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Wiederaufrüstungsmaßnahmen.

In den Jahren unmittelbar nach Ernennung Hitlers zum Kanzler, schickte sich die Nazi-Regierung an, das wirtschaftliche Leben Deutschlands und ganz besonders die Rüstungsindustrie neu zu organisieren. Dies geschah im großen Stil und mit äußerster Gründlichkeit.

Es erwies sich als notwendig, eine sichere finanzielle Grundlage für die Aufrüstung zu schaffen, und im April 1936 wurde der Angeklagte Göring dazu ausgewählt, den Bedarf an Rohstoffen und Devisen in Einklang zu bringen und ermächtigt, jede Betätigung von Staat und Partei auf diesen Gebieten zu überwachen. In dieser Eigenschaft brachte er den Kriegsminister, den Wirtschaftsminister, den Reichsfinanzminister den Präsidenten der Reichsbank und den preußischen Finanzminister zusammen zu einer Erörterung der Fragen, die mit der Mobilisierung im Zusammenhang standen, und am 27. Mai 1936 widersetzte sich Göring in einer Ansprache vor diesen Männern allen finanziellen Beschränkungen der Kriegsproduktion und fügte hinzu, daß »alle Maßnahmen vom Standpunkt einer gesicherten Kriegführung betrachtet werden müssen«. Auf dem Nürnberger Parteitag 1936 verkündete Hitler die Aufstellung des Vierjahresplans und die Ernennung Görings zum verantwortlichen Generalbevollmächtigten. Göring war bereits im Begriff, eine starke Luftwaffe aufzubauen, und eröffnete am 8. Juli 1938 einer Anzahl führender Flugzeugfabrikanten, daß die deutsche Luftwaffe der englischen bereits an Güte und Stärke überlegen sei. Am 14. Oktober 1938 verkündete Göring auf einer anderen Sitzung, daß Hitler ihn angewiesen habe, ein gewaltiges Rüstungsprogramm durchzuführen, das alle vorherigen Leistungen unbedeutend erscheinen lasse. Er sagte, daß ihm befohlen worden sei, so rasch als möglich eine fünfmal so große Luftflotte als ursprünglich geplant zu schaffen, die Geschwindigkeit der Wiederaufrüstung der Marine und des Heeres zu beschleunigen und sich auf die Herstellung von Angriffswaffen, vor allem schwerer Artillerie und schwerer Tanks zu konzentrieren. Er legte dann ein bestimmtes Programm für die Erreichung dieser Ziele fest. Der Umfang der erreichten Wiederaufrüstung wurde von Hitler in seinem Memorandum vom 9. Oktober 1939, nach dem polnischen Feldzug, folgendermaßen dargelegt:

»Die militärische Auswirkung dieser Volkskraft ist in einem Ausmaß vorhanden, das in kurzer Zeit jedenfalls durch keinerlei Anstrengungen wesentlich verbessert werden kann... Die waffenmäßige Rüstung des deutschen Volkes ist für eine große Anzahl deutscher Divisionen in einem wesentlich stärkeren Ausmaß und in einer besseren Güte vorhanden als etwa im Jahre 1914. Die Waffen selbst sind im großen Durchschnitt so neu, wie dies zur Zeit bei keinem anderen Staat der Welt der Fall ist. Ihre höchste Kriegsverwertbarkeit haben sie in einem erfolgreichen Feldzuge soeben bewiesen... Es liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, daß irgendein Staat der Welt zur Zeit im gesamten über eine bessere Munitionierung verfügt als das Deutsche Reich... Die Flak- Artillerie besitzt in keinem Land der Welt etwas Vergleichbares« (L-52, US-540).

Die deutsche Rüstungsindustrie war ein williges Werkzeug der Nazi-Regierung bei dieser Neu-Organisation des deutschen Wirtschaftslebens für kriegerische Zwecke und war willens, ihre Rolle im Wiederaufrüstungsprogramm zu spielen. Im April 1933 unterbreitete Gustav Krupp von Bohlen Hitler namens des Reichsverbandes der deutschen Industrie einen Plan für die Neugestaltung der deutschen Industrie, der nach seiner Feststellung dadurch gekennzeichnet war, daß er wirtschaftliche Maßnahmen und politische Notwendigkeiten miteinander in Einklang zu bringen strebte. In diesem Plan stellte Krupp fest, daß »die Wendung der politischen Ereignisse den Wünschen entspricht, die ich selbst und der Vorstand schon seit langem gehegt haben«. Was Krupp mit dieser Feststellung gemeint hatte, wird vollkommen klar durch den Entwurf einer Rede, die er im Januar 1944 in der Berliner Universität zu halten beabsichtigte, die aber tatsächlich nie gehalten wurde. In Bezug auf die Jahre 1919 bis 1933 schrieb Krupp:

»Es ist ein einmaliges Verdienst der gesamten deutschen Wehrwirtschaft, daß sie in diesen bösen Jahren nicht untätig gewesen ist, möchte ihre Wirksamkeit auch aus erklärlichen Gründen dem Lichte der Öffentlichkeit entzogen sein. In jahrelanger stiller Arbeit wurden die wissenschaftlichen und sachlichen Voraussetzungen geschaffen, um zu gegebener Stunde ohne Zeit- und Erfahrungsverlust wieder zur Arbeit für des Reiches Wehrmacht bereitzustehen... Nur durch diese verschwiegene Tätigkeit deutschen Unternehmertums, aber auch auf Grund der mit dem Friedensmaterial inzwischen gewonnenen Erfahrungen konnte nach 1933 unmittelbar der Anschluß an die neuen Aufgaben der Wiederwehrhaftmachung erreicht, konnten dann auch die ganz neuen vielfältigen Probleme gemeistert werden« (D-317, US-770).

Im Oktober 1933 zog sich Deutschland von der Internationalen Abrüstungskonferenz und dem Völkerbund zurück. Im Jahre 1935 beschloß die Nazi-Regierung, die ersten öffentlichen Schritte zu unternehmen, um sich ihren aus dem Versailler Vertrag erwachsenden Verpflichtungen zu entziehen. Am 10. März 1935 verkündete der Angeklagte Göring, daß Deutschland eine Luftwaffe aufbaue. Sechs Tage später, am 16. März 1935, wurde ein Gesetz erlassen – unterzeichnet unter anderem von den Angeklagten Göring, Heß, Frank, Frick, Schacht und von Neurath, das die Militärdienstpflicht einführte und die Aufstellung des deutschen Heeres in einer Friedensstärke von 500000 Mann festlegte. In dem Bestreben, die öffentliche Meinung in anderen Ländern zu beruhigen, kündigte die Regierung am 21. Mai 1935 an, daß Deutschland, trotz der Aufkündigung der Abrüstungsklauseln des Versailler Vertrags, dennoch seine territorialen Begrenzungen achten und den Locarno-Pakt einhalten würde. Nichtsdestoweniger wurde am Tage dieser Bekanntmachung das Reichsverteidigungsgesetz heimlich angenommen3 und seine Veröffentlichung von Hitler verboten. In diesem Gesetz wurden die Vollmachten und die Pflichten des Kanzlers und der anderen Minister für den Fall festgelegt, daß Deutschland in einen Krieg verwickelt werden sollte. Es geht aus diesem Gesetz klar hervor, daß im Mai 1935 Hitler und seine Regierung das Stadium in der Ausführung ihrer Politik erreicht hatten, das es für sie notwendig machte, den erforderlichen Apparat zur Verwaltung und Regierung Deutschlands, für den Fall, daß ihre Politik zum Kriege führen sollte, bereit zu haben.

Zur gleichen Zeit, wie diese Vorbereitung auf den Krieg in der deutschen Wirtschaft vorgenommen wurde, bereitete sich die deutsche Wehrmacht selbst auf einen Wiederaufbau der deutschen bewaffneten Streitkräfte vor.

Die deutsche Marine ging in dieser Hinsicht besonders energisch vor. Die offiziellen deutschen Marine- Geschichtsschreiber Aßmann und Gladisch geben zu, daß der Versailler Vertrag nur wenige Monate nach seinem Inkrafttreten verletzt wurde, insbesondere durch den Bau einer neuen Unterseebootwaffe.

Die Veröffentlichungen von Kapitän Schüssler und Oberst Scherff, die beide mit voller Billigung seitens des Angeklagten Raeder erschienen, waren dazu bestimmt, dem deutschen Volke zu zeigen, wie die Marine sich bemühte, unter Mißachtung des Versailler Vertrags aufzurüsten.

Genaue Einzelheiten über diese Schriften wurden während der Beweisaufnahme vorgelegt.

Am 12. Mai 1934 gab der Angeklagte Raeder den streng geheimen Rüstungsplan für die sogenannte dritte Aufrüstungsphase aus. Er enthielt folgenden Satz:

»Alle theoretischen und praktischen R-Vorbereitungen sind in erster Linie auf die Bereitschaft für einen Kampf ohne Anlaufzeit einzustellen« (C-153, US-43).

Im Juni 1934, einen Monat später, hatte der Angeklagte Raeder eine Unterhaltung mit Hitler, in der dieser ihn anwies, den Bau von U-Booten und von Kriegsschiffen über 10000 Tonnen, der damals in, der Ausführung begriffen war, geheimzuhalten.

Und am 2. November 1934 hatte der Angeklagte Raeder eine weitere Unterredung mit Hitler und dem Angeklagten Göring, bei der Hitler sagte, er betrachte es als lebenswichtig, daß die deutsche Marine »plangemäß vergrößert werde, da kein Krieg geführt werden könne, wenn die Marine nicht in der Lage sei, die Erzeinfuhr aus Skandinavien zu sichern«.

Die großen Bauaufträge, die in den Jahren 1933 und 1934 erteilt wurden, hat der Angeklagte Raeder damit zu entschuldigen gesucht, daß Verhandlungen zu einer Verständigung zwischen Deutschland und Großbritannien im Gange gewesen seien, die Deutschland gestatten würden, über die von den Bestimmungen des Versailler Vertrags gestatteten Grenzen hinaus Schiffe zu bauen. Diese Vereinbarung, die im Jahre 1935 unterzeichnet wurde, beschränkte die deutsche Marine auf eine Tonnage, die einem Drittel der britischen Tonnage gleichkam, mit Ausnahme der U-Boote, bei denen man sich auf 45 Prozent einigte, vorbehaltlich des Rechtes, dieses Verhältnis zu überschreiten, wenn die Britische Regierung im voraus verständigt und ihr Gelegenheit zur Diskussion gegeben werde.

Im Jahre 1937 kam es zum englisch-deutschen Vertrag, in dem sich die beiden Mächte verpflichteten, sich gegenseitig über alle Einzelheiten ihres Bauprogramms zu verständigen, und zwar mindestens vier Monate, bevor sie irgend etwas zur Durchführung unternähmen.

Diese Klauseln wurden zugegebenermaßen von Deutschland nicht eingehalten.

Bei Großkampfschiffen zum Beispiel wurden die Angaben über Wasserverdrängung um 20 Prozent gefälscht, während hinsichtlich der U-Boote die deutschen Geschichtsschreiber Aßmann und Gladisch sagen:

»Es ist höchstwahrscheinlich, daß gerade auf dem Gebiete des U-Boot-Baues Deutschland sich am wenigsten an die Beschränkungen des deutsch-britischen Vertrages hielt« (D-854, GB-460).

Man kann die Bedeutung dieser Vertragsbrüche ermessen, wenn man den Grund für diese Aufrüstung erwägt. Im Jahre 1940 schrieb der Angeklagte Raeder selbst:

»Der Führer hoffte bis zuletzt, die drohende Auseinandersetzung mit England bis zum Jahre 1944/45 verlegen zu können. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Kriegsmarine über einen Flottenbestand verfügt, der eine gewaltige Überlegenheit der U-Boot-Waffe und ein sehr viel günstigeres Stärkeverhältnis in allen anderen Schiffstypen, besonders den für den Hochseekrieg geeigneten, gezeigt hätte« (C-155, GB-214).

Wie schon angeführt, verkündete am 21. Mai 1935 die Nazi-Regierung ihre Absicht, die territorialen Begrenzungen des Versailler Vertrags einzuhalten. Am 7. März 1936 marschierten deutsche Truppen unter Mißachtung jenes Vertrags in die entmilitarisierte Zone des Rheinlandes ein. Als Hitler diesen Schritt dem deutschen Reichstag verkündete, versuchte er den Einmarsch durch Hinweise auf die kurz vorher zwischen Frankreich und der Sowjetunion und zwischen der Tschechoslowakei und der Sowjetunion abgeschlossenen Bündnisse zu rechtfertigen. Er versuchte auch der feindseligen Reaktion, die er zweifellos als Folge dieser Vertragsverletzung erwartete, dadurch zu begegnen, daß er sagte:

»Wir haben keinerlei territorialen Ansprüche mehr in Europa« (2289-PS, US-56).