandeure und Inspekteure.

VORSITZENDER: Dr. Gawlik! Ich stellte Ihnen nur eine Frage, weil Sie durch jedes einzelne Dokument der Reihe nach gehen, und ich verstand nicht, was diese Dokumente beinhalteten.

DR. GAWLIK: Die Dokumente SD-27 und SD-28 beziehen sich auch auf die Behauptung der Anklagebehörde, betreffend den »Kugel«-Erlaß. Ich darf vielleicht aus Dokument SD-28 zitieren:

»Soweit nach diesem Befehl flüchtige sowjetische Kriegsgefangene in das Lager wieder eingeliefert werden, sind sie in jedem Fall der nächstliegenden Dienststelle der Geheimen Staatspolizei zu übergeben.«

Die nächsten Dokumente SD-29 bis SD-42 beziehen sich auf den gegen den SD von der Anklagebehörde erhobenen Vorwurf, der SD habe die Verantwortung für die Errichtung und Zweckbestimmung von Konzentrationslagern und für die Überweisung von rassisch und politisch Unerwünschten in Konzentrationslager und Vernichtungslager zum Zweck der Zwangsarbeit und Massenhinrichtung; Seite 43 des englischen Trial-Briefes. Aus diesen Dokumenten ergibt sich, daß der SD an diesen Maßnahmen in keiner Weise beteiligt war, und ich darf aus dem Dokument SD-29 einen Satz zitieren:

»In Zukunft dürfen Beschränkungen der persönlichen Freiheit« – ich lasse das nächste weg – »nur von dem Geheimen Staatspolizeiamt mit Wirkung für das ganze Staatsgebiet und von dem Oberregierungspräsidenten, dem Polizeipräsidenten in Berlin und den Staatspolizei leitstellen für ihren örtlichen Amtsbereich angeordnet werden.«

Aus dem Dokument SD-31:

»Die Schutzhaft kann als Zwangsmaßnahme der Geheimen Staatspolizei zur Abwehr aller volks- und staatsfeindlichen Bestrebungen gegen Personen angeordnet werden.... Zur Anordnung der Schutzhaft ist ausschließlich das Geheime Staatspolizeiamt zuständig.«

Das Dokument SD-37 bezieht sich auf die Behauptung der Anklagebehörde, daß der SD auch die Konzentrationslager verwaltet hat, und ich zitiere daher aus diesem Dokument einen Satz:

»Die Führung eines Konzentrationslagers und aller in seinem Organisationsbereich liegenden wirtschaftlichen Betriebe der Schutzstaffeln liegt bei dem Lagerkommandanten.«

Die Verwaltung der Lager ergibt sich auch aus dem Dokument SD-38.

VORSITZENDER: Ich sehe keinen Grund, warum Sie unsere Aufmerksamkeit auf diese Punkte lenken.

DR. GAWLIK: Weil in dem Trial-Brief gegen den SD der Vorwurf erhoben wird, daß er auch die Konzentrationslager verwaltet habe.

VORSITZENDER: Dieses Dokument zeigt nicht, daß er es nicht tat.

DR. GAWLIK: Das Dokument SD-37 ist eine Verfügung des Chefs des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes. Das war eine ganz andere Dienststelle, die mit dem Reichssicherheitshauptamt nichts zu tun hatte.

VORSITZENDER: Für die Frage, wer mit den Konzentrationslagern zu tun hatte, scheint es mir recht unbestimmt zu sein; wie gesagt, es scheint mir kein Dokument zu sein, das man zu diesem Zeitpunkt bringen muß.

DR. GAWLIK: Ich verweise dann weiter auf das Dokument SD-39. Da heißt es:

»Die Überführung der Inspektion der Konzentrationslager in das Wirtschafts-Verwaltungshauptamt ist im besten Einvernehmen aller beteiligten Hauptämter durchgeführt.«

Daraus ergibt sich, daß die Konzentrationslager der Inspektion der Konzentrationslager zunächst unterstanden und daß diese dann in das Wirtschafts-Verwaltungshauptamt überführt worden ist. Der SD aber gehörte zum Reichssicherheitshauptamt. Daß die Konzentrationslager den Inspekteuren der Konzentrationslager unterstanden, ergibt sich auch aus dem vorangegangenen Dokument, SD-38.

Ich bitte dann, auf das Dokument SD-40 hinweisen zu dürfen, in dem es ausdrücklich heißt...

VORSITZENDER: Sie beachten überhaupt nicht, was ich Ihnen vorhin sagte. Sie gehen fast oder beinahe jedes einzelne Dokument durch – nicht jedes Dokument. Sie fingen an, daß SD-29 bis 42 Konzentrationslager behandeln, dann gingen Sie zu SD-37 über, dann SD-38 und jetzt SD-39. Sie helfen doch dem Gerichtshof gar nicht. Sagen Sie uns, SD-29 bis 42 handeln von Einweisungen in Konzentrationslager, das ist doch genug. Wenn es sich nicht um ein wirklich wichtiges Dokument handelt, das wir durchlesen sollten, bevor Sie. Ihr Schlußplädoyer halten, genügt die Feststellung, daß SD-29 bis 42 von Einweisungen in Konzentrationslager handeln.

DR. GAWLIK: Ich habe geglaubt, daß ich dem Gericht dadurch behilflich bin, daß ich darauf hinweise, daß die Konzentrationslager dem SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt unterstanden und nicht dem Reichssicherheitshauptamt. Nur aus diesem Grunde habe ich diese weiteren Dokumente erörtert.

Die Dokumente SD-43 bis 49 beziehen sich auf den Vorwurf, daß der SD an der Deportierung von Staatsangehörigen der besetzten Gebiete zum Zweck der Zwangsarbeit teilgenommen und daß er die Beaufsichtigung über die Zwangsarbeit hatte.

Aus dem Dokument SD-43 ergibt sich die Zuständigkeit der Staatspolizeien. Ich zitiere aus diesen Dokumenten lediglich folgendes aus dem Dokument SD-43 unter Ziffer 2:

»Die aus dem Russeneinsatz erwachsenden Aufgaben sind bei den Staatspolizeileitstellen in einem Referat zusammenzufassen und in diesem von einem leitenden Kriminalbeamten unter ständiger persönlicher Einschaltung des Staatspolizeileitstellen-Leiters verantwortlich zu führen.«

Ich zitiere dann weiter aus der Anlage I zu Dokument SD-43 einen Satz:

»Die Anwerbung der Arbeitskräfte aus dem alten sowjetrussischen Gebiet erfolgt durch Anwerbe-Kommissionen des Reichsarbeitsministeriums.«

Und:

»Die Anwerbe-Kommissionen des Reichsarbeitsministeriums errichten Auffanglager.«

Das Dokument SD-50 bezieht sich auf den Kommandobefehl. Ich bitte, hieraus die Aufmerksamkeit des Gerichts auf die Worte »der Sicherheitspolizei überstellen« lenken zu dürfen.

Die Dokumente SD-51 bis SD-53 beziehen sich auf die Behauptung der Anklagebehörde, daß der SD die Aufgabe gehabt habe, Zivilisten zu beschützen, wenn sie Flieger der Vereinten Nationen lynchten.

Das Dokument SD-54 ist bereits vorgelegt unter US-504 und 668-PS. Es bezieht sich auf die Durchführung des »Nacht-und-Nebel«-Erlasses.

Die Dokumente SD-55 bis 57 beziehen sich auf die Behauptung der Anklagebehörde, daß der SD in summarischen Verfahren Staatsangehörige besetzter Länder verhaftet und vor Gericht bestraft habe. Ich bitte, hierbei die Aufmerksamkeit des Gerichts auf das Dokument SD-55 – gleich L-316 – lenken zu dürfen. Daraus zitiere ich einen Satz:

»Diese fremdvölkischen Personen sollen zukünftig der Polizei abgegeben werden.«

Ich zitiere eine Bestimmung, einen Satz aus dem Dokument SD-56:

»Strafbare Handlungen von Juden werden durch die Polizei geahndet.«

Die Dokumente SD-58, 58a, 58b bis c beziehen sich auf die Behauptung der Anklagebehörde, der SD habe an der gewaltsamen Beschlagnahme und Aufteilung öffentlichen und privaten Eigentums teilgenommen. Ich zitiere aus Dokument SD-M einen Satz:

»Die Einziehung wird durch die Staatspolizeileitstellen zugunsten des Großdeutschen Reiches ausgesprochen.«

Die Dokumente SD-59 und SD-60 beziehen sich auf die Verhöre dritten Grades. Ich bitte, hierbei die Aufmerksamkeit des Gerichts wieder auf das Aktenzeichen »IV« lenken zu dürfen, woraus sich die Zuständigkeit des Amtes IV – Geheime Staatspolizei – ergibt.

Im Dokument SD-60 werden ausdrücklich die geltenden Bestimmungen für die Sicherheitspolizei im Generalgouvernement aufgeführt.

Die Dokumente SD-60a bis 64 beziehen sich auf den gegen den SD erhobenen Vorwurf der Begehung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und zwar beziehen sich die Dokumente SD-60a bis SD-63 auf die Verfolgung der Juden. Bei dem Dokument SD-62 bitte ich, die Aufmerksamkeit des Gerichts wieder auf das Aktenzeichen IV B richten zu dürfen und auf die Unterschrift »Müller, Chef der Geheimen Staatspolizei«.

Das Dokument SD-64 bezieht sich auf den gegen den SD erhobenen Vorwurf der Verfolgung der Kirchen; Statement of evidence VII B, Seite 57. Die Dokumente SD-65 bis SD-69 geben die gesetzlichen Anordnungen wieder, auf Grund deren während des Krieges ein großer Teil der Angehörigen des SD, Amt III und VI, notdienst- und dienstverpflichtet wurden. Ich darf in dem Dokument SD-65 die Aufmerksamkeit des Gerichts auf folgenden Satz lenken:

»Als Bedarfsstellen können« – ich lasse einige Worte aus – »die SD-Abschnitte nach den Grundsätzen über die Verteilung und den Einsatz der Bevölkerung im Krieg von den Arbeitsämtern die Bereitstellung von Ersatz- und Ergänzungskräften verlangen.«

SD-69 enthält die Strafbestimmungen gegen diejenigen, die derartigen Anordnungen nicht Folge geleistet haben.

Ich komme nunmehr zu dem Dokument SD-70, über das ich mich mit der Anklagebehörde habe nicht einigen können. Ich bitte daher, zuerst zu entscheiden, ob ich dieses Dokument vortragen darf.

VORSITZENDER: Ich habe nur ein Dokumentenbuch...

DR. GAWLIK: Im Nachtrag, Euer Lordschaft; darf ich Euer Lordschaft das Original überreichen?

VORSITZENDER: Ja, bitte. Bitte sagen Sie dem Gerichtshof, worum es sich dabei handelt.

DR. GAWLIK: Ich will mit diesem Dokument erstens beweisen, daß der SD nicht der Polizei und nicht der SS angehörte. Ich will weiter beweisen, daß der SD im Inland und die Organisation der Sicherheitspolizei und des SD außerhalb des Reiches getrennte Organisationen waren, und ich will beweisen die Aufgaben des Amtes III. Ich bitte, die Aufmerksamkeit des Gerichts darauf lenken zu dürfen, daß der SD im Abschnitt IV unter »Deutscher Nachrichtendienst« angeführt ist.

VORSITZENDER: Das ist ein Buch, das vom Alliierten Oberkommando herausgegeben wurde, nicht wahr? Vom »Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte«. Und das wollen Sie vorlegen?

DR. GAWLIK: Das Buch hat mir der Herr Generalsekretär...

VORSITZENDER: Wurde ein formeller Antrag für dieses Dokument gestellt?

DR. GAWLIK: Jawohl; in dem Nachtrag zum Dokumentenbuch ist das Dokument enthalten. Über die Nachträge über dieses Buch aber habe ich mich mit der Anklagebehörde nicht einigen können.

VORSITZENDER: Wir möchten gerne die Anklagebehörde dazu hören.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Hoher Gerichtshof! Wir haben gegen dieses Dokument keinen besonderen Einwand. Es ist eines von denen bezüglich derer wir uns nicht einigen konnten. Unser Einspruch beruht hauptsächlich auf seinem Beweiswert. Es ist ein vom Nachrichtendienst herausgegebenes Buch, und sein Inhalt bezieht sich nur auf nachrichtliche Angelegenheiten.

Es ist vom April 1945 datiert. Das ist das Datum seiner Veröffentlichung, und es ist ganz klar, daß die damaligen Informationen nicht so zuverlässig waren wie diejenigen, die heute dem Gerichtshof zur Verfügung stehen.

DR. GAWLIK: Euer Lordschaft...

VORSITZENDER: Der Gerichtshof erklärt die Vorlage des Buches, seinem Wert entsprechend, für zulässig.

DR. GAWLIK: Ich bitte, zunächst die Aufmerksamkeit des Gerichts darauf lenken zu dürfen, daß in diesem Buch die Einrichtungen von Staat und Partei in vier Teile gegliedert sind und der Nachrichtendienst hat einen Extrateil IV. Teil I ist Staat und Partei, Teil II sind die paramilitärischen Verbände, Teil III ist die deutsche Polizei, und Teil IV ist der Deutsche Nachrichtendienst, die Organisation der Ämter III und VI. Ich bitte, dann die Aufmerksamkeit des Gerichts weiter darauf lenken zu dürfen, daß es bei der SS heißt: Die SS besteht aus erstens Waffen-SS, zweitens Allgemeine SS, drittens Germanische SS. Der SD ist dort nicht aufgeführt. Ich bitte, dann weiter die Aufmerksamkeit des Gerichts darauf lenken zu dürfen, daß der Nachrichtendienst, Teil IV, gegliedert wird in SD Inland III, die Organisation der Sicherheitspolizei und des SD außerhalb des Reiches und drittens in die Ämter VI und VII.

Ich bitte, dann weiter insbesondere die Aufmerksamkeit des Gerichts auf folgende Feststellungen über die Tätigkeit des Amtes III richten zu dürfen. Es heißt da:

»Die von den Nachrichtenmännern gelieferten Informationen werden zu Lageberichten verarbeitet und« – heißt es dann weiter – diese Berichte sind außerordentlich freimütig, offenherzig – ich habe das übersetzt – »und enthalten ein vollständiges und ungeschminktes Bild von der Stimmung und Haltung in Deutschland.«

Ich komme dann weiter zu meinem letzten Dokument. Das ist ein Brief eines Studienassessors Wolferts. Ich habe den Brief eingereicht, da ich ihn erst jetzt bekam und eine eidesstattliche Erklärung nicht mehr aufnehmen konnte. Dieser Brief bezieht sich auf das Dokument 142. Es ist das bekannte Dokument aus Kochem, wo der SD die Wahl überwacht haben soll, und in diesem Brief ist erwähnt der evangelische Pfarrer Alferich Wolferts, der eine Nein-Stimme abgegeben hat, und die Nein-Stimme wird vom SD dem Bericht beigefügt. Aus dem Brief der Tochter ergibt sich, daß gegen den Vater, der inzwischen verstorben ist, damals weder irgendwelche Maßnahmen der Geheimen Staatspolizei noch des SD veranlaßt worden sind.

Ich bin am Ende.

Euer Lordschaft! Soll ich noch eine Zusammenstellung der Dokumente verlesen, oder soll ich schriftlich einreichen, wo die Dokumente zu finden sind? Der größte Teil der Dokumente ist bereits überreicht.

VORSITZENDER: Ich glaube, daß wir das haben. Haben wir das nicht am Anfang Ihres Dokumentenbuches? Wir haben doch ein Inhaltsverzeichnis?

DR. GAWLIK: Jawohl.

VORSITZENDER: Wollen Sie ein gesondertes Dokument daraus machen?

DR. GAWLIK: Ich habe ja nur einen Teil der Dokumente. Zum Teil sind das ja Anklagedokumente.

VORSITZENDER: Wenn Sie glauben, daß es nützlich ist, dann bitte legen Sie Ihre Liste unter einer besonderen Nummer dem Gerichtshof vor.

DR. GAWLIK: Jawohl.

VORSITZENDER: Dr. Kubuschok! Als Sie die Zeugen behandelten, kam dann das Reichskabinett an die Reihe? Sind Sie bereit, jetzt mit Ihren Dokumenten fortzufahren?

Ja bitte, Dr. Kubuschok.

DR. EGON KUBUSCHOK, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN VON PAPEN, VERTEIDIGER FÜR DIE REICHSREGIERUNG: Ich habe insgesamt vier Affidavits; die sind der Kommission überreicht worden. Sie werden übersetzt. Die Übersetzungen sind jedoch noch nicht fertig. Ich werde sie nachreichen und mich heute damit begnügen, wenige besonders wichtige Stellen aus diesen Affidavits in das Protokoll zu lesen.

Das erste Affidavit, Nummer 1, ist von dem Staatssekretär und späteren Minister Dr. Otto Meißner abgegeben. Ich verlese aus diesem Affidavit folgende Stellen: Zunächst befaßt sich Meißner mit der Arbeit des Kabinetts, und zwar in der ersten Zeit nach der Bildung der Regierung Hitlers. Er sagt hierzu:

»Sie« – das heißt die Reichsregierung – »arbeitete auch nach der bisherigen Gepflogenheit, d.h., die Gesetzes vorlagen wurden in Kabinettssitzungen beraten, wobei auch Widersprüche geltend gemacht wurden. Die überlegene und unbestrittene Führung in dieser Regierung hatte von vornherein Hitler, der sich hierbei formell auch auf die Bestimmung der Reichsverfassung stützte, daß die Richtlinien der Politik vom Reichskanzler bestimmt würden. Diese Richtlinien waren keine anderen als die, die er in wiederholten Reden in der damaligen Zeit öffentlich verkündete.«

An einer weiteren Stelle sagt er:

»Sämtliche wichtigen politischen Entschließungen, wie der Anschluß Österreichs, der Einmarsch in das Sudetenland, der Abschluß des Bündnisses mit Italien, der Einmarsch in Böhmen und Mähren, der Angriff auf Polen und die neutralen Länder erfolgten ohne eine vorherige Beschlußfassung des Kabinetts, ja ohne vorherige Information der Regierungsmitglieder. Soweit sie nicht von Hitler persönlich eingeweiht waren, erfuhren sie diese Ereignisse wie jeder andere Staatsbürger erst durch Rundfunk und Presse. Die Mitglieder der Reichsregierung wurden so gegen ihren Willen und ohne ihr Verschulden von jeder politischen Führung abgedrängt und auf die Führung der Ressorts beschränkt, wurden lediglich leitende Beamte ihres Ressorts. Etwaige Kriegsabsichten Hitlers waren daher für die Reichsminister nicht erkennbar, ebensowenig Absichten, seine Macht zu Gewalttätigkeiten und völkerrechtswidrigen Übergriffen zu mißbrauchen.«

Des weiteren befaßt sich das Affidavit mit dem Gesetz vom 3. Juli nach Abschluß des Röhm-Putsches. Schließlich führt das Affidavit noch folgendes aus:

»Daß die Mitglieder der Reichsregierung trotz des immer brutaler werdenden Kurses in ihren Ämtern blieben, ist nach meiner Wahrnehmung – abgesehen davon, daß der Führer grundsätzlich Demission nicht duldete und sie insbesondere im Krieg als ›Zersetzung der Wehrkraft‹ ansah – darauf zurückzuführen, daß wenigstens die bürgerlichen Minister glaubten, durch ihren Abgang ihre Ressorts nur für schärfere und fachunkundige Nachfolger freizugeben. Sie hätten dadurch nicht nur die sachlichen Interessen ihres Ressorts, sondern auch die persönlichen ihrer Beamtenschaft preisgegeben.«

Das Affidavit Nummer 2 ist abgegeben von dem früheren Reichsminister Darré. Ich zitiere:

»Grundsätzliche außenpolitische Fragen wurden nach meiner Erinnerung im Kabinett nicht erörtert. In keinem Fall sind jemals in Kabinettssitzungen Äußerungen oder auch nur Andeutungen gefallen, aus denen ein beabsichtigter Angriffskrieg hätte entnommen werden können.«

An einer weiteren Stelle sagt er:

»Ich betone, daß mir auch keinerlei Aggressionspläne gegen Polen bekannt waren und daß mir insofern auch keinerlei Aufgaben in meiner Eigenschaft als Landwirtschaftsminister gestellt waren.«

Darré schildert dann seine Differenzen mit Hitler und sagt hierbei:

»In einer Aussprache mit Hitler hierüber, noch bevor das Gesetz zustandegekommen war« – man hatte sich um ein Gesetz gestritten, das in dem besetzten Gebiet eingeführt werden sollte – »kam es zu einem sehr heftigen Zusammenprall, in dessen Verlauf ich demissionierte. Hitler antwortete darauf, daß ich unter dem Kriegsgesetz stünde und meinen Posten dann zu verlassen hätte, wenn es ihm, Hitler, passe, und nicht, wenn es mir passe.«

Wie dann die Ausschaltung Darrés in seinem Amte durchgeführt wurde, ergibt der letzte Teil des Affidavits. Hitler habe Darré aufgetragen – ich zitiere:

»Nach außen hätte ich mich krank zu melden, und es würde gewünscht, daß in der Öffentlichkeit der Eindruck erhalten bliebe, als ob ich nur krankheitshalber vorübergehend ausscheide. Ich habe die Krankmeldung verweigert. Mir wurde aufgegeben, mich aus Berlin zu entfernen. Ich habe seitdem in einem abgelegenen Blockhaus in der Schorfheide gelebt. Formell bin ich bis zum Zusammenbruch des Deutschen Reiches Minister geblieben, obwohl ich mehrfach Lammers gebeten habe, mich aus dem Portefeuille zu entfernen und Dr. Lammers auch in diesem Punkt Vortrag bei Hitler gehalten hat.«

Das dritte Affidavit ist abgegeben von dem früheren Reichsminister Graf Schwerin-Krosigk. Schwerin- Krosigk schildert an einer Stelle des Affidavits eine Begegnung mit dem damaligen Reichskanzler Brüning im Jahre 1932. Ich zitiere:

»Ich befand mich insoweit in Übereinstimmung mit Brüning, der mir einige Wochen vor seinem Rücktritt in Badenweiler, wo wir beide zur Kur weilten, erklärte, daß es an der Zeit sei, die Nationalsozialisten an die Verantwortung zu bringen. Man könne auf die Dauer nicht mit dem Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten regieren und die stärkste Partei nicht dauernd in der Opposition belassen. Eine hemmungslose Agitation der Nationalsozialisten lasse sich wirkungsvoll nur durch den Zwang zur Verantwortung bekämpfen.«

An einer weiteren Stelle des Affidavits weist Schwerin-Krosigk darauf hin, daß er Hitler zum ersten Male in seinem Leben am 30. Januar 1933 gesehen hätte. Ich zitiere:

»Mein Eintritt in das Kabinett Hitler hatte den Grund, daß ich zusammen mit den anderen bürgerlichen Ministern ein Gegengewicht gegen den totalitären Machtanspruch der Partei im Kabinett bilden wollte.«

Über die erste Zeit der Regierung läßt sich das Affidavit in längeren Ausführungen aus. Ich zitiere nur einen Satz:

»Zudem schien der damalige Kurs gemäßigt, und Widersprüche, die von seiten der bürgerlichen Minister geltend gemacht wurden, führten tatsächlich auch zu Milderungen gewisser Härten, ja sogar zuweilen zur Zurückziehung einzelner von ihm vorgeschlagener gesetzlicher Bestimmungen.«

Über die Vereinigung des Amtes des Reichskanzlers mit dem des Reichspräsidenten sagt das Affidavit unter anderem:

»Dem Verlangen Hitlers, beide Ämter in seiner Person zu vereinigen und damit den letzten Schritt zur Alleinherrschaft zu vollziehen, konnten sich die bürgerlichen Minister nicht widersetzen, weil schon damals klar war, daß eine solche Machtstellung Hitlers völlig dem Willen des deutschen Volkes entsprach.«

An einer weiteren Stelle sagt das Affidavit zu dieser Frage:

»Ich möchte hierbei bemerken, daß Hitler selbst sein Verlangen auf Vereinigung der beiden Ämter dem Kabinett dadurch schmackhaft gemacht hat, daß er darin keine Endlösung erblicken wolle, sondern die Möglichkeit einer späteren Trennung der beiden Ämter durchaus einräumte.«

In einer Zusammenfassung sagt das Affidavit:

»Die Reichsregierung als solche hatte keine politischen Befehls- und Führungsaufgaben. Sie war nicht einmal mehr der Berater Hitlers, sondern als solcher fungierte ein Kreis von ihm persönlich ausgesuchter Personen.«

Am Schluß seines Affidavits führt Schwerin-Krosigk aus:

»Bei rückschauender Betrachtung muß ich feststellen, daß Hitler seine Minister in keinem geringeren Maße getäuscht hat als das deutsche Volk und darüber hinaus die Welt selbst. Die Erklärungen, die er uns als seinen Ministern über seine Absichten zu geben pflegte, waren grundsätzlich keine anderen, als die von ihm öffentlich gegebenen. Daß sein Wille in Wirklichkeit ein anderer war, konnte man bei der Überzeugungskraft seiner Worte nicht vermuten. Das gilt insbesondere von sei nem immer wiederholten Friedenswillen.

Wenn mir heute gesagt wird, daß Hitler schon im November 1937 an den Krieg als Mittel zur Erreichung seiner außenpolitischen Ziele gedacht hat, so steht das in diametralem Widerspruch zu dem, was er mir Anfang 1939 durch den Staatssekretär Reinhardt ausdrücklich übermitteln ließ: ›Ich brauche mir um die Rüstungsausgaben keine Sorgen mehr zu machen, da jetzt eine lange Zeit des Friedens und damit eine Verringerung dieser Ausgaben folgen würde.‹«

Mit Nummer 4 habe ich schließlich noch ein Affidavit des früheren Ministerialdirektors im Ernährungsministerium, Rudolf Harmening eingereicht. Harmening schildert einen Auftrag Hitlers an den Staatssekretär Backe zu Kriegsvorbereitungen für den Rußlandkrieg, wobei ausdrücklich die Anweisung von Hitler gegeben worden ist, daß dem Minister selbst, Darré, diese Vorbereitungen geheimgehalten werden müßten. Ich zitiere insoweit:

»Einige Monate vor Ausbruch des Krieges mit Rußland wurden im Reichsernährungsministerium Maßnahmen getroffen, die z.B. die Bereitstellung landwirtschaftlicher Maschinen und landwirtschaftlicher Arbeitskräfte für einen besonderen Einsatz, – wie nach Beginn des Rußlandkrieges offenbar wurde für den Einsatz in Rußland – zum Gegenstand hatten. Den Auftrag hierzu hatte Staatssekretär Backe unter Umgehung des Reichsernährungsministers Darré unmittelbar von Hitler oder von Göring erhalten. Diese Maßnahme mußte sogar weisungsgemäß vor dem Minister streng geheimgehalten werden.«

Das sind die Affidavits, die ich überreicht habe.

Ich habe weiterhin ein Dokumentenbuch mit insgesamt 68 Dokumenten überreicht. Ich nehme darauf Bezug. Im wesentlichen handelt es sich bei den überreichten Dokumenten um die amtlichen Begründungen und amtlichen Stellungnahmen zu den Gesetzentwürfen in der damaligen Zeit. Diese amtlichen Begründungen wurden bei den Gesetzentwürfen zusammen mit den Akten bei den einzelnen Ministern in Umlauf gebracht. Das, was in den Begründungen enthalten ist, ist also dasjenige, was die einzelnen Minister von dem eingebrachten Gesetz als Grund erfuhren. Die Durchsicht dieser Begründungen wird zeigen, mit welchen sachlichen Gründen diese Gesetze gerechtfertigt wurden.

Aus den übrigen Dokumenten, die ich überreicht habe, möchte ich noch besonders auf Dokument Nummer 3 hinweisen. Es ist dies der Aufruf der Reichsregierung vom 1. Februar 1933 mit den Richtlinien für die Politik des Kabinetts. Dokument Nummer 9 bringt amtliche Verlautbarungen der Führer der Parteien, die sich im Jahre 1933 selbst auflösten. Die einzelnen Parteiführer bekennen sich in diesen Aufrufen zu dem neuen Regierungskurs und fordern ihre Anhänger auf, diesem zu folgen und ihn zu unterstützen.

Schließlich verweise ich noch auf Dokument Nummer 63, ein Aufsatz des damaligen Kriegsministers von Blomberg über die Probleme anläßlich der Einführung der Wehrpflicht in Deutschland. Über die weiteren in Betracht kommenden Fragen, insbesondere über die Arbeit und Organisation des Kabinetts, sind bereits ausführlich die Zeugen Lammers und Weizsäcker, sowie Göring und von Neurath vernommen worden. Ich bitte, diese Zeugenaussagen für die Betrachtung des Falles der Reichsregierung heranzuziehen.

Damit bin ich am Ende.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich vertagen.