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Die unmittelbare Beteiligung des deutschen Generalstabs an diesem Verbrechen.

Im Hitler-Deutschland gab es tatsächlich eine spezifische Struktur des militärischen Apparates. Neben dem OKW gab es den Generalstab des Heeres und Stäbe der Luftwaffe und der Kriegsmarine.

Die Stäbe der verschiedenen Waffengattungen arbeiteten den auf ihr Arbeitsbereich fallenden Teil der allgemeinen Angriffspläne Hitler-Deutschlands aus, während das OKW diese Tätigkeit der verschiedenen Waffengattungen koordinierte und kombinierte.

Da die entscheidende Rolle in der Durchführung der Angriffspläne auf das Heer mit seinen zahlreichen und mächtigen Panzerwaffen entfiel, so stand natürlich der deutsche Generalstab an der Spitze in der Vorbereitung der Angriffstätigkeit der Hitler-Regierung.

Dementsprechend schloß der Aufbau des Militärapparates in Hitler-Deutschland keineswegs den Generalstab von der Ausarbeitung, Vorbereitung und Ausführung der verbrecherischen Angriffspläne der Hitler-Regierung aus, sondern sah für ihn im Gegenteil eine besonders aktive Rolle vor.

Um die praktische Rolle, die der deutsche Generalstab bei der Ausarbeitung und Vorbereitung der Angriffspläne gespielt hat, zu charakterisieren, möchte ich hier einige Tatsachen anführen:

Ich erinnere Sie, meine Herren Richter, an die Erklärung des früheren Generalfeldmarschalls Friedrich Paulus, die er hier vor dem Gerichtshof bestätigte:

Paulus erklärte:

»Als ich meinen Posten im OKH am 3. September 1940 antrat, fand ich dort unter anderen Ausarbeitungen einen noch nicht fertiggestellten Entwurf eines Angriffsplanes auf die USSR vor, der unter dem Decknamen ›Barbarossa‹ bekannt ist.

Die im August begonnene Ausarbeitung des vorläufigen Falles ›Barbarossa‹ wurde mit dem Abhalten zweier Kriegsspiele unter meiner Leitung im Hauptquartier des OKH in Zossen abgeschlossen.«

Kann jemand jetzt noch bezweifeln, daß der deutsche Generalstab neben dem OKW der Urheber des verbrecherischen Planes »Barbarossa« gewesen ist?

Eine nicht weniger aktive Rolle spielte der deutsche Generalstab auch in der Vorbereitung anderer Angriffspläne Hitler-Deutschlands.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der deutsche Generalstab neben dem OKW eine entscheidende Rolle in der Ausarbeitung der verbrecherischen Angriffspläne spielte.

Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Die deutsche Wehrmacht und ihre Befehlshaber haben allein oder in Zusammenarbeit mit den deutschen Polizeiorganen unzählige Greueltaten in den besetzten Gebieten begangen.

Allein die Aufzählung der Dokumente, aus denen die Greueltaten der deutschen faschistischen Eindringlinge in den besetzten Gebieten hervorgehen, würde schon zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Ich werde daher nur einzelne Dokumente erwähnen, die den Beweis erbringen, daß die Kriegsverbrechen und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von der deutschen Wehrmacht planmäßig und in ungeheuerem Ausmaß verübt worden sind, im voraus organisiert waren und daß an ihnen alle Glieder der deutschen Kriegsmaschine vom Feldmarschall bis herunter zum Schützen teilnahmen.

Es genügt, sich die Anordnung des Angeklagten Keitel vom 13. Mai 1941 ins Gedächtnis zu rufen über »Die Anwendung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet ›Barbarossa‹« und über besondere Maßnahmen für die Truppe. Darin ist von der Anwendung »äußerster Maßnahmen« die Rede, zu welchem Zweck deutsche Offiziere ermächtigt wurden, Erschießungen ohne vorheriges Gerichtsverfahren vorzunehmen, und es wird allen deutschen Militärpersonen Straffreiheit für Verbrechen an der friedlichen Bevölkerung zugesagt.

Oder die Anordnung desselben Angeklagten Keitel vom 16. September 1941, in der er den deutschen Truppen befahl,

»... im Auge zu behalten, daß das menschliche Leben in den Ländern, auf die sich die Anordnung bezieht, abso lut nichts wert ist und daß Abschreckungsmaßnahmen nur durch Anwendung ungewöhnlicher Grausamkeit...«

wirksam sind.

Man kann auch auf die Befehle des OKW hinweisen, die sich mit der Vernichtung der Kriegsgefangenen, Sowjet-Kommissare und der Brandmarkung sowjetischer Kriegsgefangener befassen. Desgleichen auf die Befehle des Angeklagten Göring über die Vernichtung der gefangengenommenen alliierten Flieger, über die Ausplünderung der besetzten Gebiete und die Verschleppung der friedliebenden Bevölkerung zur Sklavenarbeit nach Deutschland; auf den Befehl des Angeklagten Dönitz, der es verbot, Menschen auf sinkenden Schiffen zu retten; den Befehl des früheren Generalfeldmarschalls Reichenau, betreffend Verhaltungsvorschriften für die Truppen im Osten und viele andere mehr.

Alle diese Befehle haben nunmehr gleichsam eine gleichartige Bedeutung erworben.

Diese verbrecherischen Befehle blieben nicht auf dem Papier, wie einige Zeugen, darunter von Brauchitsch und von Manstein es hier darzustellen versuchten. Sie wurden mit deutscher Gründlichkeit in die Tat umgesetzt.

Das Gericht hat die Aussage des Zeugen Walter Schreiber gehört, des früheren Generalmajors der Sanitätstruppen des deutschen Heeres. Schreiber ist ein bakteriologischer Spezialist und hat uns von den Plänen der Hitler-Verschwörer erzählt, den todbringenden Pestbazillus als Kriegswaffe zu benutzen. Er hat uns darüber unterrichtet, wie diese Verbrechen auf Anregung des deutschen Oberkommandos, des Generalstabs und der Angeklagten Hermann Göring und Wilhelm Keitel erdacht wurden und ausgeführt werden sollten.

Nur der Vormarsch der Roten Armee gegen Deutschlands Grenzen hat diesen verbrecherischen Plan der Hitler-Clique aufgehalten; seine Verwirklichung hätte ganz Europa in neues und bitteres Unglück und in Zerstörung gestürzt.

Das totalitäre Reich Hitlers hat die Zusammenarbeit seiner einzelnen Glieder in vollem Maße ausgewertet. Es ist dabei kein Zufall, daß besonderer Wert auf die Sicherstellung der Zusammenarbeit der Kriegsmaschinerie im Hitler-Deutschland mit den anderen deutschen Staatsorganen gelegt wurde.

Das OKW war in vielen der deutschen Ministerien durch sogenannte Verbindungsoffiziere vertreten; desgleichen hatten viele Ministerien ihre Vertreter im OKW.

Besonders eng war die Zusammenarbeit der deutschen Militär- und Zivilbehörden in den besetzten Gebieten.

Aber wenn Hitlers Militärbefehlshaber unter dem Druck der Beweise auch gezwungen wurden, ihre Verbindung, zum Beispiel zu dem Auswärtigen Amt oder zum Ministerium für die besetzten Ostgebiete zuzugeben, so lehnen sie es doch glatt ab, ihre Verbindung zur deutschen Staatspolizei und der SS einzugestehen.

Das ist verständlich. Das Vorhandensein einer solchen Verbindung würde an sich schon ihre Mittäterschaft an den zahlreichen Greueltaten in den besetzten Gebieten offenbaren.

Ich halte mich daher für verpflichtet, das Vorhandensein einer Verbindung zwischen dem Kommando der deutschen Wehrmacht und der deutschen Geheimen Staatspolizei und anderen Polizeiorganen zu beweisen.

Diese Verbindung bestand lange vor dem Angriff Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion. Die Anweisung über gewisse Sondergebiete, die das OKW am 13. März 1941 mit der Unterschrift Keitels herausgab, sah die Notwendigkeit einer Koordinierung des Wirkungsbereiches des Reichsführer-SS und des OKW in den besetzten Gebieten vor.

Die Zeugen Walter Schellenberg und Otto Ohlendorf, die früheren Amtschefs im Reichssicherheitshauptamt, haben vor dem Gerichtshof ausgesagt, daß schon im Mai 1941 – in Ausführung der Weisungen des OKW – zwischen dem Vertreter des OKH, dem Generalquartiermeister Wagner, und dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Heydrich, ein Abkommen über Organisation und Arbeitsordnung für besondere Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD im Rahmen der deutschen Wehrmacht geschlossen wurde.

Im Kreuzverhör hat der Zeuge von Brauchitsch bestätigt, daß er von den Besprechungen zwischen Wagner und Heydrich Kenntnis hatte.

Die Tätigkeit der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD im Rahmen der Wehrmacht und den Charakter dieser Tätigkeit erhellt eine Reihe von Beweisdokumenten.

In einem Bericht der Einsatzgruppe »A« der Sicherheitspolizei und des SD über die Lage am 15. Oktober 1941 wird gesagt:

»Es handelt sich nun darum, in aller Eile persönlich mit den Armeeführern wie auch mit dem Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes Fühlung aufzunehmen. Von vornherein kann betont werden, daß die Zusammenarbeit mit der Wehrmacht im allgemeinen gut, in Einzelfällen, wie z.B. mit der Panzergruppe 4 unter Generaloberst Höppner, sehr eng, ja fast herzlich war.«

Und ferner:

»Für die Sicherheitspolizei zeigte sich bei diesem militärischen Vorgehen in den ersten Tagen des Ostfeldzuges, daß die spezifisch sicherheitspolizeiliche Arbeit nicht nur im rückwärtigen Heeres- und Armeegebiet, sondern auch im Gefechtsgebiet geleistet werden mußte.«

Aus einem Brief des Generalkommissars für Weißrußland, des Henkers Kube, vom 1. November 1941, in dem sogar er seiner Entrüstung über die verbrecherische Tätigkeit der Polizeiorgane in der Stadt Slutzk Ausdruck gibt, geht hervor, daß das zweite Polizeibataillon, welches die Massenerschießungen von Juden in dieser Stadt vornahm, unmittelbar dem militärischen Kommando unterstand.

Von den Befehlen Görings, Dönitz, Jodls, Keitels, von der verbrecherischen Abmachung zwischen Wagner und Heydrich, von den Befehlen Reichenaus und Mansteins zieht sich eine blutige Spur zu den zahllosen Greueltaten der deutschen Truppen und der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei in den besetzten Gebieten. Das Blut von Millionen unschuldiger Opfer klebt nicht nur an den Händen des deutschen Soldaten Knittel und des Obergefreiten Kurt, sondern auch an den Händen der Feldmarschälle des deutschen Heeres.

Hitlers Kriegsmaschine, an deren Spitze das Oberkommando der Wehrmacht und der deutsche Generalstab standen, war die entscheidende Macht, mit deren Hilfe alle verbrecherischen Angriffspläne der Hitler- Regierung, alle Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgeklügelt und durchgeführt wurden. Das deutsche Oberkommando und der deutsche Generalstab waren daher eine der wichtigsten Organisationen zur Durchführung der verbrecherischen Verschwörung, und die höchsten Befehlshaber der Wehrmacht nahmen aktiv daran teil.

Ich bin der Ansicht, daß das Gerichtsverfahren den verbrecherischen Charakter dieser Militärorganisation voll und ganz erwiesen hat.