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[Das Gericht vertagt sich bis

21. August 1946, 10.00 Uhr.]

1 Bei den folgenden, von RA. Pelckmann erwähnten Dokumenten handelt es sich um SS-Dokumente, wenn nichts anderes angegeben ist.

Zweihundertachter Tag.

Mittwoch, 21. August 1946.

Vormittagssitzung.

VORSITZENDER: Einen Augenblick, Dr. Pelckmann. Vielleicht könnten Sie mir etwas behilflich sein.

Im Hinblick auf ein Schreiben vom 15. August 1946 an den Gerichtshof, das von den meisten Verteidigern für die Organisationen, jedoch nicht von Dr. Servatius, glaube ich, unterzeichnet ist, wäre der Gerichtshof dankbar, wenn die Verteidiger für die Organisationen ihm mitteilen könnten, wie lange ihrer Meinung nach diejenigen, die noch ihre Dokumente und eidesstattlichen Versicherungen vorzulegen haben, dazu brauchen werden. Weiterhin möchte der Gerichtshof wissen, in welcher Reihenfolge sie ihre Plädoyers halten wollen und ob sie bereit sind oder ob sie rechtzeitig bereit sein werden, sie zu halten, da der Gerichtshof äußerst interessiert und nicht bereit ist, den Vortrag dieser Plädoyers aufzuschieben.

Daher hält es der Gerichtshof jetzt für richtig, sich soweit wie möglich zu vergewissern, ob die Plädoyers rechtzeitig fertig sein werden.

Ich sehe eben, daß Dr. Kubuschok nicht hier ist. Dr. Pelckmann ist hier, und vielleicht kann er uns darüber Auskunft geben, soweit es ihn und Dr. Servatius betrifft.

RA. PELCKMANN: Ich nehme an, Herr Präsident, daß mein Vortrag heute vielleicht noch zwei Stunden in Anspruch nehmen wird. Ohne dem Herrn Kollegen Laternser vorgreifen zu wollen, glaube ich, nimmt sein Vortrag, wie er sagte, einen Tag in Anspruch. Wie lange der Vortrag der SA dauert, weiß ich nicht. Und zur Frage, wie weit wir mit den Plädoyers sind, kann ich nur grundsätzlich das sagen, was in dem Schreiben gesagt ist. Wir sind natürlich durch die Beschäftigung mit der Beweisaufnahme, mit der Zeugenvernehmung hier bis vor einigen Tagen und dann mit der Vorlage der Dokumente und Affidavits sehr beschäftigt gewesen. Aber ich glaube, daß wir alle ab Beginn nächster Woche, ab Montag also, anfangen können zu plädieren.

Soviel ich weiß, ist mein Kollege Dr. Servatius – ich weiß nicht, ob er hier ist, ja... An sich wäre Herr Kollege Servatius bereit, schon jetzt zu plädieren. Wir hatten ja in dem Schreiben angekündigt, daß wir die Einreichung der Plädoyers – wie ja bei uns wohl auch gewünscht wird – am Ende der Woche vornehmen könnten – wenn wir vielleicht drei Tage rechnen für die Herstellung der Übersetzungen und der Vervielfältigungen, könnte man eventuell, wenn der eine oder andere Kollege dieses Manuskript schon am Freitag einreichen könnte, schon am Montag beginnen mit den Plädoyers oder Herr Kollege Servatius schon am Ende der Woche. Ich persönlich, wenn ich das sagen darf, wäre vor Montag nicht bereit zu plädieren.

VORSITZENDER: Sie wären am Montag bereit?

RA. PELCKMANN: Nicht vor Montag.

VORSITZENDER: Darf ich die Verteidiger für die Organisationen darauf aufmerksam machen, daß das Schreiben am 15. August an den Gerichtshof gerichtet wurde, das heißt vor sechs Tagen, so daß Sie also sechs Tage Zeit hatten, um ihre Plädoyers fertigzustellen. Ich habe auch jeden einzelnen Verteidiger für die Organisationen darauf aufmerksam gemacht, daß es unnötig und eine Vergeudung der Zeit des Gerichtshofs ist, soviel Zeit mit Erörterungen über ihre eidesstattliche Versicherungen und andere Dokumente in Anspruch zu nehmen. Sie hätten viel besser daran getan, diese Zeit zur Vorbereitung ihrer Plädoyers zu verwenden. Aber ich entnehme Ihrem Vorbringen... vielleicht werden Dr. Servatius und auch Dr. Laternser dem Gerichtshof mitteilen können, ob sie mit uns darin übereinstimmen, daß die Verteidiger für die Organisationen höchstwahrscheinlich Montag bereit sein werden, ihre Plädoyers zu halten und uns nicht um einen weiteren Aufschub ersuchen werden. Dr. Servatius, höre ich, ist bereit, sofort zu beginnen.

RA. PELCKMANN: Euer Lordschaft! Ich darf vielleicht nur das eine noch sagen. Daß wir jetzt die Dokumente und Affidavits etwas länger kommentieren, als es dem Gericht nötig erscheint, liegt daran, daß das Gericht folgendes gesagt hat, soweit ich mich richtig erinnere: Als die Plädoyerzeit auf drei Stunden festgesetzt wurde, wurde zugleich gesagt, die Anwälte werden aber Gelegenheit haben, die tatsächlichen Ausführungen gerade bei der Vorlage der Affidavits und Dokumente zu bringen, so daß die Zeit von drei Stunden für das Plädoyer und für die anderen Ausführungen übrigbleibt. Daraus haben wir entnommen, daß wir Gelegenheit haben, die sogenannte Würdigung der Beweise jetzt bei der Vorlage der Dokumente und Affidavits zu bringen.

VORSITZENDER: Ja. Aber die Verteidiger für die Organisationen müssen sich doch vor Augen halten, daß eine Zusammenfassung aller dieser eidesstattlichen Versicherungen uns schriftlich vorliegt; daher ist eine einfache Wiederholung der Zusammenfassung, die uns schriftlich vorliegt, natürlich vollkommen wertlos.

In der Abwesenheit von Dr. Laternser, der, wie ich sehe, jetzt anwesend ist, haben Sie gesagt, Sie glaubten, Dr. Laternser würde einen Tag für diese Dokumente benötigen.

RA. PELCKMANN: Ja, er sagte mir gestern abend, er wird einen Tag wohl brauchen.

VORSITZENDER: Ich möchte hören, was er selbst zu sagen hat. Dr. Laternser! Ich habe in Ihrer Abwesenheit gesagt, daß der Gerichtshof dieses Schreiben vom 15. August – das also vor sechs Tagen geschrieben wurde – erhalten hat und nun wissen will, wie lange die Verteidiger für die Organisationen glauben, für ihre Dokumente zu benötigen, und ob sie bereit wären, gleich darauf ihre Plädoyers zu halten. Dr. Pelckmann antwortete darauf, daß er noch zwei Stunden und Sie wahrscheinlich einen Tag brauchen würden.

Ich glaube nicht, daß der Gerichtshof gewillt ist, einen ganzen Tag Erläuterungen zu den Dokumenten anzuhören.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Ich glaube, daß ich sicher einen Tag benötigen werde. Ich bitte, dabei folgendes zu berücksichtigen. Die Amerikanische Anklage hat zum Beweisvorbringen zwei Tage, die Russische Anklage hat zum Beweisvorbringen gegenüber dem Generalstab viele Tage benötigt, und ich glaube, wenn dem mir an sich schon gesteckten Rahmen zur Beibringung des Beweismaterials größere Schwierigkeiten, gegenüberstanden und ich dann lediglich einen Tag, also einen Bruchteil derjenigen Zeit benötige, den die Anklage zum Beweisvorbringen gegen den Generalstab benötigt hat, daß das dann doch nicht zuviel sein wird.

VORSITZENDER: Dr. Laternser! Sie lassen die Tatsache völlig außer acht, daß wir die Kommissionen eingesetzt haben und daß Sie nicht nur einen Tag, sondern viele Tage lang vor diesen Kommissionen erschienen sind.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Ich habe bei der Kommission die Affidavits vorgelegt, und zwar ist dort das Vorbringen der Affidavits mehr formeller Art gewesen. Was ich mit meinem Beweisvortrag bezwecke, ist lediglich, eine gewisse Ordnung in den Beweisvortrag zu bringen, damit das Gericht sieht, zu welchen Anklagepunkten die einzelnen Affidavits vorgelegt werden sollen.

MR. DODD: Herr Vorsitzender! Ich möchte den Gerichtshof darauf aufmerksam machen, daß Dr. Laternser neun oder zehn Tage lang vor der Kommission über den Generalstab erschienen ist und daß er überdies auch hier vor diesem Gerichtshof Zeugen aufgerufen hat, ich weiß nicht, wie viele es waren, ich glaube zwei oder drei.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Das ist nicht ganz richtig. Ich habe mehrere Tage gebraucht, um Zeugen zu verhören, also zur Durchführung des rechtlichen Gehörs, nicht aber zur Vorlage der Dokumente. Und ich muß doch durch diesen Beweisvortrag in der Lage sein, dem Gericht diesen schriftlichen Beweis in einer gewissen Ordnung vorzutragen. Im anderen Fall kann er gar nicht zur Auswirkung kommen.

VORSITZENDER: Sie sagen, Sie sind nicht in, der Lage, sie in einer gewissen Reihenfolge vorzubringen. Nun, niemand verlangt von Ihnen die eidesstattlichen Versicherungen in der Reihenfolge, in der die Dokumente numeriert sind, vorzulegen; aber Sie können sie doch vermutlich nach Gruppen ordnen, es sei denn, sie alle behandeln verschiedene Gegenstände. Ich setze voraus, daß Sie eine sehr große Zahl von eidesstattlichen Erklärungen haben und nehme als sicher an, daß ziemlich viele davon den gleichen Gegenstand behandeln. Man kann doch leicht in ganz kurzer Zeit – in einer Stunde vielleicht – diese Liste von eidesstattlichen Erklärungen durchsehen, um festzustellen, welche eidesstattlichen Erklärungen dasselbe Thema behandeln und sie danach in Gruppen ordnen. Das ist doch ganz einfach, unter keinen Umständen wird der Gerichtshof bereit sein, der Verteidigung mehr als einen halben Tag für die Vorlage der Dokumente Ihrer oder einer anderen Organisation zu bewilligen.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Darf ich noch etwas sagen zu diesem Punkt?

VORSITZENDER: Dr. Laternser?

DR. LATERNSER: Ich bitte doch das Gericht zu berücksichtigen, daß insbesondere von der Russischen Anklagebehörde mehrere Tage lang die schwersten Vorwürfe gegenüber der militärischen Führung erhoben worden sind, und ich bitte, daß ich ungefähr die gleiche Gelegenheit habe, gegen diese Vorwürfe mein Vorbringen...

VORSITZENDER: Dr. Laternser! Herr Dodd hat eben angeführt, daß Sie neun oder zehn Tage lang vor der Kommission erschienen sind; hier erscheinen Sie auch schon seit zwei Tagen. Wir haben die sehr gute und sorgfältige Arbeit der in der Kommission eingesetzten Richter schriftlich vor uns. Augenblicklich liegt mir ein Dokument vor - ich weiß nicht, ob es der Reihenfolge nach numeriert ist oder nicht ganz der Reihenfolge nach, aber jedenfalls geht es bis zur Zahl 3172 – das sind Affidavits, die zusammengefaßt wurden. Ich behaupte nicht, daß es aufeinanderfolgende Nummern enthält. Aber auf alle Fälle ist es ein sehr dicker Band von Affidavits, der von diesen in der Kommission tätigen Richtern schriftlich zusammengefaßt wurde.

Sie, als Verteidiger der Organisationen, hatten Gelegenheit, den von dem Vorsitzenden der in der Kommission eingesetzten Richter abgefaßten Bericht über diese Affidavits zu lesen, und soviel ich weiß, haben Sie sich gegen keine der Ausführungen in diesem Bericht ausgesprochen. All dies liegt dem Gerichtshof vor; meiner Meinung nach hat der Gerichtshof den Organisationen größtmögliche und vollkommen ausreichende Gelegenheit gegeben, vor dem Gerichtshof gehört zu werden, und der Gerichtshof ist der Ansicht, daß er über dieses Thema genügend gehört hat. Er wird daher bei der von mir verkündeten Entscheidung bleiben.

Bitte, Dr. Pelckmann.

RA. PELCKMANN: Hohes Gericht! Ich fasse jetzt die letzte Gruppe der individuellen Affidavits zusammen, und zwar bringe ich zunächst ein Affidavit Nummer 108. Es beweist...

MR. DODD: Herr Vorsitzender! Ich bitte um Entschuldigung, daß ich unterbreche, aber wir sind uns noch nicht ganz im klaren. Sir David und ich glauben, daß hier ein Mißverständnis über die Lage, in der sich Dr. Pelckmann befindet, vorliegt. Wir entnehmen seinen Worten, er werde am Montag nur bereit sein, sein Plädoyer zur Übersetzung vorzulegen, und wir glauben, der Gerichtshof habe ihn dahingehend verstanden, er sei am Montag bereit, sein Plädoyer zu halten, das sich dann um weitere drei Tage verzögern wird.

VORSITZENDER: Gewiß, Dr. Pelckmann, ich habe Sie dahingehend verstanden, daß Sie Ihr Plädoyer am Montag halten können. Es muß nicht unbedingt am Montag gehalten werden, da natürlich das Plädoyer von Dr. Servatius vor Ihrem kommt. Vermutlich werden – wenn Sie nicht untereinander andere Abmachungen treffen – die Plädoyers in der Reihenfolge gehalten werden, in der die Dokumente vorgelegt und Zeugen vernommen wurden. Zweifellos können Sie untereinander Vereinbarungen treffen, mit denen der Gerichtshof gern einverstanden sein wird, wenn der eine fertig sein sollte und der andere nicht, aber der Gerichtshof erwartet, daß keine Verzögerung eintritt.

RA. PELCKMANN: Ja, ich glaube auch, Euer Lordschaft, daß das gehen wird. Wie in dem Schreiben angekündigt, werden wir die Manuskripte zur Vervielfältigung und zur Übersetzung bis zum Ende der Woche abliefern. Also, wenn ich es zum Beispiel am Freitag nachmittag abliefere, dann, glaube ich, kann ich am Montag nachmittag sprechen oder am Dienstag vormittag. Und wenn Herr Kollege Servatius...

VORSITZENDER: Einen Augenblick. Das ist alles gut und recht, aber die Übersetzungsabteilung besteht auch aus Menschen, und ich sehe gar nicht ein, warum sie am Sonntag arbeiten soll. Vielleicht irre ich mich, aber ich glaube, mich zu erinnern, daß Sie Assistenten haben, die Ihnen helfen und die Sie wohl schon seit dem 15. August, dem Tage, an dem dieses Dokument vorgelegt wurde, unterstützt haben. Wie ich schon hervorgehoben habe, war das vor sechs Tagen. Teile dieser Rede könnten doch jetzt bereits fertig und der Übersetzungsabteilung zugeleitet worden sein.

Aus einer mir soeben übergebenen Liste ersehe ich, daß Sie vier Assistenten haben, Dr. Babel vier Assistenten und vier Sekretärinnen hat und daß Sie einen Mitverteidiger und eine Sekretärin haben. Ich kann nicht verstehen, warum das Plädoyer oder wenigstens Teile davon der Übersetzungsabteilung noch nicht übergeben worden sind. Das gleiche gilt auch für die anderen Verteidiger der Organisationen.

RA. PELCKMANN: Wir sind ja noch immer an der Beweisaufnahme, Herr Präsident, nur darauf will ich hinweisen. Mir ist es bisher nicht möglich gewesen, ein vollständiges Plädoyer vor dem Ende der Beweisaufnahme fertigzustellen, auch nach meinen praktischen Erfahrungen nicht.

Aber, darf ich einen Vorschlag machen, Herr Präsident, um es ganz genau zu fixieren.

Ich kann das Manuskript meines Plädoyers für die Übersetzungsabteilung am Freitag nachmittag abliefern, und ich kann wahrscheinlich schon vorher einen erheblichen Teil liefern.

VORSITZENDER: Ich will nur feststellen, daß ich im Namen des Gerichtshofs von der Übersetzungsabteilung nicht verlangen werde, mehr zu arbeiten, als der Offizier, dem diese Abteilung untersteht, für angemessen hält; und der Gerichtshof erwartet, daß die Plädoyers ohne Aufschub gehalten werden. Ist das klar?

RA. PELCKMANN: Ich beschäftige mich gerade mit dem Affidavit SS-108. Es wird damit klargestellt, daß die SS mit der Aktion zur Erfassung von Arbeitskräften nichts zu tun hatte.

Die Affidavits Nummer 102 und 103 beweisen, daß der sogenannte »Freiwillige Selbstschutz«- abgekürzt FS –, der von der Anklage als Fünfte Kolonne betrachtet wird, in der Slowakei und im Sudetenland keine Verbindung mit der SS hatte und niemals bewaffnet war.

Die Affidavits Nummer 106 und 111 beschäftigen sich mit der Natur des Organisationsbuches der NSDAP und mit der des NS-Jahrbuches. Die Anklage zitiert aus diesen Büchern zum Beweise für offizielle Ansichten der Partei. Diese Affidavits besagen jedoch, daß das Organisationsbuch und das NS-Jahrbuch keine offiziellen Verlautbarungen waren und daß sie deshalb auch nicht Beweise liefern für Organisationsfragen.

Das Affidavit SS-109 beschäftigt sich mit dem Vorwurf der Anklage, die SS-Männer seien bei Verbrechen durch das Regime gedeckt worden. Es beweist, daß bei Straftaten von SS-Angehörigen vor Einrichtung der eigenen SS-Gerichtsbarkeit im Jahre 1939, daß bei diesen Straftaten, soweit sie bekanntgeworden, sind, die SS-Führungsstellen dafür gesorgt haben, daß der ordentlichen Justiz keine Schwierigkeiten entgegengesetzt wurden bei der Strafverfolgung.

Schließlich eine letzte Gruppe: Affidavit Nummer 90, Nummer 30, Nummer 91 und Nummer 92. Das Affidavit Nummer 30 liegt in Übersetzung – französischer Übersetzung zunächst nur – vor. Es ist eine Erwiderung auf die Anklagebehauptung, daß die gesamte SS-Organisation und ihre Mitglieder gewußt haben oder hätten wissen müssen, daß die SS eine verbrecherische Organisation sei. Die Affidavits sagen dagegen nur als Beispiel, daß zwischen dem ausländischen Diplomatischen Korps und der SS außerordentlich gute Beziehungen bestanden haben, so daß die SS-Angehörigen, die davon hörten, nicht annehmen konnten, daß diese Organisation verbrecherisch sei.

Ich darf mich jetzt noch kurz beschäftigen mit den Affidavits, die ich am Eingang erwähnt habe, von denen eine Zusammenfassung nicht vorliegt.

VORSITZENDER: Was haben Sie damit gemeint, daß es eine Gruppe sei, ich habe sie aufgeschrieben als 90, 31 oder 30, oder vielleicht beide und 92. Nach dem mir vorliegenden Dokument wurden die Affidavits Nummer 90, 91 und 92 zurückgezogen. Ist da ein Fehler unterlaufen?

RA. PELCKMANN: In der Kommission hatte ich den Antrag gestellt, sie zuzulassen, und die Anklagebehörde hatte sie nicht zulassen wollen. Es ist darüber nach meiner Erinnerung nicht beschlossen worden von der Kommission, sondern die Entscheidung ist zurückgestellt worden. Nun habe ich allerdings vor zwei Tagen gehört, daß Herr Colonel Neave, der, glaube ich, damals der Kommission vorsaß, notiert hat, sie seien endgültig nicht zugelassen worden. Das ist mir neu, und wenn das der Fall sein sollte, dann würde ich die Entscheidung des Hohen Gerichts erbitten, ob diese Affidavits zugelassen werden können. Diese Entscheidung braucht ja nicht sofort gefällt zu werden.

VORSITZENDER: Sie haben sie eben als Gruppe angegeben. Stehen sie in irgendeiner Beziehung zu Nummer 30? Nummer 30, sagen Sie, bezieht sich auf das Verhältnis der SS zum auswärtigen Diplomatischen Korps. Beziehen sich 90 und 92 auch darauf?

RA. PELCKMANN: Jawohl, 30 ist auch bewilligt worden und liegt auch in der französischen Übersetzung vor. Die englische Übersetzung...

VORSITZENDER: Gut. Wir werden über den Antrag beraten. Wir können wohl annehmen, daß 90 und 92 dasselbe Thema behandeln, stimmt das?

RA. PELCKMANN: Ja, ungefähr.

VORSITZENDER: Das genügt mir, ich will nicht mehr darüber hören.

RA. PELCKMANN: Ich beschäftige mich jetzt noch einmal mit den Affidavits 68, 64 und 69. Ich muß die Anklagebehauptung widerlegen, daß das System der Mißhandlungen, Einzeltötungen und Massenvernichtungen in den Konzentrationslagern der ganzen SS zur Last gelegt werden muß, weil, wie die Anklage behauptet, sie der großen Masse der SS-Leute bekanntgewesen seien. Die zu dieser Frage sehr aufschlußreichen wichtigen Prozeßakten über die Verfahren der alliierten Militärgerichte gegen Angehörige der Konzentrationslagerkommandanturen wie auch gegen Wachmannschaften – zum Beispiel die Prozesse Belsen, Mauthausen, Dachau, Neuengamme, Celle, Rastatt – diese Prozeßakten habe ich ja nicht erhalten können. Nun hat mir eine systematische Durchprüfung der Zeugen und eines Teils der Affidavits aus den Lagern ermöglicht, Tatsachen festzustellen zur Widerlegung der Anklagebehauptung.

Der Herr Präsident hat auch in der Verhandlung am 29. Januar erklärt, daß er Zeugen und Beweismaterial von der Verteidigung gerade zu den Anklagepunkten hinsichtlich der Konzentrationslager erwarte. Der Herr Präsident hat an demselben Tag auf die Frage des Herrn französischen Anklagevertreters Dubost, ob das Gericht überzeugt sei, daß in allen Lagern die gleichen furchtbaren Zustände herrschten, wie zwei Zeugen bis dahin bekundet hatten, geantwortet: »Wenn Sie das beweisen wollen, Herr Dubost, dann ist es nötig, aus jedem der Hunderte von Lagern einen Zeugen vorzuladen.« Ich berufe mich auf das Sitzungsprotokoll, und deswegen habe ich nun zum Zwecke der Verteidigung eine Anzahl von Affidavits von Wachmännern, Kommandanturangehörigen und Lagerinsassen und auch von unbeteiligten Besuchern der Konzentrationslager überreicht zum Beweise des Gegenteils. Ich verweise jetzt nur auf ein mir sehr wichtig erscheinendes Affidavit, Nummer 68.

VORSITZENDER: Warum sagen Sie uns nicht, welche Affidavits das sind. Das wollen wir doch von Ihnen hören. Sie sagen uns jetzt, indem Sie sich auf eine von mir im Januar abgegebene Erklärung berufen, Sie hätten sich Affidavits aus jedem Lager beschafft. Nun, welche Affidavits sind das? Sie können uns doch leicht sagen, welche Gruppen von Affidavits das sind, nicht wahr?

RA. PELCKMANN: Diese Gruppen, Herr Präsident, habe ich ja schon gestern erwähnt. Ich wollte nur noch einmal die Bedeutung...

VORSITZENDER: Wenn Sie sie gestern erwähnt haben, warum kommen Sie heute wieder auf sie zurück?

RA. PELCKMANN: Um die Bedeutung des Affidavits Nummer 68, das ich Ihnen erläutern werde, herauszustellen.

Es ist ein Affidavit von einem Konzentrationslagerkommandanten, und ich kann verstehen, daß bei der allgemeinen Stimmung das Gericht diesem Kommandanten sehr mißtrauisch gegenüberstehen würde. Ich bitte aber trotzdem, dieses sehr ausführliche Affidavit lesen zu wollen, und zwar beschäftigt es sich gerade mit den organisatorischen Fragen, die für die Frage: »Wer überhaupt war an Verbrechen und an der Behandlung von KZ-Häftlingen beteiligt, und wer konnte davon wissen«, sehr wichtig sind. Dieses Affidavit erläutert zum Beispiel die Stellung des Wirtschafts- Verwaltungshauptamts, Amtsgruppe D. Bei diesem schwierigen Namen bitte ich, darauf achten zu wollen, daß dieses Amt wieder nicht zu verwechseln ist mit dem Reichssicherheitshauptamt. Es sind Verwechslungen schon vorgekommen auch bei der Zusammenfassung der Zeugenaussagen vor dem Gericht. Ich möchte nun an diesem Beispiel erläutern, wie wichtig es ist, die Organisationsfragen des KZ-Wesens an Hand dieses Affidavits 68 noch einmal prüfen zu wollen. Aber auch die anderen Abschnitte dieses Affidavits sind sehr wichtig. Die anderen wichtigen Affidavits sind Nummer 64 und 69. Es sind Bekundungen ebenfalls von SS-Richtern, die genauso wie der Zeuge Morgen beteiligt waren an den Untersuchungen gegen KZ-Verbrecher. Von dem Zeugen Morgen selbst liegen noch die Affidavits Nummer 65, 66 und 67 vor.

VORSITZENDER: Warum gibt er zwei eidesstattliche Erklärungen an einem Tag ab?

RA. PELCKMANN: Verzeihung, ich habe nicht verstanden, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Ich frage, warum er zwei eidesstattliche Erklärungen an einem Tage abgegeben hat? Warum nicht nur eine?

RA. PELCKMANN: In diesen Tagen, an denen sich die Arbeit häufte, es waren Kommissionsvernehmungen, es waren Zeugenvernehmungen – der Zeuge Morgen war erst ganz zum Schluß angekommen – mußte ich dafür sorgen, daß die Affidavits so schnell wie möglich vorgelegt wurden, und deswegen habe ich das ganze Thema von ihm in verschiedenen Affidavits...

VORSITZENDER: Gut, setzen Sie fort.

RA. PELCKMANN: Es ist lediglich ein technischer Grund, Euer Lordschaft. Daß also dieser Komplex der KZ-Untersuchungen, der nach meiner Ansicht hier für das Gebiet über das KZ-Wesen und die Schuldfrage der übrigen SS sehr wichtig ist und sehr aufschlußreich gewesen ist; deswegen bitte ich, diese eidesstattliche Versicherung dieser beiden Richter zur Ergänzung noch hinzuzufügen und eingehend zu würdigen. Ich werde mich damit in meinem Plädoyer beschäftigen.

Schließlich bitte ich das Hohe Gericht, das Affidavit Nummer 70, das im ganzen Wortlaut übersetzt worden ist und viele Seiten umfaßt, auch vollständig lesen zu wollen. Es liegt weder die französische noch die englische Übersetzung vor. Dieses Affidavit gibt einen Durchschnitt aus einem Lager mit 2800 SS-Insassen wieder, und zwar umfassen diese Insassen Vertreter aus den meisten Dienststellen, aus den meisten Standarten der Allgemeinen SS, aus allen Gebieten Deutschlands und Vertreter von etwa 30 Divisionen, Oberkommandos und Ersatzeinheiten der Waffen-SS. Außerdem bietet dieses Affidavit einen guten Durchschnitt durch den Mitgliederbestand zu den verschiedensten Zeiten, auf die es ja nach dem Beschluß des Gerichts vom 14. Januar auch ausschlaggebend ankommen dürfte. Höchste Dienstgrade sind gerade dort nicht vertreten, sondern es ist vertreten der sogenannte kleine Mann.

Aus den ähnlichen Gesichtspunkten, weil diese Beweisaufnahme mit Affidavits ja die große Masse der SS erfassen soll, bitte ich um das geneigte Gehör des Hohen Gerichts auch für die Würdigung und Auswertung der 136000 Affidavits, die ich zusammengefaßt habe. Für die Bewertung dieser Affidavits insbesondere ihre Glaubhaftigkeit, ist die Tatsache wichtig, daß sie sehr früh niedergeschrieben worden sind, und zwar ohne juristische oder sonstige Erläuterungen. Die SS-Angehörigen sprechen sich nur jeweils über einen oder mehrere Punkte aus, die ihnen zunächst am nächsten lagen und sie am meisten interessierten. Daß über bestimmte Punkte nichts gesagt wird gerade bei diesen Affidavits, liegt wieder daran, daß der kleine SS-Mann ganz naturgemäß nur ein begrenztes Blickfeld hatte und über viele Dinge gar kein Urteil hatte. Über solche Punkte konnten sie infolgedessen nichts schreiben.

Herr Justice Jackson hat ausgeführt, daß die zahlreichen Affidavits der SS-Angehörigen nur als ein Ausfluß der Interessen an ihrem persönlichen Schicksal zu werten seien. Aber dagegen will sich diese Zusammenfassung wenden. Das Blickfeld des einzelnen ist im allgemeinen begrenzt, und da der einzelne nicht mehr aussagen kann, als er zu übersehen vermag, gewinnen diese Affidavits gerade durch die Summe dieser kleinen einzelnen Teilchen den großen Wert, den ich ihnen als Verteidiger der Masse der SS und nicht irgendwelcher oberer Führer beimesse. Sie geben ein klares Bild, welche Vorstellungen die Reden und Erklärungen und Lehren der höheren Führung in den Köpfen der breiten Masse erweckten, welche Handlungen sie daraus herleiteten.

Nur dieses Bild und nur dieser Querschnitt zeigt dann, inwieweit man bei der SS von einer kollektiven Kriminalität, wenn das juristisch überhaupt möglich ist, sprechen kann, und diese Ausführungen sind auch wichtig für die Frage der Conspiracy. Auch diese Zusammenfassung, darauf darf ich noch hinweisen, liegt bisher in Übersetzung noch nicht vor. Diese Zusammenfassung besteht aus verschiedenen Gruppen. Darf ich zunächst die Gruppe I kurz streifen?

Gruppe I beschäftigt sich mit den Motiven des freiwilligen Eintritts in die SS, und zwar unterschieden nach Eintritt vor 1933 und nach 1933 in die Allgemeine SS und freiwilliger Eintritt in die Waffen-SS. Zum Eintritt vor 1933 haben sich 12749 Affidavits ausgesprochen. 12671 davon versichern, daß ihr Eintrittsmotiv allein Idealismus und Vaterlandsliebe gewesen sei. 78 Affidavits geben verschiedene andere Motive an, Überführung aus anderen Gliederungen, zum Beispiel Überführung von ländlichen Reitervereinen in die Reiter-SS und ähnliches. Die Tatsache, daß sich [*1]über das Motiv des Beitritts nach der Machtübernahme nur 804 Männer äußern, beweist, daß schon nicht mehr in dem Maße wie vor dem 30. Januar 1933 die Leute aus reinem Idealismus und aus wirklicher Freiwilligkeit eingetreten sind.

Zum Eintritt in die Waffen-SS äußern sich nur wenige Affidavits. Von 488 Männern sagen 406, daß es sich bei der Waffen-SS um eine ausgesuchte, junge Truppe gehandelt habe. Andere sagen wieder, sie hätten doch ihrer Wehrpflicht genügen müssen und hätten sich dann lieber für die Waffen-SS entschlossen. Aus vielen geht hervor, daß die Waffen-SS sich als vierter Wehrmachtsteil fühlte. Aus anderen, auch vielen, geht wieder hervor, daß sie Volksdeutsche waren und daß Volksdeutsche, wie ich gestern an Dokumenten bewiesen habe, nur in der Waffen-SS Wehrdienst leisten konnten. Einige meldeten sich zur Waffen-SS, weil sie später im Polizeidienst Verwendung finden wollten nach dem Kriege.

Die Gruppe II habe ich zusammengefaßt zur Frage: Gesetzlicher Zwang zum Eintritt in die Allgemeine SS und Einziehung zur Waffen-SS.

Hier sagen 67 Affidavits, daß die Dienstangleichung der Polizei sie zu einem Dienstgrad der Allgemeinen SS gebracht hätte. Der Rest der übrigen Affidavits ist von Studenten und Hochschullehrern oder Mitgliedern des Postschutzes, des Reichsnährstandes, Behördenangestellten, Reichskriegsopferversorgung und auch Erziehern. Auch Ehrenführer fallen darunter. Hinsichtlich der Einziehung zur Waffen-SS liegen 4042 Äußerungen vor. Davon 1806 Volksdeutsche und 1826 von anderen Wehrmachtsteilen oder Polizei zur Waffen-SS Versetzte, also zwangsweise Kommandierte. Interessant ist die Frage der Zugehörigkeit zur Allgemeinen SS bei Waffen-SS-Mitgliedern. Die Leute der Waffen-SS sind nach dieser Statistik – es sind 246 Waffen-SS-Mitglieder – zur Waffen-SS eingezogen worden, und zwar durch das Wehrbezirkskommando, also durch die Bezirkskommandos der normalen Wehrmacht. Nur ein Fünftel von ihnen gehörte der Allgemeinen SS an. Weitere wesentliche Feststellungen sind: Bereits 1939 nahmen Wehrbezirkskommandos zwangsweise Einziehungen zur Waffen-SS vor. Der Zeuge Brill hat sich auch darüber geäußert. Und ebenso, Wehrbezirkskommandos nahmen Einziehungen zur Bewachung der Konzentrationslager vor durch Einberufung zur Waffen-SS. Weiter zwangsweise Übernahme von Mitgliedern des Reichsarbeitsdienstes zur Waffen-SS. Auf eine andere Art wurde die Konzentrationslagerbewachung seitens des Arbeitsamtes gestellt. Durch sogenannte Notdienstverpflichtung brachte das Arbeitsamt die Leute zur Konzentrationslagerbewachung, und von dort wurden sie zwangsweise in die Waffen-SS übernommen. Kleinere Punkte sind die zwangsweise Überstellung von Postbeamten der Reichspost zur Fronthilfe Deutsche Reichspost und zur SS-Feldpost.

Die Gruppe III umfaßt in ihrer ersten Unterteilung alle die Affidavits, die Angaben enthalten über die Vorstellungen, die die SS-Angehörigen von den Absichten und Zielen ihrer Führung hatten...

VORSITZENDER: Dr. Pelckmann! Sprechen Sie noch immer von Gruppe I?

RA. PELCKMANN: Nein, Euer Lordschaft, ich bin bei der Gruppe III. Die Gruppe II...

VORSITZENDER: Wo hat Gruppe II angefangen?

RA. PELCKMANN: Ja, ich will es eben sagen, die Gruppe II hat angefangen mit der Zusammenfassung: Gesetzlicher Zwang zum Eintritt in die Allgemeine SS und...

VORSITZENDER: Das haben Sie aber nicht gesagt. Soweit ich die Übersetzung gehört habe, habe ich alle von Ihnen genannten Zahlen notiert, und ich dachte, daß sie alle zur Gruppe I gehören.

RA. PELCKMANN: Ich bitte sehr um Entschuldigung. Ich glaube, es gesagt zu haben. Vielleicht ist es nicht ganz durchgekommen.

VORSITZENDER: Nun sind Sie bei Gruppe III, nicht wahr?

RA. PELCKMANN: Jawohl.

VORSITZENDER: Setzen Sie fort.

RA. PELCKMANN: Sie beschäftigt sich mit der Schulung, die die SS-Angehörigen erhielten. 55303 SS-Angehörige erklären, daß sie in dieser Schulung keine Anhaltspunkte für eine verbrecherische Zielsetzung finden könnten. Es wäre eine Erziehung zur charakterlichen Sauberkeit gewesen, zur Anständigkeit, zu Kameradschaftlichkeit und vorbildlicher Lebensführung. Bemerkenswert ist, daß bei alledem keiner der SS-Männer in Zusammenhang mit der Schulung Hitlers Buch »Mein Kampf« erwähnt. Die Statistik wird erweisen, daß die Masse der SS-Mitglieder dieses Buch überhaupt nicht gelesen hat.

289 Affidavits äußern sich zur Bewertung der Rassenlehre. 223 sehen darin keine Erziehung zum Rassenhaß, zur Vernichtung anderer Rassen oder zur Bildung einer Herrenrasse, sondern sehen nur darin eine Forderung einer Trennung und Scheidung der Rassen voneinander. 57 Affidavits sehen in der Lehre den Zweck, eine Auslese der Besten des Volkes zu schaffen. Verschiedene Affidavits betonen, daß die Rassenlehre die Achtung vor anderen Völkern in sich schloß.

Das Problem der Kolonisierung und Germanisierung wird in keinem Affidavit als Problem der sogenannten Schulung erwähnt.

Sehr viele Affidavits beschäftigen sich mit der Frage, ob die Allgemeine SS zum politischen Soldatentum erzogen wurde. 20010 Affidavits stehen dafür zur Verfügung. 15461 Affidavits schreiben der Allgemeinen SS keinen militärischen Charakter zu. Sie führen zum Beispiel folgende Gründe an:

Sie hätten niemals eine militärische Ausbildung in der Allgemeinen SS genossen, die Dienstgrade der Allgemeinen SS wurden in der Wehrmacht nicht anerkannt. Es waren keine Waffen vorhanden, sogenannte Planspiele, sogenannte taktische Spiele, taktische Erörterungen waren verboten. Geschossen wurde nur mit Kleinkalibergewehren, es waren nicht genügend Gewehre vorhanden.

1053 Affidavits bestätigen die Aussage verschiedener Zeugen hier, daß im Krieg ein Dienst in der Allgemeinen SS überhaupt nicht mehr oder nur noch ganz vereinzelt stattfand, am Schluß des Krieges und während des Krieges überhaupt nicht mehr.

Zur Frage der psychologischen Kriegsvorbereitungen bestätigen 3304 Affidavits, daß sie weder an Krieg gedacht noch geglaubt haben. Auf den Junkerschulen – wird in verschiedenen Affidavits erklärt – wurde die Ablehnung des Krieges gelehrt, da er eine sogenannte »negative Gegenauslese« schaffe. Und auch in der Verfügungstruppe wurde der sogenannte Geländedienst, also ein mehr militärischer Dienst, erst nach Einführung der allgemeinen Wehrpflicht aufgenommen.

127 Affidavits bestätigen, daß von der Allgemeinen SS kein besonderer Gehorsam gefordert wurde, daß heißt kein Eid, der nach seiner Form zu mehr verpflichtet hätte als die Wehrmacht oder die Beamten.

Über die Erziehung der SS-Männer berichten 2674 Affidavits. In 3138 Affidavits wird versichert, daß Befehle gegen die Menschlichkeit ihnen nicht bekanntgeworden sind, geschweige denn gegeben wurden.

Die zweite Unterteilung dieser Gruppe III soll die Frage beantworten, was den Mitgliedern als tatsächliches Ziel der Führung erkennbar war. Die Frage geht darauf hinaus, ob ein Widerspruch zwischen der theoretischen Schulung und der praktischen Handlungsweise der Führung zu erkennen war. 688 Affidavits beschäftigen sich mit der Frage, ob die Macht in Deutschland durch Unterdrückung der politischen Gegner erlangt werden sollte. Dahin fällt auch die Frage, ob die Vernichtung des Judentums als Ziel der Führung für die SS-Angehörigen erkennbar war. Von 1637 Affidavits, die überhaupt dieses Problem berühren, bekunden 1593, daß das Judenproblem nicht durch Totschlagen oder durch die sogenannte »Endlösung« zu lösen war und daß sie davon – von diesen Absichten der Führung – keine Kenntnis hatten. Sie weisen darauf hin, daß den SS-Angehörigen die Vornahme von Einzelaktionen gegen Juden verboten gewesen sei.

Zahlreiche Mitglieder berufen sich zum Beweis dafür auch darauf, daß zahlreiche Verurteilungen zum Tode oder auch zu hohen Zuchthausstrafen wegen Verbrechen gegen jüdische Personen oder jüdisches Eigentum ausgesprochen worden seien.

Eine weitere Frage lautete, ob den SS-Angehörigen als tatsächliches Ziel der Führung die Beherrschung Europas durch Kriege erkennbar war. 12596 Affidavits versichern, daß weder Äußerungen der SS-Führung noch Erklärungen Hitlers die Beherrschung Europas als Ziel der SS erkennen ließen.

Eine wichtige Gruppe erscheint mir die nächste, IV. Sie faßt die Affidavits zusammen, die sich zur Frage der Beteiligung der SS-Angehörigen an den Verbrechen beschäftigen, die in der Anklage behauptet sind.

Die erste Frage untersucht die Teilnahme an dem KZ-Wesen. 2866 Affidavits sind hierzu abgegeben worden. Sie stammen meist von Wachtposten, einige auch von ehemaligen KZ-Häftlingen, einige vom Küchen- und Werkstattpersonal. Sie beschäftigen sich mit der Behandlung der Häftlinge und mit dem Verhalten des Wachtpersonals. Sie zeigen natürlich nur, wie die Wachtposten von ihrem Blickfeld aus die KZ-Verhältnisse und das Häftlingsleben sahen. Sie geben einen Querschnitt durch fast sämtliche Konzentrationslager und Arbeitslager. Sie vermitteln ein anschauliches und einheitliches Bild von der Unmöglichkeit, sich einen Einblick in die Verhältnisse zu verschaffen, selbst für solche, die in der Nähe der Lager und der Häftlinge tätig waren. Sie geben ein einheitliches Bild über den Grad der Unkenntnis über die Zustände in den Lagern und auch über die Gründe hierfür, nämlich die Anordnungen äußerster Geheimhaltung. 2385 Affidavits bekunden, daß dauernd Belehrungen gegeben wurden über das Verhalten des Bewachungspersonals. Es werden Beispiele von Bestrafungen wegen Mißachtung dieser Vorschriften, insbesondere wegen Mißhandlungen angeführt. Sehr aufschlußreich ist die Bemerkung vieler Affidavits, daß das Verhältnis zwischen Wacht- und Kommandanturpersonal nicht nur kühl war, sondern sogar sehr gespannt.

Häftlinge selbst, deren Affidavits vorgelegt werden, bestätigen, daß eine große Schuld an den Mißständen den eigenen Häftlingskapos zur Last fällt, die selber häufig Verbrecher waren.

Die Frage der Beteiligung von SS-Angehörigen an sogenannten Massenvernichtungen, also in Vernichtungslagern, die von den Konzentrationslagern wohl zu unterscheiden sind, wird in den Affidavits überhaupt nicht berührt. Wir haben ja von verschiedenen Zeugen gehört, daß diese Lager ein ganz besonderes Leben führten und mit nur sehr wenigen SS-Männern oder Männern in SS-Uniform belegt waren.

Ich komme zu einem anderen Punkt. Einen Querschnitt durch alle bekannten Divisionen der Waffen- SS bieten 8242 Affidavits zur Frage der völkerrechtswidrigen Behandlung von Kriegsgefangenen. 4306 bestätigen die Durchführung ständiger Belehrungen über korrektes Verhalten vor jedem Einsatz. Zahlreiche Affidavits bringen auch gerade Beispiele von besonders guter Behandlung von Kriegsgefangenen.

13613 Affidavits beschäftigen sich mit der Frage der völkerrechtswidrigen Behandlung der Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten. Es lagen dazu keine Befehle vor; es wurden ständige Belehrungen über korrektes Verhalten vorgenommen. Die Masse der SS-Angehörigen kann nur von einem guten Verhältnis zur Zivilbevölkerung der besetzten Gebiete berichten. In keinem Affidavit wird von der Beteiligung der SS an der Aussiedlung oder an Verschleppungen zur Sklavenarbeit gesprochen. In wenigen Erklärungen wird darauf hingewiesen, daß der Arbeitseinsatz keine Angelegenheit der SS gewesen sei.

Nur ganz wenige Affidavits berühren das Gebiet der biologischen Experimente. Sie stammen von Leuten aus dem KZ-Wesen. Diese wenigen sagen, sie hätten gehört, daß sich die Häftlinge freiwillig zu Versuchen gemeldet hätten.

1271 Affidavits beschäftigen sich mit dem sogenannten Röhm-Putsch. Die Allgemeine SS sei an den Vorgängen, nicht beteiligt gewesen. Ein Teil wäre alarmiert gewesen, aber nicht bewaffnet und nicht eingesetzt.

Zum 9. November 1938 bilden 4407 Affidavits einen Querschnitt durch die verschiedensten Einheiten der SS, durch Oberabschnitte, Abschnitte und Standarten der SS, durch fast alle Städte Deutschlands und alle Gegenden. Es wird mit besonderer Eindringlichkeit erklärt, daß gerade die SS an diesen Ausschreitungen nicht teilgenommen habe.

VORSITZENDER: Dr. Pelckmann! Ich nehme an, daß Sie jetzt die Zusammenfassung der 136000 eidesstattlichen Versicherungen verlesen, stimmt das?

RA. PELCKMANN: Jawohl.

VORSITZENDER: Wörtlich?

RA. PELCKMANN: Ja, Euer Lordschaft, wenn die...

VORSITZENDER: Ich habe Sie gefragt, ob Sie es jetzt wörtlich verlesen.

RA. PELCKMANN: Sowie die Übersetzung...

VORSITZENDER: Das ist keine Antwort auf meine Frage. Ich habe Sie gefragt, ob Sie wörtlich verlesen.

RA. PELCKMANN: Nein, ich gebe nur ein Resumé, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Ich glaube, wir schalten jetzt eine Pause ein.