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Kriegsverbrechen.

Dönitz wird beschuldigt, einen uneingeschränkten Unterseebootkrieg unter Verletzung des Flottenabkommens von 1936 geführt zu haben, dem Deutschland beigetreten war und das die in dem Londoner Flottenabkommen von 1930 niedergelegten Vorschriften für den Unterseebootkrieg neuerlich bestätigte.

Die Anklagevertretung hat vorgetragen, daß die deutsche U-Bootwaffe am 3. September 1939 begann, allen Handelsschiffen gegenüber unter zynischer Mißachtung des Abkommens einen uneingeschränkten U- Bootkrieg zu führen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob es sich um feindliche oder neutrale Schiffe handelte. Sie hat ferner vorgetragen, daß Dönitz während des ganzen Krieges sich in raffinierter Weise bemüht hat, diese Methoden durch heuchlerische Hinweise auf das Internationale Recht und auf angebliche Verletzungen desselben seitens der Alliierten zu tarnen.

Dönitz besteht darauf, daß die Marine sich stets an das Internationale Recht und das Abkommen gehalten habe. Er hat bekundet, daß bei Ausbruch des Krieges maßgebend für den Unterseebootkrieg die Deutsche Prisenordnung war, die fast wörtlich dem Flottenabkommen entnommen war, daß er, gemäß der deutschen Auffassung, die Unterseeboote angewiesen habe, alle in Geleitzügen fahrenden Schiffe, sowie alle Schiffe, die sich weigerten, anzuhalten oder die bei Sicht eines Unterseebootes Funkmeldungen abgaben, anzugreifen. Als dann ihm zugehende Berichte erkennen ließen, daß britische Handelsschiffe zur funktelegraphischen Nachrichtenübermittlung verwandt wurden, daß sie bewaffnet wurden und Unterseeboote bei Sicht angriffen, befahl er seinen U-Booten am 17. Oktober 1939, alle feindlichen Schiffe im Hinblick auf den zu erwartenden Widerstand ohne Warnung anzugreifen. Bereits am 21. September 1939 waren Befehle erteilt worden, sämtliche Schiffe, einschließlich der neutralen, die nachts im Kanal ohne Licht fuhren, anzugreifen.

Am 24. November 1939 erließ die Reichsregierung eine Warnung an die neutrale Schiffahrt des Inhalts, daß infolge der häufigen Gefechte, die in den Gewässern um die britischen Inseln und längs der französischen Küste zwischen U-Booten und alliierten Handelsschiffen stattfanden, die bewaffnet waren und die die Weisung hatten, von ihren Waffen Gebrauch zu machen und auch U-Boote zu rammen, die Sicherheit der neutralen Schiffe in diesen Gewässern nicht länger als gewährleistet angesehen werden könne. Am 1. Januar 1940 befahl das deutsche Unterseeboot-Kommando auf Weisung Hitlers den U-Booten, alle griechischen Handelsschiffe in den Gewässern um die britischen Inseln, die von den Vereinigten Staaten ihren eigenen Schiffen verboten waren, anzugreifen, sowie alle Handelsschiffe jeder Nationalität innerhalb des Sperrgebietes des Bristol-Kanals. Fünf Tage später erging ein weiterer Befehl an die U-Boote zum »sofortigen und vollen Waffeneinsatz gegen alle Schiffe«27 in einem Gebiete der Nordsee, dessen Grenzen bestimmt wurden (C-21, UK-53). Am 18. Januar 1940 schließlich wurden die Unterseeboote ermächtigt, ohne Warnung sämtliche Schiffe »in den Seegebieten vor den feindlichen Küsten... zu versenken...«, »in denen die Vortäuschung von Mineneinsatz möglich ist«.28 Ausnahmen sollten im Falle von nordamerikanischen, italienischen, japanischen und sowjetrussischen Schiffen gemacht werden.

Kurz nach Ausbruch des Krieges bewaffnete die Britische Admiralität in Übereinstimmung mit ihrem Handbuch für Anweisungen an die Handelsmarine vom Jahre 1938 ihre Handelsschiffe, ließ sie in vielen Fällen unter bewaffnetem Geleit segeln, gab Anweisung, bei Sichtung von Unterseebooten Positionsberichte zu funken, und baute somit die Handelsschiffe in das Warnsystem des Marinenachrichtendienstes ein. Am 1. Oktober 1939 verkündete die Britische Admiralität, daß die britischen Handelsschiffe angewiesen worden seien, U-Boote wenn möglich zu rammen.

Auf Grund dieses Tatbestandes kann der Gerichtshof Dönitz für seine Führung des Unterseebootkrieges gegen bewaffnete britische Handelsschiffe nicht schuldig erklären.

Jedoch stellt die Verkündung von Operationsgebieten und die Versenkung von neutralen Handelsschiffen, die diese Zonen befuhren, eine andere Frage dar. Diese Methode wurde von Deutschland im Kriege 1914-1918 angewandt und von Großbritannien als Repressalie übernommen. Der Konferenz von Washington von 1922, dem Londoner Flottenabkommen von 1930 und dem Protokoll von 1936 war man mit dem vollen Bewußtsein beigetreten, daß man mit solchen Gebieten im vorigen Kriege operierte. Das Protokoll jedoch machte für Operationsgebiete keine Ausnahmen. Dönitz' Befehl, neutrale Schiffe ohne Warnung zu versenken, falls sie in diesen Gebieten angetroffen würden, war daher nach Ansicht des Gerichtshofs eine Verletzung des Protokolls.

Es wird ferner behauptet, daß die deutsche U-Bootwaffe die Warn- und Rettungsvorschriften des Protokolls nicht nur nicht befolgt hat, sondern daß Dönitz vorsätzlich die Tötung von Überlebenden sinkender Schiffe, ganz gleich, ob es sich um Feinde oder Neutrale handelte, befahl. Die Anklagevertretung hat im Zusammenhang mit zwei Befehlen Dönitz', dem Kriegsbefehl Nummer 154, der 1939 erlassen wurde, und dem sogenannten »Laconia«-Befehl von 1942 umfangreiches Beweismaterial eingereicht. Die Verteidigung wendet ein, daß diese Befehle sowie das sie erhärtende Beweismaterial eine derartige Politik nicht zeigen, und legte umfangreiches Material für den Beweis des Gegenteils vor. Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß die Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen Sicherheit darlegt, daß Dönitz die Tötung schiffbrüchiger Überlebender vorsätzlich befahl. Die Befehle waren zweifellos zweideutig und verdienen stärkste Kritik.

Die Beweisaufnahme zeigt ferner, daß die Rettungsbestimmungen nicht befolgt worden sind und daß der Angeklagte angeordnet hatte, daß sie nicht ausgeführt werden sollten. Die Verteidigung wendet ein, daß die Sicherheit des Unterseebootes als erste Vorschrift auf See wichtiger ist als Rettungsarbeiten und daß die Entwicklung der Luftwaffe die Rettungsarbeiten unmöglich machte. Dies mag zutreffen, das Protokoll ist jedoch unmißverständlich. Wenn der Kommandant keine Rettungsarbeiten durchführen kann, darf er, gemäß seinen Bestimmungen, ein Handelsschiff nicht versenken und sollte ihm gestatten, unbeschädigt sein Periskop zu passieren. Diese Befehle beweisen daher, daß Dönitz der Verletzung des Protokolls schuldig ist.

In Anbetracht dieser Beweise und insbesondere eines Befehls der Britischen Admiralität vom 8. Mai 1940 des Inhalts, daß alle Schiffe im Skagerrak bei Sicht versenkt werden sollten, und in Anbetracht der Beantwortung des Fragebogens durch Admiral Nimitz, daß im Pazifischen Ozean von den Vereinigten Staaten vom ersten Tage des Eintritts dieser Nation in den Krieg der uneingeschränkte U-Bootkrieg durchgeführt worden ist, ist die Dönitz zuteil werdende Strafe nicht auf seine Verstöße gegen die internationalen Bestimmungen für den U-Bootkrieg gestützt.

Dönitz wurde ferner der Verantwortlichkeit für Hitlers Kommandobefehl vom 18. Oktober 1942 beschuldigt. Dönitz hat zugegeben, daß er den Befehl erhalten und von ihm gewußt habe, als er Befehlshaber der U-Boote war, hat jedoch die Verantwortung abgelehnt. Er betont, daß der Befehl im Verlauf von Seekriegsaktionen gefangengenommene Personen ausschließt, daß die Marine keine Truppen auf dem Lande hatte und daß U-Boots-Kommandanten niemals auf Kommandosoldaten treffen würden.

In einem Falle, als Dönitz Oberbefehlshaber der Kriegsmarine war, wurde 1943 die Besatzung eines alliierten Torpedobootes von deutschen Marinestreitkräften gefangengenommen. Sie wurde für den zuständigen Admiral zu Informationszwecken vernommen und dann auf seinen Befehl hin dem SD überstellt und dann erschossen. Dönitz hat erklärt, daß, falls die Besatzung von der Marine gefangengenommen worden sei, ihre Hinrichtung eine Verletzung des Kommandobefehles darstelle, daß die Hinrichtung nicht im Wehrmachtbericht erwähnt worden und daß er niemals von dem Vorfall unterrichtet worden sei. Er hat darauf hingewiesen, daß der betreffende Admiral ihm befehlsmäßig nicht unterstand, sondern dem General des Heeres, der Befehlshaber der norwegischen Besatzungskräfte war. Dönitz duldete jedoch, daß der Befehl weiterhin in vollem Umfange in Kraft blieb, als er Oberbefehlshaber wurde und insofern ist er verantwortlich.

Dönitz hat auf einer Konferenz am 11. Dezember 1944 erklärt, daß »12000 Kz-Häftlinge als zusätzliche Arbeitskräfte in den Schiffswerften beschäftigt werden würden« (C-195, GB-211). Damals hatte er keine Befehlsgewalt über den Schiffsbau und behauptet, daß dies lediglich ein Vorschlag während der Konferenz gewesen sei, damit die verantwortlichen Personen wegen des Schiffsbaues etwas unternehmen, und daß er selbst keine Schritte unternommen habe, um diese Arbeitskräfte zu erhalten, da dies nicht unter seine Befehlsgewalt fiel. Er erklärt, daß er nicht wisse, ob sie jemals beschafft worden seien. Er gibt zu, daß er von den Konzentrationslagern wußte. Ein Mann seiner Stellung mußte notwendigerweise wissen, daß Bewohner aus den besetzten Ländern in großer Anzahl in Konzentrationslagern gefangengehalten waren.

Im Jahre 1945 bat Hitler Jodl und Dönitz um ihre Meinung darüber, ob die Genfer Konvention gekündigt werden solle. Gemäß den Notizen, die über das Treffen der beiden militärischen Führer am 20. Februar 1945 gemacht worden sind, äußerte Dönitz sich dahingehend, daß die Nachteile eines solchen Schrittes die Vorteile überwiegen würden. Die Zusammenfassung von Dönitz' Einstellung, die sich aus den Notizen eines Offiziers ergibt, enthielt folgenden Satz:

»Es sei besser, die für notwendig gehaltenen Maßnahmen ohne Ankündigung zu treffen und nach außen hin auf alle Fälle das Gesicht zu wahren.« (C-158, GB-209.)29

Die Anklagevertretung hat darauf bestanden, daß mit den erwähnten »Maßnahmen« gemeint war, daß die Konvention nicht gekündigt, sondern einfach gebrochen werden solle. Die Erklärung der Verteidigung ist, daß Hitler die Konvention aus zwei Gründen brechen wollte: um den deutschen Truppen den Schutz der Konvention zu nehmen und sie auf diese Weise daran zu verhindern, sich in großen Gruppen den Briten und Amerikanern zu ergeben; und dann, um Repressalien wegen der alliierten Bombenangriffe gegen alliierte Kriegsgefangene zu gestatten. Dönitz behauptet, daß er mit »Maßnahmen« Disziplinarmaßnahmen gegen deutsche Truppen meinte, die verhindern sollten, daß sie sich ergaben, und daß sie sich nicht auf Maßnahmen gegen die Alliierten bezögen, daß dies lediglich ein Vorschlag gewesen sei und daß auf jeden Fall keinerlei derartige Maßnahmen weder gegen Alliierte noch gegen Deutsche jemals getroffen worden seien. Der Gerichtshof glaubt diese Erklärung jedoch nicht. Die Genfer Konvention ist allerdings von Deutschland nicht gekündigt worden. Die Verteidigung hat mehrere Affidavits vorgelegt, die beweisen sollen, daß gefangene britische Seeleute in unter Dönitz' Befehlsgewalt stehenden Lagern streng nach den Bestimmungen der Konvention behandelt worden sind. Der Gerichtshof trägt dieser Tatsache Rechnung und betrachtet sie als mildernden Umstand.