Die Schutzstaffeln – »SS«
In der Reihe der übrigen Verbrechen der Organisationen, die vom deutschen Faschismus geschaffen worden sind, muß man den sogenannten Schutzstaffeln, oder abgekürzt SS, einen besonderen Platz einräumen.
Mit dem Namen »SS« sind die schwersten Verbrechen des deutschen Faschismus verbunden – die Massenmorde in den Konzentrationslagern, die erbarmungslose Behandlung von Zivil bevölkerung und Kriegsgefangenen und die unmenschlichen Massenaktionen.
Es waren gerade die SS-Leute, die die Pläne Hitlers und seiner Clique für den Völkermord praktisch durchführen sollten.
Himmler, der Reichsführer-SS, nannte die SS- Leute oft »Das Schwarze Korps«. Genauso, nämlich »Das Schwarze Korps«, hieß das offizielle Blatt der SS-Leute, das Organ des Reichsführer-SS.
Das war kein zufälliger Titel. Das ganze System der SS, angefangen von der Allgemeinen SS bis zu den Lagerwachen und der Waffen-SS, war tatsächlich ein besonderes Korps von Verbrechern: Sie waren überzeugt, daß sie nicht bestraft werden würden, sie waren im Geiste der grausamsten und unmenschlichsten hitlerischen »Theorien« geschult und erzogen worden. Die faschistischen Hauptverschwörer brauchten besondere Masseneinheiten, um Millionen von Menschen der unterjochten Völker zu morden, um Gebiete an sich zu reißen und die sogenannte »Germanisierung« praktisch durchzuführen. Diese Aufgaben wurden eben von den Mitgliedern der SS durchgeführt.
Die Organisation der SS wurde ins Leben gerufen als Prätorianer-Garde Hitlers und ist als Organisation von Pogrom-Veranstaltern und Mördern berüchtigt geworden. Sie blieb sich während ihres ganzen Bestehens treu.
Zusammen mit anderem Beweismaterial wurde von der Anklagebehörde der Sowjetunion eine Nummer der Zeitung »Das Schwarze Korps« vom 20. August 1942 mit einem darin veröffentlichten Leitartikel mit der Überschrift »Germanisieren?« vorgelegt. Die in diesem Artikel enthaltenen Programmpunkte Himmlers sind von solcher Wichtigkeit, wenn man das Wesen der SS erkennen will, daß ich mir von neuem erlaube, einen kurzen Auszug aus diesem Artikel zu zitieren:
»Daher der Auftrag des Reichsführer-SS, dafür zu sorgen, daß im Osten nur Menschen wirklich deutschen, germanischen Blutes wohnen.«
Dieser Artikel wurde zur Belehrung aller SS-Leute veröffentlicht zu einem Zeitpunkt, als der verbrecherische deutsche Faschismus noch seines Sieges sicher und schon darangegangen war, die Vernichtung von Millionen von Menschen praktisch durchzuführen.
Am 4. Oktober 1943 erklärte der Schöpfer der SS, Himmler, im Laufe einer Gruppenführertagung der SS in Posen, über die Vernichtung der Juden in Europa folgendes – ich lese das Zitat aus dieser Rede nicht, weil sie gestern von meinem Kollegen Sir David vorgelesen worden ist.
Ich werde nicht bei der Geschichte der SS verweilen. Im Zusammenhang mit dem oben Erwähnten möchte ich nur sagen, daß die schon 1925 gegründeten Schutzstaffeln durch einen besonderen Führererlaß vom 20. Juli 1934 zu einer selbständigen Organisation der Hitler-Partei erhoben worden waren, und zwar gerade nachdem die SS die politischen Morde vom 30. Juni 1934 begangen hatte.
Im Hitler-Erlaß steht folgendes:
»Im Hinblick auf die großen Verdienste der SS, besonders im Zusammenhang mit den Ereignissen des 30. Juni 1934, erhebe ich dieselbe zu einer selbständigen Organisation im Rahmen der NSDAP.«
Die Geschichte der Entwicklung der SS im System des Hitler-Staates zeigt einen immer größer werdenden Zusammenschluß der SS, der sogenannten »Allgemeinen SS«, und auch der »Waffen-SS«, mit dem Polizei-Apparat... der Gestapo, dem SD, den Einsatzgruppen und Einsatzkommandos, die die Massenaktionen und die »Filtrierung« in den Lagern und so weiter durchführten.
Diese Entwicklung würde bestätigt durch einen Geheimerlaß Hitlers vom 17. August 1938, in dem er die Gründe erklärte, aus welchem er am 17. Juni 1936 die Aufgaben des Chefs der Deutschen Polizei mit denen des Reichsführer-SS vereinigt hatte. Hitler erklärte:
»Durch die Ernennung des Reichsführer-SS zum Chef der Deutschen Polizei beim Innenministerium am 17. Juni 1936 habe ich die Grundlage für eine Vereinigung und Reorganisation der deutschen Polizei gelegt.
Durch diese Maßnahme sind die Schutzstaffeln des Nationalsozialismus, die unter der Führung des Reichsführer-SS und Chefs der Deutschen Polizei stehen, in enge Verbindung mit der deutschen Polizei getreten.«
Nur in dieser engen organischen Verbindung mit dem grausamsten, eigens für Quälerei und Vernichtung von Menschen geschaffenen Polizeiorgan, das von dem deutschen Faschismus ins Leben gerufen worden ist, kann man die Rolle der SS richtig verstehen.
Diese Umstände hat die Verteidigung ohne Erfolg zu leugnen versucht. Sie versuchte, die Organisation der SS dem Gerichtshof als vollkommen voneinander durch unüberwindliche Schranken getrennte Zellen darzustellen – so zum Beispiel die Allgemeine SS, die Waffen-SS, die SS-Verfügungstruppe und die Totenkopfverbände.
So soll angeblich keiner dieser Verbände und keine der Abteilungen der SS außer einem kleinen Teil der Totenkopfverbände irgendeine Verbindung zur Polizei und zu den Konzentrationslagern gehabt haben; ebensowenig wie zu den von Hitler, Himmler, Heydrich und Kaltenbrunner durchgeführten polizeilichen »Aktionen« und anderen schweren Verbrechen der Hitler-Leute. Nach Meinung der Verteidigung waren die einzigen Teilnehmer an den Verbrechen dieser Henker nur die Gestapo-Leute Müller und Eichmann und der Chef der Gruppe »D« in der SS, Pohl.
Es sieht nun so aus, als ob gerade diese sieben Personen mehr als zehn Millionen Menschen gefoltert und getötet hätten.
In der Reihe der dem Gerichtshof bekannten lügnerischen Zeugen müssen die Entlastungszeugen der SS, wie der ehemalige oberste Führer der SS und Polizei des Oberabschnitts München, der Obergruppenführer der SS Baron von Eberstein, der Generaloberst der Waffen-SS Hauser, der Chef der Ergänzungsabteilung der Waffen-SS Brill oder die SS-Richter Reinecke und Morgen eine der ersten Stellen, wenn nicht die erste Stelle einnehmen, was ihre schamlosen Lügen anbetrifft, zu denen sie griffen, um die SS-Leute zu schützen.
Jedoch auch Lügen haben ihre Grenzen.
Nachdem sie auf die äußerste Spitze getrieben worden waren, konnten sie nicht nur den Verbrechern nicht helfen, sondern im Gegenteil entlarvten sie sogar.
Und mir scheint es, daß der Hohe Gerichtshof den Beweiswert der Aussagen des SS-Reserverichters Morgen, der eines der grausamsten Konzentrationslager der SS, Buchenwald, fast als Sanatorium für die Häftlinge mit guter Verpflegung, Sportplätzen, leichter Arbeit in frischer Luft und einer großen Bibliothek schildert, richtig zu schätzen wissen wird.
Die dummen Lügen der Entlastungszeugen für die SS stehen in krassem Gegensatz zu den Dokumenten, die den verbrecherischen Charakter der Organisation beweisen. Diesen Lügen steht außerdem noch die unwiderlegliche Logik der Tat, Tatsachen von begangenen schwersten Verbrechen, deren Organisatoren und Ausführende Mitglieder aller Zweige und Organisationen der SS waren, gegenüber.
Zu Beginn des Krieges bestand die SS aus folgenden wichtigen Gliederungen:
1. Die sogenannte »Allgemeine SS«, in der die SS-Männer eine allgemeine Schulung erhielten, bevor sie in die Waffen-SS oder in die eine oder andere Polizeiabteilung eingesetzt wurden. Die »Allgemeine SS« war das Reservoir, aus dem die Sonderorganisationen des deutschen Faschismus, wie die »Geheime Staatspolizei« (Gestapo), der »Sicherheitsdienst« (SD), die Konzentrationslagerverwaltungen (Gruppe D) und andere ihren Nachwuchs schöpften.
2. Die »Waffen-SS«, die in Wirklichkeit durchaus nicht jene »Gardeabteilung« der früheren Deutschen Wehrmacht, weit entfernt von allen polizeilichen Handlungen, darstellte, wie die Verteidigung und die Angeklagten glaubhaft zu machen versuchten. Zur Waffen-SS gehörten unter anderem auch jene Ämter, deren verbrecherischen Charakter selbst die Verteidigung der SS nicht zu bestreiten wagte, und zwar die Lagerkommandanturen der Waffen-SS, die die Massenvernichtungen von Zivilbevölkerung und Kriegsgefangenen in den Konzentrationslagern durchführten. Gerade die Waffen- SS, der auch die Polizeiabteilungen der SS unterstanden, bestand aus jenen Truppenteilen, die die Vernichtung von bewohnten Ortschaften und Dörfern durchführten und unzählige Verbrechen in den vorübergehend besetzten Gebieten der Sowjetunion und in den anderen Ländern Ost-Europas begingen.
3. In das System der SS waren die Wirtschaftsverwaltungen der SS eingebaut, die die Konzentrationslager sowie die Ämter zur Festigung des deutschen Volkstums verwalteten und welche praktisch die schändliche Rassentheorie verwirklichten. Ferner alle Polizeiorganisationen der Hitler-Leute, unter ihnen auch solche wie die Einsatzgruppen und Sonderkommandos.
Es lohnt sich nicht, mit der Verteidigung darüber zu polemisieren, daß die Verbindung zwischen der SS und der Polizei nur eine rein »äußerliche« gewesen und nur durch die Personalunion Himmlers zu erklären sei.
Es ist allgemein bekannt, welchen Wert Himmler darauf legte, daß alle Beamten der Polizei gleichzeitig Mitglieder der Allgemeinen SS sein mußten, welche das Reservoir und den Grundstein des ganzen SS-Polizeisystems des deutschen Faschismus bildete. Unter anderen Beweisdokumenten wurde dem Gerichtshof ein Brief Himmlers vom 24. April 1943 an Kaltenbrunner vorgelegt, der sich mit der Aufnahme von Beamten der Sicherheitspolizei in die Reihen der SS beschäftigt für den Fall, daß der Antragsteller
»rassisch und weltanschaulich in die SS paßt und auch entsprechend der Zahl seiner Kinder eine wirklich gesunde SS-Sippe garantiert und nicht krank, absterbend und wertlos ist«.
Diesem schändlichen »Schwarzen Korps« des deutschen Faschismus war eine ganz besondere Rolle in der Verwirklichung der verbrecherischen Pläne des deutschen Faschismus zugedacht.
Diesen Entarteten in SS-Uniform, die jegliche Vorstellung von menschlicher Moral verloren hatten, wurde nicht nur Straffreiheit für ihre Verbrechen zugesagt, sondern täglich eingeflößt, daß gerade sie »die vollwertige Rassenschicht seien«, die die Grundlagen des zukünftigen Großdeutschen Reiches bilden würden.
Dies erklärte ihnen Himmler, dies erklärten die Reichsleiter und Gauleiter, die von Himmler die höchsten Ämter in der SS erhalten hatten und die je nach Bewertung ihrer Tätigkeit durch den Reichsführer-SS in der Hierarchie der SS aufstiegen.
Der Reichsaußenminister des faschistischen Deutschlands, Ribbentrop, schämte sich gar nicht, daß er den gleichen SS-Rang wie der Mörder Pohl oder der Henker und Räuber Globocznik hatte; er war sehr stolz darauf:
»Ich werde es immer als eine besondere Ehre empfinden, diesem stolzen Führerkorps, das für die Zukunft unseres Großdeutschen Reiches von entscheidender Bedeutung ist, anzugehören«
schrieb Ribbentrop in einem Brief an Himmler, als er vom Gruppenführer zum Obergruppenführer der SS befördert worden war.
So verband das System der SS den Kommandanten von Treblinka Unterscharführer Kurt Franz, den Erfinder der Gaswagen Untersturmführer Becker, den an lebendigen Menschen experimentierenden Hauptsturmführer Dr. Rascher und den Reichsminister SS-Obergruppenführer Ribbentrop.
Bei der SS-Gruppenführer-Tagung in Posen erklärte Himmler über die Einheit der SS mit der Polizei folgendes:
»Ich tue hier immer etwas dazu, immer wieder wird ein Band um diese Bündelteile herumgeschlungen, um sie zusammenwachsen zu lassen. Wehe, wenn sich diese Bänder einmal lösen würden; dann würde alles – davon seien Sie überzeugt –... in kurzer Zeit in seine alte Bedeutungslosigkeit zurücksinken... Ich glaube bloß, daß wir das vor Deutschland, vor Germanien, nicht verantworten könnten, denn dieses germanische Reich braucht den Orden der SS. Es braucht ihn wenigstens für die nächsten Jahrhunderte.«
Abschließend sagte er folgendes:
»... Wenn der Krieg gewonnen ist, dann, das sagte ich Ihnen schon, beginnt unsere Arbeit.... Daß aus diesem Orden, aus dieser rassischen Oberschicht des germanischen Volkes die zahlreichste Nachzucht hervorgeht. Wir müssen in 20 bis 30 Jahren wirklich die Führungsschicht für ganz Europa stellen können. Wenn die SS zusammen mit den Bauern, wir zusammen mit unserem Freund Backe, dann die Siedlung im Osten betreiben, großzügig, ohne jede Hemmung, ohne jedes Fragen nach irgendwelchem Althergebrachten, mit Schwung und revolutionärem Drang, dann werden wir in 20 Jahren die Volkstumsgrenze um 500 km nach Osten herausschieben... Wir werden dem Osten unsere Gesetze aufdiktieren. Wir werden vorbrechen und uns nach und nach vorpreschen bis zum Ural.«
Es ist unmöglich, in einer kurzen Rede alle schweren Verbrechen, die von den SS-Leuten begangen worden sind, aufzuzählen.
Aber es ist auch nicht nötig, da die vorgelegten Beweisdokumente frisch in Erinnerung des Gerichtshofs sind. Ich werde kurz zu einigen Punkten Stellung nehmen, die sich auf die Verantwortung einzelner SS-Gruppen beziehen im Zusammenhang mit den Einwänden, die von der Verteidigung gemacht worden sind.