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[Der Angeklagte Heß erhebt sich.]

»Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzufügen werde.«

Ich bitte das Hohe Gericht, alles, was ich weiter sage, daher als unter meinem Eid stehend anzusehen.

[Der Angeklagte Heß setzt sich wieder.]

Zwischenfügen möchte ich noch hinsichtlich meines Eides: Ich bin kein kirchlicher Mensch; ich habe kein inneres Verhältnis zu den Kirchen, aber ich bin ein tief religiöser Mensch. Ich bin überzeugt, daß mein Gottglaube stärker ist, als der der meisten anderen Menschen. Um so höher bitte ich das Gericht zu werten, was ich unter Eid, unter ausdrücklicher Berufung auf Gott, aussage:

[Zu Göring gewandt:]

Bitte unterbrich mich nicht.

Im Frühjahr 1942 trat bei mir...

VORSITZENDER: Ich muß die Aufmerksamkeit des Angeklagten Heß darauf lenken, daß er bereits 20 Minuten gesprochen hat. Der Gerichtshof hat den Angeklagten gesagt, daß er ihnen in diesem Stadium des Prozesses nicht gestatten kann, Erklärungen von großer Länge abzugeben.

Wir müssen alle Angeklagten hören. Der Gerichtshof hofft deshalb, daß der Angeklagte Heß seine Rede zum Abschluß bringen wird.

HESS: Herr Präsident! Ich darf darauf aufmerksam machen, daß ich damit gerechnet habe, daß ich der einzige Angeklagte bin, der bisher in keiner Weise noch hier sich äußern konnte. Denn das, was ich hier zu sagen habe, hätte ich als Zeuge nur dann sagen können, wenn entsprechende Fragen an mich gerichtet worden wären. Wie ich aber bereits ausführte...

VORSITZENDER: Ich beabsichtige nicht, mich mit dem Angeklagten auf Argumente einzulassen. Der Gerichtshof hat verfügt, daß die Angeklagten nur kurze Erklärungen abgeben dürfen. Der Angeklagte Heß hatte volle Gelegenheit, in den Zeugenstand zu gehen und unter Eid auszusagen. Er entschied sich dahin, dies nicht zu tun. Jetzt gibt er eine Erklärung ab; er wird ebenso wie die anderen Angeklagten behandelt und auf eine kurze Erklärung beschränkt werden.

HESS: Ich werde daher, Herr Präsident, auf meine weiteren Ausführungen, die ich in dem Zusammenhang mit dem, was ich eben sagte, machen wollte, verzichten. Ich bitte, bloß noch ein paar Schlußworte anzuhören, die mehr allgemeiner Art sind, mit dem, was ich eben gesagt habe, nichts zu tun haben.

Feststellungen, die mein Verteidiger in meinem Namen vor diesem Gericht traf, ließ ich um des dereinstigen Urteils meines Volkes und um der Geschichte willen treffen. Nur dieses ist mir wesentlich.

Ich verteidige mich nicht gegen Ankläger, denen ich das Recht abspreche, gegen mich und meine Volksgenossen Anklage zu erheben. Ich setze mich nicht mit Vorwürfen auseinander, die sich mit Dingen befassen, die innerdeutsche Angelegenheiten sind und daher Ausländer nichts angehen. Ich erhebe keinen Einspruch gegen Äußerungen, die darauf abzielen, mich oder das ganze deutsche Volk in der Ehre zu treffen. Ich betrachte solche Anwürfe von Gegnern als Ehrenerweisung. Es war mir vergönnt, viele Jahre meines Lebens unter dem größten Sohne zu wirken, den mein Volk in seiner tausendjährigen Geschichte hervorgebracht hat. Selbst wenn ich es könnte, wollte ich diese Zeit nicht auslöschen aus meinem Dasein.

Ich bin glücklich, zu wissen, daß ich meine Pflicht getan habe meinem Volk gegenüber, meine Pflicht als Deutscher, als Nationalsozialist, als treuer Gefolgsmann meines Führers. Ich bereue nichts.

Stünde ich wieder am Anfang, würde ich wieder handeln wie ich handelte, auch wenn ich wüßte, daß am Ende ein Scheiterhaufen für meinen Flammentod brennt. Gleichgültig was Menschen tun, dereinst stehe ich vor dem Richterstuhl des Ewigen. Ihm werde ich mich verantworten, und ich weiß, er spricht mich frei.

VORSITZENDER: Ich rufe den Angeklagten Joachim von Ribbentrop.

JOACHIM VON RIBBENTROP: Dieser Prozeß sollte zur Erforschung der geschichtlichen Wahrheit geführt werden.

Vom Standpunkt der deutschen Außenpolitik kann ich nur sagen: Dieser Prozeß wird in die Geschichte eingehen als ein Musterbeispiel, wie man unter Berufung auf bisher unbekannte juristische Formeln und auf die Fairneß um die Kardinalprobleme von 25 Jahren schwerster Menschheitsgeschichte herumgehen kann.

Wenn die Wurzeln unseres Übels in Versailles liegen – und sie liegen dort – war es dann wirklich zweckmäßig, eine Auseinandersetzung über einen Vertrag zu inhibieren, den schon die Einsichtigen unter seinen Urhebern als die Quelle künftigen Übels bezeichnet hatten und während die Gescheitesten schon damals voraussagten, über welchen Fehler von Versailles es zu einem neuen Weltkrieg kommen würde.

Über 20 Jahre meines Lebens habe ich der Beseitigung dieses Übels gewidmet mit dem Ergebnis, daß ausländische Staatsmänner, die darum wußten, heute in ihren Affidavits schreiben, sie hätten mir das nicht geglaubt. Sie hätten schreiben müssen, daß sie mir im Interesse ihres Landes das nicht glauben dürfen.

Man macht mich für die Führung der Außenpolitik verantwortlich, die ein anderer bestimmte. Ich weiß von ihr immerhin so viel, daß sie sich niemals mit Weltherrschaftsplänen beschäftigte, wohl aber zum Beispiel mit der Beseitigung der Folgen von Versailles und mit der Ernährungsfrage des deutschen Volkes.

Wenn ich bestreite, daß diese deutsche Außenpolitik einen Angriffskrieg geplant und vorbereitet habe, so ist das keine Ausrede. Diese Wahrheit wird bewiesen durch die Tatsache, welche Stärke im Verlauf des zweiten Weltkrieges wir entfalteten und wie schwach wir dagegen zu Beginn dieses Krieges waren. Die Geschichte wird es uns glauben, wenn ich sage, daß wir einen Angriffskrieg ungleich besser vorbereitet haben würden, sofern wir ihn tatsächlich beabsichtigt hätten.

Was wir beabsichtigten war, unsere elementaren Daseinsbedingungen wahrzunehmen, genauso wie England seine Interessen wahrgenommen hat, um sich ein Fünftel der Welt Untertan zu machen, wie die USA einen ganzen Kontinent und Rußland, die größte Binnenländermasse der Erde, unter ihre Hegemonie brachten.

Der einzige Unterschied der Politik dieser Länder zu der unseren lag darin, daß wir die gegen jedes Recht uns genommenen Länderpartikel, wie Danzig und den Korridor, beanspruchten, während jene Mächte nur in Kontinenten zu denken gewohnt sind.

Vor der Errichtung des Statuts dieses Gerichtshofs müssen wohl auch die Signatarmächte des Londoner Abkommens andere Absichten über Völkerrecht und Politik gehabt haben als heute.

Als ich 1939 nach Moskau zu Marschall Stalin kam, besprach er mit mir nicht die Möglichkeiten einer friedlichen Beilegung des deutsch-polnischen Konfliktes im Rahmen des Briand-Kellogg-Paktes, sondern er ließ durchblicken, wenn er zur Hälfte Polens und den baltischen Ländern nicht noch Litauen mit dem Hafen Libau bekäme, könne ich wohl gleich wieder zurückfliegen.

Das Kriegführen galt dort offensichtlich 1939 auch noch nicht als ein internationales Verbrechen gegen den Frieden, sonst könnte ich mir Stalins Telegramm nach Abschluß des Polenfeldzuges nicht erklären, dieses lautet – ich zitiere: »Die Freundschaft Deutschlands und der Sowjetunion, begründet durch gemeinsam vergossenes Blut, hat alle Aussicht darauf, dauerhaft und fest zu sein.«

Ich möchte das hier unterstreichen und betonen: Auch ich habe diese Freundschaft damals heiß gewünscht.

Von derselben ist heute für Europa und die Welt nur noch das Kernproblem geblieben: Wird Asien Europa beherrschen, oder werden die Westmächte den Einfluß der Sowjets an der Elbe, an der Adriatischen Küste und an den Dardanellen aufhalten oder gar zurückdrängen können?

Mit anderen Worten, Großbritannien und die USA stehen heute praktisch vor dem gleichen Dilemma, wie Deutschland zur Zeit der von mir geführten Verhandlungen mit Rußland. Ich hoffe von ganzem Herzen für mein Land, daß sie im Ergebnis erfolgreicher sein mögen.

Was ist nun in diesem Prozeß über den kriminellen Charakter der deutschen Außenpolitik schon bewiesen worden? Daß von über 300 vorgelegten Verteidigungsurkunden 150 ohne stichhaltige Begründung abgelehnt wurden. Daß die Archive der Gegenseite und sogar die deutschen für die Verteidigung unzugänglich waren. Daß Churchills freundliche Andeutung mir gegenüber, ein zu starkes Deutschland werde vernichtet werden, für die Beurteilung der Motive der deutschen Außenpolitik vor diesem Forum für unerheblich erklärt wird.

Eine Revolution wird nicht verständlicher, wenn man sie unter dem Gesichtspunkt einer Verschwörung betrachtet.

Das Schicksal hat mich zu einem der Exponenten dieser Revolution gemacht. Ich beklage die mir hier bekanntgewordenen scheußlichen Verbrechen, die diese Revolution beschmutzen. Ich vermag sie aber nicht alle an puritanischen Moralmaßstäben zu messen, um so weniger, nachdem ich gesehen habe, daß auch die Gegenseite trotz eines totalen Sieges Scheußlichkeiten größten Ausmaßes weder verhindern konnte noch will.

Man mag zur Theorie der Verschwörung stehen wie man will, für den kritischen Beobachter ist sie eine Verlegenheitslösung. Wer an entscheidender Stelle im Dritten Reich gewirkt hat, weiß, daß sie einfach eine geschichtliche Unwahrheit darstellt, und der Vater des Statuts dieses Gerichtshofs beweist mit seiner Erfindung nur, welchem Milieu sein Denken entspringt.

Ich könnte ebensogut behaupten, daß die Signatarmächte dieses Statuts eine Verschwörung zur Unterdrückung elementarster Bedürfnisse eines hochentwickelten, tüchtigen und tapferen Volkes gebildet hätten.

Wenn ich auf mein Tun und Wollen zurückblicke, so kann ich nur schließen: Das einzige, dessen ich mich vor meinem Volke, und nicht vor diesem Gericht, schuldig fühle, ist, daß mein außenpolitisches Wollen ohne Erfolg geblieben ist.

VORSITZENDER: Angeklagter Wilhelm Keitel.

WILHELM KEITEL: Ich habe auf dem Zeugenstand meine Verantwortlichkeit im Rahmen meiner Dienststellung bekannt und habe die Bedeutung dieser Dienststellung durch die Beweisführung und durch das Plädoyer meines Verteidigers dargelegt.

Es liegt mir fern, meinen Anteil an dem, was geschehen ist, zu verkleinern.

Im Interesse der geschichtlichen Wahrheit erscheint es mir aber geboten, einige Irrtümer in den Schlußansprachen der Anklagebehörde richtigzustellen.

Der amerikanische Herr Anklagevertreter hat in seiner Schlußansprache ausgeführt – ich zitiere: »Keitel, ein schwächliches, ergebenes Werkzeug, lieferte die Wehrmacht, das Angriffsmittel, an die Partei aus!«

Eine »Auslieferung« der Wehrmacht an die Partei durch mich läßt sich mit meinen Funktionen nicht in Einklang bringen, weder bis zum 4. Februar 1938, noch nach diesem Zeitpunkt, in dem Hitler sich selbst zum Obersten Befehlshaber der Wehrmacht machte und damit Partei und Wehrmacht unumschränkt beherrschte. Ich erinnere mich nicht, daß im Laufe dieses Verfahrens ein Beweismittel vorgebracht worden ist, das diese schwerwiegende Behauptung der Anklagebehörde rechtfertigen könnte.

Das Beweisverfahren hat aber auch ergeben, daß die weitere Behauptung: daß Keitel die Wehrmacht bei der Durchführung ihrer verbrecherischen Absichten leitete, irrig ist. Diese Behauptung in dem englisch-amerikanischen Trial-Brief steht mit diesem in Widerspruch, in dem ausdrücklich gesagt ist, daß ich keine Befehlsbefugnisse hatte. Deshalb irrt auch der britische Herr Hauptanklagevertreter, wenn er von mir spricht – ich zitiere: »einem Feldmarschall, der der Wehrmacht Befehle erteilte«, und wenn er mir unterstellt, gesagt zu haben, daß ich: »keine Ahnung hatte, welche praktischen Ergebnisse damit erzielt würden« – so lautet das Zitat –, so glaube ich, daß dies etwas anderes ist, als ich auf dem Zeugenstand sagte, nämlich – ich zitiere meine Worte von dem Zeugenstand: »Wenn ein Befehl aber gegeben war, handelte ich nach meiner Auffassung pflichtgemäß, ohne mich durch die möglichen, aber nicht immer erkennbaren Auswirkungen beirren zu lassen.« Auch die Behauptung – ich zitiere: »Keitel und Jodl können die Verantwortung für die Operationen der Einsatzkommandos nicht leugnen, mit denen ihre eigenen Kommandeure eng und kordial zusammenarbeiteten«, ist mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht in Einklang zu bringen. Das OKW war von dem sowjetrussischen Kriegsschauplatz ausgeschaltet, ihm unterstanden auch keine Truppenbefehlshaber. Der französische Herr Anklagevertreter hat in seiner Schlußansprache gesagt: »Ist es nötig, an das schreckliche Wort des Angeklagten Keitel zu erinnern, daß das menschliche Leben in den besetzten Gebieten weniger als nichts gilt?« Schluß des Zitats.

Diese schrecklichen Worte sind nicht meine Worte. Ich habe sie nicht erdacht und auch nicht zum Inhalt eines Befehls gemacht. Schwer genug lastet auf mir die Tatsache, daß mein Name mit der Weitergabe dieses Führerbefehls verbunden ist.

An anderer Stelle führt Herr Champetier de Ribes aus – ich zitiere: »Die Ausführung dieses Befehls« – es handelte sich um die Partisanenbekämpfung – »erfolgte auf Grund der Anweisungen des Befehlshabers der Heeresgruppe, der seinerseits wieder nach allgemeineren Anweisungen des Angeklagten Keitel handelte.«

Auch hier wird wieder von »Anweisungen Keitels« gesprochen, obwohl in der französischen Anklageschrift selbst ausgeführt ist, daß ich als Chef des OKW den Wehrmachtsteilen unmittelbar keine Befehle erteilen konnte.

In der Schlußansprache des Herrn sowjetrussischen Anklagevertreters heißt es – ich zitiere: »Angefangen mit den Dokumenten über Hinrichtung politischer Personen hat Keitel, dieser Soldat, worauf er sich so gerne beruft, bei der Voruntersuchung die Amerikanische Anklagebehörde – über seinen Eid weggehend – unverschämt belogen, indem er sagte, daß dieser Erlaß einmal den Charakter einer Repressalie habe und daß politische Personen von den anderen Kriegsgefangenen auf eigenen Wunsch der letzteren getrennt gehalten wurden. Vor dem Gericht wurde er entlarvt.« Schluß des Zitats. Es handelt sich um das Dokument 884-PS.

Der Vorwurf der Lüge ist unbegründet. Die Sowjetrussische Anklage hat übersehen, daß das Protokoll über meine Vernehmung im Vorverfahren zu dieser Frage nicht Gegenstand der Beweisaufnahme vor diesem Gerichtshof war. Es hätte daher auch im Schlußvortrag der Anklagebehörde nicht Verwendung finden dürfen. Ich habe das Protokoll des Vorverhörs nicht gesehen und kenne seinen Wortlaut nicht. Wenn es vollständig ist, so wird es auch die Klarstellung des Irrtums enthalten, der dadurch entstanden war, daß mir das fragliche Dokument nicht vorgelegt worden war. In der Vernehmung durch meinen Verteidiger habe ich den Sachverhalt auf dem Zeugenstand richtig dargestellt.

Im letzten Stadium des Prozesses wurde durch die Anklagebehörde noch einmal der Versuch gemacht, mich dadurch schwer zu belasten, daß mein Name mit einem Befehl zur Vorbereitung des bakteriologischen Krieges in Verbindung gebracht wurde. Ein Zeuge, der ehemalige Generalarzt Dr. Schreiber, hatte in seinem Bericht gesagt: »Der Chef OKW, Feldmarschall Keitel, hatte den Befehl erlassen, den bakteriologischen Krieg gegen die Sowjetunion vorzubereiten.« Ende des Zitats.

Auf dem Zeugenstand hier hat dieser Zeuge allerdings von einem Führerbefehl gesprochen. Aber auch dieses ist nicht richtig.

Die im Einverständnis mit der Anklagebehörde von dem Tribunal genehmigte Einführung der Bekundungen des Oberst Bürker ergibt, daß ich im Herbst 1943 die mir vorgetragene Anregung der Heeressanitätsinspektion, des Heereswaffenamtes, zu einer Aktivierung der Bakterienversuche, wie Bürker wörtlich sagt, scharf und kategorisch zurückwies mit dem Hinweis, das komme gar nicht in Frage, es sei ja doch verboten.

Dies ist richtig. Auch Generaloberst Jodl kann bestätigen, daß niemals ein Befehl der von dem Zeugen behaupteten Art erlassen worden ist, vielmehr Hitler den von einigen Stellen erörterten bakteriologischen Krieg verboten hat. Damit erweist sich die gegenteilige Behauptung des Zeugen Dr. Schreiber als unwahr.

Ich nehme für mich in Anspruch, in allen Dingen, auch dann, wenn sie mich belasteten, die Wahrheit gesagt, mich jedenfalls bemüht zu haben, trotz des großen Umfanges meines Tätigkeitsbereichs zur Aufklärung des wahren Sachverhalts nach bestem Wissen beizutragen.

So will ich auch am Schluß dieses Prozesses offen meine heutige Erkenntnis und mein Bekenntnis darlegen:

Mein Verteidiger hat mir im Laufe des Verfahrens zwei grundsätzliche Fragen vorgelegt; die erste schon vor Monaten. Sie lautete:

»Würden Sie im Falle eines Sieges abgelehnt haben, an dem Erfolg zu einem Teil beteiligt gewesen zu sein?«

Ich habe geantwortet: »Nein, ich würde sicher stolz darauf gewesen sein.«

Die zweite Frage war:

»Wie würden Sie sich verhalten, wenn Sie noch einmal in die gleiche Lage kämen?«

Meine Antwort: »Dann würde ich lieber den Tod wählen, als mich in die Netze so verderblicher Methoden ziehen zu lassen.«

Aus diesen beiden Antworten möge das Hohe Gericht meine Beurteilung erkennen.

Ich habe geglaubt, ich habe geirrt und war nicht imstande zu verhindern, was hätte verhindert werden müssen.

Das ist meine Schuld.

Es ist tragisch, einsehen zu müssen, daß das beste, was ich als Soldat zu geben hatte, Gehorsam und Treue, für nicht erkennbare Absichten ausgenutzt wurde und daß ich nicht sah, daß auch der soldatischen Pflichterfüllung eine Grenze gesetzt ist.

Das ist mein Schicksal.

Möge aus der klaren Erkenntnis der Ursachen, der unheilvollen Methoden und der schrecklichen Folgen dieses Kriegsgeschehens für das deutsche Volk die Hoffnung erwachsen auf eine neue Zukunft in der Gemeinschaft der Völker.

VORSITZENDER: Ich rufe den Angeklagten Ernst Kaltenbrunner.

ERNST KALTENBRUNNER: Die Ankläger machen mich verantwortlich für die Konzentrationslager, für die Vernichtung jüdischen Menschenlebens, für Einsatzgruppen und anderes mehr.

Dies alles entspricht weder dem Beweisergebnis noch der Wahrheit. Die Ankläger sind, so wie die Angeklagten, den Gefahren eines summarischen Verfahrens unterlegen.

Richtig ist, daß ich das Reichssicherheitshauptamt übernehmen mußte. Darin allein lag keine Schuld. Solche Ämter bestehen auch in Staaten anderer Nationen. Dennoch bestand meine mir übertragene Aufgabe und Tätigkeit im Jahre 1943 fast ausschließlich in der Reorganisation des deutschen politischen und militärischen Nachrichtendienstes, nicht als Nachfolger Heydrichs, sondern fast ein Jahr nach seinem Tode, als nämlich der Verdacht jahrelanger Zusammenarbeit des Admirals Canaris mit dem Feinde bestand, mußte ich befehlsgemäß und als Offizier dieses Kommando antreten.

Ich habe in kurzer Zeit in ungeheuerlichstem Ausmaße den Verrat Canaris und seiner Helfer festgestellt. Die Ämter IV und V des Reichssicherheitshauptamtes unterstanden mir nur formell und nie de facto.

Die hier gezeigte Gruppenskizzierung und daraus abzuleitende Befehlsfolgerung ist falsch und irreführend.

Himmler, der es meisterhaft verstand, die längst nicht mehr eine organisatorische und weltanschauliche Einheit bildende SS in kleinste Gruppen aufzusplittern und seiner unmittelbaren Einflußnahme zuzuführen, soweit er es brauchte, hat mit Müller, dem Chef der Geheimen Staatspolizei, Verbrechen begangen, die wir heute kennen. Entgegen der öffentlichen Meinung behaupte ich entschieden und leidenschaftlich, daß ich von der Tätigkeit dieser Himmler und Konsorten sachlich unterstehenden Ämter nur den geringsten Bruchteil und nur soweit er meinen Spezialauftrag umfaßte, erfahren habe.

In der Judenfrage wurde ich ebensolange getäuscht wie andere hohe Funktionäre. Ich habe niemals die biologische Ausrottung des Judentums gebilligt oder geduldet. Der Antisemitismus in Partei- und Staatsgesetzen war im Kriege noch als Notwehrmaßnahme hinzunehmen. Der Antisemitismus Hitlers, wie wir ihn heute feststellen, war Barbarei.

An beiden Fällen war ich unbeteiligt. Ich behaupte aber, wie ich noch ausführen werde, daß die Einstellung der Judenvernichtung auf mein Einwirken auf Hitler zurückzuführen ist.

Nach der Beweisaufnahme sind verschiedene Photographien vorgelegt worden, die meine Kenntnis von Verbrechen in Konzentrationslagern, im Konzentrationslager Mauthausen, und Kenntnis seiner Verbrechenswerkzeuge beweisen sollen. Ich habe nie das Haftlager Mauthausen betreten, lediglich den Teil des Arbeitslagers im Steinbruch, in welchem Schwerverbrecher auf Grund des Gesetzes beschäftigt waren, nicht aber Juden oder politische Häftlinge. Die Bilder zeigen neben einem Verwaltungsgebäude auch nichts anderes. Die eidesstattlichen Versicherungen US-909, die Bilder 894 bis 897 F sind daher sachlich unmöglich und falsch. Das Bild mit Hitler stellt den Besuch einer Baustelle in Linz dar, 35 km entfernt von diesem Lager Mauthausen.

Die Aussage des Zeugen Dr. Morgen erscheint im wesentlichen richtig, aber ergänzungsbedürftig, soweit sie meine Person und meine Reaktion hierauf betrifft. Der Zeuge bezieht im Notstande eigener Haft und Verteidigung zuviel auf sich und führte nicht aus, daß er auf meine Bitte vom Chef des Hauptamtes SS-Gericht in das Amt V des Reichssicherheitshauptamtes versetzt wurde, um als richterlicher Beamter die Spezialkommission, die dort vom Chef der Kriminalpolizei Nebe und mir zur Untersuchung der Konzentrationslager zusammengestellt worden war, zu ergänzen. Er vermag meine Kenntnis der weiteren Vorgänge nicht zu bekunden, was ich – starr von seinem Bericht – im Gegensatz zu Müller, der wie ein Entlarvter tobte, nach seinem Vortrag getan habe; am selben Tage ging mit Kurier ein genauer schriftlicher Bericht an Hitler ins Hauptquartier. Ich wurde tags darauf bestellt und flog hin. Nach langem Vortrag sagte mir Hitler Untersuchung gegen Himmler und Pohl zu. Er erklärte ein Sondergericht für alle weiteren Untersuchungen und notwendigen Festnahmen für zuständig. Pohl sollte sofort des Dienstes enthoben werden. Vor mir gab Hitler an Fegelein als Verbindungsführer zu Himmler Befehl, daß dieser zu ihm kommen solle, und versprach mir in die Hand, noch heute alle Maßnahmen gegen jede weitere Untat zu erteilen. Meine Bitte um Enthebung und Frontverwendung lehnte er mit dem Hinweis auf meine Unentbehrlichkeit Im Nachrichtenwesen ab. Eichmann wurde verhaftet und festgenommen und mir gemeldet. Der Erlaß Himmlers im Oktober 1944, der dies letztlich bestätigt und finalisiert, ist in seinem Wortlaut eine letzte Teufelei Himmlers.

Sieht die Anklage noch immer keine Diskrepanz in dem Umstand, daß das Amt V des Reichssicherheitshauptamtes Verbrechen des Amtes IV des Reichssicherheitshauptamtes und einer geheimen Verbrecherclique aufgedeckt hat? Ich ersehe darin den Beweis, daß ich die wahren Vorgänge nie kannte und in dem Augenblick meiner Kenntnisnahme dagegen im eigenen Amte auftrat. Hätte ich in diesem Zeitpunkte unter Vortäuschung einer Krankheit mich in die Verantwortungslosigkeit zurückziehen sollen, oder hatte ich die Pflicht, alles aufzubieten und darum zu ringen, daß einer Barbarei ohnegleichen Einhalt geboten werde? Das allein steht hier als meine Schuld zur Entscheidung. Daran ändern auch die weiteren Diffamierungen der Anklage gegen mich nichts. Der so belastend erscheinende Brief an den Bürgermeister von Wien, den unterschrieben zu haben ich mich nicht erinnerte, ist heute für mich aufgeklärt. Alle 12000 Personen, die damals zusammen mit Zehntausenden deutscher Frauen und Männer östlich Wiens zum Festungsbau eingesetzt wurden, sind mit weiteren 2000 Personen in Gunskirchen in Oberösterreich vom Internationalen Roten Kreuz durch meine Vermittlung betreut und in Freiheit geführt worden. Tempo und Aufregung des Kreuzverhörs ließen mir nicht einfallen, daß ich um diese Zeit, in welcher längst die Kommissionen des Amtes V in den Lagern tätig waren, an eine Gefahr für jüdisches Leben nicht mehr glauben konnte. Meine Glaubwürdigkeit stand seit damals auf dem Spiele. Eine Anfrage der Ankläger in einem nicht summarischen Verfahren an das Rote Kreuz in Genf hätte diese Glaubwürdigkeit sofort wieder herstellen können.

Wenn aber an mich die Frage gestellt wird: Warum blieben Sie, nachdem Sie wußten, daß Ihre Vorgesetzten Verbrechen begangen hatten, darauf kann ich nur antworten, daß ich mich nicht zu ihrem Richter aufwerfen konnte, ja, daß nicht einmal dieses Gericht hier dieser Tat Sühne folgen zu lassen imstande sein wird.

In den letzten Tagen wird mir von den Anklägern die Beteiligung an der Ermordung eines französischen Generals vorgeworfen. Ich hörte von der Ermordung eines deutschen Generals Brodowski und dem Befehl Hitlers, die Frage einer Repressalie zu prüfen. Von der Ermordung habe ich erstmals hier vor wenigen Tagen gehört. Panzinger war Chef der Kriegsfahndungsabteilung im Reichskriminalpolizeiamt und unterstand niemand anderem als Himmler in dessen Eigenschaft als Chef des Ersatzheeres und des Kriegsgefangenenwesens. Er war nicht, wie die Anklage behauptet, Beamter der Geheimen Staatspolizei. Zu der Unterschrift unter dem Fernschreiben vom 30. Dezember 1944 mit meinem Namen, in welchem die Art der Ausführung des Planes von Berlin an Himmler in dessen Hauptquartier gemeldet wurde, bemerke ich, daß ich vom 23. Dezember bis 3. Jänner in Österreich bei meiner Familie war, das Fernschreiben nicht gesehen und unterzeichnet haben konnte. Ich hatte im November 1944 ausschließlich den Befehl, den Bericht des Reichspressechefs Dietrich über den Mord an dem deutschen General in Frankreich zu überprüfen. Die Ergebnisse Hierüber erhielt das Hauptquartier von den dortigen Dienststellen. Ich habe es bedauert, daß Hitler in einer Situation, wie ich sie zur Zeit meines Dienstantritts 1943 vorfand, in keinem besseren Verhältnis zu den Kirchen stand, die ein nicht wegzudenkender Ordnungsfaktor jedes Staates sind. Meine Vorstellungen schlugen fehl. Ich habe mich ehrlich bemüht, das Beweisverfahren hat es ergeben, die Anklage hat auch daraus keine Konsequenzen gezogen.

Ich weiß nur, daß ich meine ganze Kraft meinem Volk in meinem Glauben an Adolf Hitler zur Verfügung stellte. Ich konnte als deutscher Soldat nur in den Dienst der Abwehr jener zerstörenden Kräfte mich stellen, die Deutschland einst schon nahe an den Abgrund gebracht hatten und heute, nach dem Zusammenbruch des Reiches, weiterhin die Welt bedrohen.

Wenn ich in meinem Wirken Irrtümer aus falschem Gehorsamsbegriff begangen habe, wenn ich Befehle, die alle – soweit sie hier als Kardinalbefehle angeklagt gewesen sind – vor meiner Zeit erlassen worden waren, ausgeführt habe, so liegen sie in einem mich mitreißenden mächtigeren Schicksal beschlossen.

Ich bin hier angeklagt, weil man für den fehlenden Himmler und andere mir vollkommen konträre Elemente Stellvertreterschaft braucht. Ob meine Haltung und Darstellung nun angenommen oder verworfen werden, ich bitte Sie, das Schicksal und die Ehre Hunderttausender gefallener und lebender Männer der Allgemeinen SS, der Waffen-SS und der Beamtenschaft, die bis zum letzten tapfer und ideal gläubig ihr Reich verteidigt haben, nicht mit Ihrem gerechten Fluche gegen Himmler zu verknüpfen. Sie meinten, so wie ich, nach Gesetz gehandelt zu haben.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird nun eine Pause einschalten.