[Pause von 10 Minuten.]
VORSITZENDER: Ich rufe den Angeklagten Alfred Rosenberg.
ALFRED ROSENBERG: Die Ankläger haben über die Wiederholung der alten Beschuldigungen hinaus in stärkster Weise neue erhoben; so seien wir alle »zu geheimen Beratungen zugelassen« gewesen, um einen Angriffskrieg zu planen; ferner sollen wir die behauptete Ermordung von zwölf Millionen Menschen befohlen haben. Man hat alle diese Anklagen unter dem Worte »Genocidium«, Völkermord, zusammengefaßt. Hierzu habe ich folgendes zu erklären:
Ich weiß mein Gewissen völlig frei von einer solchen Schuld, von einer Beihilfe zum Völkermord. Statt die Auflösung der Kultur und des nationalen Gefühls der Völker Osteuropas zu betreiben, bin ich eingetreten für die Forderung ihrer physischen und seelischen Daseinsbedingungen, statt ihre persönliche Sicherheit und menschliche Würde zu zerstören, bin ich nachgewiesenermaßen gegen jede Politik gewaltsamer Maßnahmen mit ganzer Kraft aufgetreten und habe mit Schärfe eine gerechte Haltung der deutschen Beamten und eine humane Behandlung der Ostarbeiter gefordert. Statt »Kindersklaverei« zu betreiben, wie man sagt, habe ich Jugendlichen aus kampfgefährdeten Gebieten Schutz und besondere Pflege angedeihen lassen. Statt die Religion auszurotten, habe ich durch ein Toleranzedikt die Freiheit der Kirchen in den Ostgebieten wieder hergestellt. In Deutschland habe ich in Vertretung meiner weltanschaulichen Überzeugungen Gewissensfreiheit verlangt, jedem Gegner zugebilligt und nie eine Religionsverfolgung veranlaßt.
Der Gedanke an eine physische Vernichtung von Slawen und Juden, also der eigentliche Völkermord, ist mir nie in den Sinn gekommen, geschweige denn, daß ich ihn irgendwie propagiert habe. Ich war der Anschauung, daß die vorhandene Judenfrage gelöst werden müsse durch Schaffung eines Minderheitenrechtes, Auswanderung oder durch Ansiedlung der Juden in einem nationalen Territorium in einem jahrzehntelangen Zeitraum. Wie geschichtliche Entwicklungen früher nie geplante Maßnahmen hervorrufen können, zeigt das »Weiße Papier« der Britischen Regierung vom 24. Juli 1946.
Völlig anders als meine Auffassung war die hier im Prozeß erwiesene Praxis der deutschen Staatsführung im Kriege. Adolf Hitler zog in steigendem Maße Personen heran, die nicht meine Kameraden, sondern meine Gegner waren. Zu deren unheilvollen Taten habe ich zu erklären: Dies war nicht die Durchführung des Nationalsozialismus, für den Millionen gläubiger Männer und Frauen gekämpft hatten, sondern sein schmählicher Mißbrauch, eine auch von mir zutiefst verurteilte Entartung.
Den Gedanken, daß ein Verbrechen des Genocidiums durch internationale Abmachung geächtet und unter schwerste Strafe gestellt werden soll, begrüße ich aufrichtig unter der natürlichen Voraussetzung, daß das Genocidium jetzt und in Zukunft auch nicht gegen das deutsche Volk in irgendeiner Art erlaubt sein darf.
Der Sowjetankläger hat unter anderem erklärt, die »ganze sogenannte ideologische Tätigkeit« sei »eine Vorbereitung für Verbrechen« gewesen. Dazu möchte ich erklären. Der Nationalsozialismus vertrat den Gedanken einer Überwindung des volkzersetzenden Klassenkampfes und der Einheit aller Stände in einer großen Volksgemeinschaft. Er stellte zum Beispiel durch den Arbeitsdienst die Ehre der Handarbeit an der Muttererde wieder her und richtete die Augen aller Deutschen auf die Notwendigkeit eines starken Bauerntums. Er bildete im Winterhilfswerk eine Kameradschaft der ganzen Nation für alle in Not geratenen Volksgenossen, ohne Rücksicht auf frühere Parteizugehörigkeit. Er baute Mütterheime, Jugendherbergen, Gemeinschaftshäuser in den Fabriken und führte Millionen an noch ungekannte Schätze der Kunst heran.
Dem allen diente auch ich.
Nie aber habe ich neben meiner Liebe zu einem freien und starken Reich die Pflicht gegenüber dem ehrwürdigen Europa vergessen. Zu seiner Erhaltung und friedlichen Entwicklung rief ich schon 1932 in Rom auf, und für den Gedanken der inneren Gewinnung der Völker Osteuropas kämpfte ich, als ich 1941 Ostminister wurde, solange ich es vermochte.
Ich kann deshalb in der Stunde der Not der Idee auch meines Lebens, dem Ideal eines sozial befriedeten Deutschlands und eines seiner Werte bewußten Europas nicht abschwören und bleibe ihr treu.
Der bei allen menschlichen Unzulänglichkeiten ehrliche Dienst für diese Weltanschauung war keine Verschwörung, mein Handeln niemals ein Verbrechen, sondern ich verstand auch meinen Kampf, wie den Kampf der vielen Tausenden von Kameraden, geführt für die edelste Idee, um die seit über 100 Jahren gerungen und eine Fahne erhoben wurde.
Ich bitte, dies als Wahrheit zu erkennen. Dann würde aus diesem Prozeß keine Glaubensverfolgung entstehen können, dann wäre nach meiner Überzeugung ein erster Schritt getan für ein neues gegenseitiges Verstehen der Völker, ohne Vorurteile, ohne böse Gefühle und ohne Haß.
VORSITZENDER: Angeklagter Hans Frank.
HANS FRANK: Meine Herren Richter!
Adolf Hitler, der Hauptangeklagte, ist dem deutschen Volk und der Welt sein Schlußwort schuldig geblieben. In der tiefsten Not seiner Nation fand er kein heilsames Wort. Er erstarrte und waltete nicht seines Führeramtes, sondern ging als Selbstmörder fort ins Dunkle. War es Verstocktheit, Verzweiflung oder Trotz gegen Gott und Menschen in dem Sinne etwa: »Wenn ich zugrunde gehe, mag auch das deutsche Volk zur Tiefe fahren!« Wer mag es ergründen?
Wir – und wenn ich nun per »wir« spreche, dann meine ich mich und jene Nationalsozialisten, die mit mir in diesem Bekenntnis einig sind, nicht die Mitangeklagten, für die zu sprechen ich nicht befugt bin – wir wollen nicht in gleicher Weise das deutsche Volk seinem Schicksal wortlos überlassen. Wir wollen nicht einfach sagen: »Nun seht zu, wie ihr mit dem Zusammenbruch fertig werden könnt, den wir euch hinterlassen haben!« Wir tragen auch jetzt noch – vielleicht wie nie zuvor – eine große geistige Verantwortung. Wir haben am Anfang unseres Weges nicht geahnt, daß die Abwendung von Gott solche verderblichen, tödlichen Folgen haben könnte und daß wir zwangsläufig immer tiefer in Schuld verstrickt werden könnten. Wir haben es damals nicht wissen können, daß soviel Treue und Opfersinn des deutschen Volkes von uns so schlecht verwaltet werden könnte. So sind wir in der Abwendung von Gott zuschanden geworden und mußten untergehen. Es waren nicht technische Mängel und unglückliche Umstände allem, wodurch wir den Krieg verloren haben. Es war auch nicht Unheil und Verrat. Gott vor allem hat das Urteil über Hitler gesprochen und vollzogen über ihn und das System, dem wir in gottferner Geisteshaltung dienten. Darum möge auch unser Volk von dem Weg zurückgerufen sein, auf dem Hitler und wir mit ihm es geführt haben. Ich bitte unser Volk, daß es nicht verharrt in dieser Richtung, auch nicht einen Schritt. Denn Hitlers Weg war der vermessene Weg ohne Gott, der Weg der Abwendung von Christus und in allem letzten Endes der Weg politischer Torheit, der Weg des Verderbens und des Todes. Sein Gang wurde mehr und mehr der eines entsetzlichen Abenteurers ohne Gewissen und Ehrlichkeit, wie ich heute weiß am Schlusse dieses Prozesses.
Wir rufen das deutsche Volk, dessen Machtträger wir mit waren, von diesem Weg zurück, auf dem wir und unser System nach Gottes Recht und Gerechtigkeit scheitern mußten und auf dem jeder scheitern wird, der ihn zu gehen versucht oder fortsetzt, allüberall in der Welt!
Über den Gräbern der Millionen Toten dieses furchtbaren zweiten Weltkrieges stieg dieser monatelange Staatsprozeß als das zentrale juristische Nachspiel auf, und die Geister der Toten zogen anklagend durch diesen Raum.
Ich danke, daß man mir die Möglichkeit einer Verteidigung und damit einer Rechtfertigung gegeben hat zu den Belastungen, die gegen mich vorgebracht wurden. Ich denke dabei an all diese Opfer von Gewalt und Grauen der furchtbaren Kriegsereignisse. Mußten doch Millionen vergehen, ungefragt und ungehört.
Ich habe das Kriegstagebuch über meine Erklärungen und Handlungen in der Stunde abgegeben, die mir die Freiheit nahm. Wenn ich wirklich einmal hart war, dann war ich es in diesem Augenblick der Offenlegung meines Handelns im Kriege, vor allem mir selbst gegenüber. Ich will auf der Welt keine versteckte. Schuld unerledigt zurücklassen. Im Zeugenstand habe ich die Verantwortung für das übernommen, für was ich einzustehen habe. Ich habe auch jenes Maß von Schuld anerkannt, das auf mich als Vorkämpfer Adolf Hitlers, seiner Bewegung und seines Reiches trifft.
Den Worten meines Verteidigers habe ich nichts hinzuzufügen.
Ich muß nur noch ein Wort von mir berichtigen. Ich sprach im Zeugenstand von tausend Jahren, die die Schuld von unserem Volke wegen des Verhaltens Hitlers in diesem Krieg nicht nehmen könnten. Nicht nur das sorgsam aus diesem Verfahren ferngehaltene Verhalten unserer Kriegsfeinde unserem Volk und seinen Soldaten gegenüber, sondern die riesigen Massenverbrechen entsetzlichster Art, die, wie ich jetzt erst erfahren habe, vor allem in Ostpreußen, Schlesien, Pommern und im Sudetenland von Bussen, Polen und Tschechen an Deutschen verübt wurden und noch verübt werden, haben jede nur mögliche Schuld unseres Volkes schon heute restlos getilgt. Wer wird diese Verbrechen gegen das deutsche Volk einmal richten?
Mit der gewissen Hoffnung, daß aus all dem Grauen der Kriegszeit und den schon wieder überall drohenden Entwicklungen vielleicht doch noch ein Friede ersteht, an dem auch unser Volk seinen segnenden Anteil gewinnen möge, beende ich mein Schlußwort. Die ewige Gerechtigkeit Gottes aber ist es, in der ich unser Volk geborgen hoffe und der allein auch ich mich vertrauensvoll beuge.
VORSITZENDER: Angeklagter Wilhelm Frick.
WILHELM FRICK: Der Anklage gegenüber habe ich ein reines Gewissen. Mein ganzes Leben war Dienst an Volk und Vaterland. Ihnen habe ich meine beste Kraft in treuester Pflichterfüllung gewidmet. Ich bin überzeugt, daß kein patriotischer Amerikaner oder Angehöriger eines anderen Landes in gleicher Lage seines Landes an meiner Stelle anders gehandelt hätte. Denn jede andere Handlungsweise wäre Bruch meines Treueides, Hoch- und Landesverrat gewesen. Für die Erfüllung meiner gesetzlichen und moralischen Pflicht glaube ich, ebensowenig Strafe verdient zu haben, wie die Zehntausende pflichttreuer deutscher Beamter und Angestellter des öffentlichen Dienstes, die heute noch wie schon seit Jahr und Tag nur wegen Erfüllung ihrer Pflicht in Lagern festgehalten werden. Ihrer hier in Treue zu gedenken, ist mir als ehemaligem langjährigen Beamtenminister des Reiches eine besondere Ehrenpflicht.
VORSITZENDER: Angeklagter Julius Streicher!
JULIUS STREICHER: Meine Herren Richter! Zu Beginn dieses Prozesses bin ich vom Herrn Präsidenten gefragt worden, ob ich mich im Sinne der Anklage schuldig bekenne. Ich habe diese Frage verneint.
Das durchgeführte Verfahren und die Beweisaufnahme haben die Richtigkeit meiner damals abgegebenen Erklärung bestätigt. Es ist festgestellt:
Erstens: Die Massentötungen sind ausschließlich und ohne Beeinflussung auf Befehl des Staatsführers Adolf Hitler erfolgt.
Zweitens: Die Durchführung der Massentötungen ist ohne Wissen des deutschen Volkes unter völliger Geheimhaltung durch den Reichsführer Heinrich Himmler vollzogen worden.
Die Staatsanwaltschaft hatte behauptet, ohne Streicher und ohne seinen »Stürmer« wären die Massentötungen nicht möglich gewesen. Die Staatsanwaltschaft hat für diese Behauptung weder Beweise angeboten noch erbracht. Es steht fest, daß ich anläßlich des von mir im Auftrag geleiteten Anti-Boykott-Tages im Jahre 1933 und anläßlich der vom Reichsminister Dr. Goebbels befohlenen Demonstration im Jahre 1938 in meiner Eigenschaft als Gauleiter irgendwelche Gewalttätigkeiten gegen die Juden weder angeordnet noch verlangt oder mich an solchen beteiligt habe. Es steht weiter fest, daß ich in mehreren Artikeln in meinem Wochenblatt »Der Stürmer« die zionistische Forderung zur Schaffung eines Judenstaates als natürliche Lösung des Judenproblems vertreten habe. Diese Tatsachen sind ein Beweis dafür, daß ich die Judenfrage nicht auf gewaltsame Weise gelöst haben wollte.
Wenn in einigen Artikeln meines Wochenblattes »Der Stürmer« von mir oder anderen Verfassern von einer Vernichtung oder Ausrottung des Judentums gesprochen wurde, so waren dies scharfe Gegenäußerungen gegen provozierende Auslassungen jüdischer Schriftsteller, in denen die Ausrottung des deutschen Volkes verlangt worden war!
Die vom Staatsführer Adolf Hitler befohlenen Massentötungen sollten nach seiner letztwilligen Erklärung eine Vergeltung sein, die nur bedingt war durch den damals erkennbar gewordenen ungünstigen Verlauf des Krieges. Dieses Vorgehen des Staatsführers gegen das Judentum ist aus einer von der meinigen durchaus verschiedenen Einstellung zur jüdischen Frage zu erklären. Hitler wollte das Judentum bestrafen, weil er es für die Entfesselung des Krieges und für die Bombenwürfe auf die deutsche Zivilbevölkerung verantwortlich hielt. Es ist tief bedauerlich, daß die auf persönlichen Entschluß des Staatsführers Adolf Hitler zurückzuführenden Massentötungen zu einer Behandlung des deutschen Volkes geführt haben, die ebenfalls als nicht menschlich empfunden werden muß. Die durchgeführten Massentötungen lehne ich ebenso ab, wie sie von jedem anständigen Deutschen abgelehnt werden.
Meine Herren Richter! Ich habe weder in meiner Eigenschaft als Gauleiter noch als politischer Schriftsteller ein Verbrechen begangen und sehe deshalb Ihrem Urteil mit gutem Gewissen entgegen.
Ich habe für mich keine Bitte. Ich habe eine solche für das deutsche Volk, dem ich entstamme: Ihnen, meine Herren Richter, hat das Schicksal die Macht gegeben, jedes Urteil zu sprechen. Sprechen Sie, meine Herren Richter, kein Urteil, in dem Sie einem ganzen Volk den Stempel der Unehre auf die Stirne drücken.
VORSITZENDER: Angeklagter Walther Funk.
WALTHER FUNK: In Zeiten schwerster Not meines Volkes habe ich mich der politischen Bewegung angeschlossen, deren Ziel der Kampf für die Freiheit und die Ehre meines Vaterlandes und für eine wahre soziale Volksgemeinschaft war.
Diese Bewegung erhielt auf legalem Wege die Führung des Staates.
Diesem Staat habe ich gedient auf Grund meiner Dienstpflicht als Beamter und in Vollzug der deutschen Gesetze.
An diese Pflichterfüllung fühlte ich mich in erhöhtem Maße gebunden in Zeiten der Kriegsgefahr und im Kriege selbst, in welchem die Existenz des Vaterlandes auf das höchste bedroht war. Im Kriege aber ist der Staat unbedingt auf die Treue und Loyalität seiner Beamten angewiesen.
Nun sind hier grauenvolle Verbrechen bekanntgeworden, in die zum Teil auch die von mir geleiteten Behörden hineingezogen wurden. Das habe ich erst hier vor Gericht erfahren. Ich habe diese Verbrechen nicht gekannt und nicht zu erkennen vermocht. Diese verbrecherischen Taten erfüllen mich wie jeden Deutschen mit tiefer Scham.
Ich habe mein Gewissen und mein Gedächtnis auf das sorgfältigste geprüft, ich habe dem Gericht offen und ehrlich alles gesagt, was ich wußte, und ich habe nichts verschwiegen. Auch hinsichtlich dieser SS-Depots bei der Reichsbank handelte ich in Erfüllung der mir als Präsident der Reichsbank obliegenden Amtspflichten. Die Annahme von Gold und Devisen gehörte nach den gesetzlichen Bestimmungen zu den geschäftlichen Aufgaben der Reichsbank. Daß die Beschlagnahme dieser Werte durch die Himmler unterstehenden SS-Organe erfolgte, konnte in mir keinen Verdacht aufkommen lassen. Himmler unterstand die gesamte Polizei, die Grenzkontrolle und insbesondere auch die gesamte Devisenfahndung im Reich und in allen besetzten Gebieten; aber ich bin hier von Himmler getäuscht und hintergangen worden. Ich habe bis zu diesem Prozeß nicht gewußt und nicht geahnt, daß unter den bei der Reichsbank eingelieferten Werten sich Riesenmengen von Perlen, Edelsteinen, Schmuck, Goldsachen sogar Brillengestelle und – entsetzlich zu sagen – Goldzähne befanden. Das ist mir niemals mitgeteilt worden, und ich habe es auch niemals wahrgenommen. Ich habe diese Dinge nie gesehen.
Ich wußte aber bis zu diesem Prozeß ebenfalls nichts davon, daß Millionen von Juden in Konzentrationslagern oder durch Einsatzkommandos im Osten ermordet worden sind.
Niemals hat ein Mensch auch nur ein Wort mit mir über diese Dinge gesprochen. Die Existenz derartiger Vernichtungslager war mir völlig unbekannt. Ich kannte keinen einzigen dieser Namen. Ich habe auch niemals ein Konzentrationslager betreten.
Daß die bei der Reichsbank abgelieferten Gold- und Devisenwerte zum Teil auch aus Konzentrationslagern stammten, habe auch ich angenommen und das habe ich von Anfang an bei allen Vernehmungen auch offen gesagt. Aber jedermann mußte nach deutschem Gesetz solche Werte abliefern.
Im übrigen waren mir Art und Umfang auch dieser Lieferungen der SS nie bekanntgegeben worden. Wie konnte ich aber auch nur ahnen, daß die SS diese Werte im Wege der Leichenschändung erworben hatte!
Hätte ich diese grauenvollen Zusammenhänge gekannt, so hätte meine Reichsbank niemals solche Werte zur Aufbewahrung und zur Verwertung angenommen! Ich hätte dies abgelehnt, selbst auf die Gefahr hin, daß es mich den Kopf gekostet hätte. Wenn ich diese Verbrechen gekannt hätte, dann würde ich, meine Herren Richter, hier heute nicht auf dieser Anklagebank sitzen, davon können Sie überzeugt sein.
Dann würde mir die Erde leichter sein als dieses qualvolle Leben, dieses Leben voll von Verdächtigungen, Verleumdungen und gemeinen Beschuldigungen.
Durch von mir angeordnete Maßnahmen ist kein Mensch ums Leben gekommen.
Fremdes Eigentum habe ich stets geachtet. Immer war ich darauf bedacht, Menschen in der Not zu helfen und, soweit dies in meinen Kräften stand, Glück und Freude in ihr Dasein zu bringen. Und dafür werden mir auch viele dankbar sein und bleiben.
Das menschliche Leben besteht aus Irrtum und Schuld.
Auch ich habe in vielem geirrt, auch ich habe mich in vielem täuschen lassen, und ich gestehe offen, ich gebe dies zu, allzu leicht habe ich mich täuschen lassen und bin in vielem viel zu unbekümmert und zu gutgläubig gewesen. Darin ersehe ich meine Schuld; aber von einer strafrechtlichen Schuld, die ich durch pflichtgemäße Führung meiner Ämter begangen haben soll, fühle ich mich frei.
In dieser Hinsicht habe ich heute am Ende dieses Prozesses genauso ein reines Gewissen als an dem Tage, als ich vor zehn Monaten zum erstenmal diesen Gerichtssaal betreten habe.
VORSITZENDER: Ich rufe den Angeklagten Hjalmar Schacht!
HJALMAR SCHACHT: Es hat mein Rechtsgefühl tief verletzt, daß die Schlußreden der Anklage völlig vorübergegangen sind an dem Beweisergebnis dieses Prozesses. Die einzige Anklage gegen mich unter der Charter ist die, daß ich den Krieg gewollt habe. Die erdrückende Reihe von Beweisen in meinem Falle aber hat ergeben, daß ich fanatischer Kriegsgegner war und aktiv und passiv durch Widerspruch, Sabotage, List und Gewalt versucht habe, den Krieg zu verhindern.
Wie kann da die Anklage behaupten, ich sei für Krieg gewesen! Wie kann der russische Ankläger behaupten, ich hätte mich erst 1943 von Hitler abgewandt, nachdem mein erster Staatsstreichversuch schon im Herbst 1938 unternommen wurde!
Nun hat Justice Jackson in seiner Schlußrede noch einen Vorwurf gegen mich erhoben, der bisher im ganzen Prozeß überhaupt nicht zur Sprache gekommen ist. Ich soll geplant haben, die Juden aus Deutschland freizugeben gegen Lösegeld in fremder Valuta. Auch dies ist unwahr.
Empört über den Judenpogrom vom November 1938 habe ich bei Hitler die Zustimmung zu einem Plan durchgesetzt, der den Juden die Auswanderung erleichtern sollte. Ich wollte aus dem beschlagnahmten jüdischen Vermögen einundeinhalb Milliarden Reichsmark unter die Verwaltung eines Internationalen Komitees stellen, und Deutschland sollte die Verpflichtung übernehmen, diesen Betrag in zwanzig Jahresraten an das Komitee auszuzahlen, und zwar in fremder Valuta, also das genaue Gegenteil von dem, was Justice Jackson hier behauptet hat. Ich habe diesen Plan im Dezember 1938 in London mit Lord Berstedt, von Samuel and Samuel, mit Lord Winterton und mit dem amerikanischen Vertreter Mr. Rublee besprochen. Sie alle nahmen den Plan sympathisch auf. Da ich aber kurz danach von Hitler aus der Reichsbank entfernt wurde, verfiel die Angelegenheit. Wäre sie durchgeführt worden, so wäre kein einziger deutscher Jude ums Leben gekommen.
Meine Gegnerschaft gegen Hitlers Politik war im Inlande und Auslande bekannt, und zwar so eindeutig, daß der Geschäftsträger der Vereinigten Staaten, Mr. Kirk, noch im Jahre 1940, bevor er seinen Berliner Posten verließ, mich grüßen ließ mit dem Hinzufügen, daß man nach dem Kriege mit mir rechne als einem unbelasteten Manne, worüber der Zeuge Hülse in seinem Affidavit ausführlich berichtet, Beweisstück 37 b meines Dokumentenbuches.
Statt dessen hat mich die Anklage ein volles Jahr in der Weltpresse als Räuber, Mörder und Betrüger an den Pranger gestellt. Dieser Anklage allein verdanke ich es, daß ich am Abend meines Lebens dastehe ohne Subsistenzmittel und ohne Heimat. Aber die Anklage irrt, wenn sie glaubt, wie dies in ihrer ersten Rede gesagt wurde, mich unter die jämmerlichen gebrochenen Gestalten zählen zu können.
Gewiß, ich habe politisch geirrt. Ich habe nie beansprucht, ein Politiker zu sein, aber meine Wirtschafts- und Finanzpolitik der Arbeitsbeschaffung durch Kredithilfe hatte sich glänzend bewährt. Die Arbeitslosenziffer von sieben Millionen war auf Null gesunken. Im Jahre 1938 waren die Staatseinnahmen so gestiegen, daß die Rückzahlung der Reichsbankkredite voll gesichert war. Daß Hitler diese von ihm feierlich verbriefte Rückzahlung verweigerte, war ein ungeheuerlicher Betrug, den ich nicht voraussehen konnte. Mein politischer Irrtum war, daß ich das Ausmaß der Verbrechernatur Hitlers nicht früh genug erkannt habe. Aber ich habe meine Hände nicht befleckt mit einer einzigen ungesetzlichen oder unsittlichen Handlung. Der Terror der Geheimen Staatspolizei hat mich nicht geschreckt. Denn jeder Terror muß versagen vor der Berufung auf das Gewissen. Hier liegt die große Kraftquelle, die uns die Religion verleiht.
Trotzdem hat Justice Jackson es für gut befunden, mich des Opportunismus' und der Feigheit zu bezichtigen. Dies, nachdem mich das Kriegsende nach zehnmonatiger Gefangenschaft im Vernichtungslager Flossenbürg angetroffen hat, wo ich dem Mordbefehl Hitlers nur durch ein gnädiges Geschick entgangen bin.
Ich stehe am Ausgang dieses Prozesses in tiefster Seele erschüttert über das unsagbare Elend, das zu verhindern ich versucht habe mit allem persönlichen Einsatz und mit allen erreichbaren Mitteln, das aber zu verhindern mir versagt geblieben ist, nicht durch meine Schuld.
Darum trage ich mein Haupt aufrecht, und ich bin unerschüttert in dem Glauben, daß die Welt genesen wird nicht durch die Macht der Gewalt, sondern allein durch die Kraft des Geistes und die Sittlichkeit des Handelns.
VORSITZENDER: Angeklagter Karl Dönitz!
KARL DÖNITZ: Ich möchte drei Dinge sagen:
Das erste: Mögen Sie über die Rechtmäßigkeit des deutschen U-Bootkrieges urteilen, wie es Ihnen Ihr Gewissen gebietet. Ich halte diese Kriegführung für berechtigt und habe nach meinem Gewissen gehandelt. Ich müßte das genauso wieder tun.
Meine Untergebenen aber, die meine Befehle befolgt haben, haben gehandelt im Vertrauen auf mich und ohne auch nur den Schatten eines Zweifels an der Notwendigkeit und an der Rechtmäßigkeit dieser Befehle. In meinen Augen kann ihnen kein nachträgliches Urteil den guten Glauben absprechen an die Ehrenhaftigkeit eines Kampfes, in dem sie freiwillig bis zur letzten Stunde Opfer über Opfer gebracht haben.
Das zweite: Man hat hier viel von einer Verschwörung geredet, die unter den Angeklagten bestanden haben soll. Ich halte diese Behauptung für ein politisches Dogma. Als solches kann man es nicht beweisen, sondern nur glauben oder ablehnen. Große Teile des deutschen Volkes werden aber niemals daran glauben, daß eine solche Verschwörung die Ursache ihres Unglücks ist. Mögen Politiker und Juristen darüber streiten. Sie werden es dem deutschen Volk nur erschweren, aus diesem Verfahren eine Lehre zu ziehen, die entscheidend wichtig ist für seine Stellungnahme zur Vergangenheit und für seine Gestaltung der Zukunft, die Erkenntnis, daß das Führerprinzip als politisches Prinzip falsch ist.
Das Führerprinzip hat sich in der militärischen Führung aller Armeen der Welt aufs beste bewährt. Auf Grund dieser Erfahrung hielt ich es auch in der politischen Führung für richtig, besonders bei einem Volk in der trostlosen Lage des deutschen Volkes im Jahre 1932. Die großen Erfolge der neuen Regierung, ein in der ganzen Nation nie gekanntes Gefühl des Glücks, schien dem recht zu geben.
Wenn aber trotz allem Idealismus, trotz aller Anständigkeit und aller Hingabe der großen Masse des deutschen Volkes letzten Endes mit dem Führerprinzip kein anderes Ergebnis erreicht worden ist als das Unglück dieses Volkes, dann muß dieses Prinzip als solches falsch sein. Falsch, weil die menschliche Natur offenbar nicht in der Lage ist, die Macht dieses Prinzips zum Guten zu nutzen, ohne den Versuchungen dieser Macht zu unterliegen.
Das dritte: Mein Leben galt meinem Beruf und damit dem Dienst am deutschen Volk.
Als letzter Oberbefehlshaber der deutschen Kriegsmarine und als letztes Staatsoberhaupt fühle ich mich dem deutschen Volk gegenüber verantwortlich für alles, was ich tat und ließ.
VORSITZENDER: Angeklagter Erich Raeder!
ERICH RAEDER: Der Prozeß hat am Schlusse der Beweisaufnahme ein für Deutschland segensreiches, für die Anklage aber unerwartetes Ergebnis gehabt: Durch einwandfreie Zeugenaussagen ist das deutsche Volk – und damit auch alle mit mir in gleicher Lage befindlichen Personen – von dem schwersten Vorwurf entlastet, um die Tötung von Millionen von Juden und anderen Menschen gewußt, wenn nicht gar daran mitgewirkt zu haben.
Der Versuch der Anklage, die durch frühere Vernehmungen die Wahrheit schon lange kannte und trotzdem ihre Beschuldigungen in den Trial-Briefen und bei den Kreuzverhören – mit dem erhobenen Finger des Moralpredigers – aufrechterhielt und immer wiederholte, dieser Versuch, das ganze deutsche Volk zu diffamieren, ist in sich zusammengebrochen.
Das zweite allgemeine, daher auch für mich wichtige Ergebnis des Prozesses ist die Tatsache, daß der deutschen Marine grundsätzlich ihre Sauberkeit und Kampfsittlichkeit auf Grund der Beweisaufnahme hat bestätigt werden müssen. Sie steht vor diesem Gericht und vor der Welt mit reinem Schild und unbefleckter Flagge da.
Die Versuche im Plädoyer Shawcross, den U-Bootkrieg auf eine Stufe mit Greueltaten zu stellen, können wir mit reinem Gewissen nachdrücklichst zurückweisen; denn sie sind nach den klaren Ergebnissen der Beweisaufnahme unhaltbar. Insbesondere ist der Vorwurf, daß die Marine »niemals die Absicht gehabt habe, die Seekriegsgesetze einzuhalten«, Shawcross, Seite 70/71, völlig entkräftet; ebenso ist es erwiesen, daß die Seekriegsleitung und ihr Chef niemals »Verachtung für das Internationale Recht« gezeigt haben, Schlußrede Dubost, Seite CC 8, sondern vielmehr vom ersten bis zum letzten Augenblick ehrlich bestrebt gewesen ist, die moderne Seekriegführung mit den völkerrechtlichen und menschlichen Forderungen in Einklang zu bringen, – auf der gleichen Basis wie unsere Gegner.
Ich bedauere, daß die Anklage immer wieder versuchte, mich und die Marine zu diffamieren, wie schon die Überreichung eines zweiten, abgeänderten Trial-Briefs zeigte, der nur darin von der ersten Fassung abweicht, daß er die Zahl und Schärfe der beleidigenden Ausdrücke vermehrte. Diese Tatsache zeigt, daß die Anklage selbst fühlte, daß die sachlichen Anschuldigungen zu schwach waren. Ich bin aber auch der Überzeugung, daß die Britische und Amerikanische Anklage der eigenen Marine einen schlechten Dienst erwiesen hat, wenn sie den Gegner moralisch herabsetzte und als minderwertig hinstellte, gegen den die alliierten Seestreitkräfte einen jahrelangen, schweren und ehrenvollen Seekrieg führten. Ich bin überzeugt, daß die Admiralitäten der alliierten Länder mich verstehen und wissen, daß sie nicht gegen einen Verbrecher gekämpft haben.
Ich kann mir dieses Verhalten der Anklage nur damit erklären, daß ihre Vertreter, wie ich immer wieder feststellen mußte, nur sehr wenig Urteil über die Grundsätze wahren Soldatentums und soldatischer Führung erkennen ließen und daher kaum dazu berufen erscheinen, über Soldatenehre zu urteilen.
Ich fasse zusammen:
Ich habe als Soldat meine Pflicht getan, weil ich der Überzeugung war, dem deutschen Volk und Vaterland, für das ich gelebt habe und für das zu sterben ich jederzeit bereit bin, damit am besten zu dienen. Wenn ich mich irgendwie schuldig gemacht haben sollte, so höchstens in der Richtung, daß ich trotz meiner rein militärischen Stellung vielleicht nicht nur Soldat, sondern doch bis zu einem gewissen Grade auch Politiker hätte sein sollen, was mir aber nach meinem ganzen Werdegang und der Tradition der deutschen Wehrmacht widerstrebte. Dies wäre dann aber eine moralische Schuld gegenüber dem deutschen Volk und kann mich nie und nimmer zum Kriegsverbrecher stempeln; es wäre keine Schuld vor einem Strafgericht der Menschen, sondern eine Schuld vor Gott.
VORSITZENDER: Ich rufe den Angeklagten Baldur von Schirach.
BALDUR VON SCHIRACH: Am 24. Mai habe ich hier eine Erklärung abgegeben, die ich vor Gott und meinem Gewissen verantworte und auch heute, am Ende des Prozesses, voll aufrechterhalte, weil sie meiner innersten ehrlichen Überzeugung entspricht.
Die Englische Anklagevertretung hat in ihrem Schlußwort den Satz gesprochen:
»Schirach hat Millionen deutscher Kinder verdorben, damit sie zu dem wurden, was sie dann auch wirklich geworden sind: die blinden Instrumente jener Mord- und Herrscherpolitik, die diese Männer durchgeführt haben.«
Wäre dieser Vorwurf begründet, würde ich kein Wort zu meiner Verteidigung sagen. Er ist aber unbegründet, er ist unwahr. Wer die Ergebnisse der Beweisaufnahme dieses Prozesses auch nur einigermaßen berücksichtigt und ehrlich würdigt, kann nie und nimmer gegen mich den Vorwurf erheben, ich hätte »durch meine erzieherische Arbeit die Jugend verdorben«, ich hätte »ihre Seele vergiftet«.
Die Grundsätze und Ziele, die ich der Jugend gab und die für die Gemeinschaft maßgebend wurden, die unsere Jugend aus eigener Kraft unter meiner Führung aufgebaut hat, waren: opferbereite Vaterlandsliebe, Überwindung von Standesdünkel und Klassenhaß, planmäßige Gesundheitspflege, Ertüchtigung durch Wandern, Spiel und Sport, Förderung der Berufsausbildung und insbesondere: kameradschaftliche Verständigung mit der Jugend anderer Völker.
Diese Grundsätze und Ziele standen mir seit meiner eigenen Jugendzeit als Ideale einer deutschen Nationalerziehung vor Augen. Diese Grundsätze und Ziele sind mir nicht von der Partei und nicht vom Staate vorgeschrieben worden, und wäre Hitler hier anwesend, so wäre das für meine Verteidigung völlig belanglos; denn als Reichsjugendführer berufe ich mich nicht auf ihn, ich berufe mich auf mich selbst.
Diese Erziehungsgrundsätze, die durch alle meine Reden, Schriften und Weisungen tausendfach bewiesen wurden und denen ich als Reichsjugendführer stets treugeblieben bin, sie sind nach meiner festen Überzeugung Grundsätze jeder Jugendführung, die sich ihrer Pflicht gegenüber Volk und Jugend bewußt ist.
Die Leistungen unserer Jugend und ihre sittliche Haltung haben mir recht gegeben und beweisen, daß sie nie verdorben war und auch durch mich nicht verdorben wurde.
Die deutsche Jugend war und ist fleißig, ehrlich, anständig und idealistisch. Sie hat im Frieden redlich an ihrer Fortbildung gearbeitet, und im Kriege bis zum äußersten tapfer ihre Pflicht getan, ihre Pflicht für unser Volk, für unser deutsches Vaterland.
In dieser Stunde, da ich ein letztes Mal zu dem Militärgericht der vier Siegermächte spreche, möchte ich mit reinem Gewissen unserer deutschen Jugend bestätigen, daß sie an den durch diesen Prozeß festgestellten Auswüchsen und Entartungen des Hitler-Regimes vollständig unschuldig ist, daß sie den Krieg niemals gewollt hat und daß sie sich weder im Frieden noch im Kriege an irgendwelchen Verbrechen beteiligt hat.
Als langjähriger Jugendführer des Deutschen Reiches kenne ich die Entwicklung, die Gesinnung, die Haltung unserer jungen Generation. Wer kann sie besser kennen als ich? Ich hatte an dieser Jugend stets meine Freude, in ihrer Mitte war ich immer glücklich, auf sie bin ich allezeit stolz gewesen. Ich weiß, daß in all den Jahren meiner Reichsjugendführung trotz der Millionen umfassenden Mitgliederzahl die Jugend sich grundsätzlich und ausnahmslos ferngehalten hat von allen Handlungen, deren sie sich heute schämen müßte. Sie hat nichts von den zahllosen Greueltaten gewußt, die von Deutschen begangen wurden, und wie sie von keinem Unrecht wußte, so hat sie auch kein Unrecht gewollt.
Es kann und darf nicht übersehen werden, daß selbst in der stärksten Erbitterung der Nachkriegszeit niemand daran denken konnte, die Organisation der deutschen Jugend und ihre Führerschaft als verbrecherisch anzuklagen.
Selbstlose Kameradschaft in einer Jugendbewegung, die gerade den ärmsten Kindern des Volkes die stärkste Liebe entgegenbrachte, Treue zur Heimat, Freude am Sport und ehrliche Verständigung mit der Jugend anderer Völker – das war das Ziel unserer Jugend und der Inhalt ihrer Erziehung vom ersten bis zum letzten Tage meiner Zeit als Reichsjugendführer.
Diese Jugend hat das schwere Schicksal nicht verdient, das über sie hereingebrochen ist!
Mein persönliches Schicksal ist nebensächlich, aber die Jugend ist die Hoffnung unseres Volkes. Und wenn ich im letzten Augenblick eine Bitte ausspreche, so ist es die:
Helfen Sie als Richter mit, das Zerrbild zu beseitigen, das sich vielfach die Welt heute noch von der deutschen Jugend macht und das vor der historischen Prüfung nicht standhalten kann. Sagen Sie der Welt in Ihrem Urteil, daß die von der Anklage benützte Schmähschrift eines Gregor Ziemer nichts enthält, als böswillige Verleumdungen eines Menschen, der seinen Haß gegen alles Deutsche auch auf die Jugend übertragen hat! Helfen auch Sie als Richter, daß die Jugendorganisationen Ihrer Völker die Zusammenarbeit mit der deutschen Jugend da wieder aufnehmen, wo sie 1939 – ohne Schuld der jungen Generation – unterbrochen wurde!
Dankbaren Herzens hat unsere Jugend die Worte des Lord Beveridge gehört, der sich mit Weitblick und Leidenschaft für eine Schuldloserklärung der deutschen Jugend eingesetzt hat. Freudig wird sie die Hand ergreifen, die ihr über Trümmer und Ruinen hinweg gereicht wird.
Tragen Sie, meine Herren Richter, durch Ihr Urteil dazu bei, für die junge Generation eine Atmosphäre gegenseitiger Achtung zu schaffen, eine Atmosphäre, die frei ist von Haß und Rache. Das ist meine letzte Bitte, eine herzliche Bitte für unsere deutsche Jugend.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird nun die Sitzung unterbrechen.