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[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

DR. SERVATIUS: Herr Vorsitzender! Darf ich zu der Reihenfolge der Plädoyers der Organisationen kurz eine Angabe machen?

Ich überreiche dann hier eine Aufstellung, die auf einer kurzen Rücksprache mit den Kollegen beruht. Danach könnten ab Donnerstag/Freitag sprechen: Politische Leiter und Gestapo, dann ab Montag SS und SD, Dienstag Generalstab, Reichsregierung, und Mittwoch SA.

Ich habe in einer zweiten Spalte angegeben, bis wann die Dokumente zur Übersetzung abgegeben werden können, und in der letzten Spalte ist aufgeführt, wann die Plädoyers voraussichtlich gehalten werden können. Wenn also Samstag keine Sitzung ist, könnte der Freitag mit Plädoyers ausgefüllt werden von Politischen Leitern und Gestapo. Das wollte ich sagen.

VORSITZENDER: Sie meinen, Freitag dieser Woche könnte mit Plädoyers für die Politischen Leiter ausgefüllt werden?

DR. SERVATIUS: Jawohl, und dann die Gestapo. Wenn Samstag frei ist, könnte am Montag die SS beginnen, so daß dann keine Unterbrechung eintreten würde. Die Schwierigkeit liegt auch noch bei der Übersetzungsabteilung, ob sie mitkommt mit diesem Tempo.

VORSITZENDER: Ich nehme an, daß die Schwierigkeit der Übersetzungsabteilung teilweise darin besteht, daß sie nichts zu übersetzen hat.

DR. LATERNSER: Herr Vorsitzender! Das Gericht wollte Mitteilung darüber haben, ob auf Grund des Hoßbach-Dokuments auch eine Orientierung stattgefunden habe. Wie sich aus dem Dokument selbst ergibt, hat Hoßbach Hitler über die Existenz dieses Protokolls orientiert und es ihm zweimal zum Lesen vorgelegt; aber Hitler hat abgelehnt, es abzuzeichnen. General Hoßbach erinnert sich nicht, ob er das Protokoll dem Generaloberst von Fritsch vorgelegt habe, sicher habe er es aber dem Generaloberst Beck vorgelegt. Er gibt dann weiter an, daß dieses Protokoll von den Teilnehmern an der Besprechung nicht unterzeichnet worden sei.

VORSITZENDER: Es ist doch von Blomberg paraphiert worden, steht da.

DR. LATERNSER: Jawohl, paraphiert, aber nicht unterschrieben. Darf ich fortfahren, Herr Vorsitzender?

VORSITZENDER: Gewiß, gewiß!

DR. LATERNSER: Aus den Affidavits 213 a, b und c ergibt sich, daß wichtigste Dienststellen von dieser Besprechung des 5. November 1937 nicht unterrichtet worden sind. Zahlreiche Offiziere befassen sich mit dem Nachweis, daß Ausrüstung und Ausbildung der Wehrmacht den Gedanken an einen Angriffskrieg ausschlossen, was sich aus den Affidavits Nummer 223 bis 225, 220 und 277 ergibt. Mit der durchaus gegensätzlichen Beurteilung der Lage durch Wehrmacht einerseits und Hitler andererseits beschäftigt sich Generaloberst Adam in Affidavit Nummer 211.

Der Feldmarschall von Weichs entkräftet mit Affidavit Nummer 215 die Auffassungen des Feldmarschalls von Blomberg in dessen Affidavit Nummer 3, US-536. Durch Feldmarschall Sperrle wird in den Affidavits Nummer 237 und 237a berichtet, daß er und Reichenau den Zweck ihres Besuches auf dem Berghof anläßlich der Schuschnigg-Konferenz im Februar 1938 nicht gekannt haben. Hitler habe sich erst später über dieses Ereignis, allerdings dann ziemlich drastisch, geäußert.

Die überraschende Anordnung zum Einmarsch in Österreich zwang die Truppe zur Improvisation, das ergeben die Affidavits Nummer 238 bis 244. Das gleiche gilt für die Besetzung der restlichen Tschechoslowakei, wofür ich auf die Affidavits Nummer 246, 252 und 254 Bezug nehme.

General Warlimont führt in dem Affidavit Nummer 217 aus, wie bis zum Tage des Angriffs auf Polen mit einem friedlichen Ausgang der Spannungen gerechnet wurde. Das gleiche ergeben die Affidavits Nummer 227, 246 und 255 bis 257. Äußerungen Hitlers, die die Generale in dieser Auffassung bestärkten, behandeln die Erklärungen Nummer 219, 211, 212 und besonders Nummer 277.

Die Überraschung, die der endgültige Marschbefehl gegen Polen hervorrief, ergibt sich aus den Affidavits Nummer 228 bis 231, sowie aus Nummer 255, 256 und 257.

Der Marine war durch Großadmiral Raeder im Juli 1939 noch mitgeteilt worden, daß ihm die politische Führung eindeutig versichert habe, mit irgendwelchen kriegerischen Verwicklungen sei in den nächsten Jahren nicht zu rechnen. Das ergibt sich aus dem Affidavit Nummer 3115 des Konteradmirals Kratzenberg. Das deutsche Schlachtschiff »Gneisenau« befand sich bei Kriegsausbruch mit dem schriftlichen Befehl, daß mit kriegerischen Verwicklungen nicht zu rechnen sei, ohne Munitionsausstattung auf Ausbildungsfahrt bei den Kanarischen Inseln. Das ergibt sich aus dem Affidavit des Admirals Foerste, Nummer 3114, und nach Admiral Backenköhlers Affidavit Nummer 3116 herrschte infolge mangelnder Produktionsvorbereitung noch im August 1940 Mangel an Torpedos für die damals noch geringe Anzahl der U-Boote.

Nur wenige Offiziere erfuhren von der Vorbereitung des Norwegen-Feldzuges. Das ergibt sich aus Affidavit Nummer 259, und aus den Erklärungen Nummer 263, 264, 266, 267 und 269 ergeben sich Äußerungen Hitlers, keinen Zweifrontenkrieg riskieren zu wollen.

Ich kann leider das außerordentlich eingehende Material aus Zeitmangel nicht ausführlicher zitieren und muß mich auch bezüglich des Rußlandfeldzuges auf kurze Verweisungen beschränken. Er nahm sich auch nach den vorliegenden Meldungen, die den Generalen bekanntgegeben worden sind, als Präventivkrieg aus. Das ergibt sich aus den Affidavits Nummer 270a bis 270 n, sowie 271, 272, 274 und 275.

Ich verweise weiter auf die Dokumente Mil-14, die sich auf den Seiten 83 bis 96 in meinem Dokumentenbuch I befinden. Der Hinweis genügt.

Ich wende mich nunmehr dem Beweisvorbringen zu einzelnen Punkten zu, das ich in folgender Reihenfolge vortragen werde:

1. Beziehungen zu Einsatzgruppen

2. Kommissarbefehl

3. Bandenkampf

4. Gefangenenbehandlung

5. Zerstörungen

6. Behandlung der Zivilbevölkerung

7. Handhabung der Gerichtsbarkeit im Osten

8. Kommandobefehl

9. Arbeiterdeportation

10. Verbrechen gegen Kriegsrecht und Humanität.

Zunächst zu Einsatzgruppen:

Die Anklage behauptet, daß die Einsatzgruppen den Oberbefehlshabern in jeder Hinsicht unterstanden haben und hat sich zum Beweise bezogen

1. auf die Aussagen Ohlendorf

2. Aussagen Schellenberg

3. Urkunde L-180

4. Affidavit 16 des Generals Röttiger und schließlich

5. auf das Affidavit 18 des SS-Führers Rode.

Ich werde nunmehr dem Gericht darlegen, daß diese Beweise der Anklagebehörde nicht schlüssig sind. Darüber hinaus führe ich den Gegenbeweis, daß die behaupteten Beziehungen nicht bestanden haben, so daß die Verbrechen, die von den Einsatzgruppen begangen worden sind, dem von mir vertretenen Personenkreis nicht zur Last gelegt werden können.

Erstens: Zur Zeugenaussage Ohlendorf verweise ich auf die Affidavits Nummer 703 und 703a des General Woehler, die in Übersetzung vorliegen und die die Aussage des Ohlendorf in den Belastungspunkten widerlegen.

Ich möchte insbesondere die Aufmerksamkeit des Gerichts darauf lenken, daß General Woehler zu jener Zeit der Stabschef der 11. Armee war, mit dem der Zeuge Ohlendorf in dem von ihm behaupteten belastenden Sinne verhandelt haben will. Die Affidavits des Generals Woehler widersprechen vollständig der Aussage Ohlendorfs.

Zweitens: Das von der Anklage vorgelegte Affidavit Nummer 12 des Zeugen Schellenberg, US-557, baut sich – worauf ich die Aufmerksamkeit des Gerichts lenken möchte – in der Hauptsache auf Vermutungen auf. Ich habe den Zeugen Schellenberg vor der Kommission einem längeren Kreuzverhör unterzogen, das das Gericht auf den Seiten 3524 bis 3554 des Kommissionsprotokolls nachlesen kann, worum ich ausdrücklich bitten möchte, weil sich aus diesem Kreuzverhör ergibt, daß der Zeuge nicht in der Lage war, Tatsachen anzugeben, auf die er seine Vermutungen gründen kann.

Schellenberg behauptet eine zwischen General Wagner und SS-Führer Heydrich getroffene Vereinbarung, daß die Einsatzgruppen im Operationsgebiet voll den Oberbefehlshabern unterstellt worden seien. Ich lege dem Gericht gegenbeweislich das Affidavit Nummer 704 des Generalrichters Mantel vor, der mit dem im Verlauf des 20. Juli 1944 zu Tode gekommenen General Wagner gerade über diesen Punkt gesprochen und die eindeutige Erklärung erhalten hat, daß die Einsatzgruppen nicht den militärischen Kommandobehörden, sondern nur dem Reichsführer-SS unterstellt seien.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die von der Anklage vorgelegte Urkunde Nummer 447-PS, auf den Seiten 99 und 100 meines Dokumentenbuches I, aus deren Seite 2 zu Ziffer 2b eindeutig hervorgeht, daß der Reichsführer-SS, also Himmler, im Operationsgebiet des Heeres Sonderaufgaben erhalte und er im Rahmen dieser Aufgaben selbständig und in eigener Verantwortung handle.

Das ergibt sich aus den Seiten 99 und 100 des Dokumentenbuches I, einer Urkunde, die von der Anklage selbst vorgelegt worden ist.

Der Zeuge Schellenberg erwähnt in dem Affidavit Nummer 12 die enge Zusammenarbeit der Panzergruppe 4 unter Generaloberst Höppner mit den Einsatzgruppen.

Ich möchte die besondere Aufmerksamkeit des Gerichts darauf lenken, auf welche Weise diese Aussage zu diesem Punkt zustandegekommen ist. Dem Zeugen ist während seiner Vernehmung durch die Anklagebehörde der Bericht der Einsatzgruppea vorgelegt worden. Aus diesem Bericht hat der Zeuge Schellenberg die in diesem behauptete enge Zusammenarbeit zu seinem eigenen Wissen gemacht und dieses Wissen dann in seinem Affidavit verwertet. Ich möchte aus diesem Grunde eine Stelle des Kreuzverhörs vor der Kommission zitieren:

»Frage:...«

VORSITZENDER: Dr. Laternser! Sie argumentieren doch jetzt, nicht wahr? Wir wollen jetzt keine Argumente hören. Ich meine, Sie weisen uns jetzt auf den Fall der Anklage hin, und Sie argumentieren über die Affidavits die Sie vorlegen, und behaupten, diese würden der Anklagebehörde gegenüber eine befriedigende Antwort darstellen. Nun, das ist jetzt nicht notwendig.

DR. LATERNSER: Ich glaube, Herr Präsident, ich bin dann mißverstanden worden. Ich stelle gegenüber: Behauptung der Anklage, Beweis der Verteidigung. Damit das Gericht sieht, aus welchem Grunde ich den Beweis führe, muß ich diesen Beweis in Beziehung setzen mit der Behauptung der Anklage.

VORSITZENDER: Das haben Sie schon getan, und, wenn ich so sagen darf, sehr zufriedenstellend. Sie haben bis jetzt zehn verschiedene Kategorien dieser einzelnen Punkte angeführt, und Sie verweisen uns jetzt auf Ihre Beweisführung über die Einsatzgruppen. Das ist alles, was wir brauchen, aber keine Hinweise oder allenfalls Argumentation bezüglich der Beweisführung der Anklage im Hinblick auf die Einsatzgruppen. Wenn Sie uns weiterhin Hinweise auf Ihre Affidavits über die Einsatzgruppen geben wollen, würde uns das vollkommen genügen.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Ich bedaure, noch etwas sagen zu müssen. Ich kann Beweis führen, indem ich das Anklagematerial entkräfte oder indem ich Gegenbeweis erbringe. Ich möchte in diesem Fall dem Gericht zeigen, daß das Affidavit des Zeugen Schellenberg, das die Anklage vorgelegt hat und in dem der Zeuge von besonders engen Beziehungen der Einsatzgruppe mit Höppner spricht, nicht Wissen des Schellenberg ist, sondern daß er es über...

VORSITZENDER: Das verstehe ich schon. Hier heißt es, daß Ohlendorf und Schellenberg Zeugen für die Anklagebehörde sind, die aussagen, daß das Oberkommando mit den Einsatzgruppen zu tun hätte und ihnen tatsächlich Befehle gegeben hat. Das ist eine Sache, die Sie bestreiten, und Sie weisen uns auf die Aussage hin, von der Sie behaupten, sie würde das bestreiten. Den Beweis der Anklagebehörde brauchen Sie uns doch nicht vorzulegen. Sie haben uns gesagt, um was es sich handelt: Ohlendorf, Schellenberg und L-180.

Wollen Sie fortfahren?

DR. LATERNSER: Darf ich eine kurze Stelle der Aussage Schellenberg zitieren?

VORSITZENDER: Nein.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Das ist ja Beweismittel, das ich vor der Kommission erzielt habe und jetzt nur durch kurzes Zitat dem Gericht unterbreiten möchte!

VORSITZENDER: Aber sehen Sie, das wird doch dann Argumentation, und es ist nicht mehr lediglich Erklärung. Wir wollen es rein auf Erläuterungen beschränken, die Sie zu Ihren Beweismitteln geben können. Wenn Sie anfangen, den Beweisvortrag der Anklagebehörde zu kommentieren, wird es nach Meinung des Gerichtshofs Argumentation.

Nun, wenn Sie sich kurzfassen, können Sie auf diese Stelle Bezug nehmen, die anscheinend zu Ihrer Beweisführung gehört.

DR. LATERNSER: Ganz kurz das Zitat:

»Frage: Sie haben keine Bedenken gehabt, Urkunden, die Ihnen gerade vorgelegt worden sind, dann in Ihren Aussagen, die Sie ja beschworen haben, sofort zu verwerten?

Antwort: Bitte, Herr Rechtsanwalt Dr. Laternser, was verstehen Sie unter ›verwerten‹?

Frage: Sie haben diesen Bericht zum Gegenstand Ihrer Aussage gemacht.

Antwort: Befragt unter Eid, mußte ich ja dazu Stellung nehmen.«

Ich will mit diesem Zitat nur beweisen, daß das Wissen des Zeugen Schellenberg zu diesem Punkt nicht sein eigenes Wissen ist.

Der Zeuge gibt dann in seinem Affidavit 12 weiter an, er sei zur Überzeugung gekommen, daß in der Besprechung Wagner-Heydrich die zukünftige Tätigkeit der Einsatzgruppen, auch was geplante Massenhinrichtungen anbelangt, vermutlich erörtert und festgelegt worden sei.

Zu diesem Punkt verweise ich nur auf das Ergebnis des Kreuzverhörs. Es ergibt sich dort ganz eindeutig, daß sich der Zeuge Schellenberg die Vermutung, daß General Wagner und Heydrich in jener Besprechung im Jahre 1941 über geplante Massenhinrichtungen gesprochen haben, erst im Jahre 1945 gebildet hat.

Der Zeuge Schellenberg gibt dann weiter an, daß er im Juni 1941 einer Ic-Besprechung beigewohnt habe, die mehrere Tage gedauert hat, daß er aber nur bei einer dieser Besprechungen zugegen war. Er sagt dann in seinem Affidavit, daß den Ic-Offizieren vermutlich bei den folgenden Besprechungen die beabsichtigten Massenvernichtungen bekanntgegeben worden seien. Und er knüpft in diesem Affidavit die weitere Vermutung an, daß auch die Oberbefehlshaber durch diese vermutlich orientierten Ic-Offiziere von den geplanten Massenvernichtungen orientiert worden seien.

Ich werde nunmehr dem Gericht nachweisen, daß beide Vermutungen, die Schellenberg zur Belastung zum Ausdruck gebracht hat, mit der Wahrheit in Widerspruch stehen. Ich lege dem Gericht die Affidavits Nummer 701 und 701a vor, die in Übersetzung vorliegen. In dem Affidavit Nummer 701 gibt ein Teilnehmer dieser Ic-Besprechung an, es ist General von Gersdorff, daß von geplanten Massenvernichtungen nicht gesprochen worden sei, und die gleiche Tatsache bestätigt Generalmajor Kleikamp gleichfalls unter seinem Eid. Ich habe dem Schellenberg beim Kreuzverhör eine dieser eidesstattlichen Erklärungen vorgelegt und ihn folgendermaßen befragt: – Ich zitiere von Seite 3552. – Das ist eines der wenigen wörtlichen Zitate, die ich wegen ihrer Wichtigkeit vornehmen möchte...

VORSITZENDER: Worauf wollen Sie sich beziehen? Ein Kreuzverhör vor dem Gerichtshof?

DR. LATERNSER: Jawohl...

VORSITZENDER: Vor dem Gerichtshof, oder vor wem?

DR. LATERNSER: Vor der Kommission, Herr Präsident.

Gut, ich verzichte auf die Verlesung, Herr Präsident. Ich verweise das Gericht nur auf Seite 3552 des Protokolls vor der Kommission, das mit diesem Punkt im besonderen Zusammenhang steht.

Das Affidavit des Generals Röttiger, US-560, kann nach Durchführung des Kreuzverhörs vor der Kommission von der Anklagebehörde in dem von ihr gewünschten Sinne jetzt nicht mehr verwertet werden. Ich. sehe auch hier von Zitaten ab, obwohl ich sie sehr gerne zitieren würde, und verweise das Gericht auf die Seiten 3318 bis 3324.

Bezüglich der Aussage des SS-Führers Rode, Affidavit Nummer 18, US-563, den ich leider nicht ins Kreuzverhör nehmen konnte, verweise ich darauf, daß der Zeuge selbst mit den Worten beginnt:

»Soviel mir bekannt ist, waren die Einsatzgruppen voll unterstellt...« Gegenbeweislich besitze ich zu diesem Punkt 52 eidesstattliche Erklärungen, denen ich die Nummern 701 bis 752 gegeben habe. Die Affidavits 704, 705, 707, 710 bis 752 stellen völlig klar, daß eine Unterstellung der Einsatzgruppen niemals erfolgt ist. Das Affidavit 706 ergibt außerdem, daß Feldmarschall von Kleist als Führer einer Heeresgruppe schon auf das bloße Gerücht hin, daß Juden ermordet würden, sofort eingeschritten ist, sich den Höheren SS- und Polizeiführer kommen ließ und ihm gegenüber zum Ausdruck brachte, daß er Ausschreitungen gegen die Juden nicht dulden würde. Dieser SS-Führer versicherte ihm, daß keine Ausschreitungen gegen die Juden erfolgten und er auch keinen Befehl dazu habe.

Ich verweise das Gericht ferner auf das Affidavit Nummer 709, aus dem sich ergibt, daß General der Panzertruppen, Freiherr Geyr von Schweppenburg, den Führer eines Einsatzkommandos, der ihn aufsuchte und vorgab, mit der politischen Befriedung beauftragt zu sein, sofort aus dem Operationsgebiet gewiesen hat.

Ich verweise auf das Affidavit 712a des Generals von Knobelsdorff, der einen SD-Führer verhaften ließ, weil er 50 bis 60 Personen erschießen lassen wollte, die angeblich nach Aussagen von Vertrauensleuten deutschfeindlich wären und die Absicht hätten, gegen die deutsche Truppe Sabotageakte zu vollführen. Ein Beweisstück erscheint mir in diesem Zusammenhang noch von besonderer Wichtigkeit zu sein, und zwar das Affidavit 1637 des Generals Kittel. Nach diesem Affidavit ist der Volksdeutsche Bürgermeister von Marinka wegen Verbrechen an einer Jüdin von einem Kriegsgericht zum Tode verurteilt und erschossen worden. Wie wäre dieses Urteil zu verstehen, wenn auf der anderen Seite die militärischen Führer die Ermordung von vielen Tausenden von Juden befohlen oder geduldet hätten?

Ich verweise schließlich noch auf die Aussagen sämtlicher Zeugen vor der Kommission, die bekundet haben, daß die Einsatzgruppen der Wehrmacht nicht unterstanden haben.

Nun zum Kommissarbefehl.

Die Anklage hat hierzu das Affidavit Nummer 24, US-565, des Oberst von Bonin vorgelegt, nachdem dieser Befehl für alle Einheiten des Ostheeres gegolten habe. Aus dem gleichen Affidavit ergibt sich aber schon, daß dieser Befehl durch den Kommandierenden General des 47. Panzerkorps, General Lemelsen...

VORSITZENDER: Dr. Laternser! Sie kommentieren jetzt wieder Aussagen der Anklagebehörde, und zwar US-565. So verstehe ich es wenigstens.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Ich glaube, ich bin mißverstanden worden. Ich habe nur auf einen Teil dieser Urkunde verwiesen, auf den die Anklage nicht verwiesen hatte.

VORSITZENDER: Die eidesstattliche Versicherung liegt doch wohl als Beweismittel vor, und zwar als Beweisstück der Anklagebehörde, und Sie kommentieren es; wir wollen das nicht. Sie sollen Ihre eigene Beweisführung vorbringen. Fahren Sie bitte fort.

DR. LATERNSER: Die Widerlegung der Anklage bezüglich des Kommissarbefehls ergänze ich durch weitere eidesstattliche Erklärungen. Ich habe dazu insgesamt 82 der Kommission überreicht, die die Nummern 301 bis 376 tragen.

Ich würde an sich sehr gerne etwas ausführlicher auf diesen Punkt eingehen. Ich möchte es aber in Anbetracht der Eiligkeit unterlassen und nur auf besondere Punkte hinweisen, auf die ich jedoch unbedingt hinweisen muß.

Die Aussage des Generals Warlimont im Affidavit Nummer 301a zeigt den Widerstand gegen den Befehl schon bei seiner Entstehung im OKW und OKH und die vergeblichen Versuche, ihn überhaupt zu verhindern. Der Chef des Generalstabs des Heeres, Generaloberst Zeitzler, hat sofort bei Hitler gegen diesen Befehl Stellung genommen, und seinen energischen Gegenvorstellungen ist es zu verdanken, daß die Aufhebung des Befehls erreicht wurde. Das ergibt sich aus der Urkunde 302b. Ich bitte, aus dieser wichtigen Urkunde einen Absatz zitieren zu dürfen; es ist 301b.

VORSITZENDER: Ich dachte 302b. Welches ist die richtige Nummer?

DR. LATERNSER: Ja, ich glaube, hier ist ein Irrtum eingetreten. In der Liste, die Herrn Präsidenten vorliegt, hat dieses Dokument die Nummer 301b.

VORSITZENDER: Ich verstehe.

DR. LATERNSER: Ich zitiere:

»Nach meinem Dienstantritt als Chef des Generalstabs des Heeres bin ich in einem Gespräch unter vier Augen mit Adolf Hitler auf diesen Befehl sehr ernst und deutlich, und ihn ausführlich von allen Seiten beleuchtend, zu sprechen gekommen. Adolf Hitler war damals, wie ich mich entsinne, sehr beeindruckt davon. Das fiel mir auf, weil er ja sonst seine einmal festgelegte Ansicht in solchen Fragen nie änderte, und einem, wenn man solche Fragen anrührte, sofort das Wort abschnitt. Deshalb bin ich mehrmals darauf zurückgekommen und glaube, eine Änderung seiner Einstellung erreicht zu haben.«

Auf die übrigen eidesstattlichen Erklärungen verweise ich.

Ich möchte insbesondere hinweisen auf das Affidavit 315. Aus diesem ergibt sich nämlich, daß Generaloberst Höppner der Oberbefehlshaber der Panzergruppe 4, in derselben Weise gehandelt hat wie auch die anderen Oberbefehlshaber, also den Befehl nicht durchführte.

Ich beziehe mich dann auf die eidesstattlichen Erklärungen 324 a, b und c. Mit diesen Urkunden widerlege ich die Russische Anklage auf Seite 1 des Dokuments, USSR-62. Der General der Panzertruppe Nehring bestätigt ausdrücklich in dieser eidesstattlichen Erklärung, daß der Befehl in seinem Bereich nicht durchgeführt worden ist. Diese Aussage wird bestätigt durch Affidavit 336.

VORSITZENDER: Fahren Sie fort, Dr. Laternser.

DR. LATERNSER: Die Aussage des Generalmajors Pape, und zwar in Affidavit Nummer 333, widerlegt auch für den Bereich dieser Division, und zwar derselben Division, die damals von dem späteren Feldmarschall Model geführt worden ist, die Russische Anklage gemäß USSR-62, die eine Aussage des Soldaten Trest zugrunde legt. In dieser Division ist zur Zeit, als Feldmarschall Model, natürlich in einem niedrigeren Dienstgrad, diese Division führte, der Befehl niemals durchgeführt worden.

Die Aussage des Admirals Schmundt in Affidavit 349 zeigt, daß der Befehl auch in der Marine, für die er ja an sich nur untergeordnete Bedeutung hatte, auf Ablehnung stieß.

Daß auch bei den verbündeten Truppen keine völkerrechtswidrige Behandlung der russischen Kommissare stattfand, bezeugt die Aussage des Oberstleutnants Fellmer – Affidavit 376 – hinsichtlich der 13. rumänischen Division und für den Bereich des italienischen Expeditionskorps; er hatte den Befehl nicht zur Weitergabe erhalten und auch nicht weitergegeben.

Ich bitte das Gericht, die Zusammenfassung, die in der Liste über die eidesstattlichen Erklärungen zum Kommissarbefehl enthalten ist, besonders eingehend studieren zu wollen, weil sich aus der Summe ergibt, daß der Befehl nicht durchgeführt worden ist. Ich wäre sicher in der Lage gewesen, noch weitere Beweise zu diesem Punkt vorzubringen, wenn mir noch weitere Zeit zur Verfügung gestanden haben würde.

VORSITZENDER: Sie haben schon auf 75 Affidavits Bezug genommen, ich denke, das genügt. Ich sage, Sie haben sich schon auf 75 Affidavits bezogen.

DR. LATERNSER: Zum Bandenkampf: Die Anklage behauptet, daß dieser Kampf, insbesondere im Osten, völkerrechtswidrig geführt worden sei. Zum Beweis für diese Behauptungen hat die Anklage sich bezogen auf das Affidavit Nummer 15 des Generals Röttiger, US-559, auf das Affidavit Nummer 20 des Generals Heusinger, US-564, auf das Affidavit Nummer 17, US-562, und auf die Aussagen des Zeugen von dem Bach-Zelewski.

Ich habe vor der Kommission die Zeugen Röttiger und Heusinger ins Kreuzverhör genommen und bitte das Gericht, von diesen Protokollen Kenntnis zu nehmen. General Röttiger hatte mit seinem Affidavit Nummer 15, US-559, eine ungewöhnlich schwere Belastung hervorgerufen.

Ich bitte das Gericht, einige Stellen über die Vernehmung vor der Kommission zu diesem Punkte verlesen zu dürfen.

General Röttiger hatte nämlich behauptet, daß Befehle des OKH vorgelegen hätten, mit schärfsten Mitteln durchzugreifen, ferner, daß die Zahl der Gefangenen des Feindes...

VORSITZENDER: Dr. Laternser! Wir müssen nicht diese Einzelheiten in Betracht ziehen, sondern den verbrecherischen Charakter der angeklagten Organisation: Erstens, ob sie eine Organisation im Sinne des Statuts ist, und zweitens, ob sie verbrecherisch ist.

Hier wollen Sie unsere Aufmerksamkeit auf Einzelheiten des Bandenkampfes in Ihrem Kreuzverhör eines Zeugen vor der Kommission lenken. Wie ich Ihnen dargelegt habe, haben wir fast 3000 eidesstattliche Versicherungen in Ihrem Fall in Betracht zu ziehen. Wenn Sie uns nur die Nummern der Affidavits geben wollten, die, wie Sie sagen, auf gewisse Angelegenheiten Bezug nehmen, dann werden wir wissen, was sich auf diese Angelegenheiten bezieht und werden es in Betracht ziehen können.

DR. LATERNSER: Diese Einzelheiten hat aber die Anklage vorgetragen, sie sind besonders belastender Natur, und ich will deren Gegenteil beweisen...

VORSITZENDER: Ja, sie hat das getan, und wir haben den entsprechenden Hinweis. Sie sind in den Affidavits US-559 bis 564 vorgelegt worden, und ich weiß auch genau, daß Sie den Zeugen ins Kreuzverhör genommen haben. Ich will aber jetzt wissen, auf welche eidesstattliche Versicherungen als Antwort auf die Ausführungen der Anklagebehörde bezüglich des Partisanenkampfes Sie unsere Aufmerksamkeit lenken wollen.

DR. LATERNSER: Ich lenke die Aufmerksamkeit des Gerichts auf das Kommissionsprotokoll. Ergebnis des Kreuzverhörs ist, daß das von der Anklage vorgelegte Affidavit des Generals Röttiger nicht mehr besteht. Zum Gegenbeweis beziehe ich mich auf die Affidavits 901 bis 1043 und, was die Niederschlagung des Warschauer Aufstandes anlangt, auf die Affidavits 1501 bis 1507. Im einzelnen dazu:

Die Erklärungen 901 bis 905 enthalten allgemeine Abhandlungen über den Bandenkrieg und seine Bekämpfung auf allen Kriegsschauplätzen. Besonders beachtenswert ist das Affidavit 903 des Feldmarschalls von Weichs. Die Affidavits 906 bis 931 geben Beispiele von der Kampfesweise der Banden, während in den Erklärungen 906 bis 920 besonders grausame Handlungen der Banden beschrieben sind.

Die Affidavits 921 bis 924 beweisen das völkerrechtswidrige Auftreten der Banditen, was Kleidung, Waffen und Einzelheiten anlangt.

Durch die Affidavits Nummer 925 bis 931 wird das Ausmaß der Sabotageakte an Eisenbahnen beschrieben. Daß deutscherseits dennoch nach den Regeln des Völkerrechts gekämpft worden ist, beweisen die Affidavits Nummer 932 bis 970. Aus ihnen ergibt sich, daß die Bandenangehörigen wie Kriegsgefangene behandelt worden sind.

Aus den eidesstattlichen Erklärungen 972 bis 1032 ergibt sich, daß von Befehlen oder Absichten der Obersten Führung, die Bandenbekämpfung zum Zwecke der Ausrottung von Juden oder Slawen zu führen, im Bereiche der Front keine Rede gewesen ist.

Die Affidavits 1033 bis 1040 und 1050 befassen sich mit dem Vorwurf gegen den Oberbefehlshaber der 18. Armee, daß er am 30. Oktober 1942 befohlen habe, alle Bandenangehörigen ohne Unterschied zu erschießen. Hierzu verweise ich auf die eidesstattliche Erklärung des Generaloberst Lindemann selbst, das war nämlich der Oberbefehlshaber der 18. Armee, aus der sich ergibt, daß ein derartiger Befehl niemals gegeben worden ist. Er bezeichnet die Eintragung im Kriegstagebuch des Wehrmachtführungsstabes, 1786-PS, als unrichtig. Dieses Affidavit liegt in Übersetzung vor.

Die eidesstattliche Erklärung Nummer 1041 des Generals von Mellenthin ist eine Schilderung über ein großes Bandenunternehmen. Trotz eines Antrages der Heeresgruppe Nord beim Oberkommando des Heeres, die Durchführung dem Heer zu übertragen, ist dieses Unternehmen unter der Leitung Himmlers durch General der Polizei von dem Bach-Zelewski durchgeführt worden. Dieses Affidavit dient als Gegenbeweis zur Aussage von dem Bach-Zelewski, in der er sich selbst nur als Meldesammelstelle bezeichnet hatte. Zum Gegenbeweis dafür, daß diese Behauptung des Zeugen von dem Bach-Zelewski unrichtig ist, verweise ich weiter auf die Aussage des Zeugen Heusinger vor der Kommission.

Über die Niederwerfung des polnischen Aufstandes in Warschau besagen die Affidavits 1501 bis 1507, insbesondere die Erklärung des Generaloberst Guderian, 1501, daß:

1. General der Polizei von dem Bach-Zelewski mit der Niederschlagung des Aufstandes beauftragt war,

2. er für diese Aufgabe vom Reichsführer-SS Himmler eingesetzt war und diesem unmittelbar unterstand,

3. daß er von diesem Befehle erhalten hat, also weder vom Oberkommando des Heeres noch von der Heeresgruppe Mitte, noch von der 9. Armee,

4. daß die Masse der in Warschau eingesetzten Truppen aus SS- und Polizeitruppen bestand, darunter auch die SS-Brigade Kaminski,

5. daß die besonderen Greueltaten gegen die Bevölkerung in Warschau durch die aus Ostbevölkerung bestehende SS-Brigade Kaminski durchgeführt und diese Brigade zur Verhütung weiteren Unheils aus dem Kampf gezogen und ihre Führer bestraft wurden,

6. daß die 9. Armee für die aus Warschau entweichende Bevölkerung vorbildlich gesorgt hat.

Auf weitere Einzelheiten dieses Affidavits Nummer 1501 möchte ich nicht verweisen.

Als weiteren Beweis dafür, daß die Heeresdienststellen mit der Führung des Kampfes in Warschau nichts zu tun hatten, führe ich die Aussage des Generals von Vormann, Affidavit 1504, an.

Auch das Dokument USSR-128, das sich auf den Seiten 161 und 162 meines Dokumentenbuches II befindet, zeigt, daß die Wehrmachtstellen mit der Zerstörung Warschaus, die 1944 anscheinend beabsichtigt war, nichts zu tun gehabt haben.

Einen besonderen Hinweis möchte ich noch für den Bandenkampf in Italien geben. Die Anklage hat zwei Befehle des dortigen Oberbefehlshabers, Feldmarschall Kesselring, vorgelegt und in diesen Verletzungen des Völkerrechts erblickt. Ich verweise hierzu auf die Vernehmung des Feldmarschalls Kesselring vor der Kommission, Seite 2084 bis 2124 des Kommissionsprotokolls. Der Zeuge hat bei dieser Vernehmung ausdrücklich bekundet, daß er zur Niederschlagung des Aufstandes vorübergehend diese Maßnahmen treffen mußte und es ihm dadurch gelungen ist, der Lage Herr zu werden. Diese Aussagen des Feldmarschalls Kesselring werden durch Affidavit 3004 des Generals Röttiger bestätigt.

Gefangenenbehandlung: Die Anklage wirft den militärischen Führern die Planung, Duldung oder das Begehen von Verbrechen gegen Kriegsgefangene vor, die sie auf allen Kriegsschauplätzen begangen haben sollen. Die Russische Anklage behauptet insbesondere besondere Greueltaten, die ich im einzelnen nicht nennen möchte. Ich werde die Anschuldigungen, soweit sie dem von mir vertretenen Personenkreis zur Last gelegt werden könnten, durch Affidavits widerlegen.

Ich verweise zunächst auf Affidavit Nummer 1101 des Feldmarschalls von Küchler, das sich mit den Grundsätzen der Kriegsgefangenenbehandlung befaßte. Der Oberstleutnant Schäder bekundet im Affidavit 1102, daß er im November 1941 in Orscha an einer Besprechung zwischen dem Generalstabschef, Generaloberst Halder, und den Chefs der drei Heeresgruppen der Ostfront teilgenommen habe, bei der auch die Ernährung der Gefangenen besprochen wurde. Die Heeresgruppen Mitte und Süd, bei denen gerade viele Gefangene angefallen waren, erbaten die Genehmigung, notfalls sogar unter Kürzung der deutschen Truppenverpflegung, auf Heeresbestände zurückgreifen zu dürfen, um den Gefangenen mehr Essen geben zu können. Ich verweise weiter in diesem Zusammenhang auf die eidesstattlichen Erklärungen 1103, 1104, 1104 a, 1105a bis c, 1106 bis 1109 einschließlich.

Ein ganz besonders wichtiges Affidavit ist das Affidavit Nummer 3146 des Generals Gercke. General Gercke war von August 1939 bis Ende des Krieges Chef des Transportwesens im Oberkommando des Heeres. Er schildert, daß die Transporte sowjetischer Kriegsgefangener genauso wie die Transporte anderer Kriegsgefangener behandelt worden sind. Sie wurden als Mannschaftstransporte in geschlossenen Güterwagen durchgeführt. Befehle, die hiervon abweichen, sind nie erteilt worden. Sofern Plattenwagen, wie es von der Anklage behauptet worden ist, verwendet wurden, wurden sie nur sehr selten und nur bei auf kurzen Strecken befindlichen Gefangenentransporten benutzt, zumal ein großer Mangel an dieser Wagenart herrschte. Keinesfalls sind absichtlich Transporte auf offenen Wagen im Winter durchgeführt worden, um die Gefangenen etwa erfrieren zu lassen. Das ergibt sich aus dem Affidavit 3146.

Ich komme nun zur Widerlegung einzelner Punkte der Russischen Anklage auf dem Gebiet der Gefangenenbehandlung. Im Anklagevortrag vom 13. Februar 1946 (Band VII, Seite 384) wird behauptet, daß auf der Insel Khortitsa am Dnjepr Leichen von Rotarmisten gefunden worden seien...

VORSITZENDER: Dr. Laternser! Der Gerichtshof hat bereits gesagt, daß er Ihnen nur einen halben Tag zuzuhören beabsichtigt, und wenn Sie Ihre Ansprache nicht kürzen oder nicht daran denken, sie zu kürzen, sieht es nicht aus, als ob Sie dies ermöglichen würden. Wenn Sie es nicht tun können, müssen wir Ihre Dokumente ohne weitere Erläuterungen annehmen. Sie sollten, wie mir scheint, im Hinblick auf die Kriegsgefangenen uns nur die Nummern der diesbezüglichen Affidavits nennen mit der Bemerkung »ich weise besonders hin auf den oder den Befehl, oder dies oder jenes Affidavit«, und dann werden wir wissen, daß Sie diesen Affidavits besondere Wichtigkeit beimessen; aber sie einzeln zu behandeln, wie Sie es jetzt tun, ist nur eine Zeitverschwendung. Jedenfalls meine ich, daß Sie innerhalb eines halben Tages Ihre Ausführungen über diese Themen abschließen müssen.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Ich muß aber doch Gelegenheit haben, zu den Anschuldigungen, die die Anklage vorgebracht hat, Stellung zu nehmen!

VORSITZENDER: Sie haben diese Gelegenheit jetzt, und zwar schon seit 12.00 Uhr.

DR. LATERNSER: Im Anklagevortrag vom 13. Februar 1946 (Band VII, Seite 384) wird behauptet, daß auf der Insel Khortitsa am Dnjepr Leichen von Rotarmisten gefunden worden seien, denen bei Folterungen Hände abgeschnitten, Augen ausgestochen und der Bauch aufgeschlitzt waren. Diese Behauptung wird widerlegt durch das Affidavit Nummer 1115 des Feldmarschalls von Kleist, der Oberbefehlshaber der dortigen Truppen war. Deutsche Truppen sind auf dieser Insel nicht eingesetzt worden. Dort kämpfte das ungarische Schnelle Korps. Das ergibt sich aus Affidavit Nummer 1115.

Im Nordabschnitt der Ostfront sollen nach dem Anklagevortrag vom 13. Februar 1946 (Band VII, Seite 385) Gefangene als Kugelfang vor den angreifenden deutschen Truppen hergetrieben worden sein. Dies wird eindeutig widerlegt durch die Aussagen des ehemaligen Oberbefehlshabers der 18. Armee, Generaloberst Lindemann, Affidavit Nummer 1116a. Diese Aussagen werden zum gleichen Punkt erhärtet durch das Affidavit des Oberst Nolte, Nummer 3159.

Das russische Dokument USSR-151 und der Anklagevortrag vom 13. Februar 1946 (Band VII, Seite 401 bis 403) enthält die Vernehmung des Generals von Oesterreich, der besonders schwerwiegende Vorwürfe auf dem Gebiete der Gefangenenbehandlung erhebt.

Ich lege zum Gegenbeweis eine eidesstattliche Erklärung vor, und zwar Affidavit 1117, die beweist, daß die Besprechung im Mai 1941 durch von Oesterreich vollständig falsch wiedergegeben worden ist. Es wird insbesondere auch die Behauptung widerlegt, daß befohlen worden sei, auf fliehende Gefangene zu schießen oder arbeitsunfähige Gefangene zu vergiften.

Nach dem Anklagevortrag vom 13. Februar 1946 (Band VII, Seite 423) sollen im Gefängnis Sewastopol zahlreiche Gefangene durch absichtlich schlechte Behandlung getötet worden sein.

Diese Behauptung wird eindeutig widerlegt durch die Aussage des damaligen Armeearztes der 11. Armee, Generalstabsarzt Grosse, in seinem Affidavit Nummer 1118.

Nach dem Anklagevortrag vom 13. Februar 1946 (Band VII, Seite 423) sollen am 4. September oder Dezember 1943 drei Eisenbahnzüge mit Kriegsgefangenen von Kertsch nach Sewastopol gebracht und dort auf See verbrannt oder ertränkt worden sein.

Diese Behauptung wird durch die Aussagen der Generale Deichmann und Röttiger, die beide zu jener Zeit auf der Krim waren, in den Affidavits 3140 und 3007 widerlegt.

Die Russische Anklage versucht, in der Sitzung vom 13. Februar 1946 (Band VII, Seite 429) die harten Kämpfe um die Steinbrüche bei Kertsch zu Bestialitäten der Deutschen zu stempeln. Gas soll verwendet worden sein, und nach Aussagen einer Frau, die offenbar genau gezählt hat, sollen 900 Gefangene mißhandelt oder erschossen worden sein. Dem steht die eindeutige Aussage des damals dort befehlenden Generals Mattenklott entgegen, und zwar ist es Affidavit Nummer 1121.

Das Vorbringen im Dokument USSR-62 und der Anklagevortrag vom 13. Februar 1946 (Band VII, Seite 433), nach dem auf Befehl des Feldmarschalls Model und des Generals Nehring keine Gefangenen gemacht werden sollten, wird widerlegt durch die Affidavits Nummer 1222a bis f, also durch 6 Affidavits zu diesem besonderen Punkt.

Im Anklagevortrag vom 14. Februar 1946 (Band VII, Seite 478 und 479) wird schlechte Behandlung von Gefangenen in norwegischen Lagern behauptet. Generaloberst von Falkenhorst weist im Affidavit Nummer 1123 nach, daß diese Gefangenen nicht den militärischen Stellen sondern der SS unterstanden haben.

Die Affidavits Nummer 1150 bis 1160 bezeugen, daß überall die verwundeten Gefangenen wie die eigenen Verwundeten behandelt worden sind.

Von den verschiedensten Kriegsschauplätzen liegen Aussagen vor, daß der Feind selbst die gute Behandlung anerkannt hat. Hierüber lege ich die Erklärungen Nummer 1161 und 1162, welch letztere eine Anerkennung des amerikanischen Generals Storm enthält, vor. Nummer 1165 bekundet einen Dankesbrief vom Neffen des englischen Königs, und Nummer 1166 bezeugt zahlreiche Dankschreiben von Royal Air Force-Offizieren an den Kommandanten des Fliegergefangenenlagers Oberursel für seine ritterliche Haltung. Aus Affidavit 1168 ergibt sich, daß der Kommandeur der 14. Division, General Heim, im Oktober 1942 für die deutschen Truppen bei Stalingrad angeordnet hat, daß die russischen Gefangenen unter weiterer Einschränkung der schon sehr knappen Versorgung der eigenen Truppen mit Nahrung versehen wurden.

Weitere Beispiele ritterlicher Behandlung des gefangenen Gegners bieten die Erklärungen 1170 und des Generaloberst Student, Nummer 1171. Generaloberst Student sandte, als unter englischen Gefangenen auf Kreta spinale Kinderlähmung ausgebrochen war, trotz schwierigster Lage der deutschen Truppen, die auf Luftversorgung angewiesen waren, ein Transportflugzeug nach Berlin, um das notwendige Serum zu holen.

Der Oberstabsarzt Dr. Schäfer gibt in Affidavit 1172 an, daß der Bergrettungsdienst in den Alpen rund 350 feindliche Flieger vor dem Tode errettet hat.

Von ganz besonders persönlicher Ritterlichkeit zeugt das Dokument 1174 des Oberst Graf Klinkowstroem, auf das ich verweisen möchte.

VORSITZENDER: Sie können uns, Dr. Laternser, doch einen Hinweis auf die Nummern der Affidavits geben, die bezeugen, daß Gefangene anständig behandelt wurden. Warum verschwenden Sie Zeit, indem Sie uns sagen, was jedes Affidavit beinhaltet. Sie brauchen uns doch nur zu sagen, daß sich diese Affidavits auf gute Behandlung von Seiten einzelner beziehen.

DR. LATERNSER: Herr Präsident! Wenn ich nur Nummern angebe und nicht auf den Inhalt wenigstens zum Teil eingehe, dann wird das ganze Material kaum ins Gewicht fallen, weil diese Affidavits nicht übersetzt sind. Es sind von den gesamten Affidavits ungefähr 40 übersetzt. Wenn ich nicht einmal auf den Inhalt eingehen kann, dann werden diese Affidavits überhaupt nicht Beachtung finden können.

VORSITZENDER: Wir haben die schriftliche Zusammenfassung vor uns. Sie wiederholen aber praktisch in jedem Fall diese schriftliche Zusammenfassung, die uns ja vorliegt; zum Beispiel 1174 – Anständige Behandlung englischer Gefangener. Dann ist noch ein Affidavit da von einigen britischen Offizieren, das aufzeigt, wer der britische Offizier ist und was seine Aussage über die Behandlung beinhaltet. Ich hoffe, ich habe es Ihnen ganz klar gemacht, daß Sie nicht mehr als einen halben Tag beanspruchen dürfen; und jetzt wird sich der Gerichtshof vertagen.